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    Plenarprotokoll 13/30 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 30. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. März 1995 Inhalt: Tagesordnungspunkt I: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 (Haushaltsgesetz 1995) (Drucksachen 13/50, 13/414) Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 13/506, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksachen 13/524, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung (Drucksachen 13/525, 13/527) Uta Titze-Stecher SPD 2131 D Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . 2136A Uta Titze-Stecher SPD 2136C Günter Graf (Friesoythe) SPD . . . 2137A Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2138D Ina Albowitz F.D.P. 2140C Ulla Jelpke PDS 2143C Manfred Kanther, Bundesminister BMI 2145A Dr. Winfried Wolf PDS . 2147B Otto Schily SPD . . . . . . . . . 2148A Erwin Marschewski CDU/CSU 2150 B Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. . . . . 2151 D Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 13/507, 13/527) in Verbindung mit Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksache 13/527) Gunter Weißgerber SPD 2153 D Manfred Kolbe CDU/CSU 2156 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2158A Detlef Kleinert (Hannover) F.D.P. . . . 2159C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2159D Uta Titze-Stecher SPD . . . . . . . 2160 B Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 2161 B Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . 2162B Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 2164 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 2166B Norbert Geis CDU/CSU 2167 B Hermann Bachmaier SPD 2167 D Otto Schily SPD 2168 B Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Drucksachen 13/511, 13/527) Dr. Konstanze Wegner SPD 2169 B Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU 2172 C Uta Titze-Stecher SPD 2174 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2174D Dr. Gisela Babel F.D.P 2175B, 2192D Ina Albowitz F.D.P. 2178A Dr. Heidi Knake-Werner PDS 2179D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 2181 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2182C Dr. Gisela Babel F.D.P 2184D Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 2186A Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2187C Marieluise Beck (Bremen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . 2189C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 2190A Ottmar Schreiner SPD 2190 B Volker Kauder CDU/CSU 2191 A Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . 2194A Horst Seehofer CDU/CSU 2195A Jürgen W. Möllemann F.D.P. 2196D Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . . . 2197 C Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (Drucksachen 13/522, 13/527) Dieter Schanz SPD 2200 D Steffen Kampeter CDU/CSU 2204 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2206B Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P 2207 C Dr. Ludwig Elm PDS 2209 A Christian Lenzer CDU/CSU 2210B Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister BMBF . . . . . . . . . . . . . . . 2211 C Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Drucksachen 13/517, 13/527) Siegrun Klemmer SPD . . . . 2215A Peter Jacoby CDU/CSU . . . . . . . . 2219B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . 2221 A Heinz Lanfermann F.D.P 2222 B Heidemarie Lüth PDS 2223 D Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 2224 C Christel Hanewinckel SPD 2226 A Maria Eichhorn CDU/CSU 2227 C Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit (Drucksachen 13/515, 13/527) Gerhard Rübenkönig SPD . . . . . . 2228 D Roland Sauer (Stuttgart) CDU/CSU . . . 2232B Uta Titze-Stecher SPD 2232 C Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2234 D Dr. Dieter Thomae F.D.P 2236B Dr. Ruth Fuchs PDS 2237 C Horst Seehofer, Bundesminister BMG 2238 C, 2243 C Monika Knoche BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2239 A Klaus Kirschner SPD 2239 D Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . 2243 A Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 13/516, 13/527) Eckart Kuhlwein SPD 2244 A Arnulf Kriedner CDU/CSU 2247 A Kristin Heyne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2249 A Steffen Kampeter CDU/CSU 2250C Birgit Homburger FD P. 2250D Rolf Köhne PDS 2253 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMU . . . . . . . . . . . . . . . . 2253D Ulrike Mehl SPD 2256 A Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/ CSU . . . . . . . . . . . . . . . 2257 C Uta Titze-Stecher SPD 2258 B Einzelplan 25 Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Drucksachen 13/521, 13/527) Dr, Rolf Niese SPD 2259C Herbert Frankenhauser CDU/CSU . . 2262D Dieter Pützhofen CDU/CSU 2263 B Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2265 C Jürgen Koppelin F.D.P 2267 A Klaus-Jürgen Warnick PDS 2268 C Gert Willner CDU/CSU 2269 B Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMBau 2271 A Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr (Drucksachen 13/512, 13/527) Hans Georg Wagner SPD 2274 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2278B, 2280 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU 2279 B Rainder Steenblock BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . 2281D Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . 2283 B Dr. Dionys Jobst CDU/CSU 2283 D Horst Friedrich F.D.P. . . . . . .. . 2284 B Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . 2285 C Matthias Wissmann, Bundesminister BMV 2287B Einzelplan 13 Bundesministerium für Post und Telekommunikation (Drucksachen 13/513, 13/527) Hans Martin Bury SPD 2289 D Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU 2294 C Dr. Manuel Kiper BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2296C Jürgen Koppelin F.D.P 2298 A Gerhard Jüttemann PDS 2299 B Dr. Wolfgang Bötsch, Bundesminister BMPT 2300C Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 13/510, 13/527) Ilse Janz SPD 2302D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 2307 B Ulrike Höfken-Deipenbrock BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 2309 C Dr. Günther Maleuda PDS . . . . 2310 D Meinolf Michels CDU/CSU 2311D Jochen Borchert, Bundesminister BML 2313A Erweiterung der Tagesordnung 2315A Zusatztagesordnungspunkt: Beratung des Antrages der PDS: Einladung von Repräsentanten aller Länder, die Opfer des von Nazi-Deutschland ausgegangenen Aggressionskrieges wurden (Drucksache 13/965) . . 2315 A Nächste Sitzung 2315 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 2317* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 22 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 12 - Bundesministerium für Verkehr) Dr. Dagmar Enkelmann PDS 2317* A Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 23 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 13 - Bundesministerium für Post und Telekommunikation) Elmar Müller (Kirchheim) CDU/CSU , 2318* A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 24 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . 2319* C 30. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 29. März 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 29. 03. 95 Büttner (Ingolstadt), SPD 29. 03. 95 Hans Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 29. 03. 95 Hartmut Gansel, Norbert SPD 29. 03. 95 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 29. 03. 95 Heym, Stefan PDS 29. 03. 95 Meißner, Herbert SPD 29. 03. 95 Tippach, Steffen PDS 29. 03. 95 Vergin, Siegfried SPD 29. 03. 95 Welt, Jochen SPD 29. 03. 95 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 22 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 12 - Bundesministerium für Verkehr) Dr. Dagmar Enkelmann (PDS): „Die Völker erwarten von uns, daß wir die notwendigen Beschlüsse fassen, um sie vor drohendem Schaden zu bewahren", so wird Umweltministerin Merkel aus ihrer Eröffnungsrede der Klimakonferenz zitiert. Wenn ich mir einerseits solch beschwörende Reden anhöre und andererseits die nackten Tatsachen dieses Haushalts betrachte, kann ich mich nur wundern. Wo, bitte schön, sind denn die „notwendigen Beschlüsse", die eine Klimakatastrophe vielleicht noch abwenden könnten? Ist das vielleicht der Beschluß, die Mittel für Investitionen in die Schiene um mehr als eine halbe Milliarde DM zu kürzen und die vorgesehenen Kürzungen für Straßenbauinvestitionen wieder um 350 Millionen DM zurückzunehmen? Ist damit vielleicht der Beschluß gemeint, in diesem Land, das ohnehin über eines der dichtesten Straßennetze der Welt verfügt, jährlich über 8 Milliarden DM in Straßen zu investieren? Die Glaubwürdigkeit dieser Bundesregierung ist wirklich keinen Pfifferling mehr wert. Sie heften sich den Rückgang der CO2-Emissionen stolz als Erfolg Ihrer Reduktionsbemühungen an die Brust und verschweigen dabei, daß der verzeichnete Rückgang nur auf die Deindustrialisierung in den neuen Län- Anlagen zum Stenographischen Bericht dem zurückzuführen ist. Im Westen stieg nämlich der Kohlendioxid-Ausstoß um 3 %, im Verkehrssektor - hören Sie gut zu, Herr Wissmann - sogar um 17 % zwischen 1987 und 1992. Ihr Haushalt ist ein Klimakiller-Haushalt und ein sicherer Garant dafür, daß diese Steigerungsraten auf weitere Jahre festgeschrieben werden. Erforderlich wäre wohl eine Umweltverträglichkeitsprüfung für Ihren gesamten Haushalt. Mit dieser Zielrichtung müßte dann auch der Bundesverkehrswegeplan revidiert werden. Ein erster Schritt wäre ein Ausbaustopp für Bundesfernstraßen in den alten Bundesländern. Konnte man bisher darauf hoffen, daß das, was Studien und Appelle nicht vermochten, nämlich weiteres durch Straßenneubau induziertes Verkehrswachstum zu verhindern, dann letztlich durch leere Kassen des Bundes bedingt wurde, so gilt auch das seit neuestem nicht mehr. Die Bundesregierung läßt sich den Straßenneubau privat vorfinanzieren und baut so einen weiteren Schattenhaushalt auf. Um auf dem Papier einen Anstieg der Neuverschuldung zu vermeiden, verschwendet die Bundesregierung zig Millionen DM. Das Konzessionsmodell ist nämlich gegenüber einer Haushaltsfinanzierung schlicht und einfach unwirtschaftlich. Die Projekte verteuern sich durch die Einschaltung privater Geldgeber um 30 bis 40 %, da der Staat für die hohen Refinanzierungskosten der privaten Projektträger aufkommen muß. Nun sagen Sie, es handelt sich bei den Projekten, für die jetzt Verpflichtungsermächtigungen ausgebracht sind, ja nur um Pilotprojekte. Sie wollen testen, wie sich die private Vorfinanzierung gesamtwirtschaftlich auswirkt. Das ist doch lächerlich. Können Sie mir einen Grund nennen, warum die Berechnungen des Bundesrechnungshofes nicht ausreichend sein sollten, um das zu belegen, was heute ohnehin schon jedes Kind weiß: Der Kauf auf Raten kommt teurer. Der Bundesrechnungshof hat berechnet, daß eine private Vorfinanzierung beim Engelberg-Tunnel z. B. rund 8 Millionen und bei der vierten Elbtunnel-Röhre sogar mehr als 23 Millionen DM teurer würde. Das sollte eigentlich ausreichen, um jeden verantwortlich denkenden Menschen von solch abenteuerlichen Finanzierungsmodellen abzubringen. Auch das Argument, Sie kaufen damit Zeit ein, ist an den Haaren herbeigezogen. Der öffentliche Haushalt kann jederzeit Kredite für Investitionen in unbegrenzter Höhe aufnehmen. Wenn Sie das täten, müßten Sie allerdings den Bürgerinnen und Bürgern die Wahrheit darüber sagen, wie verschuldet diese Bundesregierung tatsächlich ist. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit aber scheuen Sie wie der Teufel das Weihwasser. So lügen Sie sich, vor allem aber den Bürgerinnen und Bürgern in die Taschen und bauen weiter an der betonierten Republik Deutschland. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 23 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 13 - Bundesministerium für Post und Telekommunikation) Elmar Müller (Kirchheim) (CDU/CSU): Die Aufgabe, die wir uns mit der Postreform II gestellt haben, war es, das Überleben der Postunternehmen auf Dauer zu sichern und gleichzeitig Leben in den Kommunikationsmarkt zu bringen. Meine Kollegen und ich wissen, daß wir uns hier auf einer schwierigen Gratwanderung befinden. So scheint es mir bezeichnend, daß es in der CSU Herrn Stoiber deutlich zu langsam mit dem Wegfall der Telekommonopole geht, wogegen Herr Waigel, aus Sorge um eine zu starke Belastung der Telekom AG, zur Zurückhaltung mahnt. Die F.D.P. macht es sich da viel leichter. Sie fordert den Fortfall der Monopole und verheimlicht ihrer Klientel einfach, daß sie dem Gesetz selbst zugestimmt hat, mit dem der Telekom AG bis zum 1. Januar 1998 das Netz- und Sprachdienstmonopol übertragen wurde. Unzuständigkeitshalber, aber wortreich kann Herr Rexrodt als Bundeswirtschaftsminister dann genau das anmahnen, was der Bundespostminister gerade erarbeitet und Anfang dieser Woche veröffentlicht hat, nämlich die Eckpunkte des zukünftigen Regulierungsrahmens im Telekommunikationsbereich. Die SPD tut sich wie gewohnt schwer. Die einen fürchten mit einem schrittweise wachsenden Wettbewerb um den Börsenwert der Deutschen Telekom AG und unterschätzen offensichtlich die Intelligenz der Anleger. Wer kauft schon gerne einen Monopolisten im Sack, der 1998 plötzlich nackt vor den Anlegern steht, weil man ihm in einem Rutsch die schützende Monopoldecke weggezogen hat. Die anderen in der SPD setzen zwar auf die im Wettbewerb neu entstehenden zukunftssicheren Beschäftigungsmöglichkeiten, entpuppen sich aber allzu schnell als Pseudoliberale, deren Presseerklärungen mit Vorsicht zu genießen sind. Für sehr begrüßenswert halte ich das erste konkrete Papier der SPD zur Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes, so wie es als Presseerklärung am letzten Wochenende abgesetzt worden ist. Allerdings erscheint die plakative Kritik an dem Entwurf eines Eckpunktepapiers des Ministers eher grotesk, da man offensichtlich weder den vollständigen Inhalt kannte noch bereit war, zwei Tage bis zur Vorlage des Eckpunktepapiers zu warten. Einer seriösen und der Sache angemessenen Auseinandersetzung scheint es mir nicht dienlich, sich mit „bekanntgewordenen Vorstellungen" eines Entwurfs statt mit dem Papier selbst auseinanderzusetzen. Wer die Papiere sorgfältig studiert, wird feststellen, daß wir nicht weit auseinanderliegen, und es sollte uns gelingen, mit vernünftigen Argumenten Dissenspunkte abzubauen und schnellstmöglich zu einer tragfähigen Lösung zu gelangen. Wir haben in unserem Positionspapier ganz deutlich festgestellt, daß bis zum Jahre 1998 der Telekom AG die Möglichkeit eingeräumt werden muß, sich geordnet auf den Wettbewerbsmarkt einzurichten. Dies entspricht unserer Überzeugung, da eine finanziell angeschlagene Deutsche Telekom AG weder der deutschen Wirtschaft in ihrer Gesamtheit dienen würde noch im Hinblick auf den zukünftigen Börsengang und den Finanzplatz Deutschland hinnehmbar wäre. Es kann auch keine Rede davon sein, daß die Telekom übermäßig einseitig belastet werden soll. Aber, um es klar und deutlich zu sagen: Wir werden hier einen Markt und einen fairen Wettbewerb erst schaffen müssen. Die Warnung der SPD vor einer übermäßigen asymmetrischen Belastung der Telekom AG scheint konsensfähig zu sein. Wir sollten uns doch einig sein, daß das fünftgrößte deutsche Unternehmen mit einem Umsatz von fast 70 Milliarden D-Mark und dem einzigen flächendeckenden Kommunikationsnetz eine andere Infrastrukturverantwortung tragen muß als etwa kleine mittelständische Anbieter zukünftiger Telefondienstleistungen. Gerade hier kommen doch regional beschränkte oder sogar anwendungsbezogen innovative Dienste in Betracht. Es gibt unzählige technische Anwendungsmöglichkeiten, die nur für kleine Benutzergruppen Sinn machen. Der Markt wird sofort versuchen, die jeweils erforderlichen Techniken den Kunden zur Verfügung zu stellen. Vielen Anwendungen im Multimediabereich, wie z. B. Homeshopping, kommt gerade außerhalb der Ballungsräume große Bedeutung zu. Pauschale Ausbauverpflichtungen würden mittelständische Unternehmen völlig überfordern und auch gar keinen Sinn machen, da nur Megakonsortien derartige Investitionen aufbringen könnten. Hunderte kleine zusammenwachsende Inseln decken die Bedürfnisse der Bürger aber sicher besser ab, als auf wenige Großunternehmen zu setzen. Wir wollen nicht Flächendeckung als Auflage für alle. Wir wollen Flächendeckung durch alle! Das bedeutet, Insellösungen ja, und zwar so schnell und so viele wie möglich. Wie können Sie denn, Herr Bury, von einer Schieflage unseres Wettbewerbsmodells sprechen, wenn wir Unternehmen mit vielleicht einigen Dutzend Beschäftigten nicht mit den gleichen Infrastrukturauflagen belasten wollen wie die Deutsche Telekom mit über einer Viertelmillion Mitarbeitern? Sie fordern Chancengleichheit und gleichzeitig Infrastrukturauflagen bereits bei unter 25 % Marktanteil. Ab wieviel Prozent, Herr Bury, gedenken Sie denn bei Ihrer Art Chancengleichheit kleine Anbieter genauso zu behandeln wie den fünftgrößten Telekommunikationskonzern der Welt? Für kritisch und undurchführbar halte ich die Forderung der SPD nach Bereitstellung einer breitbandigen Infrastruktur für alle Bürger, und das, wie der Vorsitzende des Postausschusses, der Kollege Börnsen, gefordert hat, innerhalb etwa 5 Jahren. Dies geht jedoch völlig an den Realitäten vorbei und wäre nicht einmal, und dies weiß die SPD ganz genau, vom bisherigen Monopolunternehmen Telekom zu leisten, geschweige denn zu finanzieren. Bei rund 37 Millionen Wohnungen liegt der Versorgungsgrad etwa beim Breitbandkabelnetz der Telekom nach nunmehr 12 Jahren bei immerhin 62 %. Nach 5 Jahren waren gerade einmal 3 Millionen Wohnungen angeschlossen. Kein Mensch - ja nicht einmal Politiker - hätte von der Telekom jemals gefordert, den bevorzugten Ausbau von Ballungsgebieten zu stoppen und statt dessen ländliche Regionen zu erschließen. Zu Recht hat sich die Telekom auf Ballungsräume konzentriert, und selbst hier warf ihr der Bundesrechungshof noch das „planlose Verlegen von Fernsehkabeln" vor. Wir brauchen uns doch, lieber Herr Börnsen, nicht tatsächlich über die Versorgung mit Kabelfernsehen auf dem Lande zu unterhalten, wenn sich heute nach 12 Jahren Breitbandkabelausbau die Bundesbürger in unzähligen Stadtrand-Lagen darüber beschweren, daß die Telekom zu einem weiteren Ausbau aus Rentabilitätsgründen nicht mehr bereit ist. Jeder kennt doch die Klagen abseits gelegener Dörfer aus seinem Wahlkreis. Und hier betreiben nicht etwa die privaten Anbieter „Rosinenpicken", sondern die Telekom. Sie allein bestimmt nach Rentabilitätsgesichtspunkten sogenannte Ausbaugebiete, in denen die privaten Kabelnetzbetreiber nicht tätig werden durften. Dennoch haben die Privaten in den vergangenen Jahren bis heute rund 3,5 Millionen Wohneinheiten über Breitbandkabelnetz mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen in den für die Telekom unrentablen Gebieten versorgt. Der von der SPD immer wieder bemühte Infrastrukturauftrag wird, wenn man hierunter also die Versorgung der weniger lukrativen Bereiche in Deutschland versteht, ganz eindeutig von den über 300, häufig mittelständischen Wettbewerbern mit Leben erfüllt. Wenn wir dann auch noch auf neue alte Kampfbegriffe wie der „Zwei-Klassen-Informationsgesellschaft" verzichten, wird es uns eher gelingen, dem gerecht zu werden, was sowohl Bürger wie Wirtschaft von uns fordern, nämlich bereits in den nächsten Monaten die wesentlichen politischen Entscheidungen zu treffen, die einen möglichst raschen Ausbau einer zukunftsweisenden deutschen Telekommunikationsinfrastruktur ermöglichen. Wer allerdings bereits vor der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers des Ministers und ohne ein einziges Gespräch abzuwarten mit der notwendigen Zustimmung der SPD im Bundesrat droht, wie der Kollege Bury dies meinte tun zu müssen, der scheint unter dem ständigen Gefühl zu leiden, ohne massive Drohungen nicht ernstgenommen zu werden. Die vorgelegten Papiere sollten zur politischen Diskussion einladen. Sie dienen nicht als Plattform für Profilierungsversuche einzelner Politiker. Wir suchen konsensfähige Lösungen. Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, über die Papiere zu sprechen und offen zu diskutieren. Drohungen sind da sicherlich wenig hilfreich. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt I 24 (Haushaltsgesetz 1995 - Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten) Jürgen Koppelin (F.D.P.): Die Haushaltskonsolidierung konnte auch vor dem Einzelplan 10 des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht haltmachen. Doch dabei haben wir als F.D.P. die wesentlichen agrarpolitischen Ziele nicht vernachlässigt. Mein Kollege Günther Bredehorn hat schon einmal hier sehr richtig festgestellt: „Sparzwänge können auch etwas Positives haben. Sie zwingen zur Prioritätensetzung. " Das geschieht beim Einzelplan 10. Politische Herausforderung der nächsten Jahre bleibt die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft. Die Landwirte und ihre Familien müssen auch weiterhin die Chance erhalten, ihren eigenen, individuellen Weg bei der Bewirtschaftung ihrer Betriebe zu gehen. Zusätzliche Freiräume zur Steigerung der Produktivität und Effizienz sind dabei notwendig. Den nachwachsenden Rohstoffen gilt dabei unser besonderes Interesse. Ihr Anbau kann zukunftsweisend sein. Die Mittel, die wir hier den Landwirten zur Verfügung stellen, sind ein Beitrag zur Umwelt. Völlig überrascht habe ich bei den Berichterstattergesprächen zur Kenntnis nehmen müssen, daß die GRÜNEN eine Reduzierung der Haushaltsmittel in diesem Bereich wollten. Hier zeigt sich die Ernsthaftigkeit „grüner" Politik. Mit der Anhebung des förderfähigen Investitionsvolumens im Rahmen der einzelbetrieblichen Investitionsförderung auf 100 Millionen DM machen wir den Weg frei für eine zukunftsweisende Agrarpolitik. Mit den Komplementärmitteln der Länder stehen damit 170 Millionen DM mehr zur Verfügung. Aber die Herausbildung effizienter Betriebsstrukturen - und die sind notwendig, um langfristig den Sonderstatus der Landwirtschaft im nationalen und internationalen Wirtschaftsgefüge abzubauen - kann nicht allein über die Stärkung der landwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten erfolgen. Ein zweites wirtschaftliches Standbein muß aufgebaut werden. Die F.D.P. plädiert daher für eine stärkere Gewerbe- und Dienstleistungsorientierung des landwirtschaftlichen Unternehmertums. Erste und erfolgreiche Schritte sind bereits von den Landwirten gemacht worden. Die Steigerung des Direktabsatzes landwirtschaftlicher Produkte ist nur ein Beispiel unter vielen. Hier zeigen sich die Stärken der deutschen Landwirtschaft: hohes Qualitätsniveau auf der Basis guter natürlicher Bedingungen kombiniert mit Anbindung an die Verbraucher. Diese Kombination kann zu einer weiteren, soliden Erwerbsquelle für die Landwirte werden. Allerdings, wenn wir das von Minister Seehofer vorgelegte Geflügelfleischhygiene-Gesetz beschließen würden, wäre das ein erheblicher Rückschlag für die Bemühungen um die Direktvermarktung. Der ländliche Raum bietet sich als Wirtschaftsbasis für Unternehmertätigkeit geradezu an. Für kreative Landwirte, bei denen Selbständigkeit und Gesamtverantwortung Tradition haben, ist er eine ideale Grundlage. Sie sollten ihn verstärkt zum eigenverantwortlichen Handeln nutzen. Nicht der staatliche Prämienempfänger, sondern nur der im Wettbewerb fit gemachte Unternehmer ist in der Lage, sich gegen die inner- und außereuropäische Konkurrenz durchzusetzen. Der Landwirt als Dienstleister im ländlichen Raum - ein Ziel liberaler Landwirtschaftspolitik, das von uns allen weiter verfolgt werden sollte. Davon profitieren nicht nur die Landwirte und ihre Familien. Deshalb gilt unser uneingeschränktes Ja den Strukturverbesserungen. Beim Küstenschutz hätte die F.D.P. gern mehr gemacht. Aber die zuständigen Länderminister haben die Latte der Anforderungen zu hoch gelegt. Die überzogenen Umweltanforderungen beim Küstenschutz in den norddeutschen Ländern sind inzwischen völlig inakzeptabel; die Effizienz der Hilfestellung ist damit nicht mehr sichergestellt. Nicht nur innerhalb des Agrarsektors sind strukturverbessernde Maßnahmen notwendig, sondern auch bei Hilfen für die Schaffung alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten, in anderen Unternehmensformen und auch außerhalb der Landwirtschaft. Soviel ist heute schon sicher: Die derzeitigen Haushaltsbelastungen im Agrarbereich sind zu hoch und unter den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen und Umwälzungsprozessen innerhalb Europas auf Dauer nicht vertretbar. In der Agrarsozialpolitik sind in der letzten Legislaturperiode die entscheidenden Weichen gestellt worden. In den Jahren 1995 bis 1997 wird die Bundesregierung 1 Milliarde DM bereitstellen. Ein Betrag, mit dem die eigenständige soziale Sicherung der Bäuerin eingeführt werden kann. Das Agrarsozialreformgesetz ist bei den Betroffenen überwiegend positiv aufgenommen worden. Daß Kritik geübt wird, ist normal. Wir werden Einwände gegenüber einzelnen Bestimmungen des Agrarsozialgesetzes prüfen. Erste Gespräche sind in der F.D.P. bereits dazu geführt worden. Wichtig war uns, daß mit der Agrarsozialreform erreicht wird, daß rund 230 000 Bäuerinnen endlich eine eigene Alterssicherung und Schutz bei Erwerbsunfähigkeit erhalten, der Explosion der Beiträge zur Altershilfe ein Riegel vorgeschoben wird. Das gesamte System der agrarsozialen Absicherung ist finanziell stabilisiert worden. Besonders freuen dürfte sich darüber sicher unser Freund Josef Ertl, der einst die neue Agrarsozialpolitik einleitete. Von dieser Stelle auch nachträglich herzliche Glückwünsche an Josef Ertl zum 70. Geburtstag. Die Landwirtschaft befindet sich inmitten eines schwierigen Anpassungsprozesses. Der Haushalt trägt dem durchaus Rechnung. Die Vergabe staatlicher Mittel bietet gerade in Zeiten knapper Kassen die Chance, den notwendigen Entwicklungsprozeß zu flankieren und Effizienzsteigerungen sowie Strukturanpassungen zu beschleunigen. Dauersubventionen und Regulierungen müssen abgebaut werden, neue Subventionsfelder vermieden werden. Denn heute geht es mehr denn je darum, der unternehmerischen Landwirtschaft eine Bresche zu schlagen. Nur mit ihr ist eine Stärkung der Landwirtschaft langfristig möglich und auf Dauer erfolgreich.
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    Rede von Ina Albowitz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Gott, Herr Schlauch, glauben Sie wirklich alles selber, was Sie hier verkündet haben?

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Der glaubt gar nichts!)

    Wie Sie die Bundesregierung bewertet haben, kann ich aus Ihrer Sicht sogar noch nachvollziehen. Aus unserer Sicht sieht das dezidiert anders aus.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Fragen Sie die Frau Justizministerin, was sie von ihrem Kollegen hält!)

    Denn wenn man in der Koalition arbeiten und Verantwortung übernehmen muß, sehen manche Probleme in dieser Welt ein bißchen anders aus, als wenn man hier nur Utopia fordern kann.
    Meine Damen und Herren, aus den bisherigen Debattenbeiträgen zum Haushalt 1995 ist deutlich geworden, daß die Koalition ihre strikten Sparbemühungen auch in dieser Wahlperiode konsequent fortsetzen will und muß. Dabei konnte der Einzelplan 06 natürlich nicht ausgenommen werden, doch ich glaube, wir haben nur Wasser gespart, ohne den Boden auszutrocknen.
    In dieser Woche, meine Damen und Herren, beginnen die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Wir wünschen Ihnen, Herr Minister, und den Verhandlungsführern von Ländern und Gemeinden viel Erfolg,

    (Zuruf von der SPD: Und den Gewerkschaften!)


    Ina Albowitz
    allerdings mit dem Hinweis verbunden, daß wir zwar den öffentlichen Dienst nicht aus der allgemeinen Einkommensentwicklung abkoppeln wollen, aber andererseits deutlich bewertet werden muß, daß ein Arbeitsplatz bei der öffentlichen Hand in der heutigen Zeit ein besonderer Wert an sich ist.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Große Sorgen bereitet uns die zunehmende Immobilität der Beamten und Angestellten im Hinblick auf ihre Versetzungsbereitschaft. Hier werden wir noch in dieser Wahlperiode zu Reformen kommen müssen, damit wir der Situation Herr bleiben, auch im Hinblick auf das, was in den Jahren 1998/2000 auf uns zukommt.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

    In den Koalitionsvereinbarungen haben wir festgeschrieben, daß wir das geltende Haushaltsrecht flexibler anwenden und auch neue Formen der Bewirtschaftung von abgegrenzten Verwaltungsbereichen erproben wollen. Zwei dieser Modellversuche gehören in den Einzelplan 06, und zwar die Bundeszentrale für politische Bildung und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Für beide Behörden bietet sich in den kommenden zwei Jahren die große Chance, eigenverantwortlich zu gestalten und zu wirtschaften. Ich hoffe, daß die Versuche erfolgreich sind, damit bald weitere folgen können.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CDU)

    Herr Kollege Fischer, ich gebe Ihnen irgendwann einmal Nachhilfeunterricht. Vielleicht kann der Kollege Metzger das viel besser. Es ist nämlich auch sein Kind.
    Die Sorge des Staates um die Sicherheit seiner Bürger, die Ermöglichung der Teilhabe der Bürger am demokratischen Staatswesen und die Behandlung kultureller Angelegenheiten sind Schwerpunkte dieses Etats, auf die ich näher eingehen möchte.
    Das nachvollziehbare Begehren der Bürger, in Sicherheit ihre Freiheit ausleben zu können und einen zuverlässigen Schutz vor Kriminalität durch den Staat zu erhalten, hat bei den Beratungen seinen Niederschlag gefunden. Der Bereich des Bundeskriminalamtes mit den Schwerpunkten Informationstechnik, Europol, Personal wird jetzt mit 518,8 Millionen DM etatisiert.
    Beim Bundesgrenzschutz haben wir jetzt 2,73 Milliarden DM veranschlagt. Innerhalb eines Jahres wurde hier um 654 Millionen DM aufgestockt. Diese Mehrausgaben dienen zur Schließung der Personallücke und zur Steigerung der Attraktivität dieses Dienstes. Daß wir von Haushaltsseite ein Hebungsprogramm für rund 2 500 Polizeibeamte einstellen mußten, ist der erste Schritt des Gesamtprogramms, dem in den kommenden Jahren noch rund 9 000 Hebungen von A7 nach A8 folgen müssen.
    Ich glaube, da sind wir unisono, Herr Kollege Graf. Wir sollten hier wirklich keine Geschichtsklitterung oder Wahrheitsdefinition betreiben. Die Koalition hat sich sehr intensiv darum bemüht. Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn die SPD und die GRÜNEN nachziehen. Die Verantwortung für den Haushalt aber trägt immer noch die Koalition. Dabei würde ich es auch gerne belassen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Darauf bestehen wir!)

    Dringend erforderlich - aus meiner Sicht ist es schon fast peinlich, wie in dieser Frage vom Finanzminister geblockt wurde - ist es, die Ausstattung des Bundesgrenzschutzes mit modernen Kommunikationstechniken zu verbessern. Der Einsicht des Ausschusses ist es zu verdanken, daß es mir gelungen ist, den ersten Schritt für ein Beschaffungsprogramm für Mobilfunktelefone und Autoradios zu tun. Es entbehrt nicht einer besonderen Pikanterie, wenn auf der einen Seite argumentiert wird, wir müßten der organisierten Kriminalität mit dem verstärkten Einsatz technischer Mittel begegnen, und auf der anderen Seite die Grenzschützer ihre Einsätze von der Telefonzelle aus halten oder mangels billiger Autoradios mit Verkehrsfunk unerwartet im Stau stehen. .

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Zumal bei den Apparaten in den Telefonzellen oft das Kleingeld steckenbleibt! Uta Titze-Stecher [SPD]: Dem haben wir ja zugestimmt! Otto Schily [SPD]: Ist Ihnen das erst jetzt aufgefallen?)

    - Das ist mir schon öfter aufgefallen, Herr Kollege Schily. Deswegen habe ich auch nicht die Opposition kritisiert, sondern den Finanzminister.

    (Karl Diller [SPD]: Der ist dann schuld!)

    Wir erwarten von der Regierung, daß das Programm in den kommenden Jahren weiter ausgebaut wird.
    Bei aller Zufriedenheit, die man aus Bundessicht für den Etat im Bereich der inneren Sicherheit haben kann, will ich hier deutlich machen, daß man die Sicherheit der Bürger nicht erkaufen kann. Der Koalition ist es aber gelungen, diesen Schwerpunkt der Innenpolitik vom Kopf auf die Füße zu stellen, fernab einer James-Bond-Mentalität.
    Meine Damen und Herren, meine Fraktion geht davon aus, daß ein die innenpolitischen Grundsätze widerspiegelnder Haushalt dem Bürger die Teilhabe am demokratischen Staatswesen ermöglichen muß. Hierunter verstehe ich besonders die Möglichkeit, daß sich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes politisch bilden bzw. weiterbilden können. Diesen Bereich decken zum großen Teil die politischen Stiftungen und die vielen kleinen Weiterbildungseinrichtungen ab. Ihre Arbeit ist in der Regel nicht zu kritisieren, wie auch der Herr Bundespräsident erst vor wenigen Tagen festgestellt hat.

    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


    Ina Albowitz
    Ärgerlich ist aber, daß wir seit Jahren die Finanzierung der Stiftungen nicht gesetzlich geregelt haben.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Meine Fraktion hat jetzt als Initiative einen umfangreichen Gesetzentwurf vorgelegt und lädt alle Fraktionen dieses Hauses zu einer intensiven Diskussion und Debatte ein.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir sollten die kritischen Diskussionen in der Öffentlichkeit ernst nehmen und, bevor uns das Verfassungsgericht vorschreibt, was der Gesetzgeber zu tun hat, selber unsere Hausaufgaben erledigen, damit wir endlich aus dem Geruch der Begünstigung herauskommen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Oswald Metzger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Meine Damen und Herren, die Übereinstimmung des Bürgers mit dem Staat, in dem er lebt, resultiert auch daraus, daß er sich in seinem Land kulturell und geistig gefordert fühlt. Ich habe in den bisherigen Haushaltsberatungen den Stellenwert insbesondere der Kultur immer deutlich angesprochen, den sie in einem demokratisch-föderalen Staatsgefüge hat.
    Auch in einer Zeit haushaltswirtschaftlicher Probleme hat der Bund seine traditionellen Fördermaßnahmen als Beitrag zur Sicherung des notwendigen Freiraums für Kunst und Kultur auf einem vertretbaren Niveau fortschreiben können.
    Die bisherigen Prioritäten der Kulturförderung in den alten Bundesländern sind nach 1992 neu bewertet worden und gleichzeitig bislang nicht etatisierte Kultureinrichtungen in den neuen Bundesländern in die Bundesförderung einbezogen worden.
    Ich persönlich allerdings habe meine Zweifel, ob die bisherige Bewertung in den kommenden Jahren hält oder ob wir nicht in einer Gesamtschau in relativ kurzer Zeit mit den Ländern gemeinsam Kriterien entwickeln müssen, wie Spitzenkulturförderung im Verhältnis Bund/Länder auszusehen hat.
    Insgesamt verfügt der Innenminister jetzt über einen Etat von rund 1,5 Milliarden DM in diesem Bereich. Schwerpunkte sind Denkmalschutz, die Kulturförderung in den neuen Bundesländern, das Gedenkstättenkonzept Ost und die sogenannten Sondermaßnahmen Ost.
    Die in einer Agenturmeldung vom 16. März kolportierte Aufforderung der Ministerpräsidenten, der Bund solle sich weiter an der Kulturförderung in den neuen Bundesländern beteiligen, ist eine ziemlich dümmliche Effekthascherei. Wir widmen uns dieser Aufgabe mit erheblichem personellen und finanziellen Engagement. Wenn aber die Ministerpräsidenten schon soviel Herzblut einfließen lassen, möchte ich
    noch einmal die notwendige Definition erstens der Spitzenkulturförderung in Deutschland und zweitens der Formierung von Kulturkonzeptionen dringend anmahnen.
    Es ist schon ziemlich ernüchternd, meine Damen und Herren, anzusehen, daß die ach so vornehme Kultusministerkonferenz immer mehr zu einer bundesweiten Lehrerkonferenz gerät, die sich fast ausschließlich mit Bildungsfragen beschäftigt, aber sich den Erfordernissen von programmatischer Kulturarbeit konsequent entzieht.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Leider wahr! Otto Schily [SPD]: Ist der Weng jetzt auch noch für die Kulturpolitik zuständig?)

    In Nordrhein-Westfalen, wo demnächst Wahlen anstehen, kann man dies ja vielleicht mit dem momentanen, alle Kräfte verzehrenden Glaubenskrieg um die Gesamtschule in Verbindung bringen. Nur, zu billigen ist dies in keinem Fall. Und was das Verhalten bei der Finanzierung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angeht, stellt sich ja wohl die Frage, wie vertragstreu eigentlich die Länder sind.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Auf einen besonderen Streitpunkt, meine Damen und Herren, muß ich noch eingehen. Auch im Kulturbereich scheint die Berlin-Bonn-Sklerose immer noch weiterzugehen. Mit Argusaugen wird darüber gewacht, mit keinem Pfennig schlechter dazustehen als die jeweils andere Stadt und die in ihr geförderten kulturellen Maßnahmen.
    So geisterten in der letzten Zeit Zahlen durch die Presse, die den konstruierten Gegensatz von Berlin-Gegnern und Bonn-Freunden neu aufleben lassen sollten. Aus der Gesamtsumme von 352,3 Millionen DM, die zur Förderung kultureller Einrichtungen und Vorhaben in Berlin für das laufende Jahr eingestellt werden sollen bzw. eingestellt sind, wurde der Sondertitel Berlinförderung für 1995 in Höhe von 30 Millionen DM herausgezogen und vergleichend den im Rahmen des Hauptstadtvertrages für Bonn vorgesehenen Mitteln gegenübergestellt. Hier sollte Meinung gemacht und Unruhe geschürt werden.
    Fakt ist, daß in den Jahren 1991 bis 1994 rund 2 Milliarden DM in die Kulturförderung Berlins - einschließlich der Übergangsfinanzierung und der Sondermittel aus dem Bundeshaushalt - geflossen sind. Berlin erhält ab 1995 über den Länderfinanzausgleich erhöhte Zuwendungen und kann selber entscheiden, wofür es diese erhöhten Sonderzuweisungen benutzen möchte.
    Die von uns eingestellten 30 Millionen DM entsprechen im übrigen exakt dem Anteil, den das Land Berlin 1994 aus der Übergangsfinanzierung „Sondertopf Unabhängige Kommission" erhalten hat.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das ist doch was!)


    Ina Albowitz
    Wenn der Doppelhaushalt des Berliner Senats ein Defizit von 148 Millionen DM hat, kann ja wohl der zuständige Kultursenator nicht allen Ernstes angenommen haben, daß wir seine Defizitberechnungen einfach abgleichen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Hier ist schon sein eigener Kopf gefragt. Die von uns eingestellten zusätzlichen 30 Millionen DM allerdings als „lachhaft" zu bezeichnen, das ist ein Niveau, meine Damen und Herren, angesichts dessen ich mir wünschen würde, daß der Regierende Bürgermeister dazu Stellung nimmt. Oder noch besser: Die Berliner Bürger sollten diesen Senator endlich abwählen, denn das hat er längst verdient.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Berliner können sich aber darauf verlassen, daß wir den Hauptstadtvertrag, der ab 1996 gilt, einhalten werden, ebenso wie die Bonner wissen, daß der Bonn-Vertrag 1999 ausläuft.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zwei Sätze zum Einzelplan 36 sagen. Ich kann die Kollegin Titze ja verstehen. Wir haben den Innenminister schon vor Jahren aufgefordert

    (Uta Titze-Stecher [SPD]: Seit 1992!) - nein, noch länger, Uta -,


    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Seit 1969 bereits!)

    uns eine schlüssige Gesamtkonzeption vorzulegen. Weil die Defizite in diesem Bereich so groß waren, hat der Finanzminister in den vergangenen Jahren natürlich die Gunst der Stunde genutzt und den Haushalt plafondiert. Da nützt das Drumherumreden überhaupt nichts; ich denke, das muß man in dieser Offenheit auch ansprechen.
    Seit 1992 hat der Haushaltsausschuß den Innenminister aufgefordert, eine Gesamtkonzeption vorzulegen. Frau Kollegin Titze, diese Gesamtkonzeption liegt vor. Der Innenminister hat die Koalitionsfraktionen und den Ausschuß - die Ausschußvorlage ist im übrigen da - darüber auch informiert. Wir haben während der Ausschußberatungen und in der Berichterstatterrunde schon über die Konzeption geredet.
    Daß sie im Innenausschuß und im Haushaltsausschuß noch nicht abschließend beraten worden ist, das, glaube ich, ist im Augenblick nicht zu kritisieren. Aber da wir in den kommenden Monaten keine Haushaltsberatungen haben, bleibt uns eine Menge Zeit, das nachträglich zu erledigen.
    Ich bedanke mich vor allem bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Innenministeriums, hier vor allen Dingen bei denen des Haushaltsreferats. Die Mitarbeiter Ihres Hauses, Herr Innenminister, haben in diesem Jahr mit zwei Haushalten Beachtliches zu leisten. Nur Haushälter wissen, was das heißt. Wir leiden alle gemeinsam.
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächste spricht die Abgeordnete Ulla Jelpke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ulla Jelpke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In diesen Tagen erhalten wir Anschauungsunterricht darüber, wie sich der Bundesinnenminister die Lösung des Problems der Flüchtlinge aus der Türkei vorstellt. Mit dem Kerkermeister der türkischen Regierung wollen Sie, Herr Kanther, Verträge darüber schließen, daß die Menschenrechte in der Türkei eingehalten werden sollen.
    Ihr strategisches Ziel ist aber völlig unabhängig von dem Erfolg dieser Politik. Ernsthaft glauben auch Sie, Herr Kanther, meines Erachtens nicht daran, daß die Türkei die Menschenrechte achten wird. Von daher setzen Sie alles daran, die Flucht der Menschen in die Bundesrepublik Deutschland zu verhindern.
    In dieser Beziehung ist der Bundesinnenminister meines Erachtens Pragmatiker: Wenn keine Flüchtlinge mehr hereinkommen, weil wir sie an unseren hochgerüsteten Außengrenzen abfangen, dann braucht man auch nicht darüber zu streiten, ob ihre Herkunftsländer sicher sind oder nicht.
    Die vorgelagerten Pufferzonen deutscher Asylpolitik müssen so gut funktionieren, daß der Flüchtlingsstrom aus Kurdistan am Bosporus zum Stoppen kommt, daß der Flüchtlingsstrom aus Bosnien von unsichtbarer deutscher Hand in Kroatien aufgefangen wird und daß Flüchtlinge aus Afrika keine Chance mehr haben, legal oder illegal ein Flugzeug oder ein Schiff in Richtung Europa zu besteigen.
    Mit diesem Modell der „Festung Europa" gegen die Flüchtlinge wird Kanther zwar zum indirekten Büttel der Unrechtsregime, er hat sich damit aber aller rechtlichen und politischen Probleme der Abschiebungen entledigt. Der Beamte des Bundesgrenzschutzes und sein rumänischer Kollege - quasi auf Außenposten - werden zu Sachwaltern einer de facto abgeschafften bundesdeutschen Asylpolitik.
    Unter diesem Gesichtspunkt erfahren das eben in Kraft getretene Schengener Abkommen und die polizeiliche Zusammenarbeit in Europa ihre Bedeutung.
    Die absolute Sicherung dieser hochtechnisierten Außengrenze mit Wärmebild- und Nachtsichtgeräten, Computerterminals und Patrouillenbooten wird zur zentralen Aufgabe, desgleichen die finanzielle und technische Polizeihilfe für die osteuropäischen Nachbarstaaten, aber auch der Ausbau von Sicherheitsanlagen auf den Flughäfen und Seehäfen, die zu Außengrenzen erklärt werden, sowie der Auf- und Ausbau des Schengener Informationssystems. Hierhin fließen die Summen aus dem Haushalt des Innenministeriums in Höhe von zig Millionen.
    Ich will hier nur anmerken: Es ist bezeichnend für den Bundeshaushalt, daß im gleichen Atemzug durch die Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes den Flüchtlingen noch mehr Sozialleistungen zusammengestrichen werden sollen. Die Bundesregierung unterstreicht damit ein weiteres Mal,

    Ulla Jelpke
    daß sie gar nicht verbergen will, daß sie Menschen wegen ihrer Hautfarbe und Herkunft benachteiligen will. Sie übererfüllt damit die Forderungen der rechten „Republikaner".

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Hochgezüchtet wird aber auch, wie es in diesem Haushalt zum Ausdruck kommt, ein gigantischer Polizeiapparat in und für Kerneuropa. Während die Grenzen innerhalb der Schengen-Staaten scheinbar fallen, setzt auch der grenzenlose große staatliche Datentransfer ein. Mit aufwendiger Computertechnologie werden die Bürgerinnen und Bürger von den Sicherheitsbehörden umfassend ausgeleuchtet und erfaßt. In Spanien kann die dortige Polizei Auskunft über alle möglichen Bürgerinnen und Bürger einholen, deren Namen auf irgendeinem Wege in den Computer eingegeben worden sind, und sei es, weil sie als Zeugen in Hamm ausgesagt haben.
    Es geht hier nicht um die Möglichkeit des eventuellen Mißbrauchs dieser staatlichen Machtfülle, die einzelne Beamte wie die rassistisch verhetzten Hamburger Polizisten oder Killerkommandos in der spanischen Polizei haben. Nein, der normale Gebrauch dieser Technologie, die hier stattfindende Machtzusammenballung, ist das eigentliche Problem; denn dieses Informationssystem basiert ja auf den Sicherheitsvorstellungen, die die Strategen der inneren Sicherheit im Kampf gegen die sogenannte organisierte Kriminalität entwickelt haben. Kleine und große Lauschangriffe, Kontrollen, die nun hinter und nicht an den Grenzen stattfinden, sollen das dem Bürger und der Bürgerin eingeredete Unsicherheitsgefühl aufheben.
    Meine Damen und Herren, 50 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus müssen wir erleben, daß der Neofaschismus für dieses Land immer noch oder schon wieder eine große Bedrohung darstellt. Die Gewalt, die von ihm ausgeht, bewegt sich immer noch auf einem hohen Niveau. Das große Geflecht der neofaschistischen Gruppierungen ist weiterhin so gut wie unangetastet. Ich behaupte hier: Heute sind wir so weit wie nie zuvor von der Realisierung des Potsdamer Abkommens entfernt, nach dem der deutsche Militarismus und Nazismus „ausgerottet" werden sollte.
    Die Verbote der neofaschistischen Kleinstgruppen in der letzten Zeit unterstreichen eher: Die wichtigen rechtsextremistischen Organisationen und Einrichtungen werden nicht verfolgt. Im Gegenteil, sie können sich ausbreiten. Sie können ihren Einfluß ausdehnen und gehen Bündnisse mit dem Konservativismus ein. In Denkfabriken wie dem Studienzentrum Weikersheim, in Zeitungen wie der „Jungen Freiheit" wächst zusammen, was offenbar zusammengehört. Rechtsextreme Ideologen findet man bei der Lektüre dieser Zeitung neben dem sächsischen Justizminister Heitmann und dem Parlamentarischen Staatssekretär Lintner.
    Wir haben für diese Haushaltsberatungen eine Reihe von Anträgen gerade zu diesem Bereich vorgelegt. Sie unterstreichen nicht nur die Zurückhaltung, die die Bundesregierung gegenüber Rechtsextremisten beispielsweise in den Vertriebenenverbänden an den Tag legt, sondern sie verdeutlichen die offene Komplizenschaft der Bundesregierung. Fast 700 000 DM hat die Bundesregierung der Landsmannschaft Ostpreußen 1994 zukommen lassen.

    (Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Sehr gut! Bravo!)

    - Ja, hören Sie einmal, Herr Marschewski: Dies, obwohl in deren Zentralorgan, dem „Ostpreußenblatt", die Leugnung des Holocaust betrieben wird, obwohl dort nach dem Anschlag auf die Synagoge in Lübeck Schönhuber nach seinen Schmähungen gegen den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden offen verteidigt wird und obwohl die Zeitung von Rechtsextremisten durchsetzt ist. Der Bundesregierung ist dies egal. Sie nimmt lieber heftige Kritik entgegen, als auch nur ernsthaft die Sachverhalte prüfen zu wollen, geschweige denn Konsequenzen zu ziehen.
    Die Ausdehnung des Einflusses der „Neuen Rechten" ist eine Entwicklung, die viele Menschen zu tiefer Sorge treibt. Der Kollege Pflüger von der CDU beispielsweise spricht in diesem Zusammenhang sogar davon, daß die Republik „driftet". Der den Liberalen nahestehende Politikprofessor Gessenharter spricht von einem möglichen „Kippen" der Republik. Beide meinen damit, daß es die „Neue Rechte" geschafft hat, bestimmte Politikfelder, vor allem die Asyl- und Flüchtlingspolitik, gravierend zu beeinflussen.
    Von diesen Entwicklungen hat das Bundesamt für Verfassungsschutz nichts mitbekommen. Auf die Gefahren durch die „Neue Rechte" angesprochen, antwortete die Bundesregierung 1994 auf eine Anfrage von mir:
    Zum Zwecke der Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit fanden und finden Ergebnisse Eingang in Verfassungsschutzberichte, z. B. des Bundes 1971.
    Ich wiederhole: 1971. 24 Jahre lang wurde also vom Bundesamt die „Neue Rechte" entweder gewollt oder ungewollt übersehen. Beides kann aber nur zu dem Schluß führen: Der Etatansatz für das Bundesamt muß gestrichen werden.

    (Beifall bei der PDS)

    Zum Schluß noch zwei Anmerkungen. Erstens. Die PDS hat beantragt, die Zuschüsse für repräsentative kulturelle Einrichtungen in Berlin in Höhe von 30 Millionen DM auf 150,5 Millionen DM anzuheben und den Sperrvermerk zu streichen. Das ist nötig, um der Zerstörung der kulturellen Infrastruktur in Berlin entgegenzuwirken. Die Kollegen von den GRÜNEN können also sehen: Wir haben gelernt. Sie können unserem Antrag heute zustimmen.

    (Beifall bei der PDS)