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ID1300807200

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    Plenarprotokoll 13/8 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 8. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Wolfgang Vogt (Düren) und Dr. Alfred Dregger 313B Neubezeichnung eines Ausschusses 313 B Erweiterung und Ablauf der Tagesordnung 313 B Zur Geschäftsordnung Manfred Müller (Berlin) PDS 313 D Joachim Hörster CDU/CSU 314 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 314 C Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 (Haushaltsgesetz 1995) (Drucksache 13/50) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1994 bis 1998 (Drucksache 12/8001) c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft (Drucksache 13/76) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 315 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 324 C, 366 D Hartmut Schauerte CDU/CSU 330 B Gunnar Uldall CDU/CSU 332 A Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 335 B Otto Schily SPD 336 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 339 B Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 342 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 343 B Dr. Barbara Höll PDS 347 C Joachim Poß SPD 349 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 349 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 351 D Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/ CSU 354 B Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 355 C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 357 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 359C Detlev von Larcher SPD 360 B Dr. Peter Struck SPD 361 D Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 362 A, 364 A Dietrich Austermann CDU/CSU 364 B Dr. Uwe-Jens Rudi Rössel PDS 367 B Manfred Kanther, Bundesminister BMI 369 B Fritz Rudolf Körper SPD 371 A Erwin Marschewski CDU/CSU 374 C Johannes Singer SPD 374 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 375 D II Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 Cern Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 377 C Ina Albowitz F D P 379C Ulla Jelpke PDS 381 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 381 D Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 384 A Norbert Geis CDU/CSU 388 A, 392 B Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 392 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 392 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 393 C Nächste Sitzung 394 D Berichtigung 394 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 395* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 313 8. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 7. Sitzung, Seite 307 A, Zeile 22: Statt „15 %" ist „50 %" zu lesen. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Borm, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 395* Anlage zum Stenographischen Bericht (C) Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 14. 12. 94 * Borchert, Jochen CDU/CSU 14. 12. 94 Conradi, Peter SPD 14. 12. 94 Dr. Eid-Simon, Ursula BÜNDNIS 14. 12. 94 90/DIE GRÜNEN Heym, Stefan PDS 14. 12. 94 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 14. 12. 94 Iwersen, Gabriele SPD 14. 12. 94 Sauer (Stuttgart), Roland CDU/CSU 14. 12. 94 Schmidt-Zadel, Regina SPD 14. 12. 94 Schumann, Ilse SPD 14. 12. 94 Vergin, Siegfried SPD 14. 12. 94 Wallow, Hans SPD 14. 12. 94 Warnick, Klaus-Jürgen PDS 14. 12. 94 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Hansgeorg Hauser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Liebe Frau Kollegin, Herr Deimer ist Oberbürgermeister von Landshut. Wenn Sie sich, wie ich, mit diesem Thema schon längere Zeit beschäftigt hätten, dann wüßten Sie, daß es eine Fülle von Vorschlägen des Städtetages gibt , der sich sehr wohl für eine Beteiligung an der Umsatzsteuer erwärmen kann. Es gibt auch andere Vorschläge. Diese Vorschläge müssen wir gemeinsam diskutieren. Wir haben es als Konzept festgelegt, daß wir die Gewerbesteuer und in einem ersten Schritt die Gewerbekapitalsteuer abschaffen wollen. Es macht keinen Sinn, daß ein Betrieb, der Verluste produziert, dafür noch Steuern zahlen muß. Das ist eine Wettbewerbsbehinderung ohnegleichen. Diese Verbesserung der Rahmenbedingungen müssen wir erreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Zentrales Thema ist, wie schon erwähnt, das Jahressteuergesetz 1996 mit den vier Hauptelementen:
    356 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994
    Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach)

    Freistellung des Existenzminimums, Fortsetzung der Unternehmensteuerreform, weitere Verbesserung des Familienleistungsausgleichs und die Steuervereinfachung.

    (Zuruf von der SPD: Sprechblasen!)

    — Ich weiß nicht, ob Sie sich überhaupt schon einmal mit Gesetzen beschäftigt haben. Das ist der Inhalt des Jahressteuergesetzes mit den vier Teilen. So ist das vorgesehen. Daran werden Sie auch mit Ihren Zwischenrufen nichts ändern.
    Mit dem vorliegenden Entwurf ist es Finanzminister Waigel gelungen, die vielschichtige Problematik der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums trotz des vorgegebenen engen Finanzrahmens umfassend und gerecht zu lösen. Die Kritik aus den Reihen der SPD ist offensichtlich ein Ausdruck ihrer Hilflosigkeit. Der Finanzminister hat nicht nur der SPD den Wind aus den Segeln genommen, sondern auch viele Pessimisten überrascht. Mit seinem Konzept ist es ihm gelungen, die Vorgaben des Verfassungsgerichtes voll umzusetzen, die unteren Einkommen freizustellen, ohne den Mittelstand zusätzlich zu belasten, wie es das SPD-Modell vorsieht.
    Hauptkritikpunkt ist die angeblich zu hohe Progressionssteigerung bei den unteren Einkommen, die als „Geringverdienerbauch" bezeichnet wird. Für mich ist es ein durchsichtiges Manöver, weil man hier auf den Mittelstandsbauch des früheren Tarifs anspielen und unterstellen will, daß eine leistungsfeindliche Besteuerung stattfindet.
    Ein Blick auf die Tatsachen entlarvt diese Kritik allerdings schnell als pure Vernebelungstaktik. Auch der neue Tarif bleibt linear progressiv und leistungsfreundlich, denn die Freistellung des Existenzminimums erfolgt durch eine außertarifliche Steuerentlastung, eine Grundentlastung, die mit steigendem Einkommen abgeschmolzen wird und bei 30 000 bzw. 60 000 DM ausläuft. Diese außertarifliche Regelung hat keinen Einfluß auf den linear-progressiven Tarifverlauf.
    Es gibt innerhalb und außerhalb des Steuerrechts zahlreiche entlastende Regelungen, die mit steigendem Einkommen reduziert werden bzw. bei Überschreiten von Einkommensgrenzen völlig entfallen. Niemand ist bisher auf die Idee gekommen, in diesem Zusammenhang von einer Progressionsverschärfung zu reden. Es ist deshalb willkürlich und an den Haaren herbeigezogen, in eine graphische Darstellung der Grenzbelastung des Tarifs den außertariflich geregelten Abbau der Grundentlastung hineinzurechnen und den so entstehenden kleinen Bauch in einer völlig überzogenen Weise als Mangel des Tarifs anzuprangern. Es ist schon bezeichnend, daß man Schaubilder zeigt, auf denen diese Entwicklung überdimensional dargestellt wird, um zu suggerieren, daß es sich hier um eine riesige Benachteiligung handelt.
    Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Grundsatzbeschluß vom September 1992 ausdrücklich festgestellt, daß die steuerliche Freistellung des Existenzminimums nicht bedeutet, daß jeder Steuerpflichtige vorweg in Höhe eines nach dem Existenzminimum bemessenen Freibetrags verschont werden muß, sondern es dem Gesetzgeber freigestellt ist, in
    welcher Weise er der verfassungsrechtlichen Vorgabe Rechnung trägt. Erforderlich ist lediglich, daß von den das Existenzminimum übersteigenden Einkommensteilen dem Steuerpflichtigen jeweils angemessene Beträge verbleiben und kein Progressionssprung stattfindet, der die vertikale Gleichheit geringerer Einkommen im Verhältnis zu höheren außer acht läßt. Das können Sie in dem Beschluß ausführlich nachlesen.
    Angesichts dieser klaren gerichtlichen Äußerung kann kein Zweifel daran bestehen, daß der Vorschlag zur Freistellung des Existenzminimums verfassungskonform ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Denn die Entlastungsbeträge vermeiden im wirtschaftlichen Ergebnis einen Progressionssprung und stellen auch unter Berücksichtigung des Abbaus der Grundentlastung sicher, daß den Steuerpflichtigen jeweils angemessene Beträge im Sinne der Entscheidung des Gerichtes verbleiben. Ebenso wird die vertikale Gleichheit beachtet, da die durchschnittliche Belastung auch unter Einschluß der Steuerfreistellung kontinuierlich wächst.
    Niedrige Einkommen — das ist heute in einer Art und Weise vom Tisch gewischt worden, die unbeschreiblich ist — bis zum Existenzminimum von rund 12 000/24 000 DM werden zu 100 % entlastet.

    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: 1,5 Millionen Haushalte!)

    Man konnte hier den Eindruck bekommen, als würden die niedrigen Einkommen jetzt noch zusätzlich mit Steuern belastet. Das stimmt doch alles nicht.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Was reden Sie denn da?)

    Mit steigendem Einkommen nimmt dann die Entlastung ab und sinkt bei Spitzeneinkommen auf unter 2%.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das haben wir doch gar nicht gesagt, was Sie da erzählen!)

    So beträgt beispielsweise die Entlastung bei einem zu versteuernden Einkommen von 13 000 DM 74,5 %, bei 20 000 DM sind es immer noch 26 %,

    (Detlev von Larcher [SPD]: Aber von Prozenten lebt man nicht!)

    bei 50 000 DM sind es 2,4 %, und bei 122 364 DM sind es 1,8 %.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sagen Sie das doch einmal in absoluten Zahlen!)

    — Frau Matthäus-Maier, Sie hatten ausführlich Gelegenheit, sich darzustellen, zu produzieren und eine Schau abzuziehen. Wir haben die Zahlen auf den Tisch gelegt. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 122 364 DM — das ist der Beginn des Spitzensteuersatzes für Ledige — beträgt die Entlastung gerade noch 1,8 %.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sagen Sie doch einmal absolute Zahlen!)

    Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 357
    Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach)

    Die soziale Ausgewogenheit der Regelung zeigt sich auch darin, daß der weit überwiegende Teil der Gesamtentlastung den unteren Einkommen zugute kommt. So erhalten die unteren 50 % der Steuerzahler 70 % des Entlastungsvolumens. Die Kritik der SPD wegen einer angeblich sozialen Unausgewogenheit der Vorschläge kann angesichts dieser Fakten nur als heuchlerisch bezeichnet werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Da lachen ja die Hühner!)

    Der für 1996 vorgesehene Betrag von 12 095 DM bzw. 24 191 DM bleibt über dem Existenzminimum. Hierfür spricht auch, daß für 1995 ein Freistellungsbetrag in einer Größenordnung von 11 000 DM statt des gesetzlich festgesetzten Freistellungsbetrages von 11 500 DM ausreichend wäre.
    Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß wir bereits 1993 mit der Übergangsregelung das Existenzminimum von der Steuer freigestellt haben. Es ist deshalb unzutreffend, wenn immer wieder gesagt wird, wir hätten den Beschluß des Verfassungsgerichtes nicht rechtzeitig umgesetzt.
    Die Neuregelung des Existenzminimums bedeutet, daß 1,5 Millionen Haushalte völlig aus der Steuerpflicht herausfallen. Die Kritik an einer angeblichen Leistungsfeindlichkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen ist deshalb nicht nachvollziehbar. Es ist gerade die SPD, die mit ihren Vorstellungen, z. B. dem Schleußer-Modell, Steuerpflichtige bereits mit einem zu versteuernden Einkommen vom 50 000 DM bei Ledigen stärker zur Kasse bitten will.

    (Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Jeder Facharbeiter!)

    Die SPD zeigt auch damit wieder ihren Charakter als Steuererhöhungspartei; denn sie will, daß alle, die mehr als 50 000 DM verdienen, mit höheren Steuerabzügen belastet werden. Gerade das ist für den Mittelstand Gift, denn dadurch wird jeglicher Leistungsanreiz genommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Alle Kritiker müssen sich die Frage gefallen lassen, wie sie ihre weitergehenden Vorschläge mit den daraus resultierenden weitaus größeren Steuerausfällen angesichts der engen haushalts- und finanzpolitischen Spielräume finanzieren wollen. Das gilt auch für manche Wissenschaftler, die vergessen, daß zur Umsetzung ihrer Vorschläge parlamentarische Mehrheiten erforderlich sind. Dabei könnten die Vorschläge der sogenannten Bareis-Kommission durchaus bedacht werden, um Spielräume für weitergehende Entlastungen zu gewinnen.
    Ich darf noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, daß der Finanzminister nicht die Bareis-Kommission in irgendwelchen kritischen Äußerungen verdammt hat. Vielmehr hat er gesagt: Die gemachten Vorschläge sind in der zur Verfügung stehenden Zeit absolut nicht umsetzbar. Das Problem dabei ist, daß wir einen Gegenfinanzierungsbedarf haben, der in dieser kurzen Zeit nicht zu decken ist. Die Einzelvorschläge sind schon gar nicht in allen Punkten umsetzbar.
    Mein Problem ist, daß wir für die Umsetzung solcher Vorschläge die Bereitschaft aller Betroffenen einschließlich der Wirtschaft und der Gewerkschaften brauchen. Leider herrscht überall das Sankt-FloriansPrinzip vor, so daß wir hier nicht zurechtkommen können.
    Ein Problem möchte ich noch ganz kurz ansprechen: Das ist die Entwicklung, daß eine immer kleinere Gruppe von Steuerzahlern einen immer größeren Anteil am Steueraufkommen erbringen muß. Mittelfristig müssen wir daher auch die Steuern im mittleren und höheren Bereich wieder senken, wenn wir die Leistungsbereitschaft der Bürger nicht behindern wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Burkhard Hirsch
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Oswald Metzger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus dem Mund von Theodor Waigel verlautete am bayerischen Wahlabend, nachdem die CSU die absolute Mehrheit bekommen hatte: Ich bin ein Gottesgeschenk.

    (Beifall des Abg. Hans-Peter Repnik [CDU/ CSU])

    Wie viele Gottesgeschenke brauchen Sie als Finanzminister, Herr Waigel, urn die finanziellen Risiken, die über Ihrem Bundeshaushalt 1995 schweben, in Zukunft meistern zu können?
    Sie haben sich heute morgen in Schale geworfen und in Szene gesetzt, indem Sie gesagt haben: Die Konjunktur läuft an, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Steuerquellen sprudeln.

    (Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Richtig! Genauso ist es!)

    In Wirklichkeit haben Sie in der Steuerschätzung für nächstes Jahr gerade mal 3,5 Milliarden DM zusätzliche Einnahmen veranschlagt. Der Sockel an Arbeitslosigkeit, der aus jeder Krise zurückbleibt, wird um ein Vielfaches mehr kosten, als der Aufschwung nach der letzten Konjunkturkrise erbracht hat. Wir haben jedesmal einen Sockel von mindestens 500 000 zusätzlichen Arbeitslosen.
    Herr Waigel, wir hätten gerne Antworten, und zwar von den Regierungsparteien. Sie stellen sich heute hin und machen aus der Not eine Tugend. Sie sagen: Bringt uns doch als Opposition Konzepte! Sie haben eine so knappe Mehrheit, daß bei jedem Einsparvorschlag Ihrer Regierung sofort ein betroffener Lobbyist aufheult und die Regierungsfähigkeit daran scheitert.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Beifall des Abg. Peter Dreßen [SPD])

    Das ist doch das Problem. Deshalb hören wir von Ihnen keine Antworten.
    Wie wollen Sie eine Unternehmensteuerreform mit 30 Milliarden DM Volumen finanzieren? Wie wollen Sie die Freistellung des Existenzminimums, die insgesamt 15 Milliarden DM kostet, finanzieren? Wie wollen Sie den Scheck über die Bahnreform, der im Jahre 1996 mit 6 Milliarden DM noch nicht gedeckt ist,
    358 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994
    Oswald Metzger
    einlösen? Wie wollen Sie die langfristigen Risiken finanzpolitischer Art in dieser Gesellschaft in den Griff bekommen, die da lauten: Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsfonds für die politisch schwachsinnige gesetzliche Regelung im Rahmen der deutschen Vereinigung „Entschädigung vor Rückgabe"? Wie wollen Sie diese Risiken abfedern?

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wie wollen Sie beispielsweise der Tatsache Rechnun tragen, daß die Pensionsbereitstellungen im Bundeshaushalt wegen der Beamtenpensionen verhältnismäßig stark steigen und die Versorgungslasten für den Bundeshaushalt deshalb in Zukunft eine Erblast darstellen?
    Für viele dieser Fragen gibt es keine Antworten. Als jemand, der aus der Kommunalpolitik kommt, weiß ich eine Antwort, die Ihnen auch die CDU-, CSU- Bürgermeister, -Oberbürgermeister und -Landräte singen: Der Bund hat die Möglichkeit, Kosten nach unten, auf die Kommunen, wegzudrücken. Das hat er in der Vergangenheit mit einer Fülle von gesetzlichen Regelungen gemacht.
    Die Planung, die im Bereich der Arbeitslosenhilfe ansteht, besagt nichts anderes, als daß Sie an Ihrer ursprünglichen Konzeption festhalten. Dadurch, daß Sie das erst im Oktober nächsten Jahres finanzwirksam in Szene setzen, haben wir die jährliche Belastung der Kommunen von 4 Milliarden DM auf 1 Milliarde DM im Jahre 1995 reduziert. Das heißt doch im Klartext: Man führt eine gespenstische Debatte über Sozialmißbrauch — zu der sich jetzt auch die Sozialdemokraten verführen lassen —,

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Die Vernunft siegt überall!)

    um damit einen Generalangriff auf die Kommunen vorzubereiten. Wo bleibt der Soziallastenausgleich des Bundes für die Gemeinden,

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Haben Sie einmal über die Finanzverteilung nachgedacht?)

    die die Kosten der Reparaturpolitik zahlen, weil hier keine Arbeitsmarktpolitik gemacht wird?

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Es gibt eine Fülle von Aufgaben, deren Lösung nach der Fachdiskussion der entsprechenden Gremien einen Konsens erforderlich macht. Joschka Fischer hat in seiner Rede zur Regierungserklärung gesagt, wir werden keine Opposition der Dämlichkeit in diesem Parlament sein. Deshalb werde ich auch einen Teufel tun und hier nur angreifen und keine Konzepte oder wenigstens Ideen einbringen. Wir werden dies auch im Haushalts- und im Finanzausschuß machen. Sie können uns dann an unseren Taten messen und nicht nur an parlamentarischen Fensterreden.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Bis jetzt machen Sie nichts anderes!)

    Jetzt komme ich zum Thema „Wo gibt es Rezepte?".
    Ich habe mich gefreut, als ich in der Regierungserklärung den schlichten Satz gelesen habe: Der Bund will seine Hausaufgaben machen, die die Gemeinden schon seit zwei Jahren machen, seit ihnen nämlich das Wasser bis zum Hals steht, und betriebswirtschaftliche Elemente bei der öffentlichen Leistungserbringung stärker zur Geltung bringen.

    (Dr. Hermann Otto Sohns [F.D.P.]: Wo haben denn die Gemeinden ihre Hausaufgaben gemacht? Nirgends!)

    Diese Konzepte, nämlich dezentrale Ressourcenverantwortung, Abflachung von Hierarchien — in der Industrie längst erprobt —, müssen wir in die öffentliche Verwaltung einbringen. Hier gibt es Ressourcen in der Leistungserbringung, die wir erst einmal mobilisieren sollten, bevor wir aus ideologischen Gründen einfach das Schlagwort der Privatisierung verwenden.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Sie können mit uns eine Haushaltsreform beschließen, die ihren Namen verdient: weg von der Kameralistik, hin wenigstens zur doppelten kaufmännischen Buchführung, zu Leistungs- und Kostenbilanzen, zum Sparen nicht nach dem Rasenmäherprinzip, sondern mit Intelligenz und Sachverstand.
    Und was darüber hinaus not tut: endlich einmal eine Philippika gegen die Angriffe, daß im öffentlichen Dienst nur Pflaumen arbeiten. Wir haben im öffentlichen Dienst gute Leute beschäftigt, aber die muß man von den starren Regelungen des Dienstrechts befreien. Stellenobergrenzenverordnungen gehören beispielsweise in den Orkus geworfen. Darunter leiden nicht nur die Kommunen, die ihre guten Leute an die jeweils nächsthöhere Ebene, die besser bezahlt, ziehen lassen müssen. Darunter leiden auch der Bund und die Länder. Hier gibt es einen großen Aufgabenbedarf. Man muß natürlich auch an Besitzständen rütteln, die uns allen — im Parlament sitzt ja fast die Hälfte aus dem öffentlichen Dienst — lieb geworden sind. Hier müssen wir auch an die eigenen Pfründe gehen.
    Ein weiteres Beispiel: Man kann auch intelligente Politik betreiben, ohne Kosten nach unten abzudrükken. Die Kommunen stehen mehr als wir Bundestagsabgeordnete als Zielscheibe der öffentlichen Kritik am Pranger. Jedes Bundesgesetz, das wir verabschieden, das nicht ausgegoren ist und Kosten nach unten wegdrückt, müssen die Gemeinderäte und -rätinnen, Kreisräte und -rätinnen aller Fraktionen ausbaden.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deshalb gibt es von unten unisono diese Klage.

    Ich nenne ein Beispiel: In den Bundesländern werden derzeit die ÖPNV-Gesetze gemacht bzw. sind teilweise bereits beschlossen. Ein Haupthemmnis eines vernünftigen Mitteleinsatzes im öffentlichen Nahverkehr in strukturschwachen Räumen abseits der Ballungsräume ist das Personenbeförderungsgesetz des Bundes, das bei anderer Ausgestaltung den Zugriff der Landkreise auf die Linienkonzessionen der Busunternehmen ermöglichen würde. In unserem Landkreis beispielsweise — dies ist der schwärzeste Landkreis Baden-Württembergs; der CDU-Kollege von Waldburg-Zeil kann Ihnen das bestätigen, er hat
    Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 359
    Oswald Metzger
    das höchste Erststimmenergebnis seiner Partei in Baden-Württemberg — beklagt sich der Landrat Schneider von der CDU, daß nicht einmal die eigenen Leute der CDU-Landtagsfraktion merken, daß hier der Bund den Weg über eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes frei machen muß. Dann kann mit den bisherigen Subventionen des ÖPNV das Fahrgastangebot um ein Drittel erhöht werden, ohne daß zusätzliche Finanzmittel geschoben werden müssen. Dies ist ein praktisches Beispiel.
    Ein weiteres Beispiel: Führen Sie im Stromeinspeisungsgesetz des Bundes, das 1991 in Kraft getreten ist, Einspeisevergütungsmindestbedingungen für KraftWärme-Kopplung ein. Sie werden einen Investitionsboom auslösen, der die Kommunen in die Lage versetzen wird, diese sinnvolle ökologische Technik einzusetzen, die auch mittelstandsfreundlich ist. Es würde viele Installationsbetriebe in die Lage versetzen, solche Dinge für rund 500 000 DM pro Blockheizkraftwerk zu bauen. Dann haben Sie eine ökologische Investition mittelstandsfreundlich verkauft, ohne daß der Bund eine zusätzliche Mark zuschießen muß. Dies ist eine intelligente Lösung.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    So einfach ist es manchmal, wenn man sich den Kopf über etwas zerbricht und nicht nur vordergründig nach Milliardensparvorschlägen schielt, sondern auch daran denkt, daß das, was wir in diesem Parlament machen, Auswirkungen auf die Situation der Bürgerinnen und Bürger in ihrem Heimatort hat.
    Ein letztes Wort. Frau Matthäus-Maier hat heute früh Beispiele dafür genannt, was die Freistellung des Existenzminimums von der Steuer einem Durchschnittsverdienerhaushalt pro Monat an Entlastung bringt. In einem Beispiel nannte sie als den untersten Wert eine Entlastung von 21 DM pro Monat. Ich verfolge derzeit die Presse in Oberschwaben aus der Gegend, aus der ich komme. Ich lese, daß serienweise Kreise und Gemeinden Abfall- und Abwassergebühren in einer Größenordnung erhöhen, die beim Abwasser 1,50 DM bis 2 DM pro m3 im Monat ausmacht. Das bedeutet für einen Vierpersonenhaushalt — das ist eine Folge des Wegdrückens von Kosten vom Bund auf die Länder und Gemeinden — bei 150 m3 Abwasser im Jahr Mehrkosten von knapp 300 DM im Jahr. Schon ist die Entlastung weg.

    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU): Was hat

    Abwassergebühr mit dem Bund zu tun?)
    — Das hat damit zu tun, daß die Kämmerer in den Städten und Gemeinden wegen der Finanzmisere die kalkulatorischen Kosten in den Gebührenhaushalten plötzlich bis zum Gehtnichtmehr ausreizen.

    (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Entschuldigen Sie, Sie haben keine Ahnung! Sie dürfen nur die tatsächlichen Kosten umlegen! Also hat das mit dem Bund nichts zu tun!)

    — Ich weiß, wovon ich rede. Die kalkulatorischen Kosten steigen beispielsweise durch die Tatsache, daß die Anlagekapitalverzinsungssätze in der Gebührenkalkulation erhöht werden. Das alles liegt daran, daß Sie diese Politik im Bund machen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD — Wolfgang Zöller (CDU/ CSU)

    Damit möchte ich schließen. Machen Sie Ihre Hausaufgaben im Bund, und treten Sie dann vor Ihre Kommunalpolitiker in Ihren heimatlichen Wahlkreisen.
    Vielen Dank.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)