Rede von
Cornelia
Schmalz-Jacobsen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, es ist doch ein paar Bemerkungen wert, daß wir heute überhaupt zum erstenmal im Deutschen Bundestag im Rahmen einer Debatte zum Internationalen Frauentag sprechen.
Im alten Westen, wenn ich das noch einmal so nennen darf, schütteln sich ja viele, wenn man ehrlich ist, und sie betrachten das Ganze als ein sozialistisches Relikt. Tatsächlich hat in der früheren DDR der 8. März für Frauen eine große Rolle gespielt. Die Frauen haben ihn begangen, und sie haben ihn nach meiner Meinung auch recht fröhlich begangen, sie haben ihn nämlich gefeiert. Ich finde, das sollten wir
Cornelia Schmalz-Jacobsen
uns vergegenwärtigen, bevor hier schnelle Urteile gefällt oder Vorurteile weiter gepflegt werden.
Rücksicht auf andere Erfahrungen sollten wir nehmen und in unsere gemeinsame Arbeit mit einbeziehen. Das tun wir heute.
Eines zeigen die Frauentage - es ist heute wohl der 84., wenn ich richtig rechne - und ihre Themen durch die Jahre hindurch überdeutlich, nämlich wie mühsam es ist, den Rechten der Frauen zum Durchbruch zu verhelfen. Meine Damen und Herren, wer die Beschäftigung mit diesen Fragen als Lieblingshobby verbohrter Feministinnen betrachtet, der ist schlicht auf dem falschen Dampfer
oder, etwas härter gesagt, der muß sich vorwerfen lassen, borniert und auch nur sehr bedingt zukunftsorientiert zu sein.
Was tun eigentlich Eltern, deren Kinder einen Kindergartenplatz hatten, dann, wenn ihre Kinder in die Schule kommen und man niemals weiß, ob der Sprößling jetzt um 11 Uhr oder um 12.30 Uhr vor der Tür steht, wenn in Wirklichkeit das Schulende für 13 Uhr angesagt war? Ich finde es ungeheuerlich, daß die Schule heute bei dem Halbtagsunterricht nicht die Verantwortung für die Schulkinder übernimmt, sondern daß nach wie vor Mütter stillschweigend als verfügbare Feuerwehr in Anspruch genommen werden.
Ich sage es noch einmal. Ich trete hier nicht nur für eine Verantwortung der Schulen ein, wenn sie als Halbtagsschulen organisiert sind. Vielmehr bin ich für eine vernünftige ganztägige Schule, und zwar auch im Sinne einer pädagogischen Förderung. Als
Cornelia Schmalz-Jacobsen
es die ersten Debatten um die Kindergartenplätze in den 70er Jahren gab, lautete das Schlagwort: Förderung der Kinder. Heute besteht die Gefahr, daß das Ganze nur noch unter dem Gesichtspunkt der Bewegungsfreiheit der Eltern gesehen wird. Beides muß berücksichtigt werden; sonst macht es keinen Sinn.
Meine Damen und Herren, an diesem Tag richtet sich unser Blick auch auf die Frauen und Mädchen in den armen Regionen unserer Welt. Die internationale Bilanz ist hier bedrückend; die Benachteiligungen sind eklatant. Nur ganz allmählich nimmt sich die Entwicklungshilfe gezielt der Förderung von Frauen an. Langsam beginnt man in den Industriestaaten zu begreifen, daß diese Förderung kein Selbstzweck ist. Nur die Verbesserung der Bildungschancen von Frauen und die Aussicht auf ein Mindestmaß an Gleichberechtigung bieten überhaupt die Aussicht, etwas gegen das Bevölkerungswachstum und damit gegen die fortschreitende Verelendung auszurichten.
Die Situation der Zuwanderinnen, die heute in unserem Land leben, wäre eine eigene Debatte wert. Ich möchte mich hier aber auf einen einzigen Punkt beschränken, der im Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen steht. Es geht dabei um das eigenständige Aufenthaltsrecht von ausländischen Ehepartnern; fast ausschließlich betrifft es Ehefrauen. Ich möchte allerdings dem Eindruck entgegentreten, daß binationale Ehen etwa besonders gefährdet wären; das ist überhaupt nicht der Fall. Das Gegenteil ist der Fall. Es geht hier um einen Teil der binationalen Ehen, nämlich um die, bei denen Gewalt im Spiel ist. Da reicht dann eben die dreijährige Mindestaufenthaltszeit als Härtefallregelung einfach nicht aus.
Wenn eine ausländische Frau vor der Gewalt ihres deutschen Ehemanns flieht und woanders Zuflucht sucht, z. B. im Frauenhaus, so gilt diese Zeit in aller Regel nicht als Ehebestandszeit. Beantragt der Mann die Scheidung vor der Dreijahresfrist, so erlischt das Aufenthaltsrecht der Frau; wenn sie die Scheidung beantragt, ebenso. Für den Rücktransport sorgen notfalls unsere Behörden und der Steuerzahler. Das ist kein Zustand. Mehr Humanität und mehr Einzelfallgerechtigkeit sind hier dringend erforderlich.
Ich habe mit Interesse Ihre Worte, Frau Kollegin Süssmuth, gehört. Ich schöpfe eine gewisse Hoffnung daraus, daß Sie in Ihrer Fraktion für die Herabsetzung der Dreijahresfrist werben.
Denn auch in diesem Bereich ist Solidarität angezeigt. So, wie es bisher gegangen ist, sollten wir es nach unseren eigenen Vorstellungen von Humanität, Mitmenschlichkeit und Solidarität nicht weitergehen lassen.
Vielen Dank.