Rede von
Ina
Albowitz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Gott, Herr Schlauch, glauben Sie wirklich alles selber, was Sie hier verkündet haben?
Wie Sie die Bundesregierung bewertet haben, kann ich aus Ihrer Sicht sogar noch nachvollziehen. Aus unserer Sicht sieht das dezidiert anders aus.
Denn wenn man in der Koalition arbeiten und Verantwortung übernehmen muß, sehen manche Probleme in dieser Welt ein bißchen anders aus, als wenn man hier nur Utopia fordern kann.
Meine Damen und Herren, aus den bisherigen Debattenbeiträgen zum Haushalt 1995 ist deutlich geworden, daß die Koalition ihre strikten Sparbemühungen auch in dieser Wahlperiode konsequent fortsetzen will und muß. Dabei konnte der Einzelplan 06 natürlich nicht ausgenommen werden, doch ich glaube, wir haben nur Wasser gespart, ohne den Boden auszutrocknen.
In dieser Woche, meine Damen und Herren, beginnen die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Wir wünschen Ihnen, Herr Minister, und den Verhandlungsführern von Ländern und Gemeinden viel Erfolg,
Ina Albowitz
allerdings mit dem Hinweis verbunden, daß wir zwar den öffentlichen Dienst nicht aus der allgemeinen Einkommensentwicklung abkoppeln wollen, aber andererseits deutlich bewertet werden muß, daß ein Arbeitsplatz bei der öffentlichen Hand in der heutigen Zeit ein besonderer Wert an sich ist.
Große Sorgen bereitet uns die zunehmende Immobilität der Beamten und Angestellten im Hinblick auf ihre Versetzungsbereitschaft. Hier werden wir noch in dieser Wahlperiode zu Reformen kommen müssen, damit wir der Situation Herr bleiben, auch im Hinblick auf das, was in den Jahren 1998/2000 auf uns zukommt.
In den Koalitionsvereinbarungen haben wir festgeschrieben, daß wir das geltende Haushaltsrecht flexibler anwenden und auch neue Formen der Bewirtschaftung von abgegrenzten Verwaltungsbereichen erproben wollen. Zwei dieser Modellversuche gehören in den Einzelplan 06, und zwar die Bundeszentrale für politische Bildung und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Für beide Behörden bietet sich in den kommenden zwei Jahren die große Chance, eigenverantwortlich zu gestalten und zu wirtschaften. Ich hoffe, daß die Versuche erfolgreich sind, damit bald weitere folgen können.
Herr Kollege Fischer, ich gebe Ihnen irgendwann einmal Nachhilfeunterricht. Vielleicht kann der Kollege Metzger das viel besser. Es ist nämlich auch sein Kind.
Die Sorge des Staates um die Sicherheit seiner Bürger, die Ermöglichung der Teilhabe der Bürger am demokratischen Staatswesen und die Behandlung kultureller Angelegenheiten sind Schwerpunkte dieses Etats, auf die ich näher eingehen möchte.
Das nachvollziehbare Begehren der Bürger, in Sicherheit ihre Freiheit ausleben zu können und einen zuverlässigen Schutz vor Kriminalität durch den Staat zu erhalten, hat bei den Beratungen seinen Niederschlag gefunden. Der Bereich des Bundeskriminalamtes mit den Schwerpunkten Informationstechnik, Europol, Personal wird jetzt mit 518,8 Millionen DM etatisiert.
Beim Bundesgrenzschutz haben wir jetzt 2,73 Milliarden DM veranschlagt. Innerhalb eines Jahres wurde hier um 654 Millionen DM aufgestockt. Diese Mehrausgaben dienen zur Schließung der Personallücke und zur Steigerung der Attraktivität dieses Dienstes. Daß wir von Haushaltsseite ein Hebungsprogramm für rund 2 500 Polizeibeamte einstellen mußten, ist der erste Schritt des Gesamtprogramms, dem in den kommenden Jahren noch rund 9 000 Hebungen von A7 nach A8 folgen müssen.
Ich glaube, da sind wir unisono, Herr Kollege Graf. Wir sollten hier wirklich keine Geschichtsklitterung oder Wahrheitsdefinition betreiben. Die Koalition hat sich sehr intensiv darum bemüht. Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn die SPD und die GRÜNEN nachziehen. Die Verantwortung für den Haushalt aber trägt immer noch die Koalition. Dabei würde ich es auch gerne belassen.
Dringend erforderlich - aus meiner Sicht ist es schon fast peinlich, wie in dieser Frage vom Finanzminister geblockt wurde - ist es, die Ausstattung des Bundesgrenzschutzes mit modernen Kommunikationstechniken zu verbessern. Der Einsicht des Ausschusses ist es zu verdanken, daß es mir gelungen ist, den ersten Schritt für ein Beschaffungsprogramm für Mobilfunktelefone und Autoradios zu tun. Es entbehrt nicht einer besonderen Pikanterie, wenn auf der einen Seite argumentiert wird, wir müßten der organisierten Kriminalität mit dem verstärkten Einsatz technischer Mittel begegnen, und auf der anderen Seite die Grenzschützer ihre Einsätze von der Telefonzelle aus halten oder mangels billiger Autoradios mit Verkehrsfunk unerwartet im Stau stehen. .
- Das ist mir schon öfter aufgefallen, Herr Kollege Schily. Deswegen habe ich auch nicht die Opposition kritisiert, sondern den Finanzminister.
Wir erwarten von der Regierung, daß das Programm in den kommenden Jahren weiter ausgebaut wird.
Bei aller Zufriedenheit, die man aus Bundessicht für den Etat im Bereich der inneren Sicherheit haben kann, will ich hier deutlich machen, daß man die Sicherheit der Bürger nicht erkaufen kann. Der Koalition ist es aber gelungen, diesen Schwerpunkt der Innenpolitik vom Kopf auf die Füße zu stellen, fernab einer James-Bond-Mentalität.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion geht davon aus, daß ein die innenpolitischen Grundsätze widerspiegelnder Haushalt dem Bürger die Teilhabe am demokratischen Staatswesen ermöglichen muß. Hierunter verstehe ich besonders die Möglichkeit, daß sich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes politisch bilden bzw. weiterbilden können. Diesen Bereich decken zum großen Teil die politischen Stiftungen und die vielen kleinen Weiterbildungseinrichtungen ab. Ihre Arbeit ist in der Regel nicht zu kritisieren, wie auch der Herr Bundespräsident erst vor wenigen Tagen festgestellt hat.
Ina Albowitz
Ärgerlich ist aber, daß wir seit Jahren die Finanzierung der Stiftungen nicht gesetzlich geregelt haben.
Meine Fraktion hat jetzt als Initiative einen umfangreichen Gesetzentwurf vorgelegt und lädt alle Fraktionen dieses Hauses zu einer intensiven Diskussion und Debatte ein.
Wir sollten die kritischen Diskussionen in der Öffentlichkeit ernst nehmen und, bevor uns das Verfassungsgericht vorschreibt, was der Gesetzgeber zu tun hat, selber unsere Hausaufgaben erledigen, damit wir endlich aus dem Geruch der Begünstigung herauskommen.
Meine Damen und Herren, die Übereinstimmung des Bürgers mit dem Staat, in dem er lebt, resultiert auch daraus, daß er sich in seinem Land kulturell und geistig gefordert fühlt. Ich habe in den bisherigen Haushaltsberatungen den Stellenwert insbesondere der Kultur immer deutlich angesprochen, den sie in einem demokratisch-föderalen Staatsgefüge hat.
Auch in einer Zeit haushaltswirtschaftlicher Probleme hat der Bund seine traditionellen Fördermaßnahmen als Beitrag zur Sicherung des notwendigen Freiraums für Kunst und Kultur auf einem vertretbaren Niveau fortschreiben können.
Die bisherigen Prioritäten der Kulturförderung in den alten Bundesländern sind nach 1992 neu bewertet worden und gleichzeitig bislang nicht etatisierte Kultureinrichtungen in den neuen Bundesländern in die Bundesförderung einbezogen worden.
Ich persönlich allerdings habe meine Zweifel, ob die bisherige Bewertung in den kommenden Jahren hält oder ob wir nicht in einer Gesamtschau in relativ kurzer Zeit mit den Ländern gemeinsam Kriterien entwickeln müssen, wie Spitzenkulturförderung im Verhältnis Bund/Länder auszusehen hat.
Insgesamt verfügt der Innenminister jetzt über einen Etat von rund 1,5 Milliarden DM in diesem Bereich. Schwerpunkte sind Denkmalschutz, die Kulturförderung in den neuen Bundesländern, das Gedenkstättenkonzept Ost und die sogenannten Sondermaßnahmen Ost.
Die in einer Agenturmeldung vom 16. März kolportierte Aufforderung der Ministerpräsidenten, der Bund solle sich weiter an der Kulturförderung in den neuen Bundesländern beteiligen, ist eine ziemlich dümmliche Effekthascherei. Wir widmen uns dieser Aufgabe mit erheblichem personellen und finanziellen Engagement. Wenn aber die Ministerpräsidenten schon soviel Herzblut einfließen lassen, möchte ich
noch einmal die notwendige Definition erstens der Spitzenkulturförderung in Deutschland und zweitens der Formierung von Kulturkonzeptionen dringend anmahnen.
Es ist schon ziemlich ernüchternd, meine Damen und Herren, anzusehen, daß die ach so vornehme Kultusministerkonferenz immer mehr zu einer bundesweiten Lehrerkonferenz gerät, die sich fast ausschließlich mit Bildungsfragen beschäftigt, aber sich den Erfordernissen von programmatischer Kulturarbeit konsequent entzieht.
In Nordrhein-Westfalen, wo demnächst Wahlen anstehen, kann man dies ja vielleicht mit dem momentanen, alle Kräfte verzehrenden Glaubenskrieg um die Gesamtschule in Verbindung bringen. Nur, zu billigen ist dies in keinem Fall. Und was das Verhalten bei der Finanzierung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angeht, stellt sich ja wohl die Frage, wie vertragstreu eigentlich die Länder sind.
Auf einen besonderen Streitpunkt, meine Damen und Herren, muß ich noch eingehen. Auch im Kulturbereich scheint die Berlin-Bonn-Sklerose immer noch weiterzugehen. Mit Argusaugen wird darüber gewacht, mit keinem Pfennig schlechter dazustehen als die jeweils andere Stadt und die in ihr geförderten kulturellen Maßnahmen.
So geisterten in der letzten Zeit Zahlen durch die Presse, die den konstruierten Gegensatz von Berlin-Gegnern und Bonn-Freunden neu aufleben lassen sollten. Aus der Gesamtsumme von 352,3 Millionen DM, die zur Förderung kultureller Einrichtungen und Vorhaben in Berlin für das laufende Jahr eingestellt werden sollen bzw. eingestellt sind, wurde der Sondertitel Berlinförderung für 1995 in Höhe von 30 Millionen DM herausgezogen und vergleichend den im Rahmen des Hauptstadtvertrages für Bonn vorgesehenen Mitteln gegenübergestellt. Hier sollte Meinung gemacht und Unruhe geschürt werden.
Fakt ist, daß in den Jahren 1991 bis 1994 rund 2 Milliarden DM in die Kulturförderung Berlins - einschließlich der Übergangsfinanzierung und der Sondermittel aus dem Bundeshaushalt - geflossen sind. Berlin erhält ab 1995 über den Länderfinanzausgleich erhöhte Zuwendungen und kann selber entscheiden, wofür es diese erhöhten Sonderzuweisungen benutzen möchte.
Die von uns eingestellten 30 Millionen DM entsprechen im übrigen exakt dem Anteil, den das Land Berlin 1994 aus der Übergangsfinanzierung „Sondertopf Unabhängige Kommission" erhalten hat.
Ina Albowitz
Wenn der Doppelhaushalt des Berliner Senats ein Defizit von 148 Millionen DM hat, kann ja wohl der zuständige Kultursenator nicht allen Ernstes angenommen haben, daß wir seine Defizitberechnungen einfach abgleichen.
Hier ist schon sein eigener Kopf gefragt. Die von uns eingestellten zusätzlichen 30 Millionen DM allerdings als „lachhaft" zu bezeichnen, das ist ein Niveau, meine Damen und Herren, angesichts dessen ich mir wünschen würde, daß der Regierende Bürgermeister dazu Stellung nimmt. Oder noch besser: Die Berliner Bürger sollten diesen Senator endlich abwählen, denn das hat er längst verdient.
Die Berliner können sich aber darauf verlassen, daß wir den Hauptstadtvertrag, der ab 1996 gilt, einhalten werden, ebenso wie die Bonner wissen, daß der Bonn-Vertrag 1999 ausläuft.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zwei Sätze zum Einzelplan 36 sagen. Ich kann die Kollegin Titze ja verstehen. Wir haben den Innenminister schon vor Jahren aufgefordert
- nein, noch länger, Uta -,
uns eine schlüssige Gesamtkonzeption vorzulegen. Weil die Defizite in diesem Bereich so groß waren, hat der Finanzminister in den vergangenen Jahren natürlich die Gunst der Stunde genutzt und den Haushalt plafondiert. Da nützt das Drumherumreden überhaupt nichts; ich denke, das muß man in dieser Offenheit auch ansprechen.
Seit 1992 hat der Haushaltsausschuß den Innenminister aufgefordert, eine Gesamtkonzeption vorzulegen. Frau Kollegin Titze, diese Gesamtkonzeption liegt vor. Der Innenminister hat die Koalitionsfraktionen und den Ausschuß - die Ausschußvorlage ist im übrigen da - darüber auch informiert. Wir haben während der Ausschußberatungen und in der Berichterstatterrunde schon über die Konzeption geredet.
Daß sie im Innenausschuß und im Haushaltsausschuß noch nicht abschließend beraten worden ist, das, glaube ich, ist im Augenblick nicht zu kritisieren. Aber da wir in den kommenden Monaten keine Haushaltsberatungen haben, bleibt uns eine Menge Zeit, das nachträglich zu erledigen.
Ich bedanke mich vor allem bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Innenministeriums, hier vor allen Dingen bei denen des Haushaltsreferats. Die Mitarbeiter Ihres Hauses, Herr Innenminister, haben in diesem Jahr mit zwei Haushalten Beachtliches zu leisten. Nur Haushälter wissen, was das heißt. Wir leiden alle gemeinsam.
Ich bedanke mich.