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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/172 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 172. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1994 (Haushaltsgesetz 1994) (Drucksache 12/5500) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1993 bis 1997 (Drucksache 12/5501) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (Drucksache 12/5502) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungsund Wachstumsprogramms (Drucksache 12/5510) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung): Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz) (Drucksache 12/5630) Rudolf Scharping, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz 14735 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 14744 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 14754 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 14754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 14758A Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 14760 C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14764 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 14767 A Hans-Ulrich Klose SPD 14775 A Dr. Renate Hellwig CDU/CSU . . . 14778 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 14778B Friedrich Bohl CDU/CSU 14784 B Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU 14786B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 14786D Michael Glos CDU/CSU 14790 C Walter Kolbow SPD 14791 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . 14796 C Hans-Gerd Strube CDU/CSU 14798A Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14799B Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 14800 B Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD 14802B, 14805C Helmut Schäfer (Mainz) F.D.P. . . . . 14805 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14805 D Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 14807 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 14808 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14809 B Dr. Klaus Rose CDU/CSU 14810B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 Ortwin Lowack fraktionslos 14812B Ernst Hinsken CDU/CSU 14812D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos . 14814B, 14848 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 14815C Michael Habermann SPD 14817 B Norbert Eimer (Fürth) F.D.P. . . . . . 14820 C Ortrun Schätzle CDU/CSU 14822 A Michael Habermann SPD 14822 D Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 14824 A Maria Michalk CDU/CSU 14825 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 14826D Dr. Edith Niehuis SPD 14829A Uta Würfel F D P. 14831 A Dr. Edith Niehuis SPD 14832 A Petra Blass PDS/Linke Liste 14833 A Susanne Jaffke CDU/CSU 14834 A Ralf Walter (Cochem) SPD 14835 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 14837 C Doris Odendahl SPD 14838 C Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 14841D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 14843 C Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14844 B Carl-Ludwig Thiele F D P 14845 B Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 14846 D Dr.-Ing. Paul Krüger, Bundesminister BMFT 14849B Josef Vosen SPD 14851D, 14855 C Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F D P 14852 C Dietrich Austermann CDU/CSU 14855 B Siegmar Mosdorf SPD . . . 14856C, 14861A Werner Zywietz F D P 14857 D Josef Vosen SPD 14858 C Ingeborg Philipp PDS/Linke Liste . . . 14859 C Erich Maaß (Wilhelmshaven) CDU/CSU 14860B Nächste Sitzung 14862 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14863* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 14735 172. Sitzung Bonn, den 8. September 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 8. 9. 93 Bartsch, Holger SPD 8. 9. 93 Blunck (Uetersen), SPD 8. 9. 93** Lieselott Dr. Blunk (Lübeck), F.D.P. 8. 9. 93 Michaela Böhm (Melsungen), CDU/CSU 8. 9. 93 ** Wilfried Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 8. 9. 93 Wolfgang Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 8. 9. 93 * Clemens, Joachim CDU/CSU 8. 9. 93 Ebert, Eike SPD 8. 9. 93 Dr. Fischer, Ursula PDS/LL 8. 9. 93 Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 8. 9. 93 Dr. Gautier, Fritz SPD 8. 9. 93 Heyenn, Günther SPD 8. 9. 93 Hollerith, Josef CDU/CSU 8. 9. 93 Jaunich, Horst SPD 8. 9. 93 Dr. Kübler, Klaus SPD 8. 9. 93 Lambinus, Uwe SPD 8. 9. 93 Lenzer, Christian CDU/CSU 8. 9. 93 ** Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 8. 9. 93 Meckel, Markus SPD 8. 9. 93 Michels, Meinolf CDU/CSU 8. 9. 93* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 8. 9. 93 * Müller (Düsseldorf), SPD 8. 9. 93 Michael Opel, Manfred SPD 8. 9. 93*** Pfuhl, Albert SPD 8. 9. 93 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 8. 9. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 8. 9. 93 Dr. Riedl (München), CDU/CSU 8. 9. 93 Erich Dr. Scheer, Hermann SPD 8. 9. 93 * Schell, Manfred CDU/CSU 8. 9. 93 Schmidt (Nürnberg), SPD 8. 9. 93 Renate Stachowa, Angela PDS/LL 8. 9. 93 Dr. von Teichman, F.D.P. 8. 9. 93 Cornelia Weis (Stendal), Reinhard SPD 8. 9. 93 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ralf Walter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Jaffke, Ihre Rede zu hören und sie dann mit den Realitäten dieses Einzelplans in Verbindung bringen zu sollen bedarf mehr als der Phantasie; da muß man von einer anderen Welt sein.

    (Beifall bei der SPD — Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Ihnen fehlt die Vorstellungskraft! )

    Denn das, was Sie hier vorgetragen haben, hat mit dem, was an Zahlenwerk vor uns liegt, nichts, aber auch wirklich gar nichts zu tun.

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Falsch aufgeschrieben!)

    Eine Vorbemerkung möchte ich auch zur Ministerin Frau Merkel machen. Frau Merkel, Sie sagen: Wenn man den Wegfall von 10 Millionen DM beim AFT außer acht läßt, dann steigt der Bundesjugendplan um 2 Millionen DM. Das ist natürlich eine ganz kesse Art, zu rechnen: Wenn ich erst einmal zehn Millionen abziehe, habe ich irgendwo anders dann zwei Millionen zusätzlich. Ich weiß nicht, wie Sie auf solche Sachen kommen. Zumindest ist es bemerkenswert.

    (Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Bei Waigel gelernt!)

    „Eine Gesellschaft, die Kinder und Jugendliche vernachlässigt, ist am Ende. " Dieses Urteil des Sozialpädagogen Hans Uwe Otto von der Uni Bielefeld über die Jugendpolitik nach der deutschen Einigung kann drastischer wohl kaum ausfallen.
    Wir stellen heute fest: Die Jugendpolitik wird immer wichtiger, die Bewilligungen in den öffentlichen Haushalten aber werden immer unzureichender.

    (Beifall bei der SPD)

    Der vorliegende Haushalt zeigt im Einzelplan 17 für Frauen und Jugend einen Volumenrückgang von über 9 %. Frau Merkel, ich kann es mir nicht ersparen, Sie hier doch als die Parade- oder Musterfrau des Bundeskanzlers darstellen zu müssen,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    wenn es um Einsparungen geht, Einsparungen in einem Bereich, der ansonsten doch von der Bundesregierung in Sonntagsreden immer wieder als der Bereich dargestellt wird, der eine besondere Aufmerksamkeit braucht, und über den man dann immer wieder redet, wenn es darum geht, ein erhebliches Gewaltpotential oder die Gefahr des Abdriftens in den Rechtsextremismus bei Jugendlichen besonders stark hervorzuheben.
    Eine solche Streichung, wie sie von Ihnen hier vorgenommen wird, muß man fast als Sicherheitsrisiko bezeichnen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Natürlich kann man einen Einzelplan nicht nur an einer Gesamtsumme festmachen, und auch ich möchte dies nicht tun. Aber auch bei der Betrachtung von Einzelansätzen wird erkennbar, daß die Bundesregierung bis auf den blinden Sparwunsch — und dieser ist auch bei meiner Vorrednerin deutlich geworden — und Krisenintervention keine Konzepte für eine zukunftsorientierte Jugendpolitik hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Dabei hat doch auch die Bundesregierung in den letzten Jahren die vielen Gutachten, Anhörungen und Expertisen zur Kenntnis genommen. Warum handelt sie nicht danach?
    Eine Zielrichtung dieses Haushaltes scheint es zu sein, die Verbände kurzzuhalten, und das wird damit begründet, daß angeblich Verkrustungen vorhanden seien, daß zuviel Vielfalt da sei, daß sogar Konkurrenz da sei.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Zuviel Vielfalt nicht, aber zuviel Funktionäre!)

    Wir hier in der ehemaligen Bundesrepublik waren immer stolz auf die Vielfalt, die wir hatten; wir waren froh, keine FDJ zu haben, die alles einheitlich gemacht hat.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich weiß nicht, warum Sie sich jetzt hier hinstellen und sich darüber beschweren, daß es hier eine Vielfalt gebe.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] — Ina Albowitz [F.D.P.]: Das hat die Ministerin nicht getan!)

    Eine Zielrichtung dieses Haushalts scheint es also zu sein, die Verbände kurzzuhalten, denn Regelförderungen, die eine kontinuierliche Arbeit ermöglichen, werden eingegrenzt bzw. erschwert. Dafür stecken



    Ralf Walter (Cochem)

    Sie dann um so mehr Geld in ein Programm, das Sie unter dem wohlklingenden Namen „Aktionsprogramm Zielgruppenorientierte Prävention" führen.

    (Günter Rixe [SPD]: Das hat auch nicht geholfen bis heute!)

    Nun sind wir Sozialdemokraten ausgesprochene Befürworter von Prävention, wenn sie diesen Namen verdient. Im vorliegenden Fall haben wir es aber mit einer ausgemachten Feuerwehrpolitik zu tun.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wenn irgendwo randaliert wird, erleben wir seitens der Bundesregierung wieder einen hektischen Schub von Aktivität und Aufgeregtheit. Die Folge ist, daß der Eindruck entstehen könnte, das Zündeln und die Krawalle würden belohnt. Was hat das mit Prävention zu tun?

    (Beifall bei der SPD)

    Darüber hinaus lohnt es sich aber auch einmal, diesen Ansatz und die damit unterstützten Projekte im einzelnen unter die Lupe zu nehmen.
    Es ist in den letzten Tagen und Wochen durch die Medien gegangen: Da wird eine Jugendbegegnungsstätte in Görlitz mit 700 000 DM gefördert, in der sich gewaltbereite, zum Teil rechtsradikale Jugendliche einen Unterschlupf einrichten können. Reichskriegsflagge und volksverhetzende Plakate hängen offen an den Wänden, und der örtliche Bürgermeister findet das auch noch in Ordnung.

    (Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Das war ein Superskandal!)

    Es ist ein Skandal, der hier aus Bundesmitteln gefördert wird!

    (Beifall bei der SPD)

    Die Zeitschrift „Die Zeit" hat übrigens einen bezeichnenden Satz dafür gefunden. Sie bezeichnete die Jugendpolitik des Bundes sehr zutreffend als „Glatzenpflege auf Staatskosten". Damit meine ich nicht meinen sehr geschätzten Fraktionsgeschäftsführer Peter Struck,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    sondern diejenigen, die uns allen doch hoffentlich zuwider sind.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr gut, Herr Kollege Walter!)

    Gleichzeitig mit diesen Fördermaßnahmen würden und werden in den neuen Ländern in den vergangenen Jahren Hunderte von Jugendklubs geschlossen. Welche Gefühle sollen da in den Köpfen der sogenannten Stinos, also der Stinknormalen, aufkommen, wenn sie sehen, daß sie in ihren Ansätzen und Wünschen nicht berücksichtigt werden und daß reguläre Förderungen nicht stattfinden, sondern nur dann Gelder und Mittel fließen, wenn radikale Sprüche fallen oder Gewaltbereitschaft irgendwo auftritt? Dies ist ein ziemlich verheerender Eindruck, den Jugendliche von unserer Gesellschaft erhalten müssen.
    Wir wissen, daß man auch gewaltbereit und radikal daherredende Jugendliche nicht von vornherein abschreiben darf. Man muß versuchen, sie zurückzugewinnen. Prävention ist aber etwas anderes. Prävention erfordert eine Gesellschafts-, Sozial- und Jugendpolitik, die soziale Schieflagen behebt und Einstiegsmöglichkeiten schafft; eine Politik, die etwas dagegen tut, daß ein Drittel aller Sozialhilfeempfänger jünger als 18 Jahre ist, wie dies Realität in der Bundesrepublik ist;

    (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    eine Politik, die etwas dagegen unternimmt, daß über 300 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter 30 Jahren in dieser Bundesrepublik obdachlos sind. Dazu ist die Bundesregierung offenbar nicht bereit und auch nicht fähig.
    Statt den Aufbau freier Träger und damit reguläre Jugendhilfestrukturen voranzutreiben, beabsichtigt die Bundesregierung schon zum zweitenmal, aus dem sinnvollen Programm „Aufbau freier Träger" auszusteigen.
    Statt daß die Verbände und freien Träger gestärkt werden, findet Stagnation, ja sogar Behinderung statt. Ich erinnere an die Streichung des Haushaltsvermerks bezüglich der Rückflußmittel im Rahmen der Nachtragshaushaltsberatungen. Ich muß ganz deutlich sagen: Ich muß hier meine Enttäuschung über das Verhalten auch unserer Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion deutlich machen. Im Fachausschuß haben Sie großspurig angekündigt: Wenn wir einen gemeinsamen Antrag daraus machen, diese Rückflußmittel nach wie vor fließen zu lassen, dann wird das auch entsprechend erfolgen. Sie haben im Ausschuß den Mund gespitzt, um nach draußen eine weiße Weste zu haben. Als es dann aber darum ging zu pfeifen, war in Ihrer Fraktion nichts mehr davon zu hören, und wir standen mit einem kurzen Hemd da.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Statt daß ein Abbau von Vorurteilen zwischen den Jugendlichen aus den alten und den neuen Ländern gefördert wird, wird diese Problematik ignoriert. Statt der Schaffung von Arbeit und Wohnungen gibt es Streichungen bei den Schwächsten der Schwachen. Was dagegen not tut, ist ein weiterer Ausbau von attraktiven Freizeitmöglichkeiten.
    Was not tut, ist der Anreiz, die Selbsthilfekräfte der Jugendlichen zu reizen. Wir schlagen ein Projekt „Jugend hilft Jugend" vor, mit dem Jugendliche in die Lage versetzt werden, sich die Infrastruktur der Jugendarbeit selber aufzubauen und instand zu halten.
    Was not tut, ist die Stärkung der im Jugendbereich haupt- und vor allem ehrenamtlich Tätigen. Da nützen nicht ein paar warme Worte, Frau Kollegin Jaffke, sondern da muß dann auch gesagt werden, wie man sie konkret unterstützen will.
    Was ebenfalls not tut, ist eine größere Flexibilität bei Baumitteln des Bundes, wenn den Kommunen das Aufbringen der Komplementärmittel nicht möglich ist. Der vorliegende Haushalt für 1994 belegt aber, daß die Jugendpolitik der Bundesregierung keine ausreichenden Konzepte hat.



    Ralf Walter (Cochem)

    Alle diese Bereiche — — Nein, Entschuldigung. Nachdem ich jetzt den Jugendbereich — —

    (Zuruf von der CDU/CSU: In der Zeile vertan?)

    — Nein, ich merke, die Zeit geht zu Ende. Ich werde da ein bißchen flexibel weitergehen. Das hat mit „in der Zeile vertan" nichts zu tun.
    Ich möchte nämlich noch einen wichtigen Punkt ansprechen, der eben auch angesprochen werden muß. Das ist der Zivildienst.

    (Zuruf von der SPD: Wir schreiben unsere Reden selber!)

    — So ist das!
    Nachdem Sie schon im laufenden Jahr die Aufwandsentschädigung für die mobilen sozialen Dienste gestrichen haben und das Entlassungsgeld gekürzt wurde, wollen Sie den Zivildienst jetzt erneut als Sparschwein heranziehen. 190 Millionen DM 1994 und 380 Millionen DM in den Folgejahren wollen Sie im Haushalt einsparen.
    Sie wissen sehr wohl, daß dies zwar den Bundeshaushalt entlastet, an anderer Stelle aber doch wieder zu höheren Belastungen führt:

    (Zuruf von der SPD: Verschiebebahnhof!)

    zu Belastungen bei den Hilfebedürftigen selbst; zu Belastungen bei den Trägern der Sozialhilfe, also wieder einmal bei den Kommunen — Sie wälzen wieder Ihre eigentlichen Aufgaben auf die Kommunen ab —;

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr wahr! Wie immer!)

    zu Belastungen bei den Krankenversicherern, was zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten führen kann, die Sie ja sonst so eifrig zu senken bestrebt sind, und schließlich zu Belastungen der Träger von sozialen Diensten, die vielfach nicht mehr in der Lage sein werden, ihre Dienste weiter anzubieten.
    Abgesehen von diesen Folgen sozialer Blindheit werden die Einsparungen auch zu einer weiteren Schlechterstellung des Zivildienstes gegenüber dem Wehrdienst führen. Das werden wir nicht mittragen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wenn Sie wirklich sparen wollen, meine Damen und Herren von der Koalition, dann vollziehen Sie doch mit uns — und das würden wir dann wirklich gemeinsam machen — endlich die längst überfällige Anpassung an die zwölfmonatige Dauer des Grundwehrdienstes auch für den Zivildienstbereich. Wir sind auf Ihre Offenheit in dieser Frage, wo es wirklich Möglichkeiten gibt, Gelder einzusparen, gespannt.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Bundesregierung sollte endlich einsehen, daß Jugendpolitik kein Luxus ist. Was wir heute in diesem Bereich nicht leisten, werden wir schon morgen nicht mehr ausbügeln können. Ein Haushaltsplan, der die ohnehin spärliche Jugendpolitik dieser Regierung noch weiter zurückdreht, wird die SPD daher ablehnen. Ein solcher Haushalt gefährdet die Zukunft unserer jungen Menschen und damit die Zukunft unserer Gesellschaft.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Weitere Wortmeldungen zu diesem Geschäftsbereich liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, wir setzen die Aussprache mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft fort.
Ich erteile das Wort dem Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Dr. Rainer Ortleb.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Rainer Ortleb


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Qualifikation der Erwerbstätigen gewinnt bei der zukunftsorientierten Entwicklung unserer Volkswirtschaft und der damit verbundenen Bewältigung aller ökonomischen, sozialen und kulturellen Aufgaben immer stärker an Bedeutung. Unter diesem Gesichtspunkt können Bildungsausgaben nicht nur rein konsumtiv betrachtet werden. Sie sind vielmehr unabdingbare Investitionen, wenn Bildung und Wissenschaft die an sie gestellten qualitativen und quantitativen Ansprüche zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland erfüllen sollen. Das gilt für Bund und Länder.
    Das Niveau des Haushalts des BMBW ist trotz angespannter Haushaltslage mit ca. 6,2 Milliarden DM weiter hoch. Trotzdem geraten wir bei den überbetrieblichen Ausbildungsstätten und im Hochschulbau zunehmend in Engpässe.
    Meine Damen und Herren, ich kann jetzt nur auf zwei bedeutsame bildungspoltische Schwerpunkte des Einzelplans 31 eingehen.
    Zur beruflichen Bildung: Weitere inhaltliche und struktruelle Verbesserungen in der beruflichen Bildung sind zwingend. Entscheidend ist ebenso, allen Jugendlichen in den neuen Ländern, die dies wünschen, einen Ausbildungsplatz anzubieten und ihnen damit eine echte Zukunftschance zu eröffnen. Dazu sind nach wie vor große Anstrengungen aller Beteiligten, besonders der Wirtschaft, erforderlich. Die Bundesregierung hat auf meinen Vorschlag hin eine Gemeinschaftsinitiative beschlossen: Bund und Länder sollen bis zu 10 000 außerbetriebliche Ausbildungsplätze gemeinsam finanzieren.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU — Eckart Kuhlwein [SPD]: Obwohl der Bund das eigentlich allein bezahlen müßte!)

    — Herr Kuhlwein, das ist nicht ganz korrekt. Außerbetriebliche Ausbildung ist nicht extra ausgewiesen.
    Das erforderliche Finanzvolumen beträgt 250 Millionen DM. Neben Bundes- und Ländermitteln sollen auch EG-Mittel eingesetzt werden. Bei der Vergabe der Fördermittel sollen die regionalen Ausbildungsplatzprobleme berücksichtigt werden. Der berufsstrukturelle Schwerpunkt liegt auf den Bereichen Dienstleistungs- und kaufmännische Berufe. Vor allem die Ausbildungschancen von Frauen und Mädchen sind zu verbessern. Die Länder sind jetzt aufge-



    Bundesminister Dr. Rainer Ortleb
    fordert, möglichst schnell die notwendigen Vereinbarungen mit dem Bund sicherzustellen.
    Hauptsächlich in den neuen Ländern steht im Zusammenhang mit der Erstausbildung auch der Aufbau und die Modernisierung eines bedarfsgerechten, regional ausgewogenen Netzes überbetrieblicher Ausbildungsstätten. Sie sind zu einem unverzichtbaren Strukturbestandteil der Berufsbildung insbesondere für die mittelständische Wirtschaft geworden. Auch dazu stehen Finanzmittel zur Verfügung.

    (Zuruf von der SPD: Aber gekürzt, Herr Minister!)

    Um dem erkennbar zunehmenden Fachkräftemangel zu begegnen, sind Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der beruflichen Bildung dringend erforderlich. Aus dem Handwerk und aus der Wirtschaft erfahre ich viel Zustimmung, weil mit der Erhöhung des Ansatzes für die Begabtenförderung in der beruflichen Bildung auf 28 Millionen DM weitere 3 000 Stipendiaten in das Programm aufgenommen werden können.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Zum zweiten Komplex: Hochschule und Wissenschaft. Hohe Leistungen in Lehre und Forschung sind für den Wirtschaftsstandort Deutschland unverzichtbar. Dazu bedarf es modern ausgestatteter und effizienter Hochschulen, die ein Studium mit der Vermittlung auf Wissenschaft begründeter Qualifikationen in angemessener Zeit sichern. Deshalb ist neben einer Studienstrukturreform auch der weitere quantitative und qualitative Ausbau der Hochschulen dringend erforderlich. Das betrifft vorrangig die Erweiterung des Fachhochschulbereichs, aber auch die qualitative Umgestaltung und bessere Nutzung der Universitäten. Das geht nicht ohne zusätzliche Investitionen. Wie Sie wissen, ist der für 1994 vorgesehene Ansatz von 1,68 Milliarden DM für mich die unterste Grenze, dieses Ziel zu realisieren.
    Hinsichtlich der im Hochschulbereich erforderlichen Maßnahmen gibt es zwischen Bund und Ländern und Wissenschaftsorganisationen einen breiten Konsens. Ich wünsche und hoffe, daß nach der gründlichen Vorbereitung in absehbarer Zeit nun auch die Regierungschefs entsprechende Beschlüsse fassen können.
    Als besonders erfreulich möchte ich noch hervorheben, daß die Studienabschlußförderung fortgesetzt werden kann und damit die Studierenden in der Examensphase wirtschaftlich abgesichert bleiben, daß für den Studentenwohnraumbau in den neuen Ländern weitere 60 Millionen DM im Haushalt 1994 eingestellt sind und daß es trotz großer finanzieller Schwierigkeiten gelungen ist, den Ansatz für die Deutsche Forschungsgemeinschaft erneut um real 5 % zu erhöhen.
    Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf können nur die notwendigsten Schritte zur Sicherung der Qualität von Bildung, Ausbildung und Wissenschaft getan werden. Somit können nicht alle aus fachlicher Sicht dringenden Erfordernisse erfüllt werden. Um das bestehende gute internationale Niveau des deutschen Bildungswesens zu sichern und, wo nötig, weiter zu verbessern, muß in diesem Bereich künftig noch mehr investiert werden.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Sehr wahr! — Zuruf von der PDS/Linke Liste: Sehr wahr!)

    Ich bedanke mich für die breite Unterstützung, die nicht nur aus den Koalitionsfraktionen kam.
    Danke.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)