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    Plenarprotokoll 13/8 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 8. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Wolfgang Vogt (Düren) und Dr. Alfred Dregger 313B Neubezeichnung eines Ausschusses 313 B Erweiterung und Ablauf der Tagesordnung 313 B Zur Geschäftsordnung Manfred Müller (Berlin) PDS 313 D Joachim Hörster CDU/CSU 314 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 314 C Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 (Haushaltsgesetz 1995) (Drucksache 13/50) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1994 bis 1998 (Drucksache 12/8001) c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft (Drucksache 13/76) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 315 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 324 C, 366 D Hartmut Schauerte CDU/CSU 330 B Gunnar Uldall CDU/CSU 332 A Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 335 B Otto Schily SPD 336 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 339 B Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 342 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 343 B Dr. Barbara Höll PDS 347 C Joachim Poß SPD 349 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 349 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 351 D Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/ CSU 354 B Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 355 C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 357 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 359C Detlev von Larcher SPD 360 B Dr. Peter Struck SPD 361 D Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 362 A, 364 A Dietrich Austermann CDU/CSU 364 B Dr. Uwe-Jens Rudi Rössel PDS 367 B Manfred Kanther, Bundesminister BMI 369 B Fritz Rudolf Körper SPD 371 A Erwin Marschewski CDU/CSU 374 C Johannes Singer SPD 374 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 375 D II Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 Cern Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 377 C Ina Albowitz F D P 379C Ulla Jelpke PDS 381 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 381 D Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 384 A Norbert Geis CDU/CSU 388 A, 392 B Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 392 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 392 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 393 C Nächste Sitzung 394 D Berichtigung 394 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 395* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 313 8. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 7. Sitzung, Seite 307 A, Zeile 22: Statt „15 %" ist „50 %" zu lesen. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Borm, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 395* Anlage zum Stenographischen Bericht (C) Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 14. 12. 94 * Borchert, Jochen CDU/CSU 14. 12. 94 Conradi, Peter SPD 14. 12. 94 Dr. Eid-Simon, Ursula BÜNDNIS 14. 12. 94 90/DIE GRÜNEN Heym, Stefan PDS 14. 12. 94 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 14. 12. 94 Iwersen, Gabriele SPD 14. 12. 94 Sauer (Stuttgart), Roland CDU/CSU 14. 12. 94 Schmidt-Zadel, Regina SPD 14. 12. 94 Schumann, Ilse SPD 14. 12. 94 Vergin, Siegfried SPD 14. 12. 94 Wallow, Hans SPD 14. 12. 94 Warnick, Klaus-Jürgen PDS 14. 12. 94 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Otto Solms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau MatthäusMaier, wir sind hier nicht im volkswirtschaftlichen Seminar. Sie haben soeben schon Herrn Uldall geschulmeistert, wie es sich eigentlich nicht gehört; das muß ich einmal sagen.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Wenn Sie aber schon glauben, das alles so genau zu wissen, dann will ich Ihnen sagen: Was Sie zu den Kinderfreibeträgen gesagt haben, ist in dieser Formulierung falsch; Kindergeld wird gegeben, bei Kinderfreibeträgen wird nichts gegeben,

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Ich benutze das Wort „entlasten" !)

    344 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994
    Dr. Hermann Otto Solms
    es wird weniger weggenommen. Das ist das Entscheidende. Sie haben immer gesagt: Es muß das Gleiche gegeben werden. — Es wird überhaupt nichts gegeben. Steuerfreibeträge führen dazu, daß Menschen von dem von ihnen selbst verdienten Einkommen etwas weniger an Steuern abgezogen wird.

    (Zuruf von der SPD)

    — Nein, das ist eine ganz saubere Definition. — Sie können dann darüber streiten, ob Sie das von der Bemessungsgrundlage oder von der Steuerschuld abziehen. Dies ist ein politischer Streit, den man ausfechten muß. Aber eines muß klar sein: Die Steuerfreibeträge egal, wo sie abgezogen werden — führen dazu, daß der Steuerpflichtige weniger Steuern von dem, was er verdient hat, abgeben muß. Nur das Kindergeld bzw. der Kindergeldzuschlag führt zu einer direkten Zuwendung, nämlich aus Steuern auf Einkommen anderer.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Die Freibeträge betreffen das eigene Einkommen. Das ist der systematische Unterschied. Es ist wichtig, dies zu unterscheiden, weil es für den einzelnen Betroffenen psychologisch einen Unterschied macht. Dies wirkt sich auf seine Leistungsmotivation aus. Daher darf man dies nicht falsch darstellen.
    Meine Damen und Herren, es gilt jetzt, bei der Steuerpolitik eine Reihe von Zielen gleichzeitig zu verwirklichen. -- Und dies möglichst in einem einzigen Gesetzgebungsakt. Dies stellt eine Steuervereinfachung gegenüber einer Regelung in drei oder vier verschiedenen Gesetzen dar. — Es geht darum, das Existenzminimum freizustellen, wie dies das Bundesverfassungsgericht geboten hat. Es hat genauso geboten, die Entlastung der Familien fortzuführen. Dies muß geschehen. Auch muß die Unternehmensteuerreform fortgesetzt werden. Wir müssen die Standortbedingungen für Arbeitsplätze in Deutschland verbessern. Hieran führt kein Weg vorbei. Dazu ist jedoch von der SPD überhaupt kein Vorschlag gemacht worden.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Gleichzeitig müssen wir alle Kraftanstrengungen unternehmen, um den Solidaritätszuschlag so schnell wie möglich abzubauen und so bald wie möglich obsolet zu machen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Auch der Sachverständigenrat hat gesagt, aus volkswirtschaftlichen und insbesondere auch aus finanzpsychologischen Gründen wäre eine Befristung des Solidaritätszuschlags besser gewesen. Das ist auch die Auffassung der F.D.P. Dies ist jedoch nicht durchsetzungsfähig, weil alle Bundesländer dagegen sind. Sie wollen diesen Finanzausgleich natürlich möglichst lange gesichert wissen. Deshalb müssen wir nun so vorgehen, wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben, daß nämlich dann, wenn sich die Leistungen aus dem Solidarpakt reduzieren, der Solidaritätszuschlag entsprechend gesenkt wird.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Morgen haben wir einen Antrag der SPD mit dem Thema „Ersatz des Solidaritätszuschlages durch eine
    sozial gerechte, ökonomisch vernünftige Ergänzungsabgabe" auf dem Tisch. Hier geschieht wieder das großangelegte Täuschungsmanöver, den Menschen zu beteuern, die Ergänzungsabgabe sei sozial gerecht, der Solidaritätszuschlag jedoch, der auf unserem progressiven Steuertarif beruht, sei ungerecht.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Genauso ist es!)

    Ich habe Herrn Lafontaine hier schon einmal erklärt, daß dies definitiv falsch ist. Sie haben der Steuerreform 1990 und damit dem linear-progressiven Tarif, so wie wir ihn gestaltet haben, zugestimmt. Der Kollege Poß hat mir damals bestätigt, daß er diesen Tarif eigentlich nicht für schlecht hält.

    (Joachim Poß jetzt faktisch!)

    — Darauf komme ich gleich noch.
    Wenn Sie einen Solidaritätszuschlag einführen, dann ist das ein Zuschlag auf die Steuern, die diesem Tarif entsprechen. Ein Kleinverdiener zahlt überhaupt nichts. Er zahlt keine Einkommen- und Lohnsteuer und auch keinen Solidaritätszuschlag. Mehrverdiener zahlen wenig Steuern und einen geringen Solidaritätszuschlag. Hochverdiener zahlen viel Steuern und einen hohen Solidaritätszuschlag, und zwar genau 4 Prozentpunkte Solidaritätszuschlag auf 53 % Steuern, also insgesamt 57 %. Der „Geringverdiener" zahlt 1,4 Prozentpunkte bei einem Eingangssteuersatz von 19 %; das sind insgesamt 20,4 %. Dies ist wirklich sozial gerecht. Daß es gerechter sein soll, bei einem Einkommen bis zu 50 000 DM jährlich keinen Zuschlag zu zahlen, danach aber einen um so höheren Zuschlag, kann mir niemand erklären.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Die Partei der Besserverdienenden!)

    — Nein, nein. Frau Matthäus-Maier, ich habe mir vor dieser Rede einmal die Tariflohnstrukturen angesehen. Nahezu alle Facharbeiter in Westdeutschland und alle Angestellten in Industrie, Handel und Gewerbe liegen über dieser Einkommensgrenze.

    (Zuruf von der F.D.P.: Die wissen nicht, was die Deutschen verdienen!)

    Das heißt, daß gerade diejenigen, auf deren Mehrleistung es in unserer Volkswirtschaft ankommt, nicht zusätzlich durch eine leistungserdrückende Steuerbelastung belastet werden dürfen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Deswegen ist dieser Solidaritätszuschlag das weitaus gerechtere System als die Ergänzungsabgabe.
    Damit komme ich auch gleich zu der Frage der Entlastung durch sie steuerliche Freistellung des Existenzminimums. Hier hat Herr Schleußer für die SPD einen Tarif vorgeschlagen, der versucht, diese verfehlte Ergänzungsabgabe wieder in den Tarif einzubauen.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Das ist ein NRW-Vorschlag!)

    — Gut, NRW-Vorschlag, Entschuldigung. Ich nehme
    das zurück. Trotzdem ist das Ganze interessant, weil
    es ursprünglich hieß, es werde einen Vorschlag für die
    Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 345
    Dr. Hermann Otto Solms
    SPD geben. Aber ich nehme das zur Kenntnis. Es ist ein NRW-Vorschlag.
    Es war interessant, daß Frau Matthäus auf diesen Vorschlag überhaupt nicht eingegangen ist. Das hat jedenfalls mich verblüfft. Das heißt, man hat die Flucht angetreten, bevor das Modell Wirklichkeit geworden ist und in der Öffentlichkeit diskutiert wird.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Und warum? — Weil der Bundesfinanzminister ein erheblich überlegenes Modell vorgeschlagen hat. Deswegen hat man das andere schnell in den Papierkorb geworfen.
    Jedenfalls hat Herr Schleußer versucht, die Ergänzungsabgabe über den Tarif wieder einzuführen mit dem Ergebnis, daß nach Freistellung des Existenzminimums die Steuerentlastung, die bei den unteren Einkommensgruppen entsteht, durch eine erhebliche Mehrbelastung der Alleinstehenden mit einem Jahreseinkommen von über 50 000 DM ausgeglichen wird. Dazu ist das gleiche zu sagen, was ich schon vorher zu der Ergänzungsabgabe gesagt habe:

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Außerdem systemwidrig!)

    Nein, das geht nicht. Wir müssen das Existenzminimum freistellen.
    Die Expertenkommission, die Herr Waigel einberufen hat, hat einen Vorschlag gemacht. Der Vorschlag ist vom System her eigentlich der beste. Nur, er führt zu Steuerausfällen von knapp 40 Milliarden DM.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Dazu sagt die SPD nichts!)

    Das ist, wie jeder zugeben wird, gegenwärtig und in naher Zukunft nicht zu realisieren und nicht zu verantworten. Wir würden uns für lange Zeit jeden finanziellen Bewegungsspielraum nehmen.

    (Beifall der Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.] und Michael Glos [CDU/CSU] — Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!)

    Das hat natürlich auch die Expertenkommission erkannt und deshalb eine Reihe von Gegenfinanzierungsvorschlägen gemacht. Das, was sie vorgeschlagen hat, ist theoretisch gut und vernünftig. Aber wenn man es praktisch sieht und die Mehrheitsverhältnisse sowie die politischen Motivationen der einzelnen Parteien kennt, dann weiß man: Das ist nicht realisierbar.
    Ich will Beispiele nennen: die Besteuerung der Lohnersatzleistungen und die Besteuerung des Wohngeldes. Wenn wir das Wohngeld besteuern würden, müßten wir es entsprechend anheben. Finanzpolitisch wäre das kein Geschäft. Ich nenne auch die Abschaffung der Steuerbegünstigung für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Wer seinerzeit die Vereinheitlichung der Steuerbegünstigung mitgemacht hat, der weiß, wie schwierig schon das war. Wir haben damals zugesagt: Das ist es nun in der Steuerreform. — Jetzt können wir nicht wieder darangehen. Ich nenne auch den Wegfall der Begünstigung für die Vermögensbildung. Ich denke dabei an die Bausparförderung. Das ist jedenfalls für die F.D.P. völlig
    undenkbar. Die Bausparförderung darf nicht angetastet werden. Sie muß verbessert werden,

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    weil sie das beste Instrument ist, Bezieher kleinerer Einkommen schon in jungen Jahren allmählich an das Sparen zur Schaffung von Wohneigentum heranzuführen. Das ist in meinen Augen sozial- und gesellschaftspolitisch besonders förderungswürdig.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Ich nenne ferner den Abbau der Begünstigungen im Rahmen der Wohnungsbauförderung, die Reduzierung der Abschreibungsbedingungen oder der Förderung der Abschreibungen. Darüber kann man theoretisch gut diskutieren. Das macht auch einen Sinn. Aber das ist in den Verhältnissen, in denen wir uns befinden, nicht umsetzbar. Soviel Sympathie ich für diesen Tarif mit der Gegenfinanzierung habe: Er ist politisch nicht umsetzbar. Das muß man zur Kenntnis nehmen.
    Der Tarif von Bundesfinanzminister Waigel hat einige große Vorteile. Er führt dazu, daß keiner mehrbelastet wird und daß der lineare Tarif im Prinzip erhalten bleibt. Er hat natürlich den Nachteil des Buckels, den Frau Matthäus hier angesprochen hat. Das muß man zugeben. Aber im Ergebnis wirkt sich der Buckel so aus, daß es zu einer Mehrbelastung der von dem Buckel beim Grenzsteuertarif Belasteten nicht kommt. Keiner zahlt also mehr Steuern. Das Existenzminimum wird freigestellt.
    Man muß jetzt noch darüber diskutieren, ob man den Buckel mindern kann, ob die Freistellung von 12 000 DM ausreicht. Ich würde es natürlich ungern sehen, daß wir uns hier auf 12 000 DM konzentrieren — wohlwissend, daß wir im Bundesrat oder im Vermittlungsausschuß auf 13 000 DM gehen. Dann würde ich lieber vorschlagen: Wir einigen uns ehrlich vorher und machen es dann so. Denn Sie sind in der Mitverantwortung. Wir wissen das. Das Ganze dann auf den Vermittlungsausschuß zu schieben, obwohl man schon vorher weiß, was man will, macht keinen Sinn.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Ich würde mich nicht gerne vom Vermittlungsausschuß korrigieren lassen. Auch das muß ich dazu sagen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme dann zum Thema Familienlastenausgleich. Dazu habe ich soeben schon einiges gesagt. Auf jeden Fall — das ist auch das Verfassungsgebot — müssen Familien mit Kindern stärker entlastet werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Hier gibt es verschiedene Wege. Die Expertenkommission, die Herr Waigel einberufen hat, hat vorgeschlagen, daß man im jetzigen System bleiben soll, welches ohne Zweifel verfassungskonform ist. Das bedeutet, Erhöhung der Kinderfreibeträge und eine entsprechende Erhöhung des Kindergeldes. Unser Vorschlag geht eher in die Richtung eines Negativ-
    346 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994
    Dr. Hermann Otto Solms
    steuersystems. Das würde auch dem Gedanken eines Bürgergeldes näher kommen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Das Kindergeld sollte durch die Finanzämter ausgezahlt werden.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Das haben wir damals in der sozialliberalen Koalition gemeinsam verabschiedet; es ist dann am Widerstand aller elf Bundesländer gescheitert. Ich weiß, daß dies teilweise auch in der SPD Sympathien genießt. Nur vermute ich, daß sich wieder sämtliche Bundesländer dagegen aussprechen werden, nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern aus Gründen der Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern. Eigentlich müßte in bezug darauf unter vernünftigen Menschen eine Einigung zu erzielen sein.

    (Carl-Ludwig Thiele [F.D.P.]: Machen wir das doch mal! Versuchen wir es einmal mit Vernunft!)

    Leider ist das gegenwärtig anscheinend nicht möglich. Das jedenfalls wäre die Zielrichtung, die in unseren Augen die höchste Attraktivität hätte.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Dann muß man noch über die Frage: Steuerschuld oder Bemessungsgrundlage reden. Das ist natürlich ein politisches Thema. Es sollte aber nicht dazu führen, daß jede vernünftige Lösung verhindert wird.
    Lassen Sie mich noch eine kurze Bemerkung zum Kohlepfennig machen. Das Bundesverfassungsgericht hat nun diese Sonderabgabe für verfassungswidrig erklärt. Jetzt darf doch nicht die erste Frage lauten: Wie, durch welche Steuerbelastung, ersetzen wir das? Die erste Frage muß vielmehr lauten: Ist das denn zwingend und in dieser Höhe nötig?

    (Zuruf von der F.D.P.: Sehr wahr! — Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Frau Matthäus-Maier, Subventionsabbau!)

    Ist es nicht richtig, diese volkswirtschaftlich verfehlte Förderung der deutschen Steinkohle schneller abzubauen, als das bislang vorgesehen ist?

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Es kann doch nicht richtig sein, daß wir die in Deutschland geförderte Tonne Steinkohle zum Preis von 290 DM zur Verfügung haben, die Tonne Steinkohle aus Australien oder Kanada frei Hafen Hamburg für 70 DM pro Tonne bekommen können. Macht das denn Sinn? Es werden 7 Milliarden DM allein für den Kohlepfennig bereitgestellt. Das kann doch keinen Sinn machen.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Es kommt noch einiges hinzu!)

    Dazu kommt die Kokskohleförderung.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Knappschaft!)

    — Es kommt die knappschaftliche Versicherung
    hinzu. Das kostet unglaublich viel Geld. Der Kumpel
    wird mit weit über 100 000 DM pro Arbeitsplatz
    gefördert. Ich frage: Wieviel Arbeitsplätze könnten woanders mit einer solchen Förderung entstehen?

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wie viele Arbeitsplätze gehen in den mittelständischen Unternehmen Jahr für Jahr verloren? Gleichzeitig betreiben wir die Erhaltung veralteter Strukturen weiter.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Es ist ein gemeinsames Versprechen!)

    — Ich weiß das, Frau Fuchs. Aber jetzt gibt es ein neues Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Jetzt sollten wir die Grundlagen überprüfen. Ich bin nicht der Meinung, daß man einfach sagen kann: So, jetzt ersetzen wir das durch diese oder jene Steuer. So einfach können wir es uns nicht machen, insbesondere nicht angesichts der hohen Belastung mit Steuern, die es heute gibt.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Die F.D.P. gibt die Steinkohleförderung auf!)

    — Ich habe nicht gesagt, wir geben sie auf; ich habe gesagt: „schneller abbauen" . Sie müssen genau zuhören.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Es wird mehr abgebaut, als vereinbart wurde!)

    — Ja, es muß auch weiter abgebaut werden. Das ist unsere Überzeugung, weil das Geld falsch ausgegeben wird.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Es wird zu viel Geld in die Vergangenheit gesteckt und zu wenig in die Zukunft.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das hat doch Frau Matthäus-Maier vorher eingeklagt: mehr in die technologische Entwicklung, mehr in die Forschungsförderung, mehr in die Bildung. Darm müssen Sie woanders weniger Geld ausgeben; es hilft nun einmal nichts.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir müssen die Wahlkampfkostenerstattung für die F.D.P. streichen!)

    — Ich weiß ja, daß Sie, Herr Fischer, sich über unseren basisdemokratischen Parteitag freuen.

    (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD — Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch einmal etwas zu Gera!)

    Wenn ich mir die Parteitage der GRÜNEN aus der jüngsten Zeit anschaue,

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Davon können Sie noch etwas lernen!)

    dann stelle ich fest: Das sind harmonische Treffen, ja Weihnachtsfeiern eines katholischen Mädchenpensionats, im Gegensatz zu unseren Veranstaltungen.

    (Heiterkeit — Zuruf von der SPD: Was gibt es denn dagegen schon wieder?)

    Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 347
    Dr. Hermann Otto Solms
    — Ich habe nichts dagegen. Ich sage nur: Es tritt eine gewisse Änderung im Erscheinungsbild dieser Partei ein.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Da lacht Herr Waigel, wenn hier katholische Mädchen diskriminiert werden!)

    Ich glaube, daß Sie, Herr Fischer, persönlich dafür verantwortlich sind, weil Sie die GRÜNEN weg von ihren ursprünglichen Anfängen führen, von der linken Mitte oder von ganz links hin nach rechts, an die Töpfe der Machtbeteiligung.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie sollten doch nicht über die Grünen reden, sondern über Gera, Herr Solms!)

    Wenn bei uns einer so leichtfertig über die Umsetzung der eigenen Programmatik reden würde

    (Erneuter Zuruf des Abg. Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

    — hören Sie doch mal einen Moment zu —, wie Sie das über Ihre tun,

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Möllemann!)

    dann wären bei uns alle weg.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Bei uns beginnt schon bei dem Thema Amt und Mandat die Revolution.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Bei Ihnen sind demnächst alle weg, auch wenn ihr nicht leichtfertig redet!)

    — Warten Sie es doch ab! Sie waren weg und sind wiedergekommen. Wir gehen gar nicht weg, wir sind standhaft. Wir hatten ein schlechtes Jahr, und jetzt haben wir ein gutes Jahr vor uns.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Wir werden in Hessen ein gutes Wahlergebnis erzielen. Warum? — Weil Sie dort einen solchen Scherbenhaufen hinterlassen haben, Herr Fischer.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Denn Sie haben dort als Umweltminister genau das Gegenteil von dem erreicht, was Sie hier verkünden. Sie haben dazu beigetragen, daß wichtige Verkehrswege nicht gebaut worden sind.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Deswegen ist er ja geflohen!)

    Sie haben ein technologie- und innovationsfeindliches Klima geschaffen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Sie haben die Genforschung aus Hessen in die USA vertrieben. Ihre Arbeit hat dazu geführt, daß die Fabrik in Hanau geschlossen werden mußte.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der einzig richtige Punkt, den sie genannt haben!)

    Wenn die Lkw — einer nach dem anderen — durch die Dörfer in Nordhessen fahren müssen und dort die Umwelt verschmutzen und die Menschen gefährden, dann ist das Ihre Verantwortung, weil Sie den Ausbau der A 44 verhindert haben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: In Hessen gibt es nur noch Trampelpfade für Maultiertreiber!)

    Diese Auseinandersetzung führen wir im hessischen Landtagswahlkampf gern.
    Ich muß zum Schluß kommen und sage daher nur noch: Wir haben einen verantwortbaren und guten Haushaltsentwurf vorgelegt. Wir werden ihn sorgfältig beraten und umsetzen. Uns geht es darum, daß wir eine Politik für mehr Arbeitsplätze, für die Erneuerung der Gesellschaft und für Fortschritt machen. Dann wird uns auch der Erfolg wieder zuteil werden.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU — Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Zu Gera hat er gar nichts gesagt! Zu Gera hat er eisern geschwiegen!)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Kollegin Dr. Barbara Höll, Sie haben das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Barbara Höll


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (PDS)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Waigel, gestatten Sie mir, daß ich Ihnen ebenfalls gratuliere, und zwar zu Ihrer heutigen Rede. Denn Sie haben in Worte gefaßt, was Nietzsche mit philosophischer Tiefe als „ewige Wiederkehr" bezeichnete.
    So verhält es sich in der Tat: Jahr für Jahr bringen Sie die gleiche Rede zum Haushalt ein. Auch die heutigen Ausführungen unterscheiden sich wohl nur in der Anordnung der Textbausteine von den Etatreden früherer Jahre. Das einzig Lebendige Ihrer haushalts- und finanzpolitischen Reden ist das wachsende Defizit des Bundes.
    Woher, Herr Waigel, nehmen Sie nach dem Scheitern Ihrer finanzpolitischen Prognosen noch den Mut, vor dem Bundestag zu behaupten, gegenüber dem ersten Haushaltsentwurf für 1995 werde sich die veranschlagte Nettokreditaufnahme um rund 10 Milliarden DM auf rund 59 Milliarden DM reduzieren? Seit Jahren schon verkünden Sie Konsolidierungsstrategien, die Sie auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger austragen.

    (Beifall bei der PDS)

    Das strukturelle Haushaltsdefizit ist in Ihrer Amtszeit förmlich organisch gewachsen. Seit Jahren nehmen Sie für sich in Anspruch, die Nettokreditaufnahme zu senken. Ebenfalls seit Jahren melden Sie Erfolge, bevor Sie gehandelt haben. Wahrlich unschlagbar ist Ihre Formulierung — nachzulesen in den „BMF- Finanznachrichten 35/93" —: „Bei der Rückführung der Kreditaufnahme wird es bleiben. Nur leider auf einem höheren Niveau." Das heißt im Klartext: Ich werde sparen und dabei noch mehr ausgeben.
    348 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994
    Dr. Barbara Höll
    Wie sieht das konkret aus? Der Finanzplan 1992 bis 1995 erwartete für das kommende Haushaltsjahr ein Ausgabevolumen von rund 450 Milliarden DM und eine Nettokreditaufnahme von 25 Milliarden DM. Nach der im Juli vorgelegten und von Ihnen offenbar aus guten Gründen nicht mehr aktualisierten Finanzplanung für 1994 bis 1998 rechnen Sie für das kommende Jahr mit Ausgaben in Höhe von 484 Milliarden DM, zu deren Finanzierung die offizielle Neuverschuldung auf mindestens 59 Milliarden DM verdoppelt werden soll.
    Doch obwohl Ihnen die Finanzplanung völlig aus dem Ruder gelaufen ist, stellen Sie sich hier vor den Bundestag und rühmen sich einer maßvollen Begrenzung der Ausgaben. Diesen Schein können Sie nur deshalb wahren, weil Sie zum einen das über Nachtragshaushalte stetig gewachsene Ausgabensoll unterschlagen und zum anderen absehbare Belastungen kommender Haushalte einfach nicht in der Finanzplanung berücksichtigen. So haben Sie z. B. die im Wahlkampf von der CDU/CSU versprochene und von der Koalition vereinbarte Erhöhung der sozial ungerechten Kinderfreibeträge von 4 104 DM auf 7 000 DM in der Finanzplanung nicht berücksichtigt. Steuerausfälle in Höhe von insgesamt 12 Milliarden DM, die den Bund rund 5 Milliarden DM kosten würden, wären die Folge. Dafür ist keinerlei Vorsorge getroffen.
    Ich halte die Entscheidung des Bundesfinanzministers, dem Bundestag keine aktualisierte Finanzplanung vorzulegen, für eine Mißachtung des parlamentarischen Budgetrechts.

    (Beifall bei der PDS)

    Denn tatsächlich liegen ja dem neuen Haushaltsentwurf um etwa 3,5 Milliarden DM höhere Steuereinnahmen, als im ersten Entwurf ausgewiesen, zugrunde. Der hehre Anspruch, die Nettokreditaufnahme gegenüber dem Juli-Regierungsentwurf um 10,2 Milliarden DM zu senken, stellt doch wohl keine „peanuts" dar. Gleiches gilt für die eher beiläufig gemachte Mitteilung, die Neuverschuldung werde 1997 und 1998 höher ausfallen, als im Sommer verkündet.
    Weil die Bundesregierung ganz offensichtlich versucht, die wahren Folgen ihres Anschlußkurses sowie das volle Ausmaß ihrer chaotischen Finanzpolitik zu verschleiern, verstößt der Entwurf des Bundeshaushalts 1995 gegen die Bundeshaushaltsordnung.

    (Beifall bei Abgeordneten der PDS)

    Beträge und Sachverhalte werden verschleiert und vorgetäuscht. Ich frage mich, Herr Waigel: Ist es Ihnen nicht langsam peinlich, hier wie eine Gebetsmühle ständig die gleichen Unwahrheiten zu wiederholen?
    Zur Begründung für den dramatischen Anstieg der Neuverschuldung wird — heute wieder einmal — auf die angeblichen Erblasten der DDR hingewiesen. Die DDR soll der reichen Bundesrepublik angeblich einen Schuldenberg von 400 Milliarden DM hinterlassen haben. Dieser plumpen Propaganda möchte ich nachprüfbare Fakten entgegenhalten.
    Erstens. Die Schulden des Staatshaushaltes der DDR, die Teil des Kreditabwicklungsfonds wurden, betrugen am 3. Oktober 1990 nachweislich 28 Milliarden DM.
    Zweitens. Laut Monatsbericht der Bundesbank vom Juli 1990 war die DDR gegenüber dem Ausland mit netto 20,3 Milliarden DM verschuldet. Die aus den Wohnungsbaukrediten resultierenden Schulden machen noch einmal 38 Milliarden DM aus. Damit ergibt sich insgesamt eine Summe von 86,3 Milliarden DM. Das klingt ja wohl etwas anders. Das können Sie übrigens in der Drucksache 26 des früheren Unterausschusses „Treuhand" nachlesen.
    Der frühere Bundesbankpräsident Pöhl hat vor dem Treuhand-Untersuchungsausschuß bezüglich der Auslandsverschuldung eindeutig Stellung genommen. Ich zitiere:
    Die DDR hatte ja interessanterweise fast keine Staatsschulden; die Regierung hatte praktisch keine Schulden oder nur geringe Schulden .. . Verglichen mit Polen z. B. oder mit anderen Ostblockstaaten war es nicht sehr hoch ... Hat uns auch keine großen Probleme bereitet, weil wir gesagt haben: Gut, das wird übernommen, erledigt.

    (Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Das ist doch was anderes! Der ganze Staat war pleite!)

    — Herr Faltlhauser, Herr Pöhl sagte das. Herr Pöhl bezeichnete die Währungsunion nicht nur als eine „Roßkur", „die keine Wirtschaft aushält", sondern er bezeichnete sie vor dem Europäischen Parlament schlicht als „Desaster".
    Der Schuldenberg von jetzt 400 Milliarden DM, den nun der Bund abtragen muß, ist die Folge der gegen jeden ökonomischen Sachverstand aus politischen Erwägungen herbeigeführten Währungsunion.

    (Beifall bei der PDS)

    Hier wuchs nichts zusammen; hier wurde etwas zusammengenagelt. 400 Milliarden DM Schulden — das ist die Erblast aus vier Jahren christlich-liberaler Wirtschafts- und Finanzpolitik im Geiste Günther Mittags und Erich Honeckers.

    (Beifall bei der PDS — Lachen bei der CDU/ CSU und der F.D.P. — Dr. Hermann Otto Solms [F.D.P.]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Herr Waigel, Sie können den Bürgern in den neuen Bundesländern auch nicht die Pro-Kopf-Verschuldung von 27 000 DM erklären.

    (Walter Hirche [F.D.P.]: Lauter überschuldete Betriebe! Mangelhafte Infrastruktur! Alles kaputt!)

    Es ist nicht ersichtlich, wie die Absicht der Bundesregierung, durch eine nicht näher definierte Neuordnung der Bestimmungen zur Arbeitslosenhilfe und zur Sozialhilfe im Bundeshaushalt ab Oktober 1995 1 Milliarde DM einzusparen, umgesetzt werden soll. Wir hoffen, daß hier die SPD-regierten Länder wenigstens einmal Rückgrat beweisen und daß diese Pläne, die in den Schubladen liegen, nicht verwirklicht werden.
    Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 349
    Dr. Barbara Höll
    Der Bundeszuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit soll von 1994 auf 1995 um 6,5 Milliarden DM auf 11,5 Milliarden DM gekürzt werden. Nach Ihrem Juli-Entwurf waren es noch 14,8 Milliarden DM. Keinerlei Tatsachen stehen dahinter, woher Sie diese Kürzungen nehmen wollen. Man höre und staune: Sie bleiben bei Ihrer Zielstellung, bis 1998 die Zuschüsse des Bundes für die Bundesanstalt für Arbeit auf Null herunterzufahren. Ich frage mich wirklich, wie da noch irgend etwas finanziert werden soll, denn Sie glauben doch nicht, daß die Massenarbeitslosigkeit bis dann durch Ihre Politik in den Griff zu kriegen sein wird.
    So ganz nebenbei bedienen Sie sich zur Tilgung Ihrer Haushaltsdefizite dann auch noch aus Dingen, die Ihnen eigentlich nicht zustehen. Beispiel: Die zur bundeseigenen Staatsbank Berlin mutierte ehemalige Staatsbank der DDR soll wieder als Melkkuh mißbraucht werden. Bereits in diesem Jahr bediente sich Herr Waigel mit 1,05 Milliarden DM aus diesem Geld. Nun soll durch eine Zusammenführung mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau überschüssiges Eigenkapital in den Bundeshaushalt fließen. Stillschweigend nimmt Herr Waigel 5,6 Milliarden DM — Geld, das eigentlich die neuen Bundesländer einfordern.
    Zu der ungerechten Steuerfreistellung hat Frau Matthäus-Maier hier ausführlich gesprochen.
    Ich möchte vielleicht noch darauf hinweisen, daß die westdeutsche Industrie nach Prognosen des IfoInstituts in diesem Jahr vor einem Gewinnanstieg um rund 150 % auf etwa 50 Milliarden DM steht. Dennoch beabsichtigt die Bundesregierung, die Unternehmen um Steuern in Höhe von rund 30 Milliarden DM zu entlasten.
    Das soll aufkommensneutral geschehen, d. h. durch Steuererhöhungen an anderer Stelle gegenfinanziert werden, und setzt voraus, daß der Solidaritätszuschlag entfällt. Denn der Bund darf diese Abgabe nur zur Deckung eines wirklich bestehenden zusätzlichen Finanzbedarfs erheben. Das erklären Sie einmal bei diesen Zahlen und den Gewinnanstiegen auf der anderen Seite.

    (Beifall bei der PDS)

    Wenn die Bundesregierung an dieser Absicht festhält, die Unternehmensteuern zu senken, dann muß sie gleichzeitig den Steuerausfall von 58 Milliarden DM als Folge erklären, nämlich wie sie das ohne den Wegfall des Solidaritätszuschlags machen will. Auf Ihre Buchungstricks hat Frau Matthäus-Maier ebenfalls sehr ausführlich hingewiesen.
    Zum Ende: Wenn Sie als Finanzminister sagen, im Haushalt und auch in der mittelfristigen Finanzplanung muß man sich konzentrieren, so frage ich mich: Worauf? Auf Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit? — Nein. Auf Bekämpfung der Armut? Ebenfalls nein. Entsprechend dem großdeutschen Getöse konzentrieren Sie sich auf den Rüstungshaushalt.
    Ausdrücklich wurde im Juli-Finanzbericht mit offensichtlichem Stolz darauf hingewiesen, daß der Rüstungshaushalt — ich zitiere — „von der Fortschreibung der globalen Minderausgabe 1994 sowie sonstigen Kürzungen ausgenommen" wird. Der Verteidigungshaushalt 1995 wird gegenüber 1994 um fast
    670 Millionen DM auf rund 48 Milliarden DM wachsen.