Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin nach wie vor ein bißchen Neuling hier. Trotzdem habe ich bei der Behandlung der Gesetzesinitiativen zum Altschuldenhilfe-Gesetz einiges gelernt.
Das Fazit ist: Es hat sehr qualifizierte Diskussionen gegeben - das muß man sagen -, sehr kontroverse, aber auch sehr engagierte und mit sehr viel Erfahrung angereichert. Im Endeffekt jedoch ist das, was Beschlußempfehlung ist, zu kurz gegriffen. Wenn das beschlossen wird, wird es die Probleme nicht lösen.
Das zweite, was ich gelernt habe - das habe ich aber eigentlich schon in den letzten vier Jahren in Berlin gelernt -, ist die Unerbittlichkeit, mit der danach gestrebt wird, die Menschen im Osten auf Deubel komm raus nach der Fasson der Westler selig zu machen. Diese Unerbittlichkeit verunsichert und irritiert immer wieder. Warum wird den Menschen nicht mehr Gestaltungsraum gegeben, ihre Länder, ihre Städte und Gemeinden und auch ihr Wohnen nach ihrer Fasson zu gestalten?
Ich bitte darum, daß die Menschen in den neuen Ländern wirklich ernstgenommen werden, daß man mit mehr Einfühlung vorgeht und nicht immer vorschnelle Urteile fällt.
- Ihre Fraktionen leider, Herr Mahlo, das ist so. Es tut mir leid. Ich habe jetzt wirklich kapiert, wie es funktioniert. Früher habe ich gedacht, die Zeitungen würden immer nur Nachteiliges darüber schreiben, wie es im Bundestag abläuft. Aber ich lerne, daß es tatsächlich so funktioniert.
Ich komme zur Sache. Es ist auf unseren Antrag hin immerhin gelungen, eine doch sehr qualifizierte Anhörung zum Problem Altschuldenhilfe-Gesetz und
Franziska Eichstädt-Bohlig
zu den praktischen Erfahrungen durchzuführen. Leider war sie nicht öffentlich, aber immerhin. Ich möchte noch einmal sagen, was die wesentlichen Punkte in unserer Gesetzesinitiative waren; denn der Antrag wird heute niedergestimmt.
Der erste Punkt ist: Wir haben das Prinzip der Altschulden grundsätzlich akzeptiert.
Der zweite Punkt ist - das schließt an das an, was ich eingangs gesagt habe -: Wir plädieren sehr stark dafür, gemeinschaftliche Formen der Privatisierung wie Hausgemeinschaften und neue Genossenschaften dem Individualeigentum gleichzustellen, und zwar ohne, wie es die Koalitionsfraktionen machen, gleich wieder den Druck auszuüben: Ihr müßt perspektivisch doch ins Einzeleigentum gehen. Diese anderen Formen müssen gleichwertig anerkannt werden. Sie sind, wie Herr Großmann schon gesagt hat, sehr wichtige Eigentumsformen.
Der dritte Punkt: Genossenschaften, die eigentlich privat sind, müssen von der Privatisierungspflicht befreit werden, und zwar ganz. Wenn sie aus eigenem Antrieb privatisieren wollen, dann ist das ihre Entscheidung. Aber es muß nicht sein, daß der Gesetzgeber sie dazu nötigt.
Der vierte Punkt: Ausnahmeregelungen für kleine Gesellschaften und auch für andere, bei denen die Probleme so groß sind, daß die Privatisierungspflicht an sich widersinnig ist, halten wir nach wie vor für eine sehr wichtige Forderung.
Der nächste Punkt - es ist sehr schade, daß er zuwenig diskutiert worden ist -: Wir sind nach wie vor der Meinung, daß, wenn man schon über das Altschuldenhilfe-Gesetz Aktivitäten in die neuen Länder hineinbringen will, dann bitte auch Mitbestimmungsrechte und umgekehrt Mitbestimmungsverpflichtungen für die Gesellschaften.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Wir hätten uns gewünscht, daß auch mehr über § 12 des Altschuldenhilfe-Gesetzes diskutiert worden wäre, nämlich über die Belegrechte für die Kommunen. Wir sind noch immer der Auffassung, daß die Belegrechte, wie sie dort ausgewiesen werden, nämlich in Form von Höchstgrenzen - maximal 50 % bis maximal zum Jahre 2013 -, viel zu dürftig sind. Das ist praktisch der Rest an Gemeinnützigkeit und an Sozialem, was für den Ostwohnungsbestand übrigbleibt. Das ist zuwenig.
Wir haben uns entschieden gegen das Zwischenerwerbermodell gewandt und tun das auch nach wie vor. Das Schreiben, das Sie, Herr Nagel, geschickt haben - das sage ich als Kritik an der SPD -, bestätigt an sich unsere Vorbehalte, daß das Zwischenerwerbermodell doch zum großen Teil eine Privatisierungsform in Richtung Kapitalanleger West wird. Es ist ja inzwischen vom Lenkungsausschuß beschlossen, nur ein Drittel muß an die Mieter privatisiert werden, zwei Drittel können einmal wieder an Kapitalanleger und sonstige an Eigentum Interessierte gehen.
Der letzte Punkt - er ist, glaube ich, in der heutigen Debatte der wichtigste -: Wir haben uns dezidiert, genauso wie die SPD und eigentlich alle nachdenklichen Experten, für die lineare Erlösabfuhr ausgesprochen. Ich bedauere sehr, daß die CDU/ CSU-Fraktion und die F.D.P.-Fraktion sich diesem Problem nach wie vor nicht stellen wollen. Ich bin sicher: Sie werden heute gegen den Ergänzungsantrag der SPD stimmen, den ich für sehr wichtig und sehr richtig halte und bei dem ich zum erstenmal, obwohl ich sonst sehr dagegen bin, deutlich für eine große Koalition werben möchte. Ich erwarte aber, daß Sie dagegen stimmen werden. Damit wird das Thema in spätestens einem Jahr wieder auf der Tagesordnung sein. Das halte ich für keine gute Politik. Denn die Probleme für die ostdeutschen Gesellschaften und letztlich auch für die Mieter, die vor der Entscheidung stehen, bleiben im Endeffekt bestehen.
Ich möchte noch einmal dafür werben: Überlegen Sie es sich noch einmal in den paar Minuten, die wir noch bis zur Abstimmung haben, ob wir nicht wenigstens in diesem einen Punkt das Problem heute vom Tisch bekommen und Sie dem Antrag der SPD an dieser Stelle zustimmen können. Wir werden das tun, auch als Signal an die Menschen und die Wohnungsbaugesellschaften im Osten.
Ich möchte einen allerletzten Punkt anführen - meine Redezeit ist zu Ende -, der sich auf die Altschuldenhöhe, die Zinshöhe und die Lasten bezieht. Wir sehen nach wie vor nicht ein, warum marktorientierte Zinsen von Banken genommen werden müssen, die eigentlich öffentliche Banken sind oder waren, und daß mit diesen Banken ein schwunghafter Handel getrieben wird, wie jetzt mit dem Transfer der Deutschen Kreditbank auf die Bayerische Landesbank. Wir sind der Meinung, die Regierung müßte intensiv mit dem Ziel verhandeln, daß es in dieser Beziehung begünstigte Zinsen gibt.
Eine letzte Forderung: Es muß mindestens drei Monate Aufschub beim Zinsendienst und der Tilgung geben. Sie haben nämlich das ganze Mietüberleitungsgesetz verschleppt, und jetzt stehen die ostdeutschen Gesellschaften vor der Situation, daß sie die Zinsen und die Tilgung für die Altschulden bezahlen sollen, weil Sie mit dem Magdeburger Beschluß nicht zu Potte gekommen sind. Das halte ich für unseriöse Politik.