Rede von
Claudia
Nolte
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
International von besonderem Interesse sind die Auswirkungen der Wiedervereinigung auf die Situation der Frauen in den neuen Bundesländern.
Das ist wahr, das ist tatsächlich wahr. Allerdings kann man nur hoffen, daß sich die Teilnehmerinnen der Weltfrauenkonferenz ihr Bild über die Folgen der deutsch-deutschen Vereinigung für die Frauen aus der DDR nicht an Hand des Berichts der Bundesregierung machen.
Ich halte diesen Bericht an die Weltfrauenkonferenz gerade in diesem Punkt für eine bewußte Falschinformation der UNO und auch der Frauen dieser Welt.
Kern des Berichts ist die Aussage, daß die Wiedervereinigung Deutschlands - ich zitiere -
zur Weiterentwicklung der Gesetzgebung zur Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern beigetragen hat.
An anderer Stelle des Berichts heißt es:
Seit. 1985 traten zahlreiche Gesetze bzw. Gesetzesänderungen in Kraft, die die Rechtsposition
Christina Schenk
von Frauen in einzelnen Lebensbereichen verbessern bzw. die tatsächliche Gleichberechtigung von Mann und Frau befördern.
Da möchte ich von der Bundesregierung wissen, was denn der Maßstab dafür war. Die gesetzlichen Regelungen, die es für Frauen in der DDR gegeben hat, doch ganz sicher nicht. Denn dann hätte eine eindeutige Negativbilanz für Ostfrauen auf rechtlichem Gebiet formuliert werden müssen.
Ich denke an die Wiedereinführung des § 218 oder an die Tatsache, daß in der DDR Frauen während ihrer Freistellung nach der Geburt ihrer Kinder nicht nur ein Almosen zugebilligt wurde, sondern daß sich ihr finanzieller Anspruch aus ihrem bisherigen Einkommen errechnete.
Die adäquatere Berücksichtigung weiblicher Biographien in der Ausgestaltung des Rentenrechts ließe sich hier ebenso erwähnen wie der umfangreiche Kündigungsschutz für Mütter, ein - wie den Medien in den letzten Tagen zu entnehmen gewesen ist - höchst aktuelles Thema.
In dem Bestreben, sich selbst und der Weltöffentlichkeit eine Positivbilanz vorzulegen, wird ausgelassen, weggelassen, uminterpretiert. Um sich selbst zu lobpreisen, verweist der Regierungsbericht lediglich auf das in der vergangenen Legislaturperiode verabschiedete Gleichberechtigungsgesetz hin, von dem ich hier schon mehrfach gesagt habe: Das ist das Papier nicht wert, auf dem es steht.
Diese Politik des Schönredens - auch das muß ich ganz klar sagen - ist mir äußerst vertraut. Auch in der DDR wurde von Parteitag zu Parteitag, von Fünfjahrplan zu Fünfjahrplan alles besser, größer, schöner, mit dem Effekt, daß Parteiführung und Regierung es langsam selber geglaubt haben und das Handeln zum Abbau der Mißstände vergaßen. Das Ergebnis ist bekannt.
Wie sehr sich die rechtliche und insgesamt die Lebenssituation von Frauen in den ostdeutschen Bundesländern infolge der Wiedervereinigung verändert hat, zeigt der drastische Geburtenrückgang im Osten. Diese Tatsache liest sich dann im Bericht der Bundesregierung an die Weltfrauenkonferenz so - ich zitiere -:
In den alten Bundesländern ... ist die Zahl der Geburten seit Mitte der 80er Jahre kontinuierlich angestiegen, in den neuen Bundesländern hat der seit Beginn der 80er Jahre einsetzende Trend sinkender Geburtenzahlen angehalten.
Hier findet also in der Lesart der Bundesregierung Kontinuität statt und nicht etwa ein Prozeß, der in Ausmaß und Schnelligkeit ohne Beispiel in der deutschen Geschichte - wahrscheinlich in der Menschheitsgeschichte - ist. Immerhin hat sich die Zahl der jährlichen Geburten seit dem Beitritt der DDR um etwa die Hälfte reduziert.
Der Bruch, der durch die Art und Weise, wie die deutsche Einheit vollzogen wurde, in den individuellen Lebensverhältnissen der überwiegenden Zahl der Ostfrauen eintrat, hat u. a. dazu geführt, daß Frauen heute für sich nur dann eine Chance sehen, wenn sie auf ihren Kinderwunsch verzichten.
Zu der hohen Frauenerwerbslosigkeit im Osten heißt es in dem Bericht schlicht - ich zitiere wiederum -:
In den neuen Bundesländern sind Frauen im Zuge der wirtschaftlichen Neustrukturierung und der Anpassung an die soziale Marktwirtschaft in besonderem Maße von Arbeitslosigkeit betroffen.
Also wieder kein Grund zur Beunruhigung! Es wird suggeriert, daß die doppelt so hohe Erwerbslosenquote von Frauen nur ein Problem der Anpassung an wirtschaftliche Prozesse darstellt, also kein besonderer I Iandlungsbedarf besteht.
Noch ein Zitat: Herr Milbradt, seines Zeichens Sachsens Finanzminister und Mitglied der CDU, befand erst kürzlich in der „Lausitzer Rundschau", daß an der hohen Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern weniger der Zusammenbruch der vorhandenen Industriestrukturen schuld ist, sondern „die überdurchschnittliche Erwerbsneigung der weiblichen Bevölkerung". Ich meine, eins muß man dem Herrn lassen: Er spricht wenigstens Klartext.
Nein, es geht hier eben nicht um allgemeine wirtschaftliche Anpassungsprozesse, sondern es geht um das Frauenbild, es geht um die Vorstellung, daß die eigentliche Befähigung von Frauen doch eher im Bereich der Hausarbeit und der Kindererziehung und nicht in dem der Erwerbsarbeit liegt.
Jedenfalls läßt die praktische Politik der Bundesregierung genau diesen Ansatz vermuten. Sie zielt doch genau darauf ab, den Arbeitsmarkt vor allem dadurch zu entlasten, daß Frauen als Putzfrauen oder Teilzeitbeschäftigte den Männern weiterhin den Vortritt lassen, wenn es um die Verteilung der qualifizierten, gutbezahlten, karrierefördernden Arbeitsplätze geht.
Die Konsequenzen dieser Politik sind bekannt: Für einen Erwerbsarbeitsplatz nehmen Frauen in den ostdeutschen Bundesländern gravierende Status-und Einkommensverluste und auch eine schlechtere Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Berufstätigkeit in Kauf.
Frauen lösen heute das Vereinbarkeitsdilemma, indem sie sich an extensive männliche Erwerbsmuster anpassen. - Das ist genau das, was Frau Süssmuth vorhin kritisiert hat. - Sie mobilisieren alle verfügbaren Ressourcen, um für sich individuell die Kinderbetreuung zu sichern.
Nur dort, wo die Folgen von Erwerbslosigkeit so drastisch sichtbar werden wie im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit, deutet die Bundesregierung Handlungsbereitschaft an. Das diesbezüglich beschlossene Programm ist jedoch ein Tropfen auf den
Christina Schenk
heißen Stein. Vor allem bleibt doch die Frage offen: Wo bleibt die Quotierung der zur Verfügung stehenden Mittel entsprechend dem Anteil von Frauen und Männern an den Langzeitarbeitslosen?
Wenn diese Bundesregierung in Sachen Arbeitsmarktpolitik überhaupt etwas tut, dann ist es lediglich Nachsorge. Es gibt keinerlei Versuche, entsprechend den durchaus vorhersehbaren Entwicklungen des Arbeitsmarktes - in Berlin ist erst vor kurzem eine Studie dazu veröffentlicht worden - und den entsprechenden Tendenzen der Frauenerwerbsarbeit Maßnahmen zu entwickeln, die die Arbeitsmarktchancen von Frauen langfristig verbessern.
In dem Bericht der Bundesregierung an die Weltfrauenkonferenz findet sich im Abschnitt „Schwerpunkte der zukünftigen Gleichberechtigungspolitik" als Aufgabe, daß „das Gesellschaftsmodell zwischen Frauen und Männern erneuert werden muß". Was das heißt und wie das passieren soll, wird nicht gesagt; ganz sicher nicht nur aus Platzgründen, sondern vor allen Dingen deshalb, weil die Bundesregierung nichts vorzuweisen hat, was die Chancengleichheit von Frauen im Erwerbsarbeitsbereich tatsächlich wirksam erhöhen könnte.
Wo bleiben denn die Initiativen der Bundesregierung zur Qualifizierung der Frauen in zukunftsträchtigen Berufsfeldern? Wo ergreift die Bundesregierung die Initiative für eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung? Wo sind Maßnahmen, um die Chancen für Frauen zu verbessern, entsprechend ihrer Qualifikation und ihrer Berufserfahrung Aufstiegschancen zu erhalten? Wo sind die Initiativen, damit Männer endlich ihren Anteil an der unbezahlten Arbeit übernehmen?
Damit die Erfahrungen der deutsch-deutschen Vereinigung auf der Weltfrauenkonferenz adäquat widergespiegelt werden, fordern wir, die PDS, daß die offizielle Delegation der Bundesregierung zur Weltfrauenkonferenz quotiert wird, und zwar nach Ost und West. Weiterhin fordern wir, daß die Berichte der Arbeitsgruppen auf der Konferenz von den Vertreterinnen der offiziellen Delegation der Bundesrepublik ebenso wie der Bericht der Bundesregierung vorgestellt und verbreitet werden.
Denn während Frau Merkel diese Berichte noch für geeignet hielt, das Ansehen der Bundesrepublik zu schädigen, rechtfertigte Frau Nolte die separate Veröffentlichung dieser Berichte mit dem Argument, daß sie viel zu gut seien, um nur als Anhang im of fiziellen Bericht zu erscheinen. Ich kann Frau Nolte nur auffordern: Lassen Sie diesen Worten Taten folgen! Drucken Sie diese schönen Worte nicht nur, sondern machen Sie sich die Forderungen, die sich daraus ergeben, zu eigen, machen Sie sie endlich zum Inhalt Ihrer Politik! Der Entschließungsantrag der PDS benennt die wichtigsten Punkte noch einmal. Vielleicht, Frau Nolte, würde es Ihnen helfen, wenn Sie sich ihn über Ihren Schreibtisch hängten.