Rede von
Dr.
Norbert
Röttgen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf wirft die Frage auf, wie der Staat auf sogenannte Massenkriminalität - das sind in der Regel kleinere Delikte, die in großer Zahl begangen werden - reagieren soll. Beispiele solcher Kriminalität sind das Schwarzfahren - darum geht es in dem Gesetzentwurf des Bundesrates -, aber auch der Ladendiebstahl und andere Delikte.
Man mag sicher sagen, daß diese Delikte im Einzelfall Bagatelldelikte sind; dennoch sind wir der Auffassung, daß der Vorstoß des Bundesrates alles andere als eine rechtspolitische Bagatelle ist.
Der Vorschlag lautet nämlich: entkriminalisieren. Der Staat soll also von einem bestimmten sozial schädlichen Verhalten, wie etwa dem Schwarzfahren, in Zukunft einfach nicht mehr behaupten, es sei sozial schädliches, strafbares Unrecht. Sie merken schon, meine Damen und Herren, die Befürworter der Entkriminalisierung haben gewissermaßen statt der Straftat das Strafgesetzbuch als ihren eigentlichen Gegner ausfindig gemacht. Und das kann nicht richtig sein.
Entkriminalisieren heißt, nicht die Wirklichkeit, sondern nur das Reden über die Wirklichkeit, die Sprache zu verändern. In dieser Sprachverwirrung das Unrecht dadurch beseitigen zu wollen, daß wir es einfach nicht mehr Unrecht nennen, darin sehen wir die eigentliche Gefahr, die eigentliche gesellschaftliche Gefahr der sogenannten Entkriminalisierung.
Meine Damen und Herren, bei Schwarzfahren und Ladendiebstahl handelt es sich nicht nur um Vermögens- bzw. Eigentumsdelikte, die jährlich Schäden in Millionenhöhe verursachen. Diese Delikte stellen auch ein egoistisches, unsolidarisches Verhalten dar. Der Täter nimmt sich seinen Vorteil, und die Allgemeinheit, die Ehrlichen sollen bezahlen, und das insgesamt in Millionenhöhe.