Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist manches zu plakativ, was hier gesagt worden ist. Ich kann Ihnen für meine Fraktion versichern, daß wir uns von niemanden in der Erfüllung humanitärer Pflichten übertreffen lassen werden, auch wenn wir das manchmal etwas verhaltener durchsetzen. Ich freue mich, daß Sie, Herr Duve, die Absicht der Rückführung von Kroaten angesprochen haben, beschlossen von den Innenministern. Ich freue mich - wir haben das zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde gemacht -, daß sich die Innenminister nun entschieden haben, jedenfalls die 20 000 Kroaten, die aus serbisch besetzten Gebieten kommen, nicht abzuschieben, sondern hierzubehalten. Das verstehe ich unter praktischer humanitärer Politik.
Nun muß man sich ja überlegen, was eigentlich passiert ist. Meine Vorredner haben erstaunlicherweise nicht gesagt, was sie meiner Meinung nach wissen könnten:
daß die Gespräche, die in Belgrad begonnen worden sind, zu Ende sind, weil wir dieses Land, Rest-Jugoslawien, nicht anerkannt haben und Herr Milosevic versucht, die völkerrechtliche Anerkennung auf dem Rücken von Menschen durchzusetzen.
Aber ganz ohne Zweifel, Herr Kollege Lippelt, geht es nicht um die Frage, welche Personen zurückgeführt werden, sondern darum, ob Jugoslawien seine an sich bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen erfüllt, nämlich die Leute, denen es einen Paß gegeben hat und die ohne Zweifel aus diesem Gebiet kommen, zurückzunehmen, wenn sie keine persönlichen Gefährdungen auszustehen haben.
Es gibt 835 000 Menschen aus Jugoslawien, die sich in der Bundesrepublik aufhalten.
- Ich rede von 835 000 Menschen, die, aus dem früheren Jugoslawien kommend, sich in der Bundesrepublik aufhalten und von denen 120 000 kurzfristig ausreisepflichtig sind, weil ihr Asylbegehren abgelehnt worden ist und weil sich Bund und Länder -
Dr. Burkhard Hirsch
auch das sage ich - in der Frage der Durchführung des Bürgerkriegsstatus nicht haben verständigen können. Deshalb besteht das Problem: Was geschieht mit diesen Menschen?
Ich bin der Meinung, daß es in der Tat vertretbar ist, diejenigen, Herr Kollege Lippelt, die kein persönliches Risiko auszustehen haben, bei denen Asylgesuche rechtskräftig abgelehnt worden sind, und zwar auch unter Prüfung der ausländerrechtlichen Voraussetzungen - Aufenthalt aus humanitären Gründen -, zurückzuschicken, wie wir das auch bei Menschen aus anderen Ländern tun.
Ein Problem besteht in der Tat, nämlich das, das Sie in den Mittelpunkt Ihrer Ausführungen gestellt haben: Was geschieht mit Wehrdienstpflichtigen, die sich dem Wehrdienst entzogen haben? Nun hat dieses Parlament beschlossen, daß die Verweigerung des Wehrdienstes im Grundsatz kein Asylgrund ist, sondern nur dann ein Asylgrund sein kann, wenn diese Männer befürchten müssen, in völkerrechtswidrigen Einsätzen verheizt zu werden. Das ist der Punkt.
Ich weise auch auf folgendes hin - das hat auch Herr Marschewski in seiner etwas lauteren Art hier zutreffend dargestellt -:
Wir müssen in der Tat prüfen, ob wir Menschen aus einem potentiellen Kriegsgebiet zurückschicken, sehenden Auges, daß das Zurückschicken dieser Menschen nicht nur zu ihrer strafrechtlichen Verfolgung führt, sondern sie dann dort zum Militärdienst eingezogen werden und damit die Lage verschärfen.
Nur, lieber Herr Lippelt, Sie müssen differenzieren: Die Frage, ob dieses Land überhaupt bereit ist, seine völkerrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen - in dieser Frage sind alle Länder der Europäischen Union, eine Vielzahl von Ländern, gemeinsam der Überzeugung, daß darüber mit Rest-Jugoslawien gesprochen werden muß -, präjudiziert nicht die sehr viel schwierigere und weitergehende: Wen schicken wir tatsächlich zurück, und wen behalten wir aus notwendigen humanitären Überlegungen hier, wenn eine solche Vereinbarung zustande gekommen sein sollte?
Es ist notwendig, diese Verhandlungen zu führen bzw., wenn dies möglich ist, fortzuführen. Es ist notwendig, sich nicht erpressen zu lassen. Und es ist notwendig, zu beachten, daß durch die Zurückführung von Menschen die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung in diesem Bereich nicht vergrößert werden darf. Das ist unsere Position.