Rede von
Horst
Eylmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich bin zunächst der Auffassung - ich weiß nicht, ob Sie darauf abzielen -, daß es von sekundärer Bedeutung ist, in welchem Gesetz wir das Ziel und die Durchführung der Beratung festlegen. Ich bleibe aber dabei, daß das Ziel der Beratung klar sein muß, und ich bleibe dabei, daß jede Formulierung, in welchem Gesetz auch immer, die nicht klar den vorrangigen Wert des ungeborenen Lebens darstellt, vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben werden wird. Sie haben in Ihrer Fraktion hervorragende Juristinnen und Juristen, und ich glaube, sie sehen das genauso.
Nun frage ich mich, warum Sie denn nicht zu Beginn den einen klaren Satz schreiben, den das Bundesverfassungsgericht in seiner Vollstreckungsanordnung geschrieben hat: Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. - Dann unterhalten wir uns darüber, was wir über die Art und Weise formulieren.
Meine Damen und Herren, geben wir uns doch nicht der Illusion hin, wir könnten hier durch verschiedene Formulierungen entscheidenden Einfluß darauf nehmen, wie sich die Beraterinnen Zugang zur Psyche der schwangeren Frau, die im Beratungszimmer erscheint, verschaffen! Das ist doch schwer genug.
Von allen Beraterinnen hören wir, daß der größte Teil der Frauen, die dort erscheinen, schon festgelegt sind. Wir hören, daß es ungeheuer schwer ist, sich Zugang zu verschaffen.
Dennoch schaffen sie es in einigen Fällen. Vielleicht sollten wir an dieser Stelle auch einmal unsere Hochachtung vor den Beraterinnen zum Ausdruck bringen, die sich jeden Tag wieder dieser schwierigen Frage und dieser schwierigen Aufgabe mit großem Engagement stellen.
Ich wünsche - das sage ich auch einmal ganz offen - den Beraterinnen, daß sie möglichst häufig Erfolg haben. Auch hier gilt der Satz: Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt.
Ich kann nicht verstehen, daß man dieses Anerkenntnis des hohen Wertes des ungeborenen Lebens immer wieder dadurch in Frage zu stellen versucht, daß man die Autonomie der Frau gegenüberstellt. Beides gehört doch zusammen. Ich bin doch eindeutig der Auffassung, daß das ungeborene Leben nur mit der Frau und nicht gegen sie geschützt werden kann.
Aber warum fällt es Ihnen dann so schwer, hineinzuschreiben, daß die Beratung dem Schutz des ungeborenen Lebens dient?
Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn dies nicht klargestellt ist in einem Gesetz, dann kann ich dem nicht zustimmen, und Sie wissen, daß ich ein Anhänger und ein Befürworter der damaligen Gruppenlösung war.
Ich darf noch zu einem anderen Punkt kommen. Es geht um die Strafbarkeit des sogenannten familiären Umfeldes. Das ist ja auch eine Formulierung, die eher verschleiert als klarstellt. Wir haben uns ja in diesem Bereich überhaupt eine Sprache angewöhnt, die schon gar nicht mehr verstanden wird.
- Es ist richtig, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht für jedermann verständlich ist.
Aber dann könnten wir uns ja vielleicht einmal ein bißchen verständlicher ausdrücken.
Meine Damen und Herren, wir sind ja für das Letztentscheidungsrecht der Frau. Sie soll entscheiden. Wir wollen nicht, daß diese autonome Entscheidung der Frau dadurch beeinträchtigt wird, daß sie in der Beratung unter Druck gesetzt wird.
- Ja, gut, es passiert. Es darf aber nicht passieren.
Jetzt sage ich Ihnen - und da sind Sie doch sicher auch einig; jetzt gucke ich auch einmal zur F.D.P. -: Sie wissen doch, daß in vielen Fällen insbesondere
Horst Eylmann
eine junge Schwangere nicht von den Beratern unter Druck gesetzt wird, sondern von den Männern - leider Gottes sogar manchmal auch von den eigenen Eltern. Alle Beraterinnen wissen ein Lied davon zu singen, daß dort versucht wird, eine Frau zu einem Abbruch zu drängen - eine Frau, die den Abbruch nicht will. Da meine ich nun allerdings: Es ist in hohem Maße strafwürdig, wenn jemand versucht, eine schwangere Frau zu einem Abbruch zu drängen.
- Jetzt sagen Sie: Wir haben ja den Tatbestand der Nötigung. Ich versuche ja einen Dialog mit Ihnen. Gleichzeitig argumentieren Sie: Eigentlich dürfte da überhaupt nichts strafbar sein, denn die Beratung wird beeinträchtigt. Dann müßten Sie aber konsequenterweise sagen: Wir müssen auch den Tatbestand der Nötigung abschaffen.
Bleiben wir bei der Nötigung. Wenn jemand einem anderen mit Gewalt oder unter Androhung von Gewalt ein Portemonnaie wegnimmt, dann ist das nicht Nötigung, sondern Raub oder Erpressung. Ich will mich auf den Unterschied nicht einlassen. Es ist ein Verbrechen. Wenn ein Mann eine Frau sexuell gefügig zu machen versucht, sie vergewaltigt, dann ist das keine Nötigung, sondern eben eine Vergewaltigung, ein Verbrechen.
Sie und ich, die Mehrheit, wollen, daß auch eine Vergewaltigung innerhalb der Ehe nicht mit dem Tatvorwurf der Nötigung abgetan wird. Aber dort, wo - meistens ist es ja ein Mann - ein Mann eine Frau mit Gewalt nötigt, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, da sagen Sie: Das ist eine Nötigung.
- Sie kennen den Tatbestand nicht. Gewalt ist ein Bestandteil der Nötigung. Lesen Sie den einschlägigen Paragraphen: „mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel". Das paßt nicht zusammen. Ich bitte, das auf den Seiten dieses Hauses, die sich gegen eine Ausweitung der Strafbarkeit ausgesprochen haben, noch einmal zu überlegen. Ich glaube, dies läßt sich so eigentlich nicht rechtfertigen.
Im übrigen gibt es noch schwierige Fragen zu lösen. Ich bin nicht wild darauf, jede Person des familiären Umfeldes unter Strafe zu stellen. Aber das mit der Nötigung läßt sich nach meiner Auffassung so nicht halten. Wenn wir das noch einmal ruhig diskutieren, werden wir da zu einer Lösung kommen.
Wenn wir uns in diesen beiden Fragen aufeinander zubewegen, dann, meine ich, müßte es eigentlich gelingen, daß wir zu einer Einigung kommen.
Ich betone noch einmal: Ich will eine Mehrheit für ein Gesetz, das nicht wieder Gefahr läuft, vom Bundesverfassungsgericht kassiert zu werden. Wir brauchen eine Lösung, die Rechtsfrieden und Rechtsicherheit für die Frauen bringt. Das ist auch der beste Schutz für das ungeborene Leben.
Für Nachhutgefechte bin ich nun nicht mehr zu haben. Mit Nachhutgefechten kann man sowieso keine Schlachten mehr gewinnen. Die Grundentscheidung ist getroffen: Es steht das Letztentscheidungsrecht der Frau. Deshalb ist es auch abwegig, zu behaupten, wir würden hier über ein Gesetz sprechen, das von 1871 stammt.
- Ich weiß, die Geschichte ist eine fürchterliche - auch darüber sind wir uns einig -, wie man in den letzten Jahrhunderten auf diesem Gebiet mit den Frauen umgegangen ist. Aber wir können ja auch nicht so weit gehen, daß wir den gegenwärtigen Rechtszustand nicht zur Kenntnis nehmen.
Dieses Thema eignet sich auch nicht zur Profilierung. Ich glaube, das wird bei der Bevölkerung eher auf Abwehr stoßen. Ich hoffe, meine Damen und Herren, auf eine große fraktionsübergreifende Koalition der Vernunft und der Vernünftigen in diesem Hause.
Ich hoffe auf eine Koalition der Mitte; denn die Vernunft liegt meistens in der Mitte.
Vielen Dank.