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ID1300802900

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    Plenarprotokoll 13/8 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 8. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Wolfgang Vogt (Düren) und Dr. Alfred Dregger 313B Neubezeichnung eines Ausschusses 313 B Erweiterung und Ablauf der Tagesordnung 313 B Zur Geschäftsordnung Manfred Müller (Berlin) PDS 313 D Joachim Hörster CDU/CSU 314 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 314 C Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 (Haushaltsgesetz 1995) (Drucksache 13/50) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1994 bis 1998 (Drucksache 12/8001) c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft (Drucksache 13/76) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 315 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 324 C, 366 D Hartmut Schauerte CDU/CSU 330 B Gunnar Uldall CDU/CSU 332 A Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 335 B Otto Schily SPD 336 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 339 B Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 342 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 343 B Dr. Barbara Höll PDS 347 C Joachim Poß SPD 349 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 349 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 351 D Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/ CSU 354 B Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 355 C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 357 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 359C Detlev von Larcher SPD 360 B Dr. Peter Struck SPD 361 D Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 362 A, 364 A Dietrich Austermann CDU/CSU 364 B Dr. Uwe-Jens Rudi Rössel PDS 367 B Manfred Kanther, Bundesminister BMI 369 B Fritz Rudolf Körper SPD 371 A Erwin Marschewski CDU/CSU 374 C Johannes Singer SPD 374 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 375 D II Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 Cern Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 377 C Ina Albowitz F D P 379C Ulla Jelpke PDS 381 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 381 D Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 384 A Norbert Geis CDU/CSU 388 A, 392 B Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 392 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 392 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 393 C Nächste Sitzung 394 D Berichtigung 394 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 395* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 313 8. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 7. Sitzung, Seite 307 A, Zeile 22: Statt „15 %" ist „50 %" zu lesen. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Borm, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 395* Anlage zum Stenographischen Bericht (C) Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 14. 12. 94 * Borchert, Jochen CDU/CSU 14. 12. 94 Conradi, Peter SPD 14. 12. 94 Dr. Eid-Simon, Ursula BÜNDNIS 14. 12. 94 90/DIE GRÜNEN Heym, Stefan PDS 14. 12. 94 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 14. 12. 94 Iwersen, Gabriele SPD 14. 12. 94 Sauer (Stuttgart), Roland CDU/CSU 14. 12. 94 Schmidt-Zadel, Regina SPD 14. 12. 94 Schumann, Ilse SPD 14. 12. 94 Vergin, Siegfried SPD 14. 12. 94 Wallow, Hans SPD 14. 12. 94 Warnick, Klaus-Jürgen PDS 14. 12. 94 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Adolf Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Im übrigen scheint Sie zu verblüffen, daß die Tempomacher auf der
    Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 337
    Adolf Roth (Gießen)

    Regierungsbank sitzen und nicht bei Ihnen. Die schnelle Wiedervorlage des Regierungsentwurfs zum Haushalt 1995 ebenso wie die rasche Regierungsbildung und die zügige Verabschiedung des Koalitionsvertrages unterstreichen die Handlungsfähigkeit der Koalition, zugleich aber auch unsere Entschlossenheit, durch zügige Haushaltsberatung und Verabschiedung des Etats 1995 den Prozeß der vorläufigen Haushaltsführung auf einen relativ kurzen Zeitraum zu begrenzen und bis Ostern 1995 einen fertigen Haushalt zu verabschieden.

    (Zuruf von der SPD: Haushaltspolitischer Geisterfahrer!)

    Das ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des Aufschwungs und zur Festigung des Arbeitsmarkts und hat sehr viel mit der Zukunftsfähigkeit unserer deutschen Politik zu tun.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: In dieser Rede hat er noch nicht ein einziges Mal Theo Waigel gedankt! Das ist ein Skandal!)

    Meine Damen und Herren, es bleibt wie im Juli-Entwurf bei der ehrgeizigen finanzpolitischen Grundlinie dieser Koalition. Konsequente Fortsetzung des Sparkurses bei abnehmender Neuverschuldung und hoher Geldwertstabilität schafft die Voraussetzung für schrittweise Erweiterung unserer Handlungsspielräume und für Steuerentlastungen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die SPD ist vor der Bundestagswahl gegen die mittelfristige Finanzplanung von Theo Waigel Sturm gelaufen. Es gab Schreckensbilder über angeblich horrende Lücken und Defizite. Ich denke, die heutige Einbringungsrede von Theo Waigel

    (Konrad Gilges [SPD]: Hat alles das bestätigt!)

    hat bewiesen, wer hier festeren Boden unter den Füßen hat.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. — Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann ich bestätigen!)

    — Das sind nicht die Opponenten von links.
    Das Haushaltsbild 1994 und 1995 hat sich im Blick auf die notwendige Schuldenbegrenzung und auf den Abbau des Finanzierungsdefizits um insgesamt 20 Milliarden DM verbessert.
    Was noch wichtiger ist, meine Damen und Herren: Wenn man die steuerpolitischen Vorhaben dieser Legislaturperiode berücksichtigt, ergibt sich, daß wir jetzt in einer Situation sind, in der der vorgelegte mittelfristige Finanzplan bis 1998 insgesamt die Basis dafür abgibt, daß solche Steuersenkungsschritte in die Finanzplanung eingebaut werden können, ohne daß die Dinge aus dem Ruder laufen. Der Entwicklungsbericht des Kabinetts zur Finanzwirtschaft macht dies im einzelnen deutlich. Es bleibt deshalb auch ein klares Ziel für uns, die Haushaltsdefizite schrittweise
    weiter zurückzuführen. Steuersenkungen auf Pump wird es mit dieser Koalition jedenfalls nicht geben.
    Meine Damen und Herren, ich füge hinzu, daß die Defizitquote des Bundes von 12 % aus den bekannten Gründen, die sehr viel mit dem Prozeß der deutschen Wiedervereinigung zu tun haben — Frau Kollegin Matthäus-Maier hat auf diesen Prozeß übrigens nicht mit einem einzigen Wort hingewiesen —, weit höher liegt als die der Länder und Kommunen. Daher sind die Kompensationsforderungen, die aus dem Bundesrat im Zusammenhang mit der Steuergesetzgebung erhoben werden, politisch absurd, in der Sache unhaltbar und unqualifiziert.
    Natürlich muß jede Ebene des Staates entsprechend dem Steuerverteilungsschlüssel im Zusammenhang mit Steuersenkungsmaßnahmen auch Belastungen übernehmen. Meine Damen und Herren, was soll man eigentlich davon halten, wenn der Chef des am höchsten verschuldeten deutschen Bundeslandes, der Ministerpräsident Oskar Lafontaine, noch im August Steuersenkungen von geradezu historischen Ausmaßen angekündigt hat, während jetzt seine neue Finanzministerin Krajewski bereits bei der Mitbeteiligung des Saarlandes in einer Größenordnung von 100 Millionen DM öffentlich Klage darüber führt, dies überschreite die Grenze des auf der Ebene der Bundesländer Erträglichen und Verkraftbaren.
    Meine Damen und Herren, dies ist kein Beweis für eine politische oder intellektuelle Glanzleistung. Ich glaube, wir müssen hier ein deutliches Signal setzen, damit Steuersenkung nun wirklich auch bei den Bürgern ankommt, für die die Steuergesetze beschlossen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, unsere Politik mit der 1993 eingeleiteten Spar- und Konsolidierungsstrategie, verbunden mit unserem Wachstumspaket, unterstützt übrigens von der Deutschen Bundesbank und den Sachverständigen und politisch durchgesetzt gegen massive Widerstände aus der Opposition und dem Bundesrat, zeigt jetzt beachtliche Ergebnisse.
    Im laufenden Haushalt 1994 kann die Kreditaufnahme des Bundes um weitere 10 Milliarden DM auf 59 Milliarden DM abgesenkt werden. Das steht im Gegensatz zu all den unentwegten Prophezeiungen aus den Reihen der Opposition, die für dieses Jahr mit einem Bundesdefizit von 80 Milliarden DM oder gar 100 Milliarden DM gerechnet und keinerlei Übertreibungschancen ausgelassen hat.
    59 Milliarden DM, Frau Kollegin Matthäus-Maier, sind 1,8 %, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Eine solche Zahl hat es unter der Verantwortung einer früheren SPD-Bundesregierung selten gegeben. Sie sollten hier nicht den Eindruck erwecken, als würde die heutige Defizitquote irgendwelche historischen Entwicklungen sprengen, als läge sie über dem Durchschnitt. Das Gegenteil ist richtig. Mit 1,8 % haben wir eine vernünftige Marge erreicht.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Übrigens hat diese Bundesregierung seit der Wiedervereinigung in jedem Haushaltsjahr die gesetzlich bewilligte Nettokreditaufnahme durch strenge Aus-
    338 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994
    Adolf Roth (Gießen)

    gabenbewirtschaftung immer unterschreiten können. Insgesamt ist dies eine Summe von über 40 Milliarden DM. Wir waren und bleiben bei der Haushaltspolitik und ihrer Veranschlagung immer auf der sicheren Seite.
    Auch ökonomisch lag die Opposition schief. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist nicht, wie von Ihnen angekündigt, durch die Spar- und Entlastungspolitik in sich zusammengebrochen. Im Gegenteil, die vertrauensbildende Wirkung der Konsolidierungsstrategie hat die Angebotsbedingungen der deutschen Wirtschaft verbessert und den unerwartet frühen und kräftigen Wirtschaftsaufschwung 1994 mit ermöglicht.
    Diesen Weg werden wir mit dem Bundeshaushalt 1995 konsequent weiter beschreiten. Gegenüber dem ersten Regierungsentwurf vom Juli sinkt die Ausgabenrate auf 0,9 %. Im nächsten Jahr wird die Nettokreditaufnahme um über 10 Milliarden DM auf 58,6 Milliarden DM herabgesetzt. Dies alles geschieht bei einem sechzehnprozentigen Zuwachs der Investitionsausgaben auf 74,4 Milliarden DM und einer überproportionalen Aktivierung des Forschungsetats um 2,7 %.
    Meine Damen und Herren, wenn von einer Weichenstellung in Richtung Zukunft die Rede ist, glaube ich, daß die Berechenbarkeit, die Stabilität und die Festigkeit der Finanzpolitik hierfür eine unverzichtbare und wichtige Voraussetzung sind und bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deutschland wird nach den jüngsten Berechnungen auch 1995 als einziges Land der Europäischen Union neben Luxemburg die Eintrittsvoraussetzungen für die Wirtschafts- und Währungsunion erfüllen, und zwar sowohl beim laufenden Defizit von 2,5 % als auch bei einer Gesamtquote der Schulden von unter 60 %, jeweils gemessen am Bruttoinlandsprodukt.
    Gleichwohl seien alle gewarnt, die sich der Illusion hingeben, der konjunkturelle Aufschwung löse die haushalts- und finanzpolitischen Probleme in diesem Land von allein. Jetzt müssen — bildlich gesprochen — die politischen Stabilisatoren wirken. Da die Nettokreditaufnahme der letzten Jahre im Gefolge der Rezession gestiegen ist, müssen nun auch folgerichtig die steuerlichen Mehreinnahmen der wirtschaftlichen Erholungsphase vorrangig zur Reduzierung der Neuverschuldung eingesetzt werden.

    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.])

    Wir, die Koalition, bleiben deshalb auf der Ausgabenbremse. Dazu gibt es keine vernünftige politische Alternative.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Schließlich muß der Bund im Rahmen einer abgesenkten Kreditaufnahme 1995 sämtliche Zusatzbelastungen aus dem Solidarpakt und dem Föderalen Konsolidierungsprogramm auffangen. Das beginnt mit der Übertragung höherer Steueranteile und Ergänzungszuweisungen sowie der Gewährung von massiven Investitionshilfen an die Länder. Das macht insgesamt 42 Milliarden DM aus. Dieser Transfersumme von 42 Milliarden DM steht aber aus den
    erwarteten Einnahmen durch den Solidaritätszuschlag nur eine Größenordnung von 26 Milliarden DM gegenüber. Meine Damen und Herren, dies ist die eine Seite.
    Man muß hinzufügen, daß vor allem auch die vollständige Übernahme der Ausgabeverpflichtungen für den Erblastentilgungsfonds und für die Eisenbahnaltschulden sowie darüber hinaus die Erfüllung der Aufgaben der Nachfolgeeinrichtungen der Treuhandanstalt den Bundeshaushalt jährlich mit großen Ausgaben belasten, so daß wir allen Anlaß haben, auch in den nächsten Jahren unsere Strategie der Konsolidierung konsequent fortzusetzen; selbstverständlich, Frau Kollegin Matthäus-Maier, auch mit Blick auf die Zinslastendynamik.
    Wenn Sie schon mit diesen horrenden Summen umgehen, darf ich darauf hinweisen, daß das wesentliche Veränderungselement bei den Zinsausgaben des Bundes nicht etwa in den Zinsen auf Schulden besteht, die originär in einem Zusammenhang mit der operativen Tätigkeit des Bundes in seinem klassischen Bereich stehen, sondern daß es sich hier um Zinserstattungen für diese historischen Erblasten in Höhe von 37,6 Milliarden DM handelt. Diese Summe muß bezahlt werden. Sie haben keine Formel dafür angegeben, auf welche Weise dies anders geschehen könnte als durch die Verantwortungsübernahme seitens des Bundes.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Bundesminister Dr. Theodor Waigel: So ist es!)

    Deshalb bleibt es bei der mittelfristigen Finanzplanung, deshalb bleibt es bei den marginalen Zuwachsraten bei den Ausgaben in Höhe von nur 1 % bis 1998.
    Im Blick auf das von Ihnen immer wieder strapazierte Schuldenthema möchte ich einmal mehr darauf verweisen, daß dieser Haushalt 1995 eine entscheidende Zäsur darstellt. Es wird in Zukunft keine Kreditaufnahme außerhalb des Bundeshaushalts geben wie etwa im Bereich der Treuhandanstalt oder des Fonds „Deutsche Einheit". Dies ist eine qualitative Veränderung.
    Hören Sie auch endlich auf, dem Bundesfinanzminister all die Schulden in die Schuhe zu schieben, die sozialdemokratisch regierte Länder aufgenommen haben und die der Kommunismus in der ehemaligen DDR nach 40 Jahren hinterlassen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Offenbar ist Ihnen entgangen, daß das Finanzierungsdefizit der öffentlichen Hand 1995 nur noch 117 Milliarden DM betragen wird. Das ist das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit. Das bedeutet eine Verbesserung gegenüber diesem Jahr um 50 Milliarden DM. Einen größeren Konsolidierungsschritt hat es überhaupt noch nicht gegeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    In Ihrer Rede haben Sie nicht eine Silbe auf dieses Thema verwandt.
    Es bleibt dabei: Die Steigerung der Ausgaben muß deutlich unter der nominalen Zuwachsrate des Sozial-
    Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 339
    Adolf Roth (Gießen)

    produktes bleiben. Wir werden mit unserem Zielkonzept 2000 die Staatsquote auf das Niveau von 1989 mit 46 % absenken. Das heißt im Klartext: Nur wenn die Staatsausgaben jährlich um mindestens zwei Prozentpunkte langsamer wachsen als der Zuwachs des nominalen Bruttoinlandsproduktes, wird es möglich sein, einen solchen Konsolidierungsfortschritt auch in einer Verringerung der Staatsquote von jährlich 1 % umzusetzen. Dies wird dann am Ende der Finanzplanungsperiode erreichbar sein. Allerdings müssen wir bis dahin auch alles daransetzen, die Spielräume zu halten und abzusichern.
    Der Sachverständigenrat unterstützt unsere politische Linie in seinem jüngsten Gutachten, in dem übrigens ausdrücklich der Konsolidierungserfolg 1994 als geglückter Stabilisierungsbeitrag hervorgehoben worden ist. Der Sachverständigenrat sagt, nun gelte es, die Konsolidierungserfolge nicht zu verspielen, sondern bei anhaltendem wirtschaftlichem Wachstum den forciert eingeschlagenen Weg fortzusetzen.
    Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie bitten, daß wir bei der Beratung des Bundeshaushalts 1995 im Ausschuß zügig vorangehen, daß wir unseren Beitrag leisten, daß der Wirtschaftsstandort Deutschland in Europa die Nummer eins bleibt, daß wir im Blick auf den Einigungsprozeß in Europa ein Beispiel auch hinsichtlich der Stabilisierung der Konvergenzkriterien setzen und daß wir mit unserer Festigkeit in Sachen Ausgabenbegrenzung Wachstumsspielräume für die Zukunft auch für Technologie und Innovation schaffen.
    Wir sind auf dem richtigen Weg. Die Koalitionsfraktionen unterstützen den Finanzminister auf seinem Weg, den er heute mit seiner Etateinbringung hier skizziert hat.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Abgeordnete Christine Scheel, Sie haben das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Christine Scheel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf den ersten Blick, Herr Waigel, sieht es ganz gut aus; man muß schon sagen: sehr eindrucksvoll, aber leider eben nur auf den ersten Blick. Auch das Existenzminimum ist jetzt als eine Art Weihnachtsbescherung ganz nett und — wie in der Zeitung zu lesen war — das doppelte Glück des Theo Waigel. Damit war übrigens nicht Ihre Ehe gemeint — herzlichen Glückwunsch auch von unserer Seite —, sondern eher, daß Sie von einmaligen Sondereinnahmen durch die Privatisierungserlöse profitieren. Das ist nicht unbedingt auf die nächsten Haushalte übertragbar. Das wissen Sie sehr gut.
    Das helle Strahlen jetzt wird nicht viel nutzen; denn für die Steuerzahler und -zahlerinnen ziehen in den nächsten Jahren sehr finstere Wolken am Himmel auf. Diese werden auch nicht an der österreichischen Landesgrenze kurz vor Bayern haltmachen, sondern sie werden leider die gesamte Bundesrepublik überziehen.
    Wenn man sich dann anschaut, was gestern sogar in der FAZ mit der Überschrift „Waigels Sündenfall" stand: „Der Gesetzgeber beschäftigt sich zunehmend damit, die eigenen Fehlleistungen durch neue Fehlleistungen zu ersetzen" , dann muß man sich schon fragen, ob hier wohl wirklich etwas nicht stimmt.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Auch ein bißchen Entlastung als Ausgleich für die Mehrwertsteuererhöhung — sie wird kommen; das müssen Sie den Bürgern und Bürgerinnen ehrlich sagen —, gestiegene Sozialabgaben, die wir hatten, Versicherungssteuer, Solidaritätszuschlag — all dies wird über Maßen die niedrigeren Einkommen treffen.
    Ebenso sind Sie mit den Geringverdienern und vor allem mit den Familien in den letzten Jahren auf eine Art und Weise verfahren, zu der man einmal ganz flapsig sagen muß: Die Sau vom Hof geholt und jetzt ein Kotelett zurückgegeben.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wie die katholischen Verbände in den letzten Wochen geschrieben haben, heißt es auch: „Die Kinder zählen, und die Eltern zahlen. "
    Die Lösungsansätze dieser Regierung waren sehr kurzsichtig. Sie sind wirkungslos.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ist es!)

    Es sind Schmalspurreformen — das ist das Problem —, und Steuerhinterziehung ist regelrecht zum Volkssport geworden. 330 Milliarden DM fließen jährlich ins Ausland, laut dem Bund der Steuerzahler werden 130 Milliarden DM Steuern hinterzogen. In Bayern hat man es ja teilweise vorgemacht. Ich erinnere an Herrn Zwick und Konsorten.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Tandler nicht zu vergessen!)

    Man muß sich schon fragen, was hier passiert ist.
    Die Familien haben geblutet, es gibt nicht weniger Arbeitslose, den Kommunen steht das Wasser bis zum Hals, und Fakt ist — auch das muß man einmal sehen —, daß Bürgerinnen und Bürger heute mit durchschnittlich 25 % mehr Steuern und Abgaben belastet sind, als dies noch vor 10 Jahren der Fall war. Im gleichen Zeitraum stieg, das ist das Fatale, die Zahl der Millionäre z. B. in Bayern — ich komme aus Bayern — um 22 %,

    (Michael Glos [CDU/CSU]: Haben Sie lieber Sozialhilfeempfänger? Was haben Sie gegen Millionäre?)

    von denen ein Teil — auch das muß man leider sehen — überhaupt keine Steuern bezahlt.
    Es ist fazinierend, wie Sie durch die Welt der großen Zahlen benebelt sind. Es kann doch nicht nur darum gehen, Schulden zu verschieben, Steuern zu erheben oder zu senken, je nachdem, wie es gefällt, der einen oder anderen Interessengruppe einmal etwas mehr oder etwas weniger Geld zuzuweisen. Es kann doch nicht angehen, daß Opposition und Regierung — das
    340 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994
    Christine Scheel
    sagen wir von der Opposition — sich in ewig gleichen Ritualen und Schuldzuweisungen ergehen.

    (Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das ist wahr! — Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Das habe ich überhaupt nicht gemacht!)

    Müssen wir nicht uns alle einmal grundsätzlich fragen, wie unsere ökonomische und finanzielle Leistungsfähigkeit mit den politischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen für das nächste Jahrtausend zusammengehen können? Das ist die Kernfrage, die der gesamten Situation zugrunde liegt.
    Die Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte wird 1995 auf mehr als 2 Billionen DM — man kann sich diese Dimension kaum mehr vorstellen —steigen. Das ist eine Verdopplung innerhalb von nur fünf Jahren. Allein die Zinsbelastung des Bundes wird auf mehr als 90 Milliarden DM beziffert.

    (Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie müssen das einmal in Relation bringen!)

    — Melden Sie sich zu Wort, wenn Sie etwas zu sagen haben. Dann verstehe ich es besser.
    Was nutzt denn die Kürzung der Neuverschuldung in Höhe von 10 Milliarden DM gegenüber dem Haushaltsansatz von September? Man muß die Optik auch einmal überlegen. Sie wissen, daß durch die Erlöse aus den Privatisierungen — ich habe das vorab schon angesprochen - einige Verfälschungen enthalten sind.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Aber es ist ja doch besser als früher!)

    Herr Schäuble selbst hat gesagt: Ab 1996 sind höhere Steuern unausweichlich. Was heißt das denn? Gibt es eine Mehrwertsteuererhöhung oder nicht? Warum wird das heute nicht gesagt? Warum wird die Wahrheit den Leuten vorenthalten? Ich denke, es ist angebracht, Ehrlichkeit walten zu lassen und den Bürgern und Bürgerinnen die Wahrheit zu sagen, nicht immer so zu tun, als ob Sie alles auf die Reihe bekämen, und dann zwischendurch einfach mal so flapsig wieder die Steuern zu erhöhen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Zu den Gesamtschulden in Höhe von 800 Millarden DM müssen Sie seriöserweise die Lasten z. B. der Bahnreform und einige andere Posten — sie kennen das ja genauso gut wie ich — hinzuzählen. Dann kommen wir schon auf Schulden in Höhe von 1 400 Milliarden DM allein im Haushalt des Bundesfinanzministers. Das muß man sich einmal vorstellen.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Die Bahnschulden habe ich auch gemacht?)

    — Ja, ja. — Jeder kleinere Unternehmer stünde mit dieser betrügerischen Bilanz schon längst vor dem Kadi bzw. säße eventuell auch in einem viereckigen, relativ kleinen Zimmer.
    Dieses Land muß wirtschaftlich und gesellschaftlich auf das kommende Jahrtausend vorbereitet werden. Wir brauchen Reformen. Wir brauchen Reformen im Energiebereich, wir brauchen Reformen in unserem Sozialsystem, bei der Verkehrspolitik, vor allen Dingen beim Strukturwandel in der Industrie und nicht zuletzt — auch das wissen wir alle — in unserer Gesellschaft. Damit unsere Jugend, die wir nicht vergessen dürfen, eine Perspektive hat und nicht überhaupt nicht mehr weiß, wie sie diesen Wahnsinnsschuldenberg in den nächsten Jahren auf die Reihe bekommen soll. Deshalb müssen wir Reformen angehen. Dazu ist diese Regierung nicht fähig.

    (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Eine umfassende Finanzreform ist auch für eine politische Handlungsfähigkeit notwendig. Wir brauchen kein beliebiges Sammelsurium in einem Steuerrechtsänderungspaket, wie Sie es jetzt vorhaben, dessen Inhalt Tag für Tag immer mehr an konfuse Flickschusterei erinnert. Selbst Ihre eigenen Experten sagen schon, daß das im Steuerchaos endet. Sie wissen es genauso gut wie wir, geben es bloß leider öffentlich nicht zu.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Es geht auch nicht an — das stinkt mir ganz besonders —, daß angesichts der Tatsache, daß die Gerichte überlastet sind und etwa bei den Asylverfahren Berge abgebaut werden müßten, das Bundesverfassungsgericht immer wieder Stück für Stück politische Fehlentscheidungen im nachhinein korrigieren muß, womit es der Bundesregierung — das ist nämlich die Konsequenz — im Prinzip permanent Politikunfähigkeit zudiktiert.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Sparen heißt die Devise. Darin sind wir uns alle einig. Auch DIE GRÜNEN wollen keine weitere Staatsverschuldung. Vielmehr wollen wir sie abbauen helfen. Es ist nur die Frage, wie, auf wessen Kosten und mit welchen politischen Zielen.
    Ich möchte Ihnen nur einige Dinge nennen: Da ist zum einen die Fortsetzung des Sozialabbaus zu Lasten der Arbeitslosen und der kommunalen Haushalte. Selbst wenn Sie jetzt die Befristung der Arbeitslosenhilfe ausgesetzt haben, führt diese Aussetzung zu einem späteren Zeitpunkt unter dem Strich dazu, daß die geplanten Kürzungen ab Oktober, auf das ganze Jahr umgerechnet, den gleichen Kürzungsbetrag wie vorher ausmachen. Das ist der Hammer.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Obwohl die Bundesanstalt für Arbeit in ihrem Etatentwurf bereits jetzt mit einem Defizit von 14,6 Milliarden DM in 1995 rechnet, senken Sie den Bundeszuschuß. Wir wissen aber aus den vergangenen Jahren, welche fatale Auswirkungen das gerade im Fortbildungs- und Umschulungsbereich hat. Das gilt vorwiegend für die neuen Bundesländer, aber auch, Herr Waigel, für Teile Bayerns, z. B. für die Oberpfalz oder für strukturschwache Regionen in Unterfranken.
    Ein weiterer Punkt: der soziale Wohnungsbau, der Städtebau und das Wohngeld. Hierfür wollen Sie keine müde Mark mehr ausgeben, obwohl bekannt ist, daß der Bedarf täglich steigt. Das bedeutet in der Konsequenz entweder, daß immer mehr Menschen sich Wohnraum bei steigenden Mieten nicht mehr
    Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 341
    Christine Scheel
    leisten können, oder Sie verschieben die Last letztendlich auf die Länder und Kommunen.
    Auch die Devise in der Regierungserklärung, Deutschland zukunftsfähig zu machen, kommt nicht über. Was nutzt uns denn dieser Zukunftsminister, wenn gleichwohl die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und der beruflichen Qualifizierung eingefroren und damit faktisch gekürzt wird? Mit dem Zukunftsministerium wird nach außen mit Mordstrara ein Zeichen gesetzt, aber es wird inhaltlich, haushaltstechnisch nicht unterfüttert.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Auch die nur 1,4 Milliarden DM für Umweltmaßnahmen sind ein faktisches Eingeständnis, daß Umweltschutz in diesem Land zum Looser der Nation geworden ist. Es geht auch nicht an, daß Sie hier 8 Milliarden DM anrechnen, die aus den Einzelplänen zusammengefaßt werden, dabei aber nicht einmal merken, daß der Einzelplan 35 überhaupt nicht mehr existiert. Das hat mich sehr verblüfft. Ich nehme einmal an, daß die Beamten im Finanzministerium nicht mit den Textbausteinen umgehen können.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Zum Thema Kohlepfennig. Wir brauchen eine Energiesteuer — daß DIE GRÜNEN das schon längst einfordern, ist kein Geheimnis —, die über eine mittelfristig erforderliche Kohlesicherung hinaus eine nachhaltige Energiesparpolitik unterstützt und uns langfristig aus der Abhängigkeit von „DinosaurierEnergien" wie Kernkraft, Kohle und auch Öl
    befreit.
    Im übrigen muß diese neuerliche Finanzforderung an ihren geknebelten Haushaltsansatz letztlich auch die CDU/CSU und die F.D.P. zur Verzweiflung bringen. Wo wollen Sie denn für 1996 die 7,5 Milliarden DM hernehmen? Wissen Sie das überhaupt? Ich glaube nicht.

    (Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Das ist eine sehr gute Frage!)

    — Das ist eine sehr gute Frage. Ich weiß. Deswegen stelle ich sie auch.
    Und dann diese Trickbetrügereien bei der Steuerfreistellung des Existenzminimums. Herr Waigel sagt, es ist verfassungskonform. Wir sagen und auch die Experten und Expertinnen sagen, es ist nicht verfassungskonform,

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    und zwar deswegen nicht, weil Sie Berechnungen vom Jahr 1991 bzw. 1990 und nicht die Berechnungen von 1994 zur Freistellungsgrenze bezüglich des Existenzminimums zugrunde gelegt haben. Auch was die Progression mit ihrem Buckel anbelangt, verweise ich im übrigen auf Frau Matthäus-Maier. Dem kann ich mich nur anschließen.
    Auch der Familienlastenausgleich wird Geld kosten. Hier liegt das Problem, daß das Existenzminimum, das von Ihrer Seite für die Kinder angesetzt worden ist, viel zu gering ist. Ich kann nur hoffen, daß die katholischen Verbände, daß die Eltern in diesem
    Land insgesamt auf die Barrikaden gehen. Wir werden sie heftigst dabei unterstützen.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Zu unseren Überlegungen: Wir brauchen selbstverständlich den Abbau von Steuervergünstigungen. Wir brauchen mehr Steuergerechtigkeit für die unteren und mittleren Einkommen. Das ist überhaupt keine Frage.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Welche?)

    — Jawohl, Herr Schäuble. Wir brauchen auch die Einpassungen der heimlichen Steuererhöhungen über die Inflation z. B. Wir brauchen eine Entbürokratisierung, und wir brauchen eine Vereinfachung unseres Steuerveranlagungssystems bzw. der -praxis. Ich denke, da sind wir uns alle einig. Das Problem ist aber, daß wir, um diese Reform erst einmal angehen zu können, einen gescheiten Kassensturz brauchen, der ehrlich sein muß, der gründlich sein muß, der alle Daten offenlegt, damit man überhaupt planen kann, um dann zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zu kommen. Dazu sind Sie nicht in der Lage oder auch nicht gewillt, weil so viel auftauchen würde, was man in den letzten Jahren versucht hat zu verstecken, aber mittlerweile nicht mehr verstecken kann.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Ich muß sagen, wir verdammen nicht alles in Bausch und Bogen, was in den Koalitionsvereinbarungen steht. Das sind Kindereien; dazu haben wir keine Lust. Der Vorschlag z. B. zur Budgetierung, Verwaltung effizienter oder auch kostengünstiger zu gestalten, ist in Ordnung, aber ich warne davor, es mit der Rasenmähermethode zu versuchen. Man muß dies sehr differenziert anschauen und darf es dann nicht mit einem Prozent oder pauschal durchziehen, sondern man muß in den einzelnen Abteilungen sehr genau überlegen, wo das Leistungsprinzip in unserer Verwaltung gestärkt werden kann.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Also: An erster Stelle steht der Kassensturz, an zweiter Stelle steht die Offenlegung der staatlichen Finanzlage ohne Schönfärberei und drittens keine weitere Verschiebung von Lasten auf der föderalen Ebene. Es ist das Problem, daß eingespart und dann wieder umgeschichtet wird.

    (Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Alles sehr konkret!)

    Wir müssen insgesamt eine Verteilung erreichen, die sehr ehrlich ist. Da muß der Staat bei den Einsparungen bei sich selbst anfangen und kann nicht immer nur fordern, daß die Bürger und Bürgerinnen dies tun. Wir leisten uns weltweit das größte Parlament. Wir haben eine Regierung: von Entschlackung keine Spur! Das bißchen am Wolfgangsee wird nichts nutzen. Die Reduktion der Ministerien bei gleichzeitiger Einstellung von mehr Staatssekretären kostet mehr als zuvor. Das ist auch kein Geheimnis.
    Es ist notwendig, daß wir den wirtschaftlichen Strukturwandel mit allen seinen sozialen, seinen ökonomischen und ökologischen Komponenten bewältigen. Ich rede hier von einer grundlegenden sozialen
    342 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994
    Christine Scheel
    und auch ökologischen Steuerreform, die zwingend notwendig ist. Wir haben das hier schon ausgeführt. Wir haben dezidierte Vorschläge gemacht, die wir in die parlamentarische Beratung selbstverständlich mit einbringen.
    Wir sind bereit, am Deutschland der Zukunft mitzuarbeiten, dies aber mit Offenheit, mit Rücksicht auf die Schwächeren in diesem Land, im Hinblick auf eine ökologisch und ökonomisch verträgliche Zukunft.
    Wir wollen kein Steuerchaos mehr. Wir wollen weg davon, daß Steuern zunehmend zu Dummensteuern werden. Hier ist Mut angesagt und kein Hofknicks vor irgendwelchen senilen Interessenverbänden.
    Herr Waigel, zum Abschluß: Steuerlügen haben nun mal kurze Beine.

    (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)