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ID1303600200

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    Plenarprotokoll 13/36 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 36. Sitzung Bonn, Freitag, den 12. Mai 1995 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 2817 A Nachträgliche Ausschußüberweisungen 2817 B Zusatztagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 106 GG) (Drucksachen 13/900, 13/1313) Dr. Theodor Waigel CDU/CSU 2817 D Rudolf Scharping SPD 2822 A Gert Willner CDU/CSU 2823 B Dr. Hermannn Otto Solms F.D.P. 2825 B Joachim Poß SPD 2827 D, 2837 A Detlev von Larcher SPD 2828 D Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2829 B Friedrich Merz CDU/CSU 2830 A Hans Michelbach CDU/CSU 2830 B Dr. Gregor Gysi PDS 2831 C Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU 2834 A, 2840 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 2834 D Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 2838 A Oskar Lafontaine, Ministerpräsident (Saarland) 2840 C Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/CSU 2841 C Dr. Günter Rexrodt, Bundesminister BMWi 2844 A Dietmar Thieser SPD 2845 B Jörg-Otto Spiller SPD 2845 C Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2846 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 2848 A Dr. Horst Waffenschmidt CDU/CSU 2848 C Volker Kröning SPD 2849 D Namentliche Abstimmung 2851 C/D Ergebnis 2852 A Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe Jens, Hans Berger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (Drucksache 13/384) Ernst Schwanhold SPD 2854 D Ernst Hinsken CDU/CSU 2857 C Margareta Wolf (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2860 D Ernst Hinsken CDU/CSU 2861 A Paul K. Friedhoff F.D.P 2862 B Rolf Kutzmutz PDS 2863 C Friedhelm Ost CDU/CSU 2864 C Dr. Heinrich L. Kolb, Parl. Staatssekretär BMWi 2866 C Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Hans-Dirk Bierling, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ulrich Irmer, Dr. Olaf Feldmann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.: Weitgehende Einsatzbeschränkungen für Landminen (Drucksache 13/1299) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Steffen Tippach, Andrea Lederer, weiterer Abgeordneter und der Gruppe der PDS: Weltweite Ächtung der Landminen (Drucksache 13/02) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Angelika Beer und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Achtung von Landminen (Drucksache 13/1304) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Volker Kröning, Uta Zapf, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verbot von Landminen und Unterstützung der Länder der Dritten Welt bei der Lösung ihrer Probleme durch Minen und andere gefährliche Munition (Drucksache 13/1308) Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU 2868 C Volker Kröning SPD 2870 C Angelika Beer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2872 B Dr. Olaf Feldmann F.D.P 2873 B Steffen Tippach PDS 2874 C Helmut Schäfer, Staatsminister AA 2875 B Nächste Sitzung 2876 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2877* A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Joseph Fischer (Frankfurt), Kerstin Müller (Köln), Rita Grieshaber, Winfried Nachtwei, Oswald Metzger und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1995 auf Drucksache 13/889 in der 29. Sitzung am 28. März 1995 (Seiten 2124 A bis 2126 C) 2877* B Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Christian Lenzer (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushalts 1995 - Haushaltsgesetz 1995 -, hier Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes, Drucksachen 13/504 und 13/527 in der 31. Sitzung am 30. März 1995 (Seiten 2433 C bis 2435 D) 2877* C Anlage 4 Amtliche Mitteilung 2877* C 36. Sitzung Bonn, Freitag, den 12. Mai 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 12. 05.95 Hartmut Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 12.05.95 Genscher, Hans-Dietrich F.D.P. 12. 05. 95 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 12. 05. 95 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 12. 05. 95 Dr. Jens, Uwe SPD 12. 05. 95 Dr. Graf Lambsdorff, Otto F.D.P. 12. 05. 95 Marx, Dorle SPD 12. 05. 95 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 12. 05. 95 90/DIE GRÜNEN Müller (Düsseldorf), SPD 12. 05. 95 Michael Dr. Scheer, Hermann SPD 12. 05. 95* Schönberger, Ursula BÜNDNIS 12.0 5. 95 90/DIE GRÜNEN Terborg, Margitta SPD 12. 05. 95 Wolf, Hanna SPD 12. 05. 95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Joseph Fischer (Frankfurt), Kerstin Müller (Köln), Rita Grieshaber, Winfried Nachtwei, Oswald Metzger und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1995 auf Drucksache 13/889 in der 29. Sitzung am 28. März 1995 (Seiten 2124 A bis 2126 C) Ich erkläre, daß ich in der namentlichen Abstimmung mit Nein gestimmt habe. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Christian Lenzer (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushalts 1995 - Haushaltsgesetz 1995 -, hier Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes, Drucksachen 13/504 und 13/527 in der 31. Sitzung am 30. März 1995 (Seiten 2433 C bis 2435 D) Ich erkläre, daß ich in der namentlichen Abstimmung mit Ja gestimmt habe. Anlage 4 Amtliche Mitteilung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen haben oder von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/478 Nr. 2.5 Drucksache 13/478 Nr. 2.7 Drucksache 13/218 Nr. 39 Drucksache 13/343 Nr. 2.21 Drucksache 13/614 Nr. 2.8 Drucksache 13/614 Nr. 2.15 Drucksache 13/343 Nr. 1.2 Drucksache 13/343 Nr. 1.3 Drucksache 13/343 Nr. 1.4 Drucksache 13/343 Nr. 1.5 Drucksache 13/343 Nr. 1.6 Drucksache 13/343 Nr. 2.2 Drucksache 13/343 Nr. 2.4 Drucksache 13/343 Nr. 2.6 Drucksache 13/343 Nr. 2.11 Drucksache 13/343 Nr. 2.14 Drucksache 13/343 Nr. 2.15 Drucksache 13/343 Nr. 2.16 Drucksache 13/343 Nr. 2.18 Drucksache 13/343 Nr. 2.25 Drucksache 13/343 Nr. 2.26 Ausschuß für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 13/725 Nr. 171 Drucksache 13/725 Nr. 172 Ausschuß für Post und Telekommunikation Drucksache 13/218 Nr. 102 Ausschuß für Verkehr Drucksache 13/614 Nr. 2.17 Innenausschuß Drucksache 13/45 Drucksache 13/269 Nr. 1.2 Drucksache 12/2582 Auswärtige Ausschuß Drucksache 13/343 Nr. 1.1
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    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In meiner Eigenschaft als Abgeordneter darf ich Sie zu dieser denkwürdigen Debatte herzlich begrüßen.
    Im Mittelpunkt der Finanzpolitik der Bundesregierung steht die Zukunft des Standorts Deutschland. Die internationalen Verflechtungen werden enger, die Konkurrenz auf den Weltmärkten wird schärfer. Wer sich auf diese Rahmenbedingungen nicht rechtzeitig einstellt und nicht entsprechend politisch handelt, gefährdet das Wirtschaftswachstum in Deutschland, verhindert Investitionen und die Schaffung von zukunftssicheren Arbeitsplätzen im nächsten Jahrzehnt.
    Wir stellen uns dieser Zukunftsaufgabe. Es wird sich heute zeigen, ob die Opposition auf Taktieren vor den Landtagswahlen verzichtet und sich der Verantwortung für Deutschland stellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Nach letzten Äußerungen aus Ihren Reihen wollen Sie weder den Reformbedarf bei der Gewerbesteuer

    Dr. Theodor Waigel
    noch die historische Chance einer quantitativen und qualitativen Verbesserung der Gemeindefinanzen sehen. Das verwundert sehr, wenn man die Auffassungen der Finanzpolitiker der SPD und auch der SPD-regierten Länder wirklich kennt.
    Die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer ist auch ihr erklärtes politisches Ziel, zumindest für später. Wenn Sie sich heute verweigern, so geschieht dies aus rein wahltaktischen Gründen und hat nichts mehr mit verantwortungsvoller Politik zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD Detlev von Larcher [SPD]: Unwahrheit!)

    Sie verweigern den Kommunen eine Beteiligung an der Umsatzsteuer, die deren finanzielle Basis sichert und auch von der SPD befürwortet wurde. Ihr Abstimmungsverhalten am heutigen Tag kann eine Einführung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Ländern zur Folge haben. Aber dies scheint Ihnen egal zu sein.
    Meine Damen und Herren, es kann doch wohl nicht wahr sein, daß wir durch eine solche Entscheidung und durch Nichthandeln im Jahr 1995 die Gewerbekapitalsteuer im Jahr 1996 in den neuen Bundesländern mit einem ungeheueren Verwaltungsaufwand einführen müssen, um sie ein Jahr oder zwei Jahre später wieder abzuschaffen. An diesem Treppenwitz der Steuerpolitik können Sie doch nicht mitwirken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Widerspruch bei der SPD Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Es kommt so!)

    - Wenn dies so kommt, dann regiert Wahltaktik über finanzpolitische Vernunft.

    (Lachen bei der SPD)

    Daran können auch bessere Einsichten in den eigenen Reihen, die Ratschläge seitens der Wissenschaft, der Kommunen und der Wirtschaftsverbände anscheinend nichts ändern.
    Auch wenn Ihre Linie schon festgelegt ist und auch wenn Sie die Ablehnung der heute vorgeschlagenen Gesetzesänderung angekündigt haben, appelliere ich doch noch einmal an Sie: Überlegen Sie es sich gut, welche Verantwortung Sie für die Wirtschaft und für die Gemeinden mit ihrer Ablehnung übernehmen. Mit dem Jahressteuergesetz 1996 wollen wir den Standort Deutschland auf den Weltmärkten über dieses Jahrzehnt hinaus sichern und stärken.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Hui! Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Die von den Koalitionsfraktionen vorgeschlagene Grundgesetzänderung ist der Schlüssel dafür, in der nun schon jahrzehntelang andauernden Diskussion um die Gewerbesteuer und einer Reform der Gemeindefinanzen jetzt endlich einen entscheidenden Schritt zu tun.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Überhöhen Sie das doch nicht! Sie wissen es doch besser!)

    Deutschland muß als Investitions- und Arbeitsplatzstandort Zukunft haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Dies liegt insbesondere im Interesse der Gemeinden. Hier haben wir in den letzten Jahren bereits Entscheidendes auf den Weg gebracht.
    Erster Schritt: Im Steueränderungsgesetz 1992 gab es deutliche Entlastungen bei den ertragsunabhängigen Steuern, insbesondere bei der betrieblichen Vermögensteuer und bei der Gewerbesteuer.
    Zweiter Schritt: Mit dem Standortsicherungsgesetz kam es zu spürbaren Senkungen des Einkommensteuerhöchstsatzes für gewerbliche Einkünfte und der Körperschaftsteuersätze.
    Jetzt muß der dritte Schritt folgen. Die Gewerbesteuer ist nach ihrer Abschaffung in Österreich - übrigens unter einem sozialdemokratischen Kanzler und unter einem sozialdemokratischen Finanzminister -

    (Zuruf von der F.D.P.: Mehr Sachverstand!)

    noch mehr zu einer international isolierten Sonderbelastung der Unternehmen in Deutschland geworden.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Gewerbekapitalsteuer soll daher ganz abgeschafft werden, und die Gewerbeertragsteuern sollen mittelstandsfreundlich gesenkt werden. Hier wollen wir die Steuermeßzahlen linear um 10 % senken. Dazu kommt eine Ausweitung der Freibeträge für Personengesellschaften und eine Progressionsmilderung innerhalb der Tarifstaffel für Personenunternehmen.
    Die Öffnung der Verfassung für eine Umsatzsteuerbeteiligung der Gemeinden ermöglicht zugleich eine Reform der Gemeindefinanzen. Das sehen auch die Kommunen - trotz Unterschieden in ihren eigenen Reihen - als eine historische Chance. Sie ist durchaus vergleichbar mit der ersten großen Finanzreform unter Finanzminister Franz Josef Strauß Ende der 60er Jahre.

    (Ministerpräsident Oskar Lafontaine [Saarland]: Das waren noch Zeiten! Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    - Meine Damen und Herren, das muß nachträglich in die Erinnerungen von Franz Josef Strauß aufgenommen werden, daß der Ministerpräsident des Saarlands bei Nennung des Namens Franz Josef Strauß sagt: „Das waren noch Zeiten! "

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Zurufe von der SPD)


    Dr. Theodor Waigel
    - Er wird, lieber Herr Lafontaine, wohlgefällig auf Sie heruntersehen

    (Heiterkeit im ganzen Hause Zurufe von der SPD: Zu Ihnen heraufsehen!)

    und sagen: Auch Oskar hat hinzugelernt.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich erinnere noch einmal an die damals für die Gemeinden wichtigsten Punkte: Verbesserung des Gemeindefinanzsystems und spürbare Stärkung der Finanzkraft der Gemeinden durch eine 14%ige Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer - im Gegenzug gab es die Einführung der Gewerbesteuerumlage -, Schaffung der verfassungsrechtlichen Grundlage für die Mitfinanzierung des Bundes an gemeindlichen Investitionen und Stärkung der verfassungsrechtlichen Stellung der Gemeinden, nämlich unmittelbare Zuweisung des Aufkommens der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern durch das Grundgesetz an die Gemeinden und die grundgesetzliche Verankerung des Hebesatzrechts für die Realsteuern.
    Diese Reform hat die Finanzsituation der Gemeinden durchgreifend gestärkt. Ähnlich positive Wirkungen hätte auch die jetzt von uns geplante Reform. Die Beteiligung an der Umsatzsteuer wird die Einnahmestruktur der Gemeinden nachhaltig verbessern. Die Umsatzsteuer ist eine dynamisch wachsende Einnahmequelle. Im Gegensatz zur Gewerbesteuer ist sie weitgehend konjunkturunabhängig. Die Gemeinden müssen nicht mehr vor jedem Konjunktureinbruch zittern, mit dem die Gewerbesteuereinnahmen abrupt zurückgehen. Damit entfällt ein Hauptgrund für das konjunkturell negativ zu bewertende prozyklische Ausgabenverhalten der Gemeinden. Die Vereine und insbesondere die kulturellen Einrichtungen vor Ort brauchen nicht jedes Mal um ihre gemeindlichen Zuschüsse zu bangen, die jederzeit drastisch zusammengestrichen werden können. Mehr Planungssicherheit ist die Folge.
    Modellrechnungen haben übrigens ergeben: Die Gemeinden hätten in Folge der Wachstumsdynamik der Umsatzsteuer bis zum Jahr 1995 Mehreinnahmen von über 2 Milliarden DM gehabt, wenn die von der Bundesregierung beabsichtigte Reform schon 1991 verwirklicht worden wäre. Wenn man zusammenrechnet, was die Gemeinden zusätzlich bekämen, wenn die Reform durchgeführt wird, so sind es von 1996 bis 1999 wieder mehr als 2 Milliarden DM. Sie werden die Fragen der Kommunalpolitiker beantworten müssen, warum ihnen diese Einnahmeverbesserung verwehrt wird: durch ein negatives Votum der SPD.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Detlev von Larcher [SPD]: Das können wir! Da brauchen Sie keine Sorge zu haben!)

    Die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer ist nicht neu. Wir haben sie bereits im Steueränderungsgesetz 1992 als Entwurf gehabt. Es ist dann wenigstens gelungen, der Vernunft wenigstens halbwegs gehorchend, sie in den neuen Bundesländern nicht einzuführen.
    Mit dem Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft sind die bedeutsamsten Steuern heute die Umsatz- und die Lohn- und Einkommensteuer. Mit der vorgeschlagenen Beteiligung der Gemeinden an der Umsatzsteuer und dem bereits bestehenden Anteil an der Einkommensteuer werden die Gemeinden an diesen beiden Steuern maßgeblich beteiligt sein.
    Der Vorschlag der Koalition sichert das kommunale Finanzfundament weit über dieses Jahrzehnt hinaus. Auch in Zukunft werden die Gemeinden den Großteil ihrer Einnahmen eigenverantwortlich gestalten können. Ihr Hebesatzrecht bei der verbleibenden Gewerbe- und Grundsteuer bleibt unangetastet. Natürlich mindert sich das Volumen der durch Hebesätze eigenverantwortlich festgelegten Einnahmen durch die Reform. Aber viele Gemeinden halten eine stetig fließende Umsatzsteuer für weitaus wertvoller als eine wenig berechenbare Gewerbesteuer, deren Entwicklung von der Konjunktur und manchmal sogar von der Ertragssituation nur eines einzigen größeren Unternehmens vor Ort abhängt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die mit der Gewerbesteuerreform verknüpfte Grundgesetzänderung muß jetzt entschieden werden. Am - ich erwähnte es vorhin - 31. Dezember 1995 läuft die Aussetzung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Bundesländern aus. Wenn Vertreter der SPD behaupten, man müsse jetzt auch die Ostkommunen an dieser wichtigen Einnahmequelle beteiligen, dann ist das schlichtweg unverantwortlich. Die Einführung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Bundesländern hätte schwerwiegende Konsequenzen für die Unternehmen, für die Arbeitsplätze und für die Steuerverwaltung in den neuen Bundesländern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Steuerverwaltung müßte zur Ermittlung des Gewerbekapitals zunächst einmal die Einheitswerte für die Betriebsgrundstücke feststellen. Dafür fehlen in den meisten Fällen die entsprechenden Unterlagen. Diese zeitraubende und verwaltungsaufwendige Arbeit kann mit dem vorhandenen Personal nicht durchgeführt werden. Nach Schätzung der Deutschen Steuergewerkschaft müßten Tausende von neuen Beamten eingestellt werden.

    (Joachim Poß [SPD]: Wie steht es mit der Nutzung der Schätzungen?)

    - Sie benützen sie doch auch. Da darf ich sie doch auch benützen.

    (Joachim Poß [SPD]: 130 Milliarden Steuern werden hinterzogen!)

    - Entschuldigung, im Gegensatz zu Ihnen nehmen wir Kritik auf und bauen sie auch in unsere Vorschläge ein,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


    Dr. Theodor Waigel
    während Sie in einer stupiden Ablehnung verharren. Das ist der große Unterschied.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Lachen bei der SPD Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Wir können Sie eines Besseren belehren!)

    Die Unternehmen müßten einen Großteil der notwendigen Daten zunächst in einem aufwendigen Verfahren selbst bereitstellen, statt sich auf ihre eigentliche unternehmerische Tätigkeit und damit auf die Schaffung von Arbeitsplätzen zu konzentrieren. Die entstehenden Gewerbesteuerbelastungen wären für die betroffenen Unternehmen beträchtlich. Dort, wo noch kein Gewinn erzielt wird, müßte die Gewerbekapitalsteuer aus der Substanz oder mit neuen Krediten gezahlt werden.

    (Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Sehr richtig!)

    Völlig grotesk ist die Situation, wenn die öffentliche Hand in den neuen Bundesländern mit der einen Hand langfristige Darlehen zur Existenzgründung, -erweiterung und -sicherung oder zur Umschuldung eines Betriebes gibt und mit der anderen Hand die Kommune die Gewerbekapitalsteuer aus eben diesen Darlehen kassiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Joachim Poß [SPD]: Das hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun!)

    Wenn der Fraktionsvorsitzende der SPD angesichts dieser Tatsachen das Problem der Einführung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Bundesländern als Unfug oder vorgeschoben bezeichnet, ist dies falsch und zynisch zugleich.
    Die Koalition will die Gewerbekapitalsteuer in den neuen Bundesländern nicht einführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie müssen auch klar sehen, daß eine Verlängerung der Aussetzung über 1995 hinaus von der EU-Kommission abgelehnt wird und wir in eine ganz schwielige Situation kämen.

    (Anhaltende Zurufe von der SPD)

    - Beruhigen Sie sich doch! Haben Sie noch keinen Kaffee in der Frühe gehabt, daß Sie so nervös sind?

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Ich frage Sie, welcher deutsche Steuerzahler und Unternehmer das verstehen soll: Zum einen werden Investitionen in den neuen Ländern aus guten Gründen massiv steuerlich gefördert. Zum anderen wird eine Einführung der Gewerbekapitalsteuer zu massiven steuerlichen Zusatzbelastungen der Unternehmen führen. Die im Jahressteuergesetz vorgesehenen Fördermaßnahmen wie Investitionszulage. oder Sonderabschreibung, die ja fortgeführt werden, werden damit konterkariert.
    Die Umsatzsteuerbeteiligung der Gemeinden in Höhe von 2,7 % ist der richtige Weg. Er berücksichtigt die Interessenlage von Wirtschaft und Gemeinden. Meine Damen und Herren, es ist für uns ganz entscheidend, daß auch künftig der Verbund zwischen örtlicher Politik und Wirtschaft erhalten bleibt und daß diejenigen Gemeinden profitieren, die heute den Mut haben, mit einem wirtschaftsfreundlichen Klima für die bestehenden Unternehmen etwas zu tun und für die Ansiedlung weiterer Unternehmen Sorge zu tragen. Genau dies wird erreicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In der Anhörung des Rechts- und des Finanzausschusses des Bundestages vor 14 Tagen haben kommunale Vertreter, Sachverständige, die Vertreter der Finanzwissenschaft und der Wirtschaftsverbände den Gesetzentwurf der Koalition begrüßt.

    (Lebhafter Widerspruch bei der SPD Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Unwahrheit! Die haben ihn verrissen!)

    - Aber natürlich!

    (Anhaltende Zurufe des Abg. Detlev von Larcher [SPD] Gegenruf von der CDU/ CSU: Hansaplast für den Zwischenschreier! Dr. Barbara Hendriks [SPD]: Herr Waigel, Sie sind doch gar nicht dort gewesen!)

    Durch die vorgesehene Verteilung der Umsatzsteuer nach einem orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssel bleibt das Interessenband zwischen Gemeinden und Wirtschaft gewahrt. Auch künftig können die Gemeinden durch eine aktive, wirtschaftsbezogene Politik, durch die kommunalen Standortfaktoren die Höhe ihrer Steuereinnahmen selbst beeinflussen.
    Gegenwärtig stehen präzise Daten für einen derartigen Verteilungsschlüssel noch nicht zur Verfügung. Sie können auch bis 1996 nicht beschafft werden. Dazu bedarf es umfangreicher statistischer Vorarbeiten. Deshalb ist zunächst eine Übergangsregelung für die Jahre 1996 bis 1999 vorgesehen, die den Besitzstand der Gemeinden voll wahrt und bei einem Wachstum des Umsatzsteueraufkommens sogar noch vermehrt. Den Kommunen in den neuen Ländern soll ein Zuschlag von 25 % auf ihre Gewerbeertragsteuereinnahmen gewährt werden, um eine Benachteiligung durch die bisher nicht erhobene Gewerbekapitalsteuer zu vermeiden.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ab dem Jahr 2000 kann dann mit dem neuen orts-
    und wirtschaftsbezogenen Verteilungsschlüssel gearbeitet werden.
    Aus meinen Gesprächen mit den kommunalen Spitzenverbänden weiß ich: Bedenken auf kommunaler Ebene gegenüber dem jetzigen Vorschlag sind hauptsächlich in der Sorge um mögliche Verlierergemeinden begründet. Richtig ist: Allein in dem Übergangszeitraum von 1996 bis 1999 erhalten die Kommunen durch die Beteiligung an der Umsatzsteuer Mehreinnahmen von über 2 Milliarden DM.
    Auch im Hinblick auf die endgültige Regelung ab dem Jahr 2000 hat keine Gemeinde als Folge der Reform eine Schlechterstellung zu erwarten. Kommt hingegen heute die Zweidrittelmehrheit für die Grundgesetzänderung nicht zustande, weiß jede

    Dr. Theodor Waigel
    Kommune, was sie verliert und wer dafür verantwortlich ist. Die SPD ist dann dafür verantwortlich, daß in den nächsten Jahren 2 Milliarden DM den Gemeinden nicht zufließen. Das ist die Wahrheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Lachen bei der SPD)

    Leider werden nicht nur bei der Gemeindefinanzreform, sondern auch bei der Diskussion um die Gewerbesteuer gezinkte Karten verwendet.

    (Joachim Poß [SPD]: Sie sind doch der Oberzinker!)

    - Herr Präsident, es scheint eine sehr urige Seite zu sein, von der Sie normalerweise kommen.


Rede von Hans-Ulrich Klose
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich traue Ihnen zu, Herr Kollege Waigel, daß Sie das schon unter Kontrolle bekommen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident, Ihr Vertrauen ehrt mich. Es besteht zu Recht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Es ist falsch, zu behaupten, der Wegfall der Gewerbekapitalsteuer entlaste nur Großbetriebe. Die geplante Einschränkung der degressiven Abschreibung belastet auch keinesfalls hauptsächlich kleine und mittlere Betriebe. Wenn man den Handwerker um die Ecke fragt, wird er sagen können: Auch die kleinen und mittleren Unternehmen zahlen Gewerbesteuer. Gewerbekapitalsteuer fällt bereits ab einem Gewerbekapital von 120 000 DM an. Die Gewerbeertragsteuer belastet oberhalb des Freibetrags von 48 000 DM gerade die mittelständischen Betriebe. In vielen Fällen ergibt sich auch durch die Zurechnung von Dauerschulden schon bei einem Einheitswert des gewerblichen Betriebs von weniger als 100 000 DM die Gewerbekapitalsteuerpflicht. 57 % aller gewerblichen Betriebe haben einen Einheitswert von mehr als 100 000 DM. Übrigens: Investitionsentscheidungen von Großbetrieben kommen auch kleinen und mittleren Zulieferern zugute. Umgekehrt benachteiligt die Verlagerung von Großbetrieben in das Ausland auch kleine und mittlere Zulieferer.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wir verbessern die Standortbedingungen für die Unternehmen auf breiter Front. Wenn Sie, Herr Scharping, mir vorwerfen, von der Gewerbesteuerreform würden vor allem die exportorientierten Unternehmen profitieren, kann ich nur sagen: Wie wollen Sie eigentlich den Wirtschaftsstandort Deutschland für die Unternehmen attraktiv halten?