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ID1217212600

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    Plenarprotokoll 12/172 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 172. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1994 (Haushaltsgesetz 1994) (Drucksache 12/5500) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1993 bis 1997 (Drucksache 12/5501) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (Drucksache 12/5502) d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungsund Wachstumsprogramms (Drucksache 12/5510) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung): Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Mißbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz) (Drucksache 12/5630) Rudolf Scharping, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz 14735 D Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 14744 C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA . 14754 C Dr. Hermann Otto Solms F.D.P. 14754 D Ingrid Matthäus-Maier SPD 14758A Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 14760 C Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14764 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . 14767 A Hans-Ulrich Klose SPD 14775 A Dr. Renate Hellwig CDU/CSU . . . 14778 A Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . 14778B Friedrich Bohl CDU/CSU 14784 B Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU 14786B Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . 14786D Michael Glos CDU/CSU 14790 C Walter Kolbow SPD 14791 D Dr. Hans Modrow PDS/Linke Liste . . 14796 C Hans-Gerd Strube CDU/CSU 14798A Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14799B Volker Rühe, Bundesminister BMVg . . 14800 B Karsten D. Voigt (Frankfurt) SPD 14802B, 14805C Helmut Schäfer (Mainz) F.D.P. . . . . 14805 B Vera Wollenberger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14805 D Carl-Dieter Spranger, Bundesminister BMZ 14807 A Dr. Ingomar Hauchler SPD 14808 B Konrad Weiß (Berlin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14809 B Dr. Klaus Rose CDU/CSU 14810B II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 Ortwin Lowack fraktionslos 14812B Ernst Hinsken CDU/CSU 14812D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos . 14814B, 14848 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 14815C Michael Habermann SPD 14817 B Norbert Eimer (Fürth) F.D.P. . . . . . 14820 C Ortrun Schätzle CDU/CSU 14822 A Michael Habermann SPD 14822 D Dr. Barbara Höll PDS/Linke Liste . . . 14824 A Maria Michalk CDU/CSU 14825 A Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 14826D Dr. Edith Niehuis SPD 14829A Uta Würfel F D P. 14831 A Dr. Edith Niehuis SPD 14832 A Petra Blass PDS/Linke Liste 14833 A Susanne Jaffke CDU/CSU 14834 A Ralf Walter (Cochem) SPD 14835 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 14837 C Doris Odendahl SPD 14838 C Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 14841D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . . 14843 C Dr. Wolfgang Ullmann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14844 B Carl-Ludwig Thiele F D P 14845 B Alois Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU 14846 D Dr.-Ing. Paul Krüger, Bundesminister BMFT 14849B Josef Vosen SPD 14851D, 14855 C Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F D P 14852 C Dietrich Austermann CDU/CSU 14855 B Siegmar Mosdorf SPD . . . 14856C, 14861A Werner Zywietz F D P 14857 D Josef Vosen SPD 14858 C Ingeborg Philipp PDS/Linke Liste . . . 14859 C Erich Maaß (Wilhelmshaven) CDU/CSU 14860B Nächste Sitzung 14862 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14863* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 172. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 8. September 1993 14735 172. Sitzung Bonn, den 8. September 1993 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 8. 9. 93 Bartsch, Holger SPD 8. 9. 93 Blunck (Uetersen), SPD 8. 9. 93** Lieselott Dr. Blunk (Lübeck), F.D.P. 8. 9. 93 Michaela Böhm (Melsungen), CDU/CSU 8. 9. 93 ** Wilfried Börnsen (Bönstrup), CDU/CSU 8. 9. 93 Wolfgang Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 8. 9. 93 * Clemens, Joachim CDU/CSU 8. 9. 93 Ebert, Eike SPD 8. 9. 93 Dr. Fischer, Ursula PDS/LL 8. 9. 93 Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 8. 9. 93 Dr. Gautier, Fritz SPD 8. 9. 93 Heyenn, Günther SPD 8. 9. 93 Hollerith, Josef CDU/CSU 8. 9. 93 Jaunich, Horst SPD 8. 9. 93 Dr. Kübler, Klaus SPD 8. 9. 93 Lambinus, Uwe SPD 8. 9. 93 Lenzer, Christian CDU/CSU 8. 9. 93 ** Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Lieberoth, Immo CDU/CSU 8. 9. 93 Meckel, Markus SPD 8. 9. 93 Michels, Meinolf CDU/CSU 8. 9. 93* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 8. 9. 93 * Müller (Düsseldorf), SPD 8. 9. 93 Michael Opel, Manfred SPD 8. 9. 93*** Pfuhl, Albert SPD 8. 9. 93 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 8. 9. 93 Reuschenbach, Peter W. SPD 8. 9. 93 Dr. Riedl (München), CDU/CSU 8. 9. 93 Erich Dr. Scheer, Hermann SPD 8. 9. 93 * Schell, Manfred CDU/CSU 8. 9. 93 Schmidt (Nürnberg), SPD 8. 9. 93 Renate Stachowa, Angela PDS/LL 8. 9. 93 Dr. von Teichman, F.D.P. 8. 9. 93 Cornelia Weis (Stendal), Reinhard SPD 8. 9. 93 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
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    Rede von Susanne Jaffke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Es gibt nichts Schlimmeres im Leben, als wenn man falsche Dinge zurechtrücken muß. Diese hier braucht man nicht zurechtzurücken. Sie sind einfach sachlich falsch.
    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie im gesamten Bundeshaushalt, so nehmen auch im Einzelplan 17 die zur Verfügung stehenden Mittel nicht mehr am linearen Aufwuchs so teil, wie wir es in den vergangenen Jahren gewohnt waren.
    Dies muß aber nicht bedeuten, daß die Qualität und der Stellenwert der Jugendpolitik dadurch geschmälert werden. Wer eine gute Jugendpolitik lediglich daran mißt, in welcher Höhe finanzielle Mittel bereitgestellt werden, macht es sich zu einfach.
    Vielmehr muß auch bei den bisherigen jugendpolitischen Förderinstrumentarien umgedacht werden. Es gilt hier kritisch zu prüfen, ob bisher geförderte Projekte künftig noch sinnvoll sind oder ob es nicht besser ist, neue, von den Jugendlichen vor allen Dingen selbst entwickelte Ideen zu unterstützen. Erbhöfe darf es nicht mehr geben.
    Die neuen Fördergedanken sollen sich auf Wesentliches konzentrieren. Im Vordergrund muß dabei die Ehrenamtlichkeit stehen. Gerade diese Arbeit leistet den wichtigsten Beitrag, weil ihre Aktivität eben auf Freiwilligkeit beruht. Nur so können Schrittmacher und Trendsetter in der Kinder- und Jugendarbeit sein. Natürlich muß es auch hauptamtlich Tätige in der Jugendarbeit sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene geben. Doch sollte vor allen Dingen hier kritisch die Notwendigkeit geprüft werden.

    (Dr. Dietmar Keller [PDS/Linke Liste]: Das darf nicht wahr sein!)

    — Aber selbstverständlich.

    (Dr. Dietmar Keller, [PDS/Linke Liste]: Nein! Wer hat Ihnen denn diese Rede geschrieben?)

    Der Bund kann lediglich Rahmenbedingungen schaffen. Über Erfolg und Mißerfolg entscheidet erheblich der Einsatz der Länder und noch mehr der Kommunen. Gerade der Jugendpolitik vor Ort kommt eine herausgehobene Bedeutung zu. Sie hat einen besonderen Stellenwert für die Lebensbedingungen von Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und jungen Familien.
    Von den Lebensverhältnissen in ihrem Ort hängt es ab, ob junge Menschen ja zu ihm sagen und dort längerfristig ihren Lebensmittelpunkt sehen. Das bedeutet konkret: Eine moderne Jugendpolitik umfaßt eine vielfältige Jugend- und Jugendsozialarbeit, bedarfsgerechte Kinderbetreuungsmöglichkeiten, ein differenziertes Schulwesen, eine kinder- und familiengerechte Stadtplanungs- und Wohnungsbaupolitik, einschließlich verkehrsberuhigter Straßen, bedarfsgerechten ÖPNV, eines ausgebauten Radwegenetzes und nicht zuletzt eines ausreichenden Freizeit- und Kulturangebots.

    (Dr. Barbara Höll [PDS/Linke Liste]: Und das alles ehrenamtlich!)

    Das kann der Bund natürlich in seiner Gesamtheit allein nicht leisten. Er kann, wie erwähnt, nur die Rahmenbedingungen schaffen.

    (Dr. Barabara Höll [PDS/Linke Liste]: Wo denn?)

    In diesem Zusammenhang gilt es vor allen Dingen den Bundesjugendplan einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Auch hier müssen die Förderungen auf ihre Zeitgemäßheit überprüft werden.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Projekte statt Funktionieren!)

    Dabei sollen freie Träger bei der Durchführung von Vorhaben verstärkt zusammenarbeiten. Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß es, aus welchen Gründen auch immer, ein Konkurrenzgebaren bei der Durchführung von Maßnahmen im jugendpolitischen Bereich gibt.
    Eine freie Jugendpolitik muß nach demokratischem Verständnis den Freiraum des einzelnen stärken. Jeder hat das Recht zur individuellen Freizeitgestaltung. Jugendpolitik darf kein Gängelband sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Wohin eine staatliche Überorganisierung der Freizeit geführt hat, sehen wir heute besonders in den neuen Bundesländern. Nicht nur Jugendliche haben es schwer, individuelle Freizeit mit Verantwortung zu leben. Auch Eltern haben die Beziehung zur jüngeren Generation dadurch verloren, daß der sozialistische Staat mit seiner Bevormundungsstrategie die Generationen ideell voneinander getrennt hat.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Dr. Barbara Höll [PDS/Linke Liste]: So ein Quatsch! — Gegenruf der Abg. Ina Albowitz [F.D.P.]: Seht euch den Schaden an, den ihr hinterlassen habt!)

    Träger der Jugendarbeit dürfen nicht durch Behörden begründet werden. Sie sollen durch Vorschläge von Jugendlichen und für Jugendliche initiiert sein. Die Schaffung von Trägervielfalt läßt sich nicht verordnen. Sie ist vielmehr Ausdruck von gelebter Demokratie. Sie soll den heranwachsenden Jugendlichen nicht als zu verwaltendes Objekt ansehen, sondern ihn als Individuum begreifen.

    (Monika Ganseforth [SPD]: Das sind doch alles Gemeinplätze, was Sie hier verbreiten!)

    — Ich finde es toll, daß Sie das sagen. Wissen Sie, ich bin erst seit dem 3. Oktober 1990 in Deutschland und wundere mich, daß Sie vorher nicht alle Möglichkeiten genutzt haben, die Ihnen dieser Staat gegeben hat.
    Ziel muß es heute mehr denn je sein, diejenigen Aktivitäten zu unterstützen, die von Jugendlichen



    Susanne Jaffke
    selbst ausgehen oder ihnen eine breite Mitwirkungsmöglichkeit bieten.
    Wer Politik für die Jugend machen will, darf nicht Tagessymptomen hinterherlaufen. Er muß seine Entscheidung überprüfen, welche Auswirkungen sie auf eine junge Generation in einer sich ständig verändernden Welt haben.
    Ich habe in vielen Gesprächen mit Jugendlichen dieses Landes in Ost und West feststellen können, daß unsere jungen Menschen in der Mehrheit aufgeschlossen und sachlich kritisch sind. Sie wollen schöpferisch mitwirken. Sie sind im allgemeinen weitaus besser als ihr Ruf.
    Mit Sicherheit wird sich das in der Zeit vom 26. bis zum 28. September in diesem Plenarsaal zeigen. Dann werden wieder junge Menschen dieses Landes ihr Verständnis von parlamentarischer Demokratie unter Beweis stellen. Bei dieser Gelegenheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich es nicht versäumen, diese Veranstaltung Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit zu empfehlen.
    Ich bedanke mich.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Kollege Ralf Walter, Sie haben das Wort.

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    Rede von Ralf Walter


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Jaffke, Ihre Rede zu hören und sie dann mit den Realitäten dieses Einzelplans in Verbindung bringen zu sollen bedarf mehr als der Phantasie; da muß man von einer anderen Welt sein.

    (Beifall bei der SPD — Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Ihnen fehlt die Vorstellungskraft! )

    Denn das, was Sie hier vorgetragen haben, hat mit dem, was an Zahlenwerk vor uns liegt, nichts, aber auch wirklich gar nichts zu tun.

    (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Falsch aufgeschrieben!)

    Eine Vorbemerkung möchte ich auch zur Ministerin Frau Merkel machen. Frau Merkel, Sie sagen: Wenn man den Wegfall von 10 Millionen DM beim AFT außer acht läßt, dann steigt der Bundesjugendplan um 2 Millionen DM. Das ist natürlich eine ganz kesse Art, zu rechnen: Wenn ich erst einmal zehn Millionen abziehe, habe ich irgendwo anders dann zwei Millionen zusätzlich. Ich weiß nicht, wie Sie auf solche Sachen kommen. Zumindest ist es bemerkenswert.

    (Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Bei Waigel gelernt!)

    „Eine Gesellschaft, die Kinder und Jugendliche vernachlässigt, ist am Ende. " Dieses Urteil des Sozialpädagogen Hans Uwe Otto von der Uni Bielefeld über die Jugendpolitik nach der deutschen Einigung kann drastischer wohl kaum ausfallen.
    Wir stellen heute fest: Die Jugendpolitik wird immer wichtiger, die Bewilligungen in den öffentlichen Haushalten aber werden immer unzureichender.

    (Beifall bei der SPD)

    Der vorliegende Haushalt zeigt im Einzelplan 17 für Frauen und Jugend einen Volumenrückgang von über 9 %. Frau Merkel, ich kann es mir nicht ersparen, Sie hier doch als die Parade- oder Musterfrau des Bundeskanzlers darstellen zu müssen,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    wenn es um Einsparungen geht, Einsparungen in einem Bereich, der ansonsten doch von der Bundesregierung in Sonntagsreden immer wieder als der Bereich dargestellt wird, der eine besondere Aufmerksamkeit braucht, und über den man dann immer wieder redet, wenn es darum geht, ein erhebliches Gewaltpotential oder die Gefahr des Abdriftens in den Rechtsextremismus bei Jugendlichen besonders stark hervorzuheben.
    Eine solche Streichung, wie sie von Ihnen hier vorgenommen wird, muß man fast als Sicherheitsrisiko bezeichnen.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Natürlich kann man einen Einzelplan nicht nur an einer Gesamtsumme festmachen, und auch ich möchte dies nicht tun. Aber auch bei der Betrachtung von Einzelansätzen wird erkennbar, daß die Bundesregierung bis auf den blinden Sparwunsch — und dieser ist auch bei meiner Vorrednerin deutlich geworden — und Krisenintervention keine Konzepte für eine zukunftsorientierte Jugendpolitik hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Dabei hat doch auch die Bundesregierung in den letzten Jahren die vielen Gutachten, Anhörungen und Expertisen zur Kenntnis genommen. Warum handelt sie nicht danach?
    Eine Zielrichtung dieses Haushaltes scheint es zu sein, die Verbände kurzzuhalten, und das wird damit begründet, daß angeblich Verkrustungen vorhanden seien, daß zuviel Vielfalt da sei, daß sogar Konkurrenz da sei.

    (Ina Albowitz [F.D.P.]: Zuviel Vielfalt nicht, aber zuviel Funktionäre!)

    Wir hier in der ehemaligen Bundesrepublik waren immer stolz auf die Vielfalt, die wir hatten; wir waren froh, keine FDJ zu haben, die alles einheitlich gemacht hat.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich weiß nicht, warum Sie sich jetzt hier hinstellen und sich darüber beschweren, daß es hier eine Vielfalt gebe.

    (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Ullmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] — Ina Albowitz [F.D.P.]: Das hat die Ministerin nicht getan!)

    Eine Zielrichtung dieses Haushalts scheint es also zu sein, die Verbände kurzzuhalten, denn Regelförderungen, die eine kontinuierliche Arbeit ermöglichen, werden eingegrenzt bzw. erschwert. Dafür stecken



    Ralf Walter (Cochem)

    Sie dann um so mehr Geld in ein Programm, das Sie unter dem wohlklingenden Namen „Aktionsprogramm Zielgruppenorientierte Prävention" führen.

    (Günter Rixe [SPD]: Das hat auch nicht geholfen bis heute!)

    Nun sind wir Sozialdemokraten ausgesprochene Befürworter von Prävention, wenn sie diesen Namen verdient. Im vorliegenden Fall haben wir es aber mit einer ausgemachten Feuerwehrpolitik zu tun.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wenn irgendwo randaliert wird, erleben wir seitens der Bundesregierung wieder einen hektischen Schub von Aktivität und Aufgeregtheit. Die Folge ist, daß der Eindruck entstehen könnte, das Zündeln und die Krawalle würden belohnt. Was hat das mit Prävention zu tun?

    (Beifall bei der SPD)

    Darüber hinaus lohnt es sich aber auch einmal, diesen Ansatz und die damit unterstützten Projekte im einzelnen unter die Lupe zu nehmen.
    Es ist in den letzten Tagen und Wochen durch die Medien gegangen: Da wird eine Jugendbegegnungsstätte in Görlitz mit 700 000 DM gefördert, in der sich gewaltbereite, zum Teil rechtsradikale Jugendliche einen Unterschlupf einrichten können. Reichskriegsflagge und volksverhetzende Plakate hängen offen an den Wänden, und der örtliche Bürgermeister findet das auch noch in Ordnung.

    (Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Das war ein Superskandal!)

    Es ist ein Skandal, der hier aus Bundesmitteln gefördert wird!

    (Beifall bei der SPD)

    Die Zeitschrift „Die Zeit" hat übrigens einen bezeichnenden Satz dafür gefunden. Sie bezeichnete die Jugendpolitik des Bundes sehr zutreffend als „Glatzenpflege auf Staatskosten". Damit meine ich nicht meinen sehr geschätzten Fraktionsgeschäftsführer Peter Struck,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    sondern diejenigen, die uns allen doch hoffentlich zuwider sind.

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr gut, Herr Kollege Walter!)

    Gleichzeitig mit diesen Fördermaßnahmen würden und werden in den neuen Ländern in den vergangenen Jahren Hunderte von Jugendklubs geschlossen. Welche Gefühle sollen da in den Köpfen der sogenannten Stinos, also der Stinknormalen, aufkommen, wenn sie sehen, daß sie in ihren Ansätzen und Wünschen nicht berücksichtigt werden und daß reguläre Förderungen nicht stattfinden, sondern nur dann Gelder und Mittel fließen, wenn radikale Sprüche fallen oder Gewaltbereitschaft irgendwo auftritt? Dies ist ein ziemlich verheerender Eindruck, den Jugendliche von unserer Gesellschaft erhalten müssen.
    Wir wissen, daß man auch gewaltbereit und radikal daherredende Jugendliche nicht von vornherein abschreiben darf. Man muß versuchen, sie zurückzugewinnen. Prävention ist aber etwas anderes. Prävention erfordert eine Gesellschafts-, Sozial- und Jugendpolitik, die soziale Schieflagen behebt und Einstiegsmöglichkeiten schafft; eine Politik, die etwas dagegen tut, daß ein Drittel aller Sozialhilfeempfänger jünger als 18 Jahre ist, wie dies Realität in der Bundesrepublik ist;

    (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    eine Politik, die etwas dagegen unternimmt, daß über 300 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter 30 Jahren in dieser Bundesrepublik obdachlos sind. Dazu ist die Bundesregierung offenbar nicht bereit und auch nicht fähig.
    Statt den Aufbau freier Träger und damit reguläre Jugendhilfestrukturen voranzutreiben, beabsichtigt die Bundesregierung schon zum zweitenmal, aus dem sinnvollen Programm „Aufbau freier Träger" auszusteigen.
    Statt daß die Verbände und freien Träger gestärkt werden, findet Stagnation, ja sogar Behinderung statt. Ich erinnere an die Streichung des Haushaltsvermerks bezüglich der Rückflußmittel im Rahmen der Nachtragshaushaltsberatungen. Ich muß ganz deutlich sagen: Ich muß hier meine Enttäuschung über das Verhalten auch unserer Kolleginnen und Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion deutlich machen. Im Fachausschuß haben Sie großspurig angekündigt: Wenn wir einen gemeinsamen Antrag daraus machen, diese Rückflußmittel nach wie vor fließen zu lassen, dann wird das auch entsprechend erfolgen. Sie haben im Ausschuß den Mund gespitzt, um nach draußen eine weiße Weste zu haben. Als es dann aber darum ging zu pfeifen, war in Ihrer Fraktion nichts mehr davon zu hören, und wir standen mit einem kurzen Hemd da.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Statt daß ein Abbau von Vorurteilen zwischen den Jugendlichen aus den alten und den neuen Ländern gefördert wird, wird diese Problematik ignoriert. Statt der Schaffung von Arbeit und Wohnungen gibt es Streichungen bei den Schwächsten der Schwachen. Was dagegen not tut, ist ein weiterer Ausbau von attraktiven Freizeitmöglichkeiten.
    Was not tut, ist der Anreiz, die Selbsthilfekräfte der Jugendlichen zu reizen. Wir schlagen ein Projekt „Jugend hilft Jugend" vor, mit dem Jugendliche in die Lage versetzt werden, sich die Infrastruktur der Jugendarbeit selber aufzubauen und instand zu halten.
    Was not tut, ist die Stärkung der im Jugendbereich haupt- und vor allem ehrenamtlich Tätigen. Da nützen nicht ein paar warme Worte, Frau Kollegin Jaffke, sondern da muß dann auch gesagt werden, wie man sie konkret unterstützen will.
    Was ebenfalls not tut, ist eine größere Flexibilität bei Baumitteln des Bundes, wenn den Kommunen das Aufbringen der Komplementärmittel nicht möglich ist. Der vorliegende Haushalt für 1994 belegt aber, daß die Jugendpolitik der Bundesregierung keine ausreichenden Konzepte hat.



    Ralf Walter (Cochem)

    Alle diese Bereiche — — Nein, Entschuldigung. Nachdem ich jetzt den Jugendbereich — —

    (Zuruf von der CDU/CSU: In der Zeile vertan?)

    — Nein, ich merke, die Zeit geht zu Ende. Ich werde da ein bißchen flexibel weitergehen. Das hat mit „in der Zeile vertan" nichts zu tun.
    Ich möchte nämlich noch einen wichtigen Punkt ansprechen, der eben auch angesprochen werden muß. Das ist der Zivildienst.

    (Zuruf von der SPD: Wir schreiben unsere Reden selber!)

    — So ist das!
    Nachdem Sie schon im laufenden Jahr die Aufwandsentschädigung für die mobilen sozialen Dienste gestrichen haben und das Entlassungsgeld gekürzt wurde, wollen Sie den Zivildienst jetzt erneut als Sparschwein heranziehen. 190 Millionen DM 1994 und 380 Millionen DM in den Folgejahren wollen Sie im Haushalt einsparen.
    Sie wissen sehr wohl, daß dies zwar den Bundeshaushalt entlastet, an anderer Stelle aber doch wieder zu höheren Belastungen führt:

    (Zuruf von der SPD: Verschiebebahnhof!)

    zu Belastungen bei den Hilfebedürftigen selbst; zu Belastungen bei den Trägern der Sozialhilfe, also wieder einmal bei den Kommunen — Sie wälzen wieder Ihre eigentlichen Aufgaben auf die Kommunen ab —;

    (Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr wahr! Wie immer!)

    zu Belastungen bei den Krankenversicherern, was zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten führen kann, die Sie ja sonst so eifrig zu senken bestrebt sind, und schließlich zu Belastungen der Träger von sozialen Diensten, die vielfach nicht mehr in der Lage sein werden, ihre Dienste weiter anzubieten.
    Abgesehen von diesen Folgen sozialer Blindheit werden die Einsparungen auch zu einer weiteren Schlechterstellung des Zivildienstes gegenüber dem Wehrdienst führen. Das werden wir nicht mittragen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wenn Sie wirklich sparen wollen, meine Damen und Herren von der Koalition, dann vollziehen Sie doch mit uns — und das würden wir dann wirklich gemeinsam machen — endlich die längst überfällige Anpassung an die zwölfmonatige Dauer des Grundwehrdienstes auch für den Zivildienstbereich. Wir sind auf Ihre Offenheit in dieser Frage, wo es wirklich Möglichkeiten gibt, Gelder einzusparen, gespannt.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Bundesregierung sollte endlich einsehen, daß Jugendpolitik kein Luxus ist. Was wir heute in diesem Bereich nicht leisten, werden wir schon morgen nicht mehr ausbügeln können. Ein Haushaltsplan, der die ohnehin spärliche Jugendpolitik dieser Regierung noch weiter zurückdreht, wird die SPD daher ablehnen. Ein solcher Haushalt gefährdet die Zukunft unserer jungen Menschen und damit die Zukunft unserer Gesellschaft.

    (Beifall bei der SPD)