Rede von
Norbert
Geis
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Nein; danke. — Ganz sicher ist eine der Ursachen, daß wir in bestimmten Ländern schon vor Jahren die Erziehung einfach abgeschafft haben.
Die Erziehung an den Schulen wurde in diesen Ländern in den 70er Jahren abgeschafft. Das ist sicherlich ein Relikt aus dem Jahre 1968, lieber Herr Fischer.
Denken Sie einmal an die Frankfurter Schule, die die Emanzipation geradezu vergöttert hat!
Deutscher Bundestag - 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 391
Norbert Geis
Die Abschaffung der Erziehung ist ein großer Fehler gewesen. Die Erziehung in den Schulen wurde diskriminiert. Sie wurde als Indoktrination hingestellt.
Dann hatten die Lehrer Angst und haben aufgehört zu erziehen.
Sicherlich liegt ein zweiter Grund darin, daß wir es mit einer Krise unserer Familie zu tun haben. Nichts kann die erzieherische Kraft einer Familie ersetzen.
Die Familie ist — vor allen Dingen dann, wenn sie intakt ist — immer noch der Ort, an dem die Erziehung am ehesten und am besten geleistet werden kann. Darauf kann die Gesellschaft nicht verzichten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, hinzu kommt natürlich die verheerende Wirkung der Massenmedien. Es gibt ja kein Tabu mehr, das nicht von den Massenmedien in die Wohnzimmer eingestrahlt wird.
Wir erschrecken vor Kindern, die andere Kinder ermorden — wie es in England passiert ist — und auf die Frage, warum sie das getan hätten, antworten, sie hätten einmal ausprobieren wollen, wie es ist, wenn man Menschen umbringt.
Angesichts der Jugendkriminalität können wir es uns nicht leisten, im Jugendstrafrecht und im Jugendstrafvollzug einer weichen Welle nachzugeben.
— Ich weiß, daß Ihnen das nicht paßt. Zum Jugendstrafvollzug gehört eine gewisse Härte.
Die Jugendlichen müssen wissen, daß sie nicht im Hotel untergebracht sind.
Das heißt nicht, daß der Erziehungsgedanke von der
Tagesordnung gestrichen werden müßte. Nein, wir
selbst haben den Erziehungsgedanken durch das
Jugendgerichtsgesetz im Jahre 1953 eingeführt. Er hat sich bewährt, und wir werden auch daran festhalten.
Aber Jugenderziehung in den Strafvollzugsanstalten muß immer auch wissen, daß die Strafvollzugsanstalt Endstation einer langen Kette von unglücklichen Zusammenhängen und Verfehlungen ist und daß dort Erziehung oft sehr schwer möglich ist.
Man muß der Realität ins Auge schauen. Wer oft genug in Jugendstrafvollzugsanstalten gewesen ist, wird das bestätigen.
Deshalb müssen wir neben den Erziehungsgedanken, den wir voll bejahen — daran soll kein Zweifel aufkommen —, gleichbedeutend den Gedanken der Sicherheit unserer Bürger stellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein weiteres Thema der kommenden Jahre wird zweifellos die Entkriminalisierungsdebatte sein, die immer wieder angezettelt wird. Ich scheue mich nicht, darüber zu sprechen. Es gibt in Schleswig-Holstein eine ganze Reihe von Richtern, die den Diebstahl, solange er unter einem Wert von 50 DM liegt, aus dem Strafgesetzbuch herausnehmen wollen.
Sie wollen dem Geschädigten im Bürgerlichen Gesetzbuch einen Anspruch auf pauschalierten Schadensersatz geben, als wäre es so leicht, gegen einen jugendlichen Täter, der in der Regel ja pfandlos ist, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Der Jugendliche wird den Geschädigten auslachen und um die Ecke in den nächsten Laden gehen, um sich dort zu holen, was er braucht, aber im Wert von unter 50 DM, damit er nicht bestraft wird. An diesem Beispiel wird die ganze Lächerlichkeit des Vorschlages von Richtern deutlich, die ernstgenommen werden wollen.
Mit immer neuen Varianten wird in dieser Diskussion über die Entkriminalisierung auch die Legalisierung des Besitzes von Drogen vorgetragen. Lübecker Richter sehen in dem Besitz von 4 kg Hasch kein Verbrechen mehr, sondern nur noch eine geringe Verfehlung, die auch nur geringfügig zu bestrafen sei. So weit sind wir bereits gekommen.
Die Sozialministerin desselben Landes will nun auf Tageskarten in bestimmten Restaurants Hasch anbieten,
als hätten wir mit diesen Vorgängen in den Niederlanden nicht furchtbare Erfahrungen gemacht. Aber
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Norbert Geis
offenbar will diese Dame aus dem einstmals konservativen Land ein progressives Drogenmusterland machen. Es scheint jedenfalls so.
Wir werden eine solche Irrfahrt nicht mitmachen.
In Frankfurt sollen jetzt Gesundheitsräume eingerichtet werden. Schon die Bezeichnung ist absurd, wenn man überlegt, was da passiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir halten dies letztlich für die Kapitulation vor der Drogenmafia, denn die hat dann noch leichteres Spiel. Wir werden allerdings alles tun, um den Drogenkranken zu helfen, frei zu werden von ihrer Krankheit und ihrer Sucht und zu einem ordentlichen, geordneten, vernünftigen Leben zurückzufinden.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.