Rede von
Heinz
Lanfermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist höchste Zeit, die Reform des § 218 endlich zu vollenden.
Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind mehr als anderthalb Jahre vergangen. Die parlamentarische Diskussion über ein neues einheitliches Schwangerschaftskonfliktrecht im vereinten Deutschland dauert bereits seit Oktober 1990 an. Damals hat die F.D.P.-Fraktion ihr Reformmodell der Fristenregelung mit obligatorischer Beratung vorgestellt. Es war dieses Konzept, das zur Grundlage des sogenannten Gruppenantrages von Abgeordneten aus SPD, F.D.P. und auch CDU wurde, der im Juni 1992 als Gesetz beschlossen wurde.
Diese Fristen- und Beratungsregelung ist vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich gebilligt worden.
Bei aller Enttäuschung, die manche dabei empfunden haben, daß einzelne Teile des Gesetzes als nicht verfassungsgemäß angesehen wurden, sollten wir nicht vergessen, daß die Anerkennung einer Fristenregelung durch insoweit einstimmige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und damit die Ablösung der Indikationsregelung in den alten Bundesländern ein großer Fortschritt in der unendlichen Diskussion über den § 218 war.
Meine Damen und Herren, dieser Modellwechsel war wichtig. Ich will aber auch einer großen Sorge Ausdruck verleihen: Es besteht gerade in diesen Tagen ernster Anlaß, daran zu erinnern, daß die Reform des Schwangerschaftskonfliktrechts auf vier Säulen beruht. Das sind erstens eine bessere Prävention durch mehr Aufklärung und Sexualberatung, zwei-
Heinz Lanfermann
tens eine qualitativ bessere Beratung im Schwangerschaftskonflikt, drittens deutlich verbesserte Rahmenbedingungen für ein Leben mit Kindern und erst viertens die strafrechtliche Neuregelung.
Gerade die sozialen Rahmenbedingungen haben entscheidende Bedeutung. Das gilt vor allem für ein Kernstück der Reform: den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz.
Nachdem wir 1992 auf Betreiben der Länder den Zeitpunkt für das Inkrafttreten des Rechtsanspruchs dreieinhalb Jahre in die Zukunft, auf den 1. Januar 1996, gelegt haben, fehlt mir jedes Verständnis dafür, daß ausgerechnet SPD-Länderregierungen den Zeitpunkt nunmehr noch einmal um drei Jahre bis 1999 hinausschieben wollen.
Dies ist vor allem Zynismus gegenüber all denen,
die bei ihrer Entscheidung und ihrer Zukunftsplanung auf den Rechtsanspruch vertraut und sich darauf eingestellt haben, daß für ihr Kind jedenfalls ab Anfang 1996 ein Kindergartenplatz zur Verfügung steht,
und sich vielleicht - auch dies darf doch gesagt werden - gerade aus diesem Grund für das Kind und gegen einen Abbruch entschieden haben.
Der Kindergartenplatz ist vor allem für Alleinerziehende und für Frauen, die Beruf und Familie gut miteinander vereinbaren wollen, von grundlegender Bedeutung. Ein Aufschub um weitere drei Jahre erschüttert nicht nur das Vertrauen in familienpolitische Zusagen des Staates; zugleich werden auch die Wirksamkeitsbedingungen der Konfliktberatung empfindlich beeinträchtigt. Wie sollen denn z. B. erwerbstätige oder in der Ausbildung befindliche Frauen eine Perspektive für ein Leben mit dem Kind sehen, wenn die Kinderbetreuung wenigstens ab dem dritten Lebensjahr nicht sichergestellt ist? Aus dem Rechtsanspruch müssen jetzt tatsächlich Kindergartenplätze werden.
Das ist die Nagelprobe, ob die Politik es mit ihren Absichtserklärungen zu einer kinderfreundlicheren Gesellschaft wirklich ernst meint.
Meine Damen und Herren, die 1992 den Frauen versprochene Sicherheit, daß ihr Kind im Alter von drei Jahren einen Kindergartenplatz haben wird, ist kein schmückendes Beiwerk, keine Verzierung. Das ist eine tragende Wand für die Fristenregelung. Wer diese Wand wieder einreißt, bringt das ganze Gebäude in Gefahr.
Wenn es wieder eine Klage vor dem Verfassungsgericht geben sollte, wird das Konzept der Fristenregelung wieder überprüft werden. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie Karlsruhe 1993 wohl entschieden hätte, wenn den Richtern all das bekannt gewesen wäre, was wir inzwischen an Verzögerungen, Verweigerungshaltung und Versuchen, sich aus den Zusagen zu stehlen, erleben mußten? Sagt das Urteil des Gerichts nicht auch, daß sich das Fristenmodell bewähren muß und nach den Erfahrungen mit allen Komponenten wieder überprüft werden kann?
Meine Damen und Herren, die F.D.P.-Fraktion legt Ihnen einen Gesetzentwurf vor, der die Vorgaben des Urteils des Verfassungsgerichts berücksichtigt, aber auch die Gestaltungsspielräume, die durch dieses Urteil eröffnet sind, nutzt,
um eine liberale Regelung des Schwangerschaftskonfliktrechts zu erreichen.
Dabei ist es für die F.D.P. als Rechtsstaatspartei selbstverständlich, einen Gesetzentwurf vorzulegen, von dem wir mit gutem Gewissen sagen können, daß er verfassungskonform ist und in einem etwaigen neuen Verfahren Bestand hätte. Wir wollen kein neues Verfahren in Karlsruhe. Die F.D.P.-Fraktion wird alles daransetzen, eine breite Mehrheit in der Mitte des Parlaments zu bilden, um nach den langen Jahren der Diskussion und des Streits endlich Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu schaffen.
Beginnt erneut der Reigen von Verfassungsklage, Teilnichtigerklärung und neuem Gesetz, erweisen wir damit insbesondere den Frauen einen schlechten Dienst.
Diese Sorge war auch für die Freien Demokraten in den letzten beiden Jahren der Anlaß gewesen, eine möglichst schnelle Umsetzung der nach dem Urteil entstandenen Gesetzgebungsaufgabe zu versuchen. Der damals mit der CDU/CSU-Fraktion ausgehandelte Kompromiß orientierte sich demnach im Wortlaut seiner Regelungen weitgehend an dem Urteil an der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts.
Dieser Weg führte nicht zum Ziel. Die SPD hat dieses Vorhaben im Bundesrat und im Vermittlungsausschuß blockiert. Im neugewählten Bundestag gilt es nun, den Weg für ein Gesetz zu ebnen, bei dem durch konsequente Umsetzung des Fristen- und Beratungsmodells, wie es die F.D.P. entwickelt hat, eine größtmögliche Akzeptanz bei den Abgeordneten erreicht werden kann, die Kompromißbereitschaft mitbringen, wenn sie sich auf die Suche nach einer Mehrheitsfindung über die Fraktionsgrenzen hinweg begeben. Sie finden im Entwurf der F.D.P. einen guten Anhaltspunkt.
Heinz Lanfermann
Die Abgeordneten der F.D.P.-Fraktion haben einstimmig für unseren, den liberalen Entwurf votiert. Er ist eine gute Grundlage für eine breite Mehrheit in diesem Hause, der neben den Liberalen möglichst viele Abgeordnete, vor allem aus den beiden größeren Fraktionen, angehören sollten. Weder der Entwurf der SPD-Fraktion noch der der Mehrheit innerhalb der Unionsfraktion hat eine Chance auf eine Mehrheit in diesem Hause. Sie wissen, daß man aufeinander zugehen muß, und Sie wissen auch, daß die Bürgerinnen und Bürger dies von Ihnen erwarten, ja einfordern, weil die Reform jetzt endlich zu Ende geführt werden muß.
Deshalb wünscht sich die F.D.P. eine breite Mehrheit für ihren Entwurf.
Um noch einmal allen Spekulationen entgegenzutreten, die das Sachthema § 218 in ein Politschauspiel über Wohl und Wehe der Koalition umfunktionieren wollen, wiederhole ich: § 218 ist kein Koalitionsthema, ist nicht Gegenstand des Koalitionsvertrages und wurde bewußt nicht in diesen Vertrag aufgenommen. Wie im Jahre 1992 sind alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages völlig frei in ihrer Entscheidung und völlig frei von irgendwelchen Fraktions- oder Koalitionszwängen.
Um noch einer zweiten, insbesondere von den GRÜNEN selbst verbreiteten Meinung hier klar entgegenzutreten: Daß es zwischen den Entwürfen von GRÜNEN und F.D.P. soviel Gemeinsames geben soll, kann ich beim Lesen der Texte so nicht feststellen. Der Entwurf der GRÜNEN ist in mehreren Punkten eindeutig verfassungswidrig. Er spricht auch eine Sprache, die nicht die unsere ist. Ich würde empfehlen, das vor späteren Verhandlungen alles noch einmal zu überarbeiten. Die wahren Absichten der GRÜNEN stehen auch gar nicht in diesem Gesetzentwurf, sondern in dem Antrag, der uns heute präsentiert wird - ein Antrag, der gegen die Begriffe der Menschenwürde und des Rechts auf Leben eklatant verstößt, indem er sie verdreht. Sie stellen sich selbst mit diesem unsäglichen Antrag in eine Ecke, in der die PDS schon auf Sie wartet.
Meine Damen und Herren, man muß bei diesem verfassungsrechtlich und ethisch komplizierten Thema ein bißchen anders an die Sache herangehen, als hier mit gespaltener Zunge zu reden. Dies sei den GRÜNEN gesagt.
Es ist nicht die Zeit gegeben, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Entwürfen der F.D.P. einerseits und denen der SPD und der Union andererseits ausführlich darzustellen. Dazu nur soviel: Wir sind der Meinung, daß im SPD-Entwurf die Beratung zu sehr auf reine Information, zu wenig auf Konfliktberatung ausgerichtet ist. Auch ist die Möglichkeit, über eine sehr weitgefaßte medizinische Indikation eine Vielzahl von Abbrüchen ohne jede Fristbegrenzung straffrei durchführen zu können, nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren.
Die Union dagegen schöpft vor allem nicht die Möglichkeiten aus, die Beratung so zu definieren, daß das Beratungskonzept auch wirklich wirkungsvoll mit der Schwangeren eingesetzt werden kann. Ihre Sorge, daß andere Formulierungen ein Selbstbestimmungsrecht über das Lebensrecht setzen, ist im übrigen nicht begründet. Sie werden das bei gründlicher Analyse des Textes auch feststellen.
Gerade über die Beratung werden wir in den nächsten Monaten eine Reihe von Gesprächen führen. Das Verfassungsgericht hat uns aufgegeben, Ziel und Aufgaben der Beratung neu zu formulieren. Dabei hatten wir die zwingende Vorgabe des Gerichts zu beachten, daß die Beratung zielorientiert auf den Schutz des ungeborenen Lebens zu erfolgen hat. Ebenso muß deutlich werden, daß es sich um Leben handelt, das bei einer Entscheidung für den Abbruch zerstört wird. Wer dies nicht akzeptieren will oder durch Formulierungen über diesen Punkt hinweggeht, hat das nächste Verfahren in Karlsruhe schon verloren.
Wir haben aber ebenso deutlich gemacht, daß die Beratung dem Schutz des ungeborenen Lebens durch Rat und Hilfe für die Schwangere dienen soll und haben das bewußt in den ersten Satz des neuen § 219 so hineingeschrieben. Wir haben ausdrücklich formuliert, daß die Beratung ergebnisoffen zu erfolgen hat. Gerade im Vergleich zum früheren Koalitionsentwurf wird die Eigenverantwortlichkeit der Schwangeren stärker betont; denn das Modell der Fristenregelung mit obligatorischer Beratung beruht ja gerade auf der Erwägung, daß das ungeborene Leben am besten mit der Schwangeren und nicht gegen sie zu schützen ist.
Es ist das zentrale Anliegen des Urteils, im Beratungsmodell das ungeborene Leben durch Rat und Hilfe für die Schwangere bestmöglich zu schützen. Daher muß die Beratung so angelegt sein und der Frau so angeboten werden, daß eine möglichst große Wirkung für den Lebensschutz erzielt werden kann. Dadurch wird eine größtmögliche Offenheit der Schwangeren für die Beratung und in der Beratung erreicht.
Deshalb sagt die F.D.P. in ihrem Entwurf ausdrücklich - dies mit den Worten des Verfassungsgerichts -, daß die Beratung Verständnis wecken, nicht dagegen einschüchtern, belehren und bevormunden sowie der Frau helfen soll, eine eigenverantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. Die Beratung lebt von der freiwilligen Mitwirkung der Frau. Sie wird allerdings auch erwartet. Aber die Frau darf nicht gezwungen werden. So regelt z. B. § 5 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes ausdrücklich, daß die Frau bei der Konfliktberatung nicht gezwungen
Heinz Lanfermann
werden darf, die Gründe für den erwogenen Abbruch mitzuteilen. Es dürfte ihr aus diesem Grunde auch nicht die Beratungsbescheinigung verweigert werden.
Meine Damen und Herren von der SPD, beim Stichwort Beratung möchte ich in Erinnerung rufen: Bei den Verhandlungen über den Gruppenantrag im Jahre 1992 war auf Wunsch der SPD-Vertreter der Informationscharakter der Beratung im Vergleich zum damaligen F.D.P.-Entwurf stärker hervorgehoben worden. Gerade diesen Punkt hat das Bundesverfassungsgericht dann aber beanstandet, und es verlangt eine echte Schwangerschaftskonfliktberatung, nicht lediglich eine bloße Informationsberatung.
Wir wollen bei der Formulierung der Beratungsregelung nicht wieder durch Nachgeben an der falschen Stelle zum zweitenmal denselben Fehler mitverursachen; andere sollten es ebenfalls vermeiden.
Meine Damen und Herren, bei der umstrittenen Frage, ob es über den ja ohnehin geltenden Nötigungsparagraphen 240 hinaus eine zusätzliche Strafdrohung für das familiäre bzw. soziale Umfeld der Schwangeren geben soll, sind wir nach gründlicher Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, daß es verantwortbar ist, hierzu in unserem Entwurf keinen Vorschlag zu machen.
Dabei ist richtig: Das Verfassungsgericht hat derartige Bestimmungen für unerläßlich gehalten, um einer das ungeborene Leben gefährdenden Druckausübung auf die Schwangere vorzubeugen. Es trifft ebenfalls zu, daß durch solche Einflußnahmen die autonome Entscheidung der Schwangeren beeinträchtigt werden kann. Es ist weiterhin richtig, daß der von uns in der vergangenen Legislaturperiode mitgetragene Koalitionsentwurf in einem § 218d eine Strafbestimmung für das familiäre Umfeld der Schwangeren sowie für die Verweigerung erbetener materieller Hilfe vorsah. Angesichts des Wortlauts des Urteils und im Bemühen um eine möglichst zügige Anpassung an das Urteil hielten wir dies für den notwendigen Weg. Damit standen wir übrigens nicht allein. Auch die SPD war bis zum Oktober 1994 der Auffassung, das Strafgesetzbuch müsse ergänzt werden. Sie hat es lediglich mit einer Ergänzung des § 240 getan, der aber dann sinnigerweise eine höhere Strafnorm beinhaltete als der Koalitionsentwurf.
Auch die Union hat es sich jetzt etwas leichtgemacht, indem sie - nunmehr allein - den früheren Koalitionsentwurf mit dem alten § 218d wieder vorgelegt hat. Damit gehen Sie nicht, wie die F.D.P., auf die schwerwiegenden Bedenken ein, die auf Grund der Anhörungen im Frühjahr 1994 entstanden sind.
So haben vor allem Beraterinnen überzeugend dargelegt, daß die Offenheit der Beratung entscheidend beeinträchtigt wird, wenn die schwangere Frau befürchten muß, bei ehrlicher Schilderung ihrer Lage, z. B. des Verhaltens oder der Äußerungen ihrer Angehörigen, diese der Gefahr einer Strafverfolgung auszusetzen. Es liegt auf der Hand, daß die Schwangere dann eben nicht für die Beratung offen ist. Es wird auch schwierig, wenn nicht unmöglich werden, das familiäre Umfeld für das Kind zu gewinnen. Dies ist aber auch ein entscheidender Faktor bei dem Bemühen, die Schwangere zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen, wie das Verfassungsgericht es ja auch will.
Ich habe auch nach dem, was von den Strafrechtsexperten zum damaligen Formulierungsvorschlag des § 218d gesagt worden ist, Zweifel, ob es überhaupt eine Formulierung gibt, die erstens Fälle erfaßt, die nicht bereits durch den allgemeinen Nötigungsparagraphen 240 abgedeckt werden, die zweitens den vom Verfassungsgericht gewünschten wirkungsvollen Schutz wirklich herbeiführt, aber dann drittens nicht gleichzeitig dazu führt, daß der Bereich strafrechtlich relevanten Verhaltens unabsehbar ausgeweitet und die Vorschrift damit unhandbar wird.
Die Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion, die an dem alten § 218d festhalten, erinnere ich daran, daß sich sämtliche befragten Strafrechtsexperten zu dieser Vorschrift skeptisch geäußert haben. Der angesehene Strafrechtler Professor Eser hat in der Anhörung gefragt, wie er denn in dem von ihm betreuten Kommentar zum Strafgesetzbuch das verbotene Verhalten umschreiben solle. Dazu paßt - das war auch ein wenig Ausdruck von Verlegenheit -, daß in der amtlichen Begründung zum § 218d zwar einige Verhaltensweisen geschildert werden, die nicht unter diese Bestimmung fallen, aber nicht klar gesagt wird, was denn genau nun verboten sein soll. Jedenfalls haben, in die Zukunft gesehen, alle, die eine Strafnorm für das familiäre Umfeld wollen, die rechtspolitische Bringschuld, uns zunächst einmal wenigstens eine neue, bessere Formulierung zu präsentieren.
Die Lösung dieses Problems wird im übrigen auch dadurch erschwert, daß das Gericht insoweit keine Regelung in der ansonsten sehr ins Detail gehenden Vollstreckungsanordnung getroffen hat und auch die Urteilsgründe - anders als z. B. bei den strafbewehrten ärztlichen Pflichten - keine klaren Anhaltspunkte dafür bieten, wie denn eine solche Strafnorm beschaffen sein sollte.
Die F.D.P. geht auch in bezug auf eine Strafnorm für das familiäre Umfeld nicht leichtfertig mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts um. Wir haben in der geforderten Strafnorm nicht, wie manche andere, den Versuch einer Kriminalisierung, sondern den Schutzzweck zugunsten der Schwangeren und ihrer Entscheidungsfreiheit gesehen.
Wir erkennen aber auch: Das Verfassungsgericht möchte eine Strafnorm, um damit ungeborenes Leben zu schützen. Mit dieser Strafnorm gefährden wir die Offenheit der Schwangeren für die Beratung und in der Beratung. Diese Offenheit wiederum ist auch unerläßlich für das vorgegebene Ziel der Beratung, nämlich den Schutz des ungeborenen Lebens. So schließt sich der Kreis,
Heinz Lanfermann
Wird durch die Strafnorm der Zweck Lebensschutz, so frage ich, nicht eher gefährdet als gefördert? Kann, ja sollte es in einem solchen Dilemma nicht besser sein, im Interesse einer wirkungsvollen Konfliktberatung in diesem einen Punkt von der Vorgabe des Verfassungsgerichtes abzuweichen?
In dieser Situation gebietet es der Respekt vor dem Gericht, das zu tun, was Professor Eser im vergangenen Frühjahr empfohlen hat, aber wegen des bevorstehenden Ablaufs der Legislaturperiode so nicht mehr umgesetzt worden ist, nämlich das Ganze im Ausschuß noch einmal gründlich zu diskutieren. Das sollte nach der Vorstellung der F.D.P. auch geschehen, damit sich jede Kollegin und jeder Kollege nach einer gründlichen Beratung vergewissern kann, was die richtige Entscheidung ist.
Wir beantragen deshalb, noch einmal Sachverständige zu einer speziellen und vertieften Anhörung zum Thema Strafnormen für das familiäre und soziale Umfeld einzuladen.
Meine Damen und Herren, für die Schwangerschaftsabbrüche nach der Beratungsregelung, bei denen eine Frau nicht in der Lage ist, den Abbruch selbst zu bezahlen, brauchen wir eine bundeseinheitliche und unbürokratische Regelung. Das ist nach unserer Auffassung die Abwicklung über die gesetzlichen Krankenkassen, die die Kosten ihrerseits mit den Ländern oder Gemeinden abrechnen können. Die Frau muß sich nicht als Hilfsbedürftige an das Sozialamt wenden, und sie braucht sich überhaupt nur an einen Ansprechpartner zu wenden.
Eine Regelung zu finden, die die Frauen im Schwangerschaftskonflikt möglichst wenig belastet, hat Vorrang vor dem in den Anhörungen im vergangenen Jahr deutlich gewordenen Interesse von Kommunen und Krankenkassen nach einer für sie möglichst einfachen Regelung.
Wir haben uns bei den Einkommensgrenzen, die für die Feststellung der Bedürftigkeit gelten, schon im Vorgriff und im Sinne eines Kompromisses etwas nach oben bewegt und gehen jetzt mit den Vorstellungen des SPD-Entwurfs konform. Für die Regelungen über die wirtschaftliche Bedürftigkeit in § 1 Abs. 2 Schwangerenleistungsgesetz sind die Grenzen des Sozialhilferechts nur eine Orientierungshilfe. Die Regelung ist aber gegenüber dem Sozialhilferecht vereinfacht, und die damit im Einzelfall verbundenen geringen Besser- oder Schlechterstellungen können gut im Interesse einer möglichst unkomplizierten Regelung hingenommen werden.
Es ist uns bewußt - auch dies sei an dieser Stelle durchaus gesagt -, daß man die Einkommensgrenzen nicht nach politischem Belieben heraufsetzen kann, weil ansonsten das vom Verfassungsgericht festgelegte Fremdfinanzierungsverbot für nichtbedürftige Frauen unterlaufen würde.
Man kann das übrigens - das sei den Grünen gesagt - nicht dadurch regeln, daß man dauernd neue Indikationen erfindet, die nachher dazu führen, daß später alle Abbrüche wieder unter Indikationen fallen. Ich verstehe hier auch nicht Ihr Weltbild, denn wir haben die Indikationen doch bereits überwunden. Indikationen waren etwas, wo ein Dritter über die Frau bestimmte
und damit entschied, ob es strafbar war oder nicht, eine Schwangerschaft abzubrechen.
Der Fortschritt besteht darin, daß bei der Fristenregelung die Frau allein und eigenverantwortlich entscheidet. Dann gehen die Grünen hin, reden von Selbstbestimmungsrecht, was in dem Zusammenhang ohnehin die völlig falsche Vokabel ist, und wollen eine Regelung, in der Dritte wieder über die Frau bestimmen.
Wir sehen in den Summen von grundsätzlich 1 900 DM plus 400 DM je Kind in den alten und 1 700 DM plus 370 DM je Kind in den neuen Ländern diese Verfassungsgrenze nicht überschritten.
Meine Damen und Herren, ich darf mit einem Satz noch einmal zum Beginn meiner Ausführungen zurückkehren. Es ist höchste Zeit, die Reform des § 218 endlich zu vollenden. Die F.D.P. hat Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der geeignet ist, zum Kern und Ausgangspunkt für eine Koalition der Vernunft in der Mitte des Hauses zu werden, die einen Kompromiß findet, der endlich Rechtsfrieden und Rechtssicherheit schafft. Wir sind zu Gesprächen bereit.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.