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    Plenarprotokoll 13/25 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 25. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. März 1995 Inhalt: Tagesordnungspunkt 12: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Situation der Kinder und Jugendlichen und die Entwicklung der Jugendhilfe in den neuen Bundesländern - Neunter Jugendbericht - mit der Stellungnahme der Bundesregierung zum Neunten Jugendbericht (Drucksache 13/70) Claudia Nolte, Bundesministerin BMFSFJ 1779 B Dr. Edith Niehuis SPD 1782 B Wolfgang Dehnel CDU/CSU 1784 D Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1786 B Dr. Edith Niehus SPD 1787 C Heinz Lanfermann F.D.P 1789 B Rosel Neuhäuser PDS 1790 C Klaus Riegert CDU/CSU 1792 B Thomas Krüger SPD 1793 D, 1799 B Klaus Riegert CDU/CSU 1794 A Jürgen Türk F.D.P 1796 A Monika Brudlewsky CDU/CSU 1797 C, 1799 C Ursula Mogg SPD 1799 D Kersten Wetzel CDU/CSU 1801 C Klaus Hagemann SPD 1802 D Helmut Jawurek CDU/CSU 1804 C Thomas Krüger SPD 1805 C Matthias Berninger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. 1806 B Eckart von Klaeden CDU/CSU 1806 C Tagesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von dem Abgeordneten Manfred Müller (Berlin) und der weiteren Abgeordneten der PDS eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (§ 116) (Drucksache 13/581) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Annelie Buntenbach, Kerstin Müller (Köln), Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgeseizes (§ 116) (Drucksache 13/691) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen (Drucksache 13/715) Rudolf Dreßler SPD 1807 C Andreas Storm CDU/CSU 1809 B Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1810 D Uwe Lühr F.D.P 1811 D Manfred Müller (Berlin) PDS 1812 D Wolfgang Vogt (Düren) CDU/CSU 1813 D Adolf Ostertag SPD 1814 C Rudolf Kraus, Parl. Staatssekretär BMA . 1816 B Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (Drucksache 13/204) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Antrag der Abgeordneten Rita Grießhaber und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Zeit und Geld für Kinder (Drucksache 13/711) Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1817 C Walter Link (Diepholz) CDU/CSU 1818 B Hildegard Wester SPD 1819 D Heinz Lanfermann F.D.P. 1821 D Heidemarie Lüth PDS 1823 A Tagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Cern Özdemir, Christa Nickels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Beschränkung der Ab-schiebungshaft von Ausländerinnen und Ausländern (Drucksache 13/107) Christa Nickels BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1824 A Eckart von Klaeden CDU/CSU 1825 C Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast SPD 1826 D Dr. Max Stadler F.D.P. 1828 B Ulrich Irmer F.D.P 1828 D Ulla Jelpke PDS 1829 D Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI 1830 B Dr. Winfried Wolf PDS 1831 A Dieter Wiefelspütz SPD 1831 B Nächste Sitzung 1831 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 1832* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 1832* C 25. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. März 1995 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Bremen), BÜNDNIS 10. 3. 95 Marieluise 90/DIE GRÜNEN Blunck, Lilo SPD 10. 3. 95** Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 10. 3. 95** Dr. Däubler-Gmelin, SPD 10. 3. 95 Herta Eichstädt-Bohlig, BÜNDNIS 10.3. 95 Franziska 90/DIE GRÜNEN Eymer, Anke CDU/CSU 10. 3. 95 Genscher, F.D.P. 10. 3. 95 Hans-Dietrich Dr. Glotz, Peter SPD 10. 3. 95 Hanewinckel, Christel SPD 10. 3. 95 Hauser CDU/CSU 10.3. 95 (Rednitzhembach) Hansgeorg Heistermann, Dieter SPD 10. 3. 95 Heym, Stefan PDS 10. 3. 95 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 10. 3. 95 Dr. Jacob, Willibald PDS 10. 3. 95 Kanther, Manfred CDU/CSU 10. 3. 95 Knoche, Monika BÜNDNIS 10. 3. 95 90/DIE GRÜNEN Kunick, Konrad SPD 10. 3. 95 Labsch, Werner SPD 10. 3. 95 Leidinger, Robert SPD 10. 3. 95 Leutheusser- F.D.P. 10. 3. 95 Schnarrenberger, Sabine Limbach, Editha CDU/CSU 10. 3. 95 Möllemann, Jürgen W. F.D.P. 10. 3. 95 Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 10. 3. 95 Dr. Scheer, I Iermann SPD 10. 3. 95* Schmidt (Aachen), SPD 10. 3. 95 Ursula Schumann, Ilse SPD 10. 3. 95 Schwanitz, Rolf SPD 10. 3. 95 Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 10. 3. 95 Christan Dr. Skarpelis-Sperk, SPD 10. 3. 95 Sigrid Sorge, Wieland SPD 10. 3. 95 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Steindor, Marina BÜNDNIS 10. 3. 95 90/DIE GRÜNEN Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 10. 3. 95 Vergin, Siegfried SPD 10. 3. 95 Vosen, Josef SPD 10. 3. 95 Welt, Jochen SPD 10. 3. 95 Wimmer (Neuss), Willy CDU/CSU 10. 3. 95 Wohlleben, Verena SPD 10. 3. 95 Zierer, Benno CDU/CSU 10. 3. 95 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 13/28 Drucksache 13/112 Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, daß sie die Anträge „Solidarität mit Salman Rushdie und Appell gegen die Einschränkung von Meinungsfreiheiten", Drucksache 13/548, und „Beteiligung einer Delegation des Deutschen Bundestages an der VN-Konferenz in Berlin vom 23. März bis 7. April 1995", Drucksache 13/315, zurückzieht. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EU-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 13/218 Nr. 1 Drucksache 13/218 Nr. 3 Drucksache 13/218 Nr. 4 Drucksache 12/7654 Nr. 3.1 Finanzausschuß Drucksache 13/218 Nr. 13 Drucksache 13/218 Nr. 15 Drucksache 13/218 Nr. 18 Haushallsausschuß Drucksache 13/218 Nr. 21 Drucksache 13/343 Nr. 2.27 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 13/218 Nr. 22 bis Nr. 56 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 13/218 Nr. 99 Drucksache 13/218 Nr. 101 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 13/218 Nr. 107
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    Rede von Thomas Krüger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Abgeordneter, daß wichtige Ansätze entstanden sind, erklärt sich ganz einfach daraus, daß man im Grunde von Null angefangen hat bzw. den gesamten Jugendhilfebereich umstrukturiert hat. Das ist in der Tat in diesem Bericht erkennbar.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der F.D.P.)

    Aber es ist auch erkennbar - das ist das eigentlich Bedauerliche -, daß seitens des Bundes, der Länder und der Kommunen viel zu wenig getan worden ist, um den Charakter der Jugendpolitik als fünftes Rad am Wagen der Politik zu beenden und dem etwas Zukunftweisendes entgegenzusetzen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Ich stelle fest, daß es so etwas wie eine neue Jugendfeindlichkeit in unserer Gesellschaft gibt. Jugendliche kommen als Störer, als Randalierer, als Graffiti-Schmierer, als diejenigen in den Blick, die laut und rücksichtslos sind und die falschen Parteien wählen. Jugendliche werden vornehmlich zum Objekt der von uns Erwachsenen erlebten und eingebildeten Freiheitseinschränkungen. Das fängt bereits in der Familie an, wenn das kleinste Zimmer zum Spielzimmer der Kinder gemacht wird, geht über den öffentlichen Stadtraum, wenn Jugendliche und Kinder
    verdrängt werden, ihnen weniger Platz eingeräumt wird, und endet schließlich dabei, daß Ausbildungs- und Studienplätze abgebaut werden, weil uns beim Sparen die Jugendlichen immer zuerst einfallen.
    Wir müssen nicht nur danach fragen, welche Probleme uns die Jugend macht, sondern vielmehr danach, welche Probleme die Jugend selbst hat. Denn Skandale und Provokationen der Jugend haben sehr viel mit uns und unserer Generation und unseren Wertmaßstäben zu tun. Wir dürfen deshalb der jungen Generation nicht in den Rücken fallen, sondern wir müssen ihr den Rücken stärken. Ein breit angelegter Generationenvertrag ist erforderlich. Das fängt beim vieldiskutierten Familienlastenausgleich an und reicht weiter in alle Politikfelder hinein. Jugendpolitik muß Querschnittspolitik sein und darf sich nicht selber in die Situation bringen, in der sich die Jugendlichen bereits befinden, nämlich sich ihr Recht erst einmal erkämpfen zu müssen.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zum Bericht der Sachverständigen gesagt, sie wolle sich der Aktualität der Lage stellen. Man höre genau hin: Sie wolle die Evaluation unabhängiger Sachverständiger nutzen und sich herausfordern lassen. Tun Sie das, Frau Nolte, Sie haben unsere Unterstützung, wenn Sie über Appelle und über die bloßen Ankündigungen hinaus neue Politik machen! Wir brauchen eine neue Politik im Jugendbereich. Sie tragen die Verantwortung. Sie haben Gestaltungsspielraum.
    Aber wir wissen alle: Zuständig für die Jugendpolitik sind die Länder und die Kommunen. Im Prozeß der deutschen Einheit hätten wir jedoch alle sagen können, daß die Wende es gebietet, daß der besonderen Situation der Jugendhilfe in den neuen Bundesländern eine besondere Anstrengung der Bundesregierung entspricht.
    An zwei Beispielen will ich Ihnen kurz skizzieren, wo die Bundesregierung dies getan hat, nämlich im Krankenhausbereich durch Ihren Kollegen Seehofer und im Bereich der Seniorenheime durch Ihre Vorgängerin im Seniorenbereich, Frau Rönsch. Dort sind mittelfristige Investitionsprogramme über zehn Jahre aufgelegt worden. Im Jugendhilfebereich ist gar nichts passiert. Die bauliche Substanz der Räume ist katastrophal. Im Grunde fehlen auch Räume. Wir müssen Investitionen im Jugendbereich vornehmen. Die Jugendpolitik umfaßt nicht nur konsumtive Ausgaben, sondern auch investive Ausgaben. Das müssen wir begreifen, um die Chancen der Jugend zum Zuge zu bringen.

    (Beifall bei der SPD)

    Frau Ministerin, Ihre Beamten sprechen die Finanzierungsinstrumente an, die für die Kommunen im Osten unserer Republik bereitgestellt wurden. Da sind das Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost, die kommunale Investitionspauschale und der Fonds Deutsche Einheit. Aber Sie wissen alle, daß diese Mittel direkt an die Länder und Kommunen übergeben worden sind und, angekommen in den Ländern

    Thomas Krüger
    und Kommunen, sich überhaupt nicht im Bereich der Jugendhilfe ausgewirkt haben, weil natürlich die Vertreter, die Dezernenten, die Minister im Jugendbereich keine Chance gehabt haben, von diesem Kuchen etwas abzubekommen. Die Verkehrspolitiker waren stärker, die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitiker waren stärker. Im Jugendhilfebereich ist somit faktisch sehr wenig passiert. Sie bzw. Ihre Vorgängerin hätten versuchen müssen, einen Sockel oder eine Quote bei diesen Investitionspauschalen einzurichten. Dann wäre auch die Garantie dafür gegeben, daß im Jugendbereich etwas ankommt. Angekommen ist jedenfalls herzlich wenig.
    Was ABM und Maßnahmen nach § 249h Arbeitsförderungsgesetz betrifft, weiß jeder: Das sind notwendige Instrumente für die Übergangszeit gewesen. Aber die Jugendpolitik braucht Kontinuität und Qualität. Das bieten diese arbeitsmarktpolitischen Instrumente viel zu wenig.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Lassen Sie mich noch etwas zu den Sonderprogrammen sagen. „Sommer der Begegnung"; „Aufbau freier Träger"; zum AgAG-Programm ist schon etwas gesagt worden: Ich fand, „Sommer der Begegnung" und „Aufbau freier Träger" waren - das sage ich aus eigener Erfahrung als früherer Berliner Jugendsenator - Programme, die mit heißer Nadel genäht waren, waren Programme, die am Bedarf in den Kommunen und Ländern oft völlig vorbeigingen.
    Da ist dann vielleicht der unionsnahe Jugendverein „Frischluft" auf die Jagd gegangen und hat in Thüringen und in Sachsen-Anhalt Jugendliche gesammelt und sie mit Jugendlichen aus den westdeutschen Bundesländern in Kontakt gebracht. Das ist ja alles ganz in Ordnung. Aber es ist sehr viel Geld dieses Programmes versandet, und das weiß ich durch die Besprechungen im Bereich der Jugendminister und der Beamten, die in diesem Bereich immer wieder darüber geklagt haben,

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    daß die Mittelansätze viel zu kurzfristig bereitgestellt worden sind und im Grunde überhaupt nicht strukturell gewirkt haben.
    Beim „Aufbau freier Träger" gab es den Fortbildungsbereich. Sehr wichtig ist die Fortbildung von Mitarbeitern im Bereich der Jugendhilfe - zweifelsohne -, aber es ist so, daß diese Fortbildungsmaßnahmen die eigenen Ansätze von Fortbildungs- und Bildungsträgern in den neuen Ländern verstellt haben, weil die Tagessätze viel zu hoch waren und deshalb letztendlich die Arbeitsansätze, die vor Ort da waren, kaputtgemacht worden sind.
    Ich glaube, daß hier erst am Schluß des Programmes einigermaßen eine Koordination zwischen Bundesprogramm und Ländern stattgefunden hat. Deshalb ist dieser Teil verhältnismäßig vertan gewesen. Man muß doch die Strukturen vor Ort fördern und
    aufbauen und nicht durch solche Instrumente kaputtmachen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Ich möchte schließlich noch ein Wort zum Bereich der Jugendklubs sagen. Es wird immer beklagt, daß in den neuen Ländern, in den großen Städten, in den Plattenbausiedlungen die Jugendklubs kaputtgegangen seien. Die Architektur in diesen Plattenbausiedlungen ist kinder- und jugendfeindlich. Das muß man ganz klar sagen. Es gibt in diesem Bereich keine geschützten Räume für Jugendliche.
    Die wenigen vorhandenen Anlaufstellen sind oftmals kaputtgemacht worden. Es waren nicht der wirtschaftliche und ideologische Zusammenbruch, wie die Bundesregierung bzw. die Beamten Ihres Ministeriums, Frau Nolte, in die Stellungnahme hineinschreiben, die daran Schuld tragen, sondern ursächlich war in der Tat die Wende und die Situation, die ich vorhin schon angesprochen habe, nämlich das Recht der Stärkeren: In der Wendezeit hat sich sozusagen das Recht des Stärkeren auf die Tagesordnung gesetzt, und die Stärkeren haben sich natürlich die Jugendräume genommen. Sie haben sich die Räume angeeignet und für andere Zwecke verwandt - sicherlich für wichtige Zwecke -, aber jetzt steht man vor dem Ruin und hat oftmals keine Räume mehr. Das, denke ich, ist ein schwerwiegender Gesichtspunkt.
    Sie sollten hier in diesem Bericht weniger kaschieren, als die Probleme beim Namen nennen. Das Problem ist ein strukturelles. Jugendpolitik ist das fünfte Rad am Wagen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Da muß man etwas entgegensetzen. Ich nehme da keine der Parteien, die in diesem Parlament sind, von der Verantwortung aus; denn auch in Bund, Ländern und Kommunen tragen alle diese Parteien mehr oder weniger Verantwortung.
    Ich komme zum Schluß: Die Jugendkulturarbeit, meine Damen und Herren, halte ich für einen ganz wesentlichen Ansatzpunkt. Sie haben gesagt, daß Sie neue Antworten, neue Impulse aufgreifen wollen. Jugendkulturarbeit sagt, daß man bei den Stärken der Kinder und Jugendlichen ansetzen will und nicht bei den Schwächen. Wenn man die Stärken fördert, selbstbewußte Kinder und Jugendliche unterstützt, dann hat Jugendkulturarbeit in der Tat einen Investitionscharakter. Diesen sollten wir versuchen auszubauen.
    Für die Jugendsozialarbeit heißt das, daß sie nicht aufgehoben werden sollte, sondern daß ihre Arbeitsbereiche enger umrissen werden sollten, beispielsweise im Bereich der Jugendberufshilfe für benachteiligte Jugendliche. Jugendkulturarbeit ist einer der wesentlichen Gesichtspunkte, die wir fördern können.
    Sie haben dazu die Möglichkeit, Frau Nolte. Sie können nämlich im Kinder- und Jugendplan des Bundes für den Bereich der Kinder- und Jugendkulturarbeit mehr Mittel als bisher zur Verfügung stel-

    Thomas Krüger
    len. Sie haben jedenfalls meine persönliche Unterstützung, wenn Sie sich da auch mit dem einen oder anderen Platzhalter im Bereich der Jugendhilfe anlegen und wirklich umverteilen. Jugendpolitik muß sich die Gestaltung auf die Fahnen schreiben und nicht die Bewahrung des Status quo. Dann wird es nämlich immer schlimmer.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Jetzt erhält das Wort der Abgeordnete Jürgen Türk.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die F.D.P. ist heute wirklich mit jungen Leuten besetzt!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Türk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Das sowieso. Aber Sie sehen heute auch nicht unbedingt gerade jung aus - heute früh jedenfalls.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Besser Sie sehen so aus wie ich als so wie Sie! Heiterkeit)

    - Manchmal sieht man ganz schön alt aus. Das geht auch mir so.
    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Neunte Jugendbericht macht Schluß mit der leichtfertigen Bemerkung, daß die Jugendlichen durch ihre Unbefangenheit am leichtesten mit dem tiefgreifenden Wandel durch die deutsche Einheit fertig werden.
    Nein, der Jugendbericht fordert: Wer es ernst meint mit der deutschen Einheit, sollte nicht nur Dankbarkeit verlangen, in Freiheit leben zu können, sondern erkennen, daß besonders der Jugend gezielt Entfaltungsmöglichkeiten eröffnet werden müssen.
    Der Bericht zeichnet dankenswerterweise ein differenziertes Bild. Wir müssen uns schon bemühen, die Vielfalt der Situationen genauer anzuschauen. Ich möchte bestimmte Punkte herausgreifen, die mich beim Lesen des Berichts berührt haben. So war ich natürlich neugierig, wie die Jugend die Politiker bewertet.
    Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, unser aller Ruf ist nicht nur schlecht, sondern saumäßig. So urteilen 85 %, daß es sich bei unserer Arbeit nur um Geld und Betrug dreht. Das sollten wir ernst nehmen. Wir sollten sehen, wo die Ursachen dafür liegen. Den Parteien geht es dementsprechend. Es ist kaum Genugtuung, wenn PDS und Reps besonders schlecht abschneiden. Die Ohrfeige sitzt insgesamt.

    (Zuruf von der PDS: Na, na!) - Doch, das zeigt der Bericht.

    Noch zeigen sie ihren Frust durch Nichtwahl, dabei muß es aber nicht bleiben. Wir müssen die Chance ergreifen, mit den Jugendlichen trotz aller beruflichen Belastung, die wir auch haben - Sie wissen das -, ins Gespräch zu kommen.

    (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Reden hilft nicht!)

    - Doch, das hilft schon, um hereinzukommen.

    (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Sie müssen was tun!)

    Ich tue das zunehmend in Schulen. Wir führen gute Gespräche, aber die Vervielfältigung durch die Medien fehlt; denn ich kann nicht alle Schulen in Brandenburg besuchen, das ist unmöglich. Randale läßt sich eben in den Medien viel besser verkaufen. Das ist ein Punkt. Es ist nicht der einzige, aber ein Punkt.
    Daß wir noch eine Chance besitzen, zeigt, daß die Annahme des demokratischen Systems von einer überwältigenden Mehrheit der ostdeutschen Jugend getragen wird. Über 84 % lehnen Gewalt als Konfliktlösung ab, und Frieden, Familie und Freiheit haben den höchsten Stellenwert.
    Die ostdeutsche Jugend ist weit davon entfernt, in politischen Extremismus abzudriften, wie das manchmal behauptet wird. Aber es gibt ein besorgniserregendes politisches Integrationsdefizit. Hier sind wir alle gefordert - ich sagte das bereits -, nachzudenken, woran das liegt.
    Wir können Vertrauen zurückgewinnen, wenn wir der Jugend einen noch viel höheren Stellenwert einräumen und nicht erst dann reagieren, wenn gewalttätige Minderheiten spektakuläre und medienwirksame Ereignisse inszenieren.

    (Beifall bei der F.D.P.) Da gebe ich Ihnen recht.

    Aber der Bericht belegt auch trotz aller Kritik an den Gegebenheiten und an uns, trotz der tiefgreifenden Umbrüche und der schwierigen Wirtschaftslage einen unverrückbaren Optimismus. Die Jugend will die Zukunft meistern, will ihre Chance haben. Dabei sind vor allem die ostdeutschen Jugendlichen von einem Problem betroffen, das ihre Altersgenossen in Westdeutschland so extrem nicht kennen, nämlich von der Arbeitslosigkeit.

    (Katrin Fuchs [Verl] [SPD]: Das ist kein Problem?)

    - Natürlich ist das ein Problem. - In der Gruppe der jungen Erwachsenen waren im Jahre 1993 mehr als 20 % arbeitslos, in Westdeutschland dagegen nur 3 %. Deshalb sind die Anstrengungen der Bundesregierung für immer mehr Beschäftigung richtig und müssen fortgesetzt werden.
    Wir hatten erst vor kurzem die Debatte, daß das nicht mehr so sein sollte. Das ist mit das Wichtigste. Jede Mark, die jungen Menschen eine Perspektive gibt, ist gut ausgegeben.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)


    Jürgen Türk
    Wir müssen tatsächlich aufpassen, daß keine Investitionsruinen entstehen. Ich meine das nicht nur aus bautechnischer Sicht. Wie sollen sich diese Jugendlichen sonst mit unserem Staat identifizieren, wenn ihre größte errungene Freiheit die Freiheit von Arbeit ist.
    Es beschämt mich, daß sich 36 % der ostdeutschen Jugendlichen als Bürger zweiter Klasse fühlen. Diese vom Bericht als kollektive Selbstdegradierung bezeichnete Gefühlslage verdeutlicht den Druck, der auf ostdeutschen Jugendlichen lastet. Selbstverständlich vergleichen sie sich mit den Jugendlichen im Westen und deren Perspektiven und fordern gleiche Chancen. Ich meine, zu Recht.
    Wenn der Bericht die jungen Familien als die Verlierer der Einheit ausweist, die sich nicht zu Wort gemeldet haben, wundert es mich nicht, daß die Geburtenrate in dieser Umbruchphase drastisch zurückgegangen ist und zurückgeht. Die jetzt gefundene Regelung des Familienlastenausgleichs war darum besonders aus ostdeutscher Sicht mehr als richtig.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Notwendig ist auch eine Jugendpolitik, die noch mehr auf die Bedürfnisse der Jugend eingeht. Wenn man sich den Vergleich der Einkommen von Jugendlichen in den alten und neuen Bundesländern ansieht, erkennt man, daß man sich die privaten Freizeiteinrichtungen, die gewachsen sind, nur in begrenztem Umfang leisten kann. Also brauchen wir weiterhin Überbrückungsinstrumente.
    Ich hoffe, man wirft mir nicht Verschwendung vor, wenn ich mir die Forderung der Jugend zu eigen mache, daß die Kommunen kommunale Jugendfreizeitstätten schaffen müssen. Weitere Investitionen in die Wirtschaft sind wichtig, sie sind aber nicht alles.
    Zum Schluß möchte ich kurz auf den Abschnitt Rechtsradikalität und Ausländerfeindlichkeit bei Jugendlichen im Osten eingehen. Wie meine vorangegangenen Ausführungen schon deutlich machten, handelt es sich um ein Minderheitenproblem. Der Bericht belegt, daß die ostdeutsche Jugend nicht von Rechtsextremismus infiziert ist. Aber ich möchte nichts herunterspielen. Laut Bericht haben 18 % ein gewisses Verständnis für Gewalt gegen ausländische Mitbürger. Das muß nachdenklich machen. Diese Problematik aber nur auf die Jugend abzuwälzen ist unfair, denn Jugend artikuliert ihre Meinung nur drastischer. 40 Jahre DDR-Inselmentalität prägen. Gewürzt mit den derzeitigen Arbeitsplatzängsten und einem geringen Selbstwertgefühl, entstehen daraus dann natürlich Vorurteile. Das entschuldigt keine Gewalttat, aber es erklärt zum Teil deren Entstehung.
    Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen sind das eine. Das andere sind Arbeitsplätze, Lehrstellen, Studienplätze und Freizeitangebote, sind Entfaltungsmöglichkeiten, die wir den Jugendlichen schaffen müssen.
    Es ist - das muß man schon feststellen - in den letzten Jahren viel getan worden, aber es ist noch mehr als bisher zu tun. Packen wir es also gemeinsam an, wie man so schön sagt. Packen wir es mit den Jugendlichen gemeinsam an!

    (Beifall bei der F.D.P. Beifall des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    Der Neunte Jugendbericht ist natürlich nicht bequem, aber eine gute Grundlage dafür.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)