Rede von
Claudia
Nolte
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Daß Frauen, Männer und Kinder dies in der Familie erfahren, ist entscheidend für die Zukunft unserer Gesellschaft. Es gehört zur Lebenswirklichkeit, daß solch ein harmonisches Familienleben nicht immer gelingt. Es ist mit das Schlimmste, wenn Vertrauen mißbraucht und damit zerstört wird. Leider müssen wir beobachten, daß es auch in der Familie zu Streit und Auseinandersetzungen, zu Gewalt sowohl gegenüber den Kindern als auch zwischen den Eheleuten kommt. Wir wissen, daß dies zu schweren menschlichen Schicksalen führen kann. Wenn wir zulassen, daß Schutzbedürftige gerade in der Familie schutzlos sind, zerstören wir ein Stück weit die Familien. Zu lange war die Problematik Gewalt in der Familie tabuisiert. Es ist notwendig, daß wir darüber reden, daß wir Gewalt anprangern und ein Bewußtsein dafür schaffen, daß kein Familienmitglied Objekt eines anderen ist.
Ist man sich der Probleme bewußt, kann man auch Hilfen anbieten. Es hat in der Vergangenheit bereits eine Reihe von Maßnahmen gegeben, die den Kampf gegen die Gewalt in der Familie zum Ziel hatten. Mit den Kampagnen „Keine Gewalt gegen Kinder" und „Gewalt gegen Frauen" hat mein Ministerium versucht, auf Mißstände aufmerksam zu machen, auf Gefährdungen hinzuweisen und für die Problematik zu sensibilisieren.
Es existieren inzwischen 340 Frauenhäuser in unserem Land. Selbsthilfegruppen, Notrufdienste und Kontaktstellen leisten praktische Hilfe vor Ort. Daneben müssen wir aber auch immer prüfen, inwieweit unser Rechtssystem geeignet ist, . die bestehenden Mißstände zu bekämpfen. In der letzten Legislatur-
Bundesministerin Claudia Nolte
periode haben wir gemeinsam eine gesetzliche Verschärfung im Strafrecht bei sexueller Gewalt gegen Kinder vorgenommen. Es ist nicht hinzunehmen, daß das Verbrechen der Vergewaltigung in der Ehe kein Straftatbestand ist, obwohl gerade dieses auf Grund der Zerstörung und des Mißbrauchs einer engen Beziehung besonders schwerwiegend ist. Die irrige Meinung, bei einer Vergewaltigung in der Ehe hole sich der Mann nur, worauf er durch Eheschließung ein Recht habe, mag althergebrachten Vorstellungen sogenannter ehelicher Pflichten entsprochen haben, aber sie ist mit unserem Verständnis vom sexuellen Selbstbestimmungsrecht der Frau nicht vereinbar. Dieses gibt sie mit der Eheschließung nicht auf.
Die Notwendigkeit, der Frau in der Ehe denselben strafrechtlichen Schutz vor einer Vergewaltigung zu gewähren wie außerhalb der Ehe, ist in diesem Hause unbestritten. Das hat diese Debatte gezeigt. Bereits in der letzten Legislaturperiode haben die Bundestagsausschüsse für Familie und Senioren und für Frauen und Jugend festgestellt, daß das geltende Recht Ehefrauen benachteiligt, indem es ihnen eine Handhabung gegenüber sexuellen Übergriffen in der Ehe verweigert. Ich zitiere:
Es schadet der Institution Ehe nicht, wenn sexuelle Übergriffe als Vergehen und Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung verfolgt werden können. Vielmehr dient es dem Erhalt der Ehe, wenn das weitverbreitete Mißverständnis beseitigt wird, in der Ehe gebe es keine sexuelle Selbstbestimmung, und die gewaltsame Durchsetzung sexueller Beziehungen sei erlaubt.
Wir müssen jetzt im Interesse der Frauen handeln. Der Straftatbestand „Vergewaltigung in der Ehe" schafft Bewußtsein und schützt Frauen.
Wir sollten diese Reform auch dazu nutzen, andere Unzulänglichkeiten im Sexualstrafrecht zu beseitigen. Die enge Auslegung des Gewaltbegriffs bei Vergewaltigungen hat in der Rechtsprechung dazu geführt, daß Vergewaltigungen nicht als solche angesehen werden, wenn es an einer aktiven Gegenwehr der Frauen fehlte. Dies verkennt die reale Situation der Frauen, die vielleicht vor Angst gelähmt sind bzw. sich in einer Situation befinden, die Gegenwehr als aussichtslos erscheinen läßt. Ich denke weiterhin an eine Einbeziehung von Sexualpraktiken, die für die Opfer mindestens genauso entwürdigend sind wie ein erzwungener Beischlaf, z. B. erzwungener Oral- und Analverkehr. Ebenso muß eine Lösung gefunden werden, wie den Fällen begegnet werden kann, in denen es zu einer Versöhnung der Eheleute gekommen ist und die Ehefrau kein Interesse mehr daran hat, daß ihr Mann strafrechtlich verfolgt wird. Ich bin der Auffassung, daß der Mann nicht gegen den Willen der Ehefrau verurteilt werden darf. Dies erfordert der grundgesetzliche Schutz der Ehe, der sich allerdings nicht auf andere Lebensgemeinschaften erstreckt. Wie das im Detail am besten ausgestaltet werden kann, muß noch beraten werden.
Wir stehen nicht am Beginn der Diskussion, sondern bereits mitten im Beratungsprozeß; das zeigen auch die vorliegenden Gesetzentwürfe. Ich bin zuversichtlich, daß es uns gelingen wird, eine befriedigende gesetzliche Regelung vorzunehmen. Ich werde mich als Frauenministerin entschieden dafür einsetzen.
Danke.