Rede von
Christina
Schenk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (PDS)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Grund für den heute hier diskutierten Gesetzentwurf des Bundesrates ist häusliche Gewalt, präziser: die Gewalt von Ehemännern gegen ihre Ehefrauen. Ich meine - ich sage das jetzt sozusagen in die Mitte der CDU/CSU-Fraktion hinein -, es würde sich durchaus lohnen, darüber nachzudenken - allerdings ist das hier nicht der Platz dafür -, inwieweit die mit Steuermitteln geförderte Hierarchie in einer Ehe zwischen Männern und Frauen zur Gewaltförmigkeit dieser Beziehung, dieser Institution, ihren Beitrag leistet.
- Ich konnte das leider akustisch nicht verstehen. Stellen Sie eine Zwischenfrage, wenn Ihnen danach ist!
Frauen mit gewalttätigen Männern geraten in eine scheinbar ausweglose Situation: Einerseits wünschen sie sich ein Leben ohne Gewalt, ohne Mißhandlungen, andererseits haben sie Angst, ihren sozialen Rahmen, ihre Existenz aufzugeben, und haben auch nicht die finanziellen Möglichkeiten, das aus eigener Kraft zu tun.
Wir meinen, daß sich durch eine erleichterte Zuweisung der Ehewohnung dieser Konflikt für die Frau entscheidend entschärfen könnte. Sie könnte sich und ihren Kindern, wenn sie welche hat, langfristig wenigstens die gewohnte Umgebung erhalten.
Wir sind der Ansicht, daß die vorgeschlagenen Änderungen im § 1361b in mehreren Punkten eine deutliche Verbesserung der jetzigen Situation darstellen. Aber ich meine auch, daß diese Verbesserun-
Christina Schenk
gen noch nicht ausreichend sind, und ich möchte das hier erläutern.
In der Praxis zeigt sich nämlich immer wieder, daß bei gewalttätigen Übergriffen gegen Frauen das Bewußtsein über diese Problematik bei den entsprechenden Behörden oft außerordentlich mangelhaft ist.
Ich will nur ein Beispiel dafür nennen: Kürzlich hat es sich in Berlin zugetragen, daß eine Frau die Polizei zu Hilfe rief, weil ihr Ehemann versuchte, in die ihr zugewiesene Ehewohnung einzudring en. Sie mußte erleben, daß die Polizisten nicht ihr, sondern dem Mann glaubten und ihm sogar unrechtmäßigen Zugang zur Wohnung verschafft haben.
Für Frauen heißt also recht haben noch lange nicht recht bekommen. Aufklärung und Weiterbildung der Polizei und auch der Justiz in solchen Fragen sind ganz offensichtlich dringend erforderlich.
Ein weiterer Punkt ist, daß es im Entwurf heißt, daß derjenige, der gewalttätig geworden ist und die Wohnung überlassen muß, verpflichtet ist, das Benutzungsrecht des anderen nicht zu vereiteln. Wir meinen, daß das bei weitem nicht ausreichend ist. Es muß über Schutzzonen um die Wohnung nachgedacht werden, die der Täter bei Androhung von empfindlichen Geldbußen oder auch der Eröffnung eines Strafverfahrens nicht betreten darf. In den USA gibt es Erfahrungen mit solchen Verordnungen. Ich denke, wir sollten uns hierüber sehr genau informieren lassen, insbesondere auch in Anhörungen.
Noch etwas: In der Bundesrepublik ist es Realität, daß die schlagenden Männer mit dem Verweis auf die prekäre Situation auf dem Wohnungsmarkt in der Regel in der Wohnung bleiben können, während die Frauen in die überfüllten Frauenhäuser flüchten und sich dann auf dem Wohnungsmarkt eine Wohnung suchen müssen. Wir meinen, daß dem Täter durchaus das gleiche zugemutet werden kann, z. B. vorübergehend in einem Hotel oder in einer Obdachlosenunterkunft zu wohnen. Es kann nicht angehen, daß die Belange des mißhandelnden Ehegatten in gleicher Weise berücksichtigt werden wie die des mißhandelten.
Wir meinen, daß der entsprechende Passus im Bundesratsentwurf gestrichen werden muß. Der Schutz der geschlagenen Frau ist in jedem Fall höher zu bewerten als das komfortable Leben des Gewalttäters.
Wir werden demnächst einen Änderungsantrag zu dem vorliegenden Gesetzentwurf einbringen, der die Erfahrungen von Fachfrauen, die in Frauenhäusern arbeiten, aufgreift und darauf abzielt, die noch bestehenden Unzulänglichkeiten zu beseitigen.