Rede von
Ulla
Jelpke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Im Bundeshaushalt des BMI ist Bescherung angesagt. So erhält beispielsweise der Verfassungsschutz fast 5 Millionen DM mehr, um weiterhin schonend — ich betone: schonend — mit dem Rechtsextremismus umgehen zu können. Ein Blick in den Verfassungsschutzbericht reicht, um das zu belegen. Aber auch die Antworten der Bundesregierung auf die vielen parlamentarischen Anfragen in diesem Bereich zeigen dies.
Es paßt meiner Meinung nach auch wie die Faust auf das Auge, daß die mit 5 Millionen DM aus Steuergeldern gesponserte Zeitung „Das Parlament" den sogenannten neurechten Geschichtsrevisionisten im November gleich eine Doppelnummer zur Verfügung gestellt hat. Ansgar Graw, der diese Ausgabe des „Parlaments" mit konzipiert hat, tritt immerhin für die Regermanisierung Ostpreußens ein und dafür, unter die deutsche Nazivergangenheit einen Schlußstrich zu ziehen. Jetzt werden diese rechten Antworten auf die selbstaufgeworfenen deutschen Streitfragen kostenlos an Schulen und Bildungsstätten verteilt. Was ist schon die Gründung einer rechtsextremistischen Zeitung gegen die komplette Übernahme einer Regierungszeitung, kann man da in Abwandlung eines Brechtzitats nur sagen!
Wie heißt es doch so schön im Vorspann zum Haushalt der Bundeszentrale für Politische Bildung — Zitat —:
Die Politische Bildung ist wesentlicher Teil des gesamten Bildungssystems, als Lernprinzip durchdringt sie alle Bereiche des Systems.
Da ist es nur logisch, daß die sowieso schon kläglichen und manchmal auch dubiosen Ausgaben für die Aufklärungskampagne über die Gefahren des Extremismus und der Fremdenfeindlichkeit erneut um 1 Million DM gestrichen werden.
Meine Damen und Herren, die Grenzen zwischen Außen- und Innenpolitik zerfließen immer mehr, verkündet der letzte und jetzige Fraktionsvorsitzende der Union. Er hat den Einsatz der Bundeswehr im Innern gefordert und gesagt, die Bundeswehr solle auch an den Grenzen eingesetzt werden. Damals sekundierte der jetzige Zukunftsminister Rüttgers, daß dies ein Thema sei, an dem die Union festhalten werde. Man sieht es dem Haushalt an. Grenzsicherheit, so läßt Innenminister Kanther bei dieser Gelegenheit verlauten, gewinne eine Bedeutung, die weit über das polizeiliche Vorgehen an der Grenze selbst hinausgeht. Verbrechensbekämpfung im Inland und Grenzsicherheit sind untrennbar miteinander verbunden. Das läßt er sich in diesem Haushalt etwas kosten.
Dazu nur einige wenige Zahlen: Allein das sogenannte roulierende System, mit dem BGS-Einheiten zum Einsatz kommandiert werden, verursacht Mehrkosten in Höhe von 27 Millionen DM. Die Kosten für Abschiebungen steigen um 1,5 Millionen DM. Das sind alles nur Teile, sozusagen Peanuts des von Herrn Kanther beschworenen — ich zitiere — „Netzwerks polizeitaktischer, organisatorischer, personeller und ausstattungsmäßiger Maßnahmen", die ständig „an die jeweils neuen Herausforderungen angepaßt werden" .
Wie eiskalt der Innenminister sein kann, hat er kürzlich vorgeführt, als er ausgerechnet an dem Tag, als herauskam, daß sechs Menschen unter den Augen der polnischen und deutschen Grenzsicherer in der Oder ertrunken sind, dort vier Patrouillenboote für den BGS einweihte.
Zurück zum Haushalt: Wärmebildgeräte und Boote verursachen millionenschwere Sachkosten. Insgesamt erhält der BGS mit diesem Haushalt 400 Millionen DM mehr als im Haushalt zuvor. Darin sind noch nicht die 35 Millionen DM für die Maßnahmen nach dem Schengener und dem Dubliner Abkommen oder die 1,7 Millionen DM für Europol-Beiträge enthalten.
Meine Damen und Herren, daß 14 Millionen DM bei den betroffenen Asylsuchenden eingespart werden, wenn es darum geht, daß für sie Sachverständigengutachten geschrieben werden, das verwundert uns überhaupt nicht mehr. Mit diesem Haushalt wird eine Politik fortgesetzt, die Flucht- und Migration zur Hauptbedrohung der inneren und äußeren Stabilität hochstilisiert hat und weiterhin hochstilisieren wird. Das findet auf keinen Fall unsere Zustimmung.
Ich möchte zum Abschluß noch einen Satz zu den hier angesprochenen Urteilen in der Türkei und den Abschiebestopps sagen. Die heute bereits geäußerten Verurteilungen der Geschehnisse in der Türkei unterstützte ich größtenteils, glaube aber, daß es nicht nur bei moralischen und politischen Verurteilungen bleiben darf, sondern daß nach Jahren die Bundesregierung endlich Konsequenzen ziehen muß, indem sie die Waffenlieferungen dorthin stoppt und indem der Abschiebestopp — entgegen der jetzigen Absicht — über Januar hinaus verlängert wird. Allerdings glaube ich nicht, daß der Druck auf die türkische Regierung damit schon groß genug ist. Es muß mehr politischer Druck her. Nur so kann die Türkei wirklich zu neuen demokratischen Schritten gezwungen werden.