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ID1300802200

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    Plenarprotokoll 13/8 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 8. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abgeordneten Wolfgang Vogt (Düren) und Dr. Alfred Dregger 313B Neubezeichnung eines Ausschusses 313 B Erweiterung und Ablauf der Tagesordnung 313 B Zur Geschäftsordnung Manfred Müller (Berlin) PDS 313 D Joachim Hörster CDU/CSU 314 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 314 C Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1995 (Haushaltsgesetz 1995) (Drucksache 13/50) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1994 bis 1998 (Drucksache 12/8001) c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft (Drucksache 13/76) Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 315 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 324 C, 366 D Hartmut Schauerte CDU/CSU 330 B Gunnar Uldall CDU/CSU 332 A Adolf Roth (Gießen) CDU/CSU 335 B Otto Schily SPD 336 D Christine Scheel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 339 B Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 342 A Ingrid Matthäus-Maier SPD 343 B Dr. Barbara Höll PDS 347 C Joachim Poß SPD 349 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 349 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 351 D Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) CDU/ CSU 354 B Elisabeth Altmann (Pommelsbrunn) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 355 C Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 357 C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 359C Detlev von Larcher SPD 360 B Dr. Peter Struck SPD 361 D Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. 362 A, 364 A Dietrich Austermann CDU/CSU 364 B Dr. Uwe-Jens Rudi Rössel PDS 367 B Manfred Kanther, Bundesminister BMI 369 B Fritz Rudolf Körper SPD 371 A Erwin Marschewski CDU/CSU 374 C Johannes Singer SPD 374 D Dr. Burkhard Hirsch F.D.P. 375 D II Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 Cern Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 377 C Ina Albowitz F D P 379C Ulla Jelpke PDS 381 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ 381 D Dr. Herta Däubler-Gmelin SPD 384 A Norbert Geis CDU/CSU 388 A, 392 B Gerald Häfner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 392 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 392 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS 393 C Nächste Sitzung 394 D Berichtigung 394 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 395* Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 313 8. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 7. Sitzung, Seite 307 A, Zeile 22: Statt „15 %" ist „50 %" zu lesen. Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Borm, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 395* Anlage zum Stenographischen Bericht (C) Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter, Robert SPD 14. 12. 94 * Borchert, Jochen CDU/CSU 14. 12. 94 Conradi, Peter SPD 14. 12. 94 Dr. Eid-Simon, Ursula BÜNDNIS 14. 12. 94 90/DIE GRÜNEN Heym, Stefan PDS 14. 12. 94 Hörsken, Heinz-Adolf CDU/CSU 14. 12. 94 Iwersen, Gabriele SPD 14. 12. 94 Sauer (Stuttgart), Roland CDU/CSU 14. 12. 94 Schmidt-Zadel, Regina SPD 14. 12. 94 Schumann, Ilse SPD 14. 12. 94 Vergin, Siegfried SPD 14. 12. 94 Wallow, Hans SPD 14. 12. 94 Warnick, Klaus-Jürgen PDS 14. 12. 94 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie uns bitte ernsthaft überlegen. Wenn es bis weit in Ihre Fraktion hinein Stimmen gibt — Frau Süssmuth, Herr Hintze und Herr Geißler —, die sagen, das gleich hohe Kindergeld sei der bessere Weg, dann frage ich: Warum, um Himmels willen, können wir es dann im Deutschen Bundestag nicht gemeinsam beschließen?

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir hätten das nötige Geld, wenn wir uns entschlössen, ein bißchen von den über 30 Milliarden DM, die das Ehegattensplitting kostet, umzuschichten — wir sagen: etwa 12 Milliarden DM —, hin zu den Familien mit Kindern.
    Ich weiß doch, daß bis weit in Ihre Fraktion die heutige Wirkung des unbegrenzten Ehegattensplittings als Ärgernis empfunden wird. Wenn z. B. ein Spitzenverdiener eine nichterwerbstätige Frau heiratet — auch umgekehrt soll es das jetzt schon einmal geben —, dann führt allein die Heirat dazu, daß dieses Ehepaar im Jahr 22 842 DM spart, auch wenn in der Ehe überhaupt kein Kind vorhanden ist. Eine Familie mit niedrigem Einkommen und einem Kind muß, wenn man Kindergeld und Kinderfreibetrag addiert,
    14 Jahre lang das Kind erziehen, um auf diesen verrückten Betrag von 22 842 DM zu kommen, den bei Ihnen Spitzenverdiener allein dadurch Jahr für Jahr erhalten, daß sie heiraten. Dazu sage ich: Nein, meine Damen und Herren. Unser Angebot liegt auf dem Tisch. Beschließen Sie mit uns gemeinsam ein Kindergeld in Höhe von 250 DM und den Abzug von der Steuerschuld.
    Wir verlangen das übrigens auch deswegen, damit endlich die verfassungswidrige Besteuerung der Familien mit Kindern ein Ende hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn wir sind der Ansicht, es kann doch nicht länger angehen, daß die Menschen in diesem Lande zu ihren in der Verfassung verbrieften Rechten erst dann gelangen, wenn sie nach Karlsruhe gehen. Wissen Sie denn eigentlich, daß Jahr für Jahr Millionen von Steuerbescheiden nur vorläufig ergehen, und zwar deshalb, weil diese Regierung verfassungswidrige Steuergesetze macht? Haben Sie schon einmal in Ihren Einkommensteuerbescheid geguckt? Stellen Sie sich einmal vor, was im Deutschen Bundestag los wäre, wenn ein sozialdemokratischer Finanzminister dafür verantwortlich wäre, daß Jahr für Jahr Millionen von Steuerbescheiden immer nur vorläufig ergehen? Das ist ein unglaublicher Vorgang, den Sie schnellstens beenden müssen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Zu dieser verfassungswidrigen Besteuerung gehört das, was Sie beim Existenzminimum machen. Wie können Sie eigentlich durchs Land laufen und kritisieren, daß das sogenannte Abstandsgebot zwischen niedrigen Arbeitseinkommen und Sozialhilfe vor allem bei Familien mit Kindern nicht eingehalten werde? Der Grund dafür ist doch nicht, daß die Sozialhilfe verschwenderisch üppig wäre.
    Der Grund liegt doch vielmehr darin, daß die Bundesregierung den Menschen wegen des nach wie vor viel zu niedrigen Grundfreibetrags von nicht einmal 1 000 DM im Monat und des viel zu niedrigen Kindergelds auch noch das Existenzminimum wegsteuert. Sie besteuern den Menschen das Gehalt so stark, daß sie in die Nähe der Sozialhilfe rutschen. Anschließend darüber zu jammern, daß das Lohnabstandsgebot nicht gewahrt ist, ist nun wirklich Zynismus.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Diese viel zu hohe Belastung der Durchschnittseinkommen mit Steuern ist übrigens einer der Gründe, warum wir Sozialdemokraten fordern, Ihren Solidaritätszuschlag für alle ab 1995 durch eine Ergänzungsabgabe nur für Einkommen oberhalb von 60 000 DM bei Ledigen bzw. 120 000 DM bei Verheirateten zu ersetzen. Wir wollen das natürlich mit einem gleitenden Übergang. Weil das auch die Massenkaufkraft stärken würde und deshalb für die Konjunktur gut
    334 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994
    Ingrid Matthäus-Maier
    wäre, wäre es wirklich vernünftig, wenn Sie sich diesem Vorschlag anschließen könnten.

    (Beifall bei der SPD)

    Mit dem Vorschlag, den Herr Waigel zur Steuerfreiheit des Existenzminimums gemacht hat, ist die Bundesregierung zu kurz gesprungen. Die Kommentare in den Zeitungen sind entsprechend: Waigels Trick, Waigel versucht es mit der Magerversion, Waigels Sündenfall usw.
    Wir Sozialdemokraten kritisieren an Ihrem Tarifvorschlag insbesondere folgendes: Erstens. Ihr Modell ist unglaublich kompliziert. Keiner kann danach mehr den Steuertarif durchschauen.
    Zweitens. Der Steuerabzugsbetrag ist zu niedrig, weil er nur ein Existenzminimum von 12 000 DM bei Alleinstehenden bzw. 24 000 DM bei Verheirateten steuerfrei stellt. Man braucht kein Steuerexperte zu sein, um zu wissen, daß ein Mensch mit 1 000 DM im Monat seinen Lebensunterhalt inklusive Miete nicht bestreiten kann. Das ist Ihr Verfassungsrisiko Nummer 1.

    (Beifall bei der SPD)

    Drittens. Der Abbau des Abzugsbetrages bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 30 000 DM bei Ledigen bzw. 60 000 DM bei Verheirateten führt doch dazu, daß bei den niedrigen Einkommen ein Buckel entsteht. Ich nenne das einmal den „KleineLeute-Belastungsbuckel von Herrn Waigel".

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Waigel-Buckel!)

    Das hat Karlsruhe verboten. Die Richter haben gesagt: Einen gleichheitswidrigen Progressionssprung darf es nicht geben. Ich frage Sie: Wenn das kein Sprung ist, was ist dann noch ein Sprung, meine Damen und Herren?

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Das ist das Verfassungsrisiko Nummer 2.
    Ich persönlich möchte hinzufügen:

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ein Höckertier!)

    Ich halte die ganze Konstruktion des Auslaufens des Abzugsbetrags für einen steuersystematischen Fehler. Um es einmal klar zu formulieren: Wer beim Millionär Steuern holen will, der soll das doch bitte nicht bei seinem Existenzminimum tun, sondern bei dem, was der Millionär oberhalb des Existenzminimums verdient.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)

    Viertens. Die Masse der Durchschnittsverdiener wird viel zuwenig entlastet. Statt dessen werden beim Waigel-Tarif auch noch Spitzenverdiener völlig überflüssigerweise entlastet.
    Ich will es einmal in absoluten Zahlen sagen. Sie sagen immer: 100 % beim Kleinen und 2 % beim
    Spitzenverdiener. Man lebt doch nicht von Prozenten, sondern von D-Mark in absoluten Zahlen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich sage es daher in absoluten Zahlen. Eine Familie mit einem zu versteuernden Einkommen von 60 000 DM würde bei Ihnen eine monatliche Entlastung von 21 DM erhalten, Menschen mit Einkommen oberhalb von 240 000 DM aber eine monatliche Entlastung von 128 DM. Wer aber in einer Zeit, in der der Staat hinten und vorne kein Geld hat, auch noch eine Steuersenkung für Spitzenverdiener vorschlägt, der weiß doch gar nicht mehr, wie es in den Familien zu Hause aussieht.

    (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Wir Sozialdemokraten werden in den bevorstehenden Gesetzesberatungen unsere konkreten Alternativen einbringen, wobei besonders wichtig ist: erstens die Steuerfreiheit für Einkommen von 13 000 bzw. 26 000 DM. Zweitens. Die breite Masse der Durchschnittsverdiener muß stärker entlastet werden als bei Ihnen. Außerdem darf sich das Steuerrecht nicht verkomplizieren.
    Damit komme ich am Schluß zu Ihren Gewerbesteuerplänen. Auf die Details wird der Kollege Jochen Poß eingehen. Eine böse Ahnung beschleicht mich doch: Die Bundesregierung will die Gewerbesteuer abschaffen, in Schritten; das ist ihr Ziel. Die Abschaffung der Gewerbesteuer würde zu einem Steuerausfall von rund 30 Milliarden DM netto führen. Einige von Ihnen fordern, diesen Steuerausfall durch eine Beteiligung der Gemeinden an der Mehrwertsteuer auszugleichen. Was heißt das denn? Sie reden immer so vornehm von der Beteiligung der Gemeinden. Sie können aber nicht von einem Kuchen 30 Milliarden DM abzwacken, ohne daß sich der Kuchen verändert. Das heißt doch auf deutsch, daß diese Bundesregierung zum Ausgleich die Mehrwertsteuer um mindestens drei Prozentpunkte anheben will. Oder aber es geht nach dem Vorschlag von Herrn Schäuble. Er sagt: Ersatz der Gewerbesteuer durch ein eigenes Hebesatzrecht bei der Lohn- und Einkommensteuer. Das würde eine dramatische Anhebung bei der Lohn- und Einkommensteuer bedeuten. Nur, damit man sich das einmal klarmacht, damit würde auf die Lohnsteuer und auch auf den 1995 in Kraft tretenden Solidaritätszuschlag zusätzlich eine Steuerbelastung in Höhe des Solidaritätszuschlages obendrauf gesattelt.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das kann doch nicht wahr sein!)

    Vielleicht haben Sie das nicht durchgerechnet, Herr Schäuble. Stellen Sie sich doch hierhin und sagen den Menschen, was Sie mit dem Durchschnittsverdiener im Lande vorhaben. Diese Steuerbelastung geht nicht.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

    Bei der Diskussion über die Gewerbesteuer vertreten wir Sozialdemokraten mehrere Interessen: die Interessen der Verbraucher — deswegen lehnen wir eine Mehrwertsteuererhöhung ab —, die Interessen
    Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994 335
    Ingrid Matthäus-Maier
    der steuerzahlenden Bürger — deswegen lehnen wir die von Ihnen geplante massive Erhöhung der Lohn- und Einkommensteuer ab — und die Interessen des Mittelstandes. Nur 16 % aller Gewerbesteuerzahler zahlen überhaupt Gewerbekapitalsteuer, darunter z. B. die Banken, denen es offensichtlich finanziell sehr gut geht. Es gibt keinen Grund, diese durch die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer zu entlasten

    (Beifall bei der SPD)

    und dafür z. B. den Mittelstand und das Handwerk durch höhere Mehrwertsteuer oder Einkommensteuer zu belasten.
    Schließlich vertreten wir die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Gemeinden. Nicht nur durch ihre Gewerbesteuerpläne, sondern auch durch die geplante Kürzung der Arbeitslosenhilfe will die Bundesregierung die Gemeinden in einer Milliardengrößenordnung belasten. Es sind doch aber gerade die Gemeinden, die für die Menschen notwendige Dienstleistungen erbringen. Wenn z. B. die Gebühren für Büchereien und für Bildungsveranstaltungen steigen, den Sportvereinen die Mittel gekürzt werden und das Geld für den Bau und Unterhalt von Kindergärten und sozialen Einrichtungen fehlt, dann können sich die Menschen in Zukunft bei Finanzminister Waigel bedanken.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Die Sache ist ganz einfach: Bei der Gewerbesteuer gibt es überhaupt keinen Zeitdruck. Koppeln Sie die Gewerbesteuerpläne von Ihrem Gesetzgebungsvorhaben ab, und konzentrieren Sie sich auf die wirklich dringlichen Aufgaben. Schichten Sie im Bundeshaushalt zugunsten zukunftsorientierter Vorhaben und moderner Arbeitsplätze um. Konsolidieren Sie die Staatsfinanzen, damit wir aus der Schuldenfalle herauskommen. Entlasten Sie die Familien mit Kindern, und stellen Sie das Existenzminimum von der Lohn- und Einkommensteuer frei. Das ist es, was die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande von Ihnen zu Recht erwarten.

    (Lange anhaltender Beifall bei der SPD — Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Kollege Adolf Roth, Sie haben das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Adolf Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte zum Haushaltsentwurf 1995, zu dem ich jetzt in der Sache wieder zurückkommen möchte, erscheint mir in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Der Haushalt beinhaltet die klare Botschaft des Bundesfinanzministers Theo Waigel, daß die schwierigste Phase der deutschen Finanzpolitik seit dem Zweiten Weltkrieg — die Phase, die geprägt war durch den Prozeß des deutschen Einheitswerks; die Phase, die auch geprägt war durch ein Mitleiden in der internationalen weltwirtschaftlichen Rezession — erfolgreich überstanden worden ist. Der Haushalt 1995 markiert eine Wende hin zu einer zukunftsgerichteten Finanzpolitik, die uns in den nächsten Jahren das Erreichen unserer
    strategischen Ziele erlaubt. Dafür, glaube ich, gebührt dem Finanzminister Anerkennung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auf der anderen Seite markieren die Haltung der Opposition und die erste Einlassung, die wir soeben gehört haben, weiter ein in der Sache lähmendes Festkrallen an den unproduktiven, falschen Klischees und Angriffsbildern, die wir in den letzten zehn Jahren hier vorgeführt bekommen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es gibt schon optisch eine bemerkenswerte Innovation in dieser Debatte: Die Plätze hier links von mir, die in den letzten Monaten von der sogenannten Troika belegt waren, sind erstaunlicherweise heute leer geblieben. Die Sterne sind erst einmal verglüht. Sie, Frau Kollegin Matthäus-Maier, sind wieder als Stammspielerin in die Mannschaft gekommen, in Ihre vertraute Aufgabe.

    (Zurufe von der SPD — Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ein schwarzer Zwerg! Sie wissen alle, was das ist: Da glüht nichts mehr!)

    Sie hätten uns einen großen Gefallen getan, wenn Sie einige Änderungen in Ihrem Repertoire gegenüber dem vorgenommen hätten, was Sie in den letzten Jahren hier vorgetragen haben. Sie haben nichts ausgelassen von dem, was in vielen Debatten widerlegt worden ist und uns finanzpolitisch und haushaltspolitisch ja auch in keinem Punkt weiter voranhilft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das war doch sehr gut und anschaulich, und die Leute haben es verstanden!)

    Sie sind ja schnell bei der Hand mit den Ausdrücken „Mogelpackung", „Täuschung" und „Tricks". Wer Ihre Rede aufmerksam verfolgt hat, hat zwar gelegentlich zarte Andeutungen über Möglichkeiten zu Einsparungen vernommen, aber Sie haben wieder einmal nicht eine einzige Gelegenheit ausgelassen, in der ganzen Bandbreite politischer Möglichkeiten Mehrausgabeforderungen in diesem Haus zu präsentieren, vom Arbeitsmarkt über die Kohlesubvention, vom BAföG über die Meisterkurse, von der Forschung bis hin zu Doppelfenstern. Sie haben alles an Mehrforderungen aufgetischt.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Doppelfenster sind doch schon 20 Jahre her! — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Doppelfenster sind schon lange weg!)

    — Zugleich beklagen Sie, daß angeblich zu wenig gespart wird, daß die Steuern zu wenig abgesenkt werden und daß damit die Verschuldung des Bundes zu hoch ist. Ich glaube, Sie liegen mit diesem Bild

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Die Doppelfenster sind schon eingebaut, Herr Kollege!)

    und dem Stichwort „Mogelpackung" in der falschen
    Angriffsrichtung. Dieser Vorwurf und dieser Vorhalt
    336 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 8. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Dezember 1994
    Adolf Roth (Gießen)

    treffen Sie insonderheit und die Politik der SPD in den letzten Jahren hier.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wir hatten ja mit Spannung gerade bei dieser Debatte erwartet — knapp 14 Tage nach dieser berühmten Tutzinger Stegreifrede des SPD-Vorsitzenden Scharping; nach diesem öffentlichen Kniefall vor der deutschen Wählermitte —,

    (Lachen des Abg. Rudolf Scharping [SPD])

    daß Sie zumindest Ansätze des überfälligen Wendemanövers der SPD hier ausbreiten würden. So hat übrigens die „Süddeutsche Zeitung" diesen Vorgang überschrieben. „SPD rechnete in Tutzingen gnadenlos mit sich selbst ab", so titelte die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung".

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal vor, was gestern über die F.D.P. in den Zeitungen stand!)

    Der Kollege Hermann Rappe schob nach: Die SPD muß endlich raus aus der Neinsagerecke. Sie muß offen sein für Innovationen. Er hat hinzugefügt: Der Parteivorsitzende kann auf Unterstützung rechnen.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der Geist von Gera, Herr Roth! Ich sage: Gera, Gera, Gera!)

    Meine Damen und Herren, es mag sein, daß er bei einigen dieser Ansätze auf Unterstützung rechnen kann. Aber ich habe noch keine Unterstützung aus den Reihen Ihrer Fraktion vernommen, Herr Scharping. Sie tun sich schwer, Fuß zu fassen in Ihrer Bundestagsfraktion.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das stimmt nicht! So ein Quatsch! — Detlev von Larcher [SPD]: Zur Sache!)

    Dann können auch solche Debattenbeiträge von dem inneren Zustand der SPD in dieser Situation nicht ablenken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Detlev von Larcher [SPD]: Können Sie auch etwas zum Bundeshaushalt sagen?)

    Wir hätten gerne etwas über die großen Reform- und Modernisierungsfelder der Zukunft gehört, die angesprochen worden sind.

    (Detlev von Larcher [SPD]: Wir auch! — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Erzählen Sie doch mal was!)

    Wenn Sie nicht länger nur Partei der Verteilung, sondern auch der Produktion und der Wertschöpfung sein wollen, wenn Sie Gutverdienende nicht länger nur als Lastesel einstufen wollen, wenn Sie Jüngeren ein Feld für Risikobereitschaft und Engagement hier am Standort Deutschland bieten und den Sozialstaat wirklich modernisieren helfen wollen, dann, meine Damen und Herren, hätten Sie ausreichend Gelegenheit, nicht nur, aber auch in der Haushaltspolitik kräftige Akzente zu setzen. Hier wäre die Gelegenheit für Umkehr, Besserung und Bewährung. Genau darauf haben wir heute vergeblich warten müssen.
    Meine Damen und Herren, erst groß ankündigen, dann schnell alles relativieren, schließlich in einer entsprechenden Form schrittweise wieder aussteigen und alles zurückziehen — mit einer neuer Strategie, mit dem Ansatz neuen politischen Denkens hat dies alles herzlich wenig zu tun.

    (Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Da haben Sie recht! — Otto Schily [SPD]: Können Sie etwas zum Bundeshaushalt sagen?)

    Klaus von Dohnanyi, einer der Altmeister der SPD, hat mit seinem „Spiegel"-Essay vom 28. November recht, in dem er schreibt:

    (Detlev von Larcher [SPD]: Können Sie auch ein bißchen über sich erzählen? — Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Roth kommt aus Gießen! Das ist eine echte Handkäsrede!)

    Der Mangel an ... Einsicht in die wirklichen Ursachen der Veränderungen der Industriegesellschaft führt daher die SPD noch immer zu Illusionen und leeren Versprechungen.
    Er fügt hinzu:
    ... nirgends wird soviel verbogen und verklausuliert wie in unserer Partei.
    Seine Partei stuft er als „veraltet" und „reformscheu" ein. Das ist die Situation. Davon können Sie auch in dieser Debatte nicht ablenken.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wir danken für Ihr Interesse, Herr Kollege!)