Rede von
Wolfgang
Dehnel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Damen und Herren Kollegen! Einige von Ihnen werden sich sicher wundern, daß ich als 50jähriger zu Entwicklungschancen der Jugend sprechen möchte.
Da ich aber am letzten Tag der Jalta-Konferenz geboren wurde, als Roosevelt, Churchill und Stalin gerade die Teilung Deutschlands besiegelten, kann ich schon einige Erfahrungen darüber einbringen, was in den jugendlichen Köpfen in Ost und West damals vorgegangen ist.
Das Wichtigste jedoch ist, daß ich gerne mit Jugendlichen zusammenarbeite, aber auch mit ihnen streite, wenn es um die Zukunft geht.
Denn die Jugend von heute und morgen muß mit unseren Entscheidungen von gestern und heute, die wir auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens getroffen haben bzw. noch treffen, leben. Dazu zählen wirtschaftspolitische, umweltpolitische wie wissenschafts- und kulturpolitische, in besonderem Maße auch familienpolitische Entscheidungen.
Wolfgang Dehnel
Wenn wir der Jugendpolitik in diesem Rahmen ausreichend Beachtung und Raum bieten, werden die Verwalter des nächsten Jahrhunderts - von einem Jahrtausend möchte ich hier gar nicht sprechen - gewappnet sein, auf den von uns vorgegebenen Gleisen die richtige Fahrt aufzunehmen, aber auch die wichtigen Stopps und Signale zu erkennen.
Der jetzt vorliegende Neunte Jugendbericht über die Situation der Kinder und Jugendlichen und die Entwicklung der Jugendhilfe in den neuen Bundesländern bietet nach meiner Ansicht eine ausgezeichnete Grundlage, um die Wirksamkeit der bisherigen Maßnahmen auf jugendpolitischem Gebiet im östlichen Teil Deutschlands zu analysieren und Aufschluß für die weitere Arbeit und für kommende Entscheidungen zu erhalten.
Für die wirklich umfassende Fleißarbeit möchte ich dem Erstellerteam im Namen meiner Ausschußgruppe ganz herzlich danken.
- Das glaube ich auch, Herr Fischer.
In vielen Punkten und Sichtweisen stimmt die Auffassung der Bundesregierung mit den Aussagen des Berichtes überein.
Das zeigten die Ausführungen meiner Kollegin Frau Ministerin Claudia Nolte in überzeugender Weise, anders als Sie, Frau Niehuis, das hier darstellen wollten.
Ich selbst aber kann ein in dem Bericht enthaltenes gewisses Bedauern über das Wegbrechen der Geborgenheit in der Ex-DDR nicht nachvollziehen.
Das Leben der Jugendlichen war doch gleichsam eine „Ver" borgenheit, nämlich hinter Mauern und Stacheldraht, weich gebettet in einer verlogenen Ideologie,
fernab von freier Entfaltung und freier Meinungsäußerung, auch fernab von demokratischen Denk- und Handlungsweisen.
liegt doch gerade in dieser verlogenen Geborgenheit begründet. In vielen Trainingsstunden wurden die Hurra-Rufe auf die Parteiführung und das System in die jungen Köpfe eingehämmert. Ist das alles denn schon vergessen?
Ja, auch ich wünschte mir heute mehr Enthusiasmus bei jungen Leuten, die durch ihr Vorbild andere mitreißen, wenn es um den Abbau politischer Fronten, aber nicht um den Aufbau von verhärteten oder gar Gewaltfronten geht.
Das ist ein Problem, das sich letztlich vollständig erst in der nächsten Generation lösen wird. Es ist eine Erblast, die uns die SED hinterlassen hat.
Es werden neue Überlegungen notwendig sein, meine Damen und Herren, um mehr Hilfe zur Selbsthilfe leisten zu können. Gerade die Unterstützung von Initiativen der Basis, also der Jugendlichen selbst, bietet größere Erfolgsaussichten als die Streuung von immer mehr Broschüren und Kongressen. So gesehen ist die Bundesregierung auf dem richtigen Weg seit der schwierigen Umstrukturierung des Ausbildungswesens im besonderen und aller Bereiche des gesellschaftlichen Lebens im allgemeinen seit dem Einheitsprozeß.
Gerade die Jugendlichen haben in vorderster Linie dieser machtvollen, aber friedlichen Bewegung gestanden. Sie wollten Freiheit, Demokratie und Wohlstand in einem Volk.
Weder der Wille noch die ersten freien Wahlen in der Ex-DDR wurden aufgezwungen, sondern erkämpft als logische Folge der im Frühjahr 1990 nicht abebbenden Demonstrationen.
Von den gewaltigen Umwälzungen des Einheitsprozesses wurden auf dem Arbeitsmarkt aber leider auch die Ausbildungsplätze betroffen. Dem sich jährlich abzeichnenden Ausbildungsplatzmangel hat die Bundesregierung aber in zweifacher Hinsicht entgegengewirkt: zum ersten durch Ausbildungsplatzförderprogramme gemeinsam mit den Landesregierungen und zum zweiten durch ständigen direkten Kontakt mit den Verbänden und Unternehmen.
Lehrausbildung ist die beste Investition in die Zukunft eines Unternehmens. Das scheinen viele große und mittelständische Unternehmen zunehmend zu vergessen. Sie warten offensichtlich so lange, bis die
Wolfgang Dehnel
Regierungen politisch gezwungen werden, wieder aus Steuermitteln außerbetriebliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Solches Verhalten untergräbt unser bewährtes duales Bildungssystem.
Dies ist ein Pokerspiel, das sich später durch mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der betreffenden Unternehmen rächen wird.
Meine Damen und Herren, den hohen Stellenwert der Benachteiligtenförderung nach dem Arbeitsförderungsgesetz, auf den die Kommission wie auch die Bundesregierung gleichermaßen sensibel reagieren, habe ich in der vergangenen Woche bei einem Besuch einer entsprechenden Ausbildungsstätte sozusagen vor Ort kennengelernt.
Ich war schon tief beeindruckt, wie der finanzielle Aufwand durch Fördermittel plus menschliche Zuwendung plus Ausbildung gute Ergebnisse in den Zeugnisnoten bringt und - noch wichtiger - Integrationshilfe leistet.
So zeigt sich für mich abschließend, daß nicht das Geld allein die Welt regieren muß, daß Fördermittel und Transferleistungen nicht in den Sand gesetzt werden, sondern zukunftsträchtig - im besten Sinne des Wortes - angewendet werden.
Wenn wir uns über solche positiven Erfahrungen wie auch über negative Erscheinungen national und international durch verstärkte Jugendaustauschprogramme näherkommen, fallen die Mauern der Vorurteile und der Voreingenommenheit wie von selbst, vielleicht auch bei der Opposition.
Danke.