Rede von
Bärbel
Sothmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits Platon, der altgriechische Philosoph, gestand den Frauen gleiche Begabung und gleiche Rechte zu, doch er konnte oder wollte sich mit seiner Ansicht lange Zeit nicht recht durchsetzen. Die Frauen selbst begannen erst Jahrhunderte später, ihre Rechte einzufordern. So verlangten im 17. Jahrhundert gelehrte Frauen - die es, sogar eine ganze Menge, schon damals gab -, „daß gleiches Recht allen zusteht".
Seit 84 Jahren gehen Frauen am 8. März für ihre Rechte auf die Straße. In der DDR wurde dieser Tag leider für ideologische Zwecke mißbraucht. Seit 75 Jahren gibt es in Deutschland das Frauenwahlrecht.
Seit 45 Jahren ist die Gleichberechtigung in unserem Grundgesetz festgeschrieben und im letzten Jahr durch die Änderung des Art. 3 nochmals ausdrücklich bestätigt worden. Sind wir Frauen also endlich am Ziel?
Nach UNICEF-Berichten sind weltweit 81 Millionen Mädchen ohne Bildung und Aufklärung. Zwei Drittel der 960 Millionen Analphabeten sind Frauen. Außerdem sterben jedes Jahr 1,5 Millionen Mädchen, weil Söhne bevorzugt und Mädchen schlechter versorgt werden, von den zahlreichen Abtreibungen weiblicher Föten z. B. in Indien ganz zu schweigen.
Unter dem Mullah-Regime im Iran gibt es für Frauen keine freie Berufswahl, kein Scheidungsrecht, dafür strikte Kleidervorschriften und Geschlechtertrennung in Schulen, Universitäten, Banken, Kinos, Taxis und Bussen. Meine Damen und Herren, diese Apartheid der Geschlechter muß beseitigt werden!
Bei uns in Deutschland hat sich in diesem Jahrhundert dagegen für die Frauen vieles zum Positiven gewendet, zumindest auf dem Papier. In Schule und Ausbildung gibt es kaum noch Probleme für Mädchen und junge Frauen. Trotzdem sind auch in unserer Gesellschaft die Frauen tatsächlich immer noch vielfältigen Benachteiligungen, Diskriminierungen und Gewalt ausgesetzt, besonders dann, wenn sie Kinder haben.
Bärbel Sothmann
Auch bei uns sind Frauen überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen - wir haben heute sehr viel darüber gehört -, denn sie sind die ersten, die in wirtschaftlichen Krisenzeiten entlassen, und die letzten, die wieder eingestellt werden.
Auch bei uns reicht es eben nicht, daß nur auf dem Papier gleiches Recht allen zusteht.
- Wir haben eine ganze Menge gemacht, und wir werden da auch weitermachen. Aber es wäre ganz gut, wenn Sie - insbesondere Sie von der SPD - uns dabei besonders helfen würden.
Meine Damen und Herren, ich begrüße es deshalb sehr, daß wir hier eine Debatte zum Internationalen Frauentag führen. Wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier wollen heute noch einmal und immer wieder an die Verwirklichung des Gleichberechtigungsgebots erinnern
und öffentlich unsere Solidarität mit den Frauen in aller Welt demonstrieren.
Ich hätte mich sehr gefreut, wenn sich die hier vertretenen Parteien anläßlich des Frauentages solidarisch gezeigt und einen gemeinsamen Entschließungsantrag mit den wichtigen Themen „Frauen und Arbeit" sowie „Gewalt gegen Frauen" eingebracht hätten.
Meine Damen und Herren, dies ist leider schon im Vorfeld der Debatte gescheitert. Ich kann nur sagen: Schade, denn das wäre wirklich ein Beweis von Solidarität gewesen.
Wie dem auch sei: Wir alle müssen uns mit aller Kraft, mit Mut und Kreativität dafür einsetzen, daß die rechtliche und tatsächliche Gleichberechtigung der Frauen weltweit endlich wahr wird. Zwei der größten Herausforderungen der kommenden Jahre liegen nach unserer Auffassung darin, die tatsächliche Chancengleichheit der Frau in der Arbeitswelt herzustellen und die Gewalt gegen Frauen entschieden zu bekämpfen.
Wir haben hier heute viel über Arbeitsplätze und Familienförderung gehört. Ich möchte hier speziell auf das in meinen Augen besonders gravierende Problem der Gewalt gegen Frauen eingehen; denn durch Gewalt wird die Frau an sich - ihr ganzes Leben, ihre Identität, ihre Menschenwürde, ihre Freiheit und ihre Selbstbestimmung - in Frage gestellt und verneint.
Laut Amnesty International erfolgen weltweit die meisten Menschenrechtsverletzungen an Frauen. Angst vor Gewalt, vor Unterdrückung, Erniedrigung und Verletzung beherrscht das Leben vieler Frauen. Wichtige Voraussetzung für den Abbau der Gewalt gegen Frauen ist ein neues Bewußtsein in unserer Gesellschaft, bei Männern und bei Frauen.
Es gilt, für das Thema „Gewalt" immer wieder zu sensibilisieren und unbeirrbar für ein partnerschaftliches, gleichberechtigtes Verhältnis der Geschlechter zu werben. Das ist nicht einfach, auch im Hinblick auf die Tatsache, daß die Medien, besonders das Fernsehen, täglich unzählige Gewaltszenen ausstrahlen, die Gewalt damit alltagsfähig machen und darüber hinaus ein realitätsfernes, oft negatives und einseitiges Bild von den Frauen zeichnen.