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    Plenarprotokoll 12/108 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 108. Sitzung Bonn, Freitag, den 25. September 1992 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 5: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung Aktuelle Entwicklung in der Europapolitik Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler . . . . 9217B Björn Engholm, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein . . . . . . . . . 9221 B Dr. Helmut Haussmann F.D.P. . . . . . . 9224 C Peter Conradi SPD . . . . . . . . . . 9225 D Peter Kittelmann CDU/CSU . . . . . . . 9226 B Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . . 9228A Ingrid Matthäus-Maier SPD. . . . 9228B, 9242 C Gerd Poppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . 9230 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister AA . . 9232 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 9235 A Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU . . . 9236B Dr. Theodor Waigel CDU/CSU . 9236 C Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . 9238 C Dr. Thomas Goppel, Staatsminister des Frei- staates Bayern . . . . . . . . . . . . 9240 C Dr. Norbert Wieczorek SPD . . . . . . . 9242 D Dr. Kurt Faltlhauser CDU/CSU 9244 D Ulrich Irmer F.D.P. . . . . . . . . . . 9246 B Dr. Walter Hitschler F.D.P. . . . . . 9247 B Michael Stübgen CDU/CSU 9248 B Ortwin Lowack fraktionslos . . . . . . 9250B Tagesordnungspunkt 14: Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerd Andres, Dr. Ulrich Böhme (Unna), Hans Büttner (Ingolstadt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Schaffung eines Arbeitsschutzgesetzbuches (Drucksache 12/2412) Manfred Reimann SPD 9251 B Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . 9254 A Petra Bläss PDS/Linke Liste . . . . . . 9255 C Dr. Gisela Babel F.D.P. . . . . . . . . 9257 A Horst Günther, Parl. Staatssekretär BMA 9258 C Ottmar Schreiner SPD 9261 B Dr. Alexander Warrikoff CDU/CSU . . 9263 C Ottmar Schreiner SPD . . . . . . . 9265 B Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS/Linke Liste: Antifaschistische und antirassistische Aufklärungskampagne (Drucksachen 12/1193, 12/3268, 12/3292) Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 9266 A Eduard Lintner, Parl. Staatssekretär BMI , 9267 A Hartmut Büttner (Schönebeck) CDU/CSU 9267 D Uwe Lambinus SPD 9268 C Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 9269 A Wolfgang Lüder F.D.P. 9269 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . 9270 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 9271* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Freitag, den 25. September 1992 9217 108. Sitzung Bonn, den 25. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adam, Ulrich CDU/CSU 25. 09. 92 Andres, Gerd SPD 25. 09. 92 Antretter, Robert SPD 25. 09. 92* Bayha, Richard CDU/CSU 25. 09. 92 Blank, Renate CDU/CSU 25. 09. 92 Bleser, Peter CDU/CSU 25. 09. 92 Brandt, Willy SPD 25. 09. 92 Bredehorn, Günther F.D.P. 25. 09. 92 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. von Büllow, Andreas SPD 25. 09. 92 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 25. 09. 92 Herta Deß, Albert CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Eckardt, Peter SPD 25. 09. 92 Eichhorn, Maria CDU/CSU 25. 09. 92 Eimer (Fürth), Norbert F.D.P. 25. 09. 92 Eylmann, Horst CDU/CSU 25. 09. 92 Formanski, Norbert SPD 25. 09. 92 Gallus, Georg F.D.P. 25. 09. 92 Gattermann, Hans H. F.D.P. 25. 09. 92 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. von Geldern, CDU/CSU 25. 09. 92 Wolfgang Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 25. 09. 92 Grochtmann, Elisabeth CDU/CSU 25. 09. 92 Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 25. 09. 92 Großmann, Achim SPD 25. 09. 92 Harries, Klaus CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Hartenstein, Liesel SPD 25. 09. 92 Hauser CDU/CSU 25.09.92 (Rednitzhembach), Hansgeorg Hollerith, Josef CDU/CSU 25. 09. 92 Ibrügger, Lothar SPD 25. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 25. 09. 92 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 25. 09. 92 Kampeter, Steffen CDU/CSU 25. 09. 92 Keller, Peter CDU/CSU 25. 09. 92 Klein (München), Hans CDU/CSU 25. 09. 92 Kolbe, Regina SPD 25. 09. 92 Kors, Eva-Maria CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Krause (Börgerende), CDU/CSU 25. 09. 92 Günther Kretkowski, Volkmar SPD 25. 09. 92 Leidinger, Robert SPD 25. 09. 92 Lennartz, Klaus SPD 25. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 25. 09. 92 Elke Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 25. 09. 92 Klaus W. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lühr, Uwe F.D.P. 25. 09. 92 Magin, Theo CDU/CSU 25. 09. 92 Meckelburg, Wolfgang CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Mescke, Hedda CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Modrow, Hans PDS/LL 25. 09. 92 Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 25. 09. 92 Neumann (Gotha), SPD 25. 09. 92 Gerhard Oesinghaus, Günther SPD 25. 09. 92 Oostergetelo, Jan SPD 25. 09. 92 Ostertag, Adolf SPD 25. 09. 92 Paintner, Johann F.D.P. 25. 09. 92 Peters, Lisa F.D.P. 25. 09. 92 Pfeffermann, Gerhard O. CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 25. 09. 92 Raidel, Hans CDU/CSU 25. 09. 92 Reddemann, Gerhard CDU/CSU 25. 09. 92* Rempe, Walter SPD 25. 09. 92 Rennebach, Renate SPD 25. 09. 92 Reuschenbach, Peter W. SPD 25. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 25. 09. 92 Helmut Schartz (Trier), Günther CDU/CSU 25. 09. 92 Scheu, Gerhard CDU/CSU 25. 09. 92 Schmalz, Ulrich CDU/CSU 25. 09. 92 Schmalz-Jacobsen, F.D.P. 25. 09. 92 Cornelia Schmidt (Nürnberg), SPD 25. 09. 92 Renate Dr. Schmude, Jürgen SPD 25. 09. 92 Dr. Schneider CDU/CSU 25. 09. 92 (Nürnberg), Oscar Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 25. 09. 92 Andreas Dr. Soell, Hartmut SPD 25. 09. 92** Spranger, Carl-Dieter CDU/CSU 25. 09. 92 Dr. Stoltenberg, Gerhard CDU/CSU 25. 09. 92 Terborg, Margitta SPD 25. 09. 92 Thiele, Carl-Ludwig F.D.P. 25. 09. 92 Titze, Uta SPD 25. 09. 92 Dr. Voigt (Northeim), CDU/CSU 25. 09. 92 Hans-Peter Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 25. 09. 92 Weis (Stendal), Reinhard SPD 25. 09. 92 Weißgerber, Gunter SPD 25. 09. 92 Welt, Jochen SPD 25. 09. 92 Wissmann, Matthias CDU/CSU 25. 09. 92 Wohlleben, Verena SPD 25. 09. 92 Ingeburg Zierer, Benno CDU/CSU 25. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal ist es gut, die europäischen Belange aus etwas größerer Entfernung zu sehen; das ist jedenfalls der Eindruck, den ich von der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York heute mitbringe. In all den zahlreichen Gesprächen, die ich in den letzten Tagen geführt habe, ist mir das überaus große Interesse deutlich geworden, mit dem man weltweit die Europäische Gemeinschaft und ihre weitere Entwicklung verfolgt.
    Das gilt ganz besonders für die mittel- und osteuropäischen Staaten, die in diese Gemeinschaft aufgenommen werden wollen. Mir wurde erneut sehr bewußt, welch große Hoffnungen gerade diese Staaten mit der Gemeinschaft verbinden.
    Nicht weniger interessiert am weiteren Fortgang Europas sind die Entwicklungsländer, mit denen die Gemeinschaft neue Formen der Zusammenarbeit und der Partnerschaft erschlossen hat.
    Daraus ergibt sich für mich eine zentrale Schlußfolgerung: Wir müssen uns trotz des knappen Nein der Dänen und des knappen Ja der Franzosen jetzt davor hüten, das Europa von Maastricht zu zerreden bzw. zerreden zu lassen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Während viele Menschen in Europa, sicherlich nicht ganz zu Unrecht, von Zweifel und Unsicherheiten geplagt sind, gilt die Gemeinschaft weltweit als Hort der Stabilität und — das kam heute schon mehrfach zum Ausdruck — als Hoffnungsanker.
    Die Außenminister der Europäischen Gemeinschaft haben nach dem französischen Referendum in New York vor zwei Tagen mit Nachdruck eines hervorgehoben: Das Ratifizierungsverfahren muß nun in allen Mitgliedstaaten ohne Neuverhandlungen des Vertrages und im vorgesehenen Terminplan vorangetrieben werden. Dies gilt auch für uns. Unsere Verfassung sieht nun einmal keine Volksabstimmung vor. Dabei sollte es auch bleiben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Es darf aber andererseits auch kein „Augen zu und durch" geben. In einzelnen Mitgliedstaaten, darunter in Großbritannien, sind wir ganz zweifellos noch nicht über den Berg. Noch gilt es auch, eine Lösung für das dänische Problem zu finden.
    Was an Unzufriedenheit, Unsicherheit und auch Unverständnis in vielen Ländern der Gemeinschaft, uns eingeschlossen, aufgekommen ist, kann nicht einfach beiseite geschoben werden. Das Europa der



    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    Bürger entsteht eben nicht nur durch Verträge; es muß aus den Herzen der Menschen und aus Verständnis geborener Akzeptanz erwachsen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Deshalb müssen wir in den vor uns liegenden Wochen und Monaten alles tun, um das Vertrauen der Menschen in eine gemeinsame europäische Zukunft zu stärken. Dies ist jetzt die wichtigste Aufgabe der Gemeinschaftspolitik.
    Vor allem geht es um eine Antwort auf die Frage: Wie können wir das Unbehagen und die Zweifel unserer Bürger an diesem Vertragswerk auffangen, ohne daß wir die Verträge verändern? Eine Neuverhandlung würde eine Gefährdung alles bisher Erreichten bedeuten. Und ob es in absehbarer Zeit zu einer neuen Einigung kommen würde, ist in meinen Augen zumindest fraglich. Angesichts der anhaltenden politischen Verwerfungen östlich von uns müßte dies zu politischer Unsicherheit auf unserem Kontinent führen.
    Eine Vertragsänderung wäre ferner — auch das muß man deutlich sagen — eine Prämie für diejenigen Partner, die die Ratifizierung hinausschieben, und eine Benachteiligung der Länder, die bereits, zum Teil unter nicht unerheblichen Mühen, ratifiziert haben.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Zudem — das wird meines Erachtens sehr leicht übersehen — wäre sie auch ein Affront gegenüber dem Europäischen Parlament, das sich trotz mancher Bedenken mit Mehrheit zur Zustimmung durchgerungen hat.
    Nein, jetzt ist unsere politische und juristische Phantasie gefragt. Es muß eine andere Lösung geben. Die Sondertagung des europäischen Rats am 16. Oktober 1992 in Birmingham kann sie aufzeigen.
    Ja, auch in Deutschland gibt es verbreitete Sorge um die Stabilität einer zukünftigen europäischen Währung, um den Verlust der nationalen und kulturellen Identität, Sorge vor Überbürokratisierung und vor Machtlosigkeit gegenüber einer alles entscheidenden, parlamentarisch nicht ausreichend kontrollierten Brüsseler Zentrale. Auf diese Sorgen und Fragen müssen wir eingehen und uns zugleich ins Gedächtnis zurückrufen, was eigentlich der Kern der europäischen Einigung ist, weshalb wir die Europäische Union wollen und weshalb wir sie auch brauchen. Es gibt drei, wie ich meine, herausragende Gründe, die dafür sprechen.
    Erstens. Der unseligen europäischen Vergangenheit der Rangstreitigkeiten, Eifersüchteleien, der Hegemonie- und Allianzpolitik setzen wir nur dadurch ein Ende, daß wir die Gefahr eines unguten, übersteigerten Nationalismus durch ein noch engeres Zusammengehen endgültig überwinden. Gerade die letzten Tage und Wochen haben uns doch eigentlich klar gezeigt: Ein Stillstand der Integration bringt die Gefahr einer Auflösung des bereits Erreichten.
    Der zweite Grund ist, daß die großen Herausforderungen unserer Zeit wie die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts, die Ernährung einer explosiv anwachsenden Weltbevölkerung, die Bedrohung durch organisiertes Verbrechen und Drogenhandel,
    der Zustrom von Flüchtlingen und Asylbewerbern, wodurch wir im Herzen Europas in besonderer Weise betroffen sind, die Schaffung eines globalen und regionalen kollektiven Sicherheitssystems und die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt eben nicht mehr national bewältigt werden können.
    Drittens. Die Unabwägbarkeit der Entwicklungen in den mittel- und osteuropäischen Ländern macht die Gemeinschaft als Stabilitätsanker in stürmischer See notwendiger denn je. Dies erfordert auch, daß wir die Gemeinschaft mit der Vertiefung gleichzeitig erweitern. Festen Halt und Orientierung kann die Gemeinschaft Europa aber nur dann geben, wenn sie sich über den jetzigen Integrationsstand hinaus zur Schicksalsgemeinschaft der Europäischen Union verbindet. Hierzu genügt ein gemeinsamer Binnenmarkt und eine bloße Koordinierung nationaler Außenpolitiken unserer Meinung nach eben nicht.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Eine solche Schicksalsgemeinschaft entsteht nur durch eine gemeinsame Währung, eine gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Und darum geht es ja beim Maastrichter Vertragswerk. Dabei wurde auch die WEU in den Rahmen der Europäischen Union eingefügt und damit ein entscheidender Schritt zur Schaffung einer zukünftigen gemeinsamen europäischen Verteidigung getan.
    Richtig ist: Dieser Maastrichter Vertrag mußte die Interessen von zwölf Mitgliedstaaten in Einklang bringen; das war wahrhaftig nicht einfach. Er weist Unzulänglichkeiten auf. Auch wir Deutsche hätten uns bei der Vertragsgestaltung manches anders gewünscht.

    (Zurufe von der F.D.P.: Natürlich!)

    Trotzdem ist dieser Vertrag mehr als ein „kleinster gemeinsamer Nenner" . In seiner Gesamtheit gesehen stellt er einen erheblichen Fortschritt im europäischen Einigungsprozeß dar. Man konnte jedenfalls bisher — hoffentlich auch weiterhin — den Eindruck gewinnen, daß sich die Zwölf im Grunde in diesem Vertrag wiederfinden.
    Dieser Vertrag steht im übrigen nicht am Ende, sondern am Anfang einer weiteren Entwicklung. Die Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft hat sich immer stufenweise vollzogen. Auch jetzt springen wir nicht einfach in das kalte Wasser der Währungsunion; diese Befürchtung ist unbegründet. Zunächst müssen sich die Wirtschaften der Mitgliedstaaten einander nähern. Erst dann werden die Währungen zusammengeführt.

    (Dr. Werner Hoyer [F.D.P.]: So ist es!)

    Das Europäische Währungssystem hat trotz der Turbulenzen in der vergangenen Woche seine Funktions- und Anpassungsfähigkeit bewiesen. Wenn der Vertrag von Maastricht bereits in Kraft gewesen wäre und die Märkte über diese Sicherheit verfügt hätten, wäre es wahrscheinlich nicht zu den jüngsten Währungsturbulenzen gekommen.
    Ich habe dies bei unserem Zwölfer-Treffen in New York auch den Kollegen, die jetzt etwas in Schwierig-



    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    keiten geraten sind, deutlich gesagt und darauf hingewiesen, daß wir natürlich bei der bisherigen Argumentation und der Logik verbleiben müssen. Deshalb bleibt das Ziel der Wirtschafts- und Währungsunion weiterhin richtig. Wir müssen aber verstärkt an den wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Verwirklichung arbeiten.
    Auch am Fahrplan für ihre stufenweise Verwirklichung brauchen wir nichts zu ändern. Es können nur diejenigen Mitgliedstaaten von Anfang an eine Währungsunion bilden, die die wirtschafts- und finanzpolitischen Konvergenzvoraussetzungen erfüllen. Vor den vom Europäischen Rat von 1996 bis 1998 zu treffenden Entscheidungen werden Bundestag und Bundesrat erneut damit befaßt werden. Es kann ja wohl kein Zweifel bestehen, daß eine Bundesregierung, die nicht die Mehrheit des Deutschen Bundestages hat, diesen Dingen nicht zustimmen könnte.

    (Beifall bei der F.D.P., der CDU/CSU und der SPD)

    Wir haben uns insbesondere gemeinsam mit Belgien und Italien dafür eingesetzt, daß das Europäische Parlament die Rechte erhält, die für ein nationales Parlament selbstverständlich sind, und sind dabei durchaus ein gutes Stück weitergekommen. Das letzte Wort hat nicht mehr stets der Rat — mehr war in Maastricht nicht zu erreichen.

    (Zuruf von der F.D.P.: Leider wahr!)

    Auf der Revisionskonferenz im Jahre 1996, also noch vor Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion, werden wir auf weitere Fortschritte drängen.
    Die Sorge unserer Bürger, Europa könne sich zu einem bürokratischen Moloch entwickeln, ihre nationale und kulturelle Identität würde verlorengehen, muß zweifellos ernstgenommen werden. Ganz sicher müssen — das kam heute schon mehrfach zum Ausdruck — auch die Brüsseler Prozeduren transparenter gestaltet werden. Der Mann auf der Straße vor allem muß besser verstehen können, wer wie über seine Zukunft Entscheidungen trifft.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Richtig ist sicher auch, daß man in der Vergangenheit bei dem Ziel der Harmonisierung manchmal etwas über das Ziel hinausgeschossen ist. Ein Umdenken hat eingesetzt. Jacques Delors selber hat das Subsidiaritätsprinzip als neue Leitlinie in der Kommissionsarbeit erklärt. Was von den Mitgliedstaaten, von den Ländern, den Regionen, den Gemeinden geleistet werden kann, wird auch dort geregelt werden und nicht zentral von Brüssel aus.
    Was ebenfalls noch viel deutlicher werden muß: Die Gemeinschaft wurde nicht gegründet, um Ämter zu schaffen. Sie ist keine Angelegenheit nur von Spezialisten. Sie ist für die Bürger zur Sicherung ihrer Zukunft und der ihrer Kinder geschaffen.
    Das Maß an wirtschaftlichen Zukunftschancen, an Freizügigkeit sowie sozialer und innerer Sicherheit, das wir durch die Europäische Gemeinschaft erreicht haben, nehmen wir inzwischen allzuoft als pure Selbstverständlichkeit hin. Gerade uns Deutschen muß aber bewußt bleiben, wie entscheidend unser
    Wohlstand auf dem gemeinsamen europäischen Markt beruht, daß wir bisher am meisten von Europa profitiert haben. Ich versuche immer wieder nach draußen zu argumentieren: Wir Deutsche würden im übrigen auch diejenigen sein, die von der Europäischen Union à la Maastricht in Zukunft am meisten profitierten.
    Die Europäische Union bringt für uns Bürger kein Weniger, sondern ein Mehr an Rechten im gesamten Raum der Europäischen Gemeinschaft. Unionsbürgerschaft, Niederlassungsfreiheit, kommunales Wahlrecht, stärkere Freizügigkeit sind Beispiele.
    Auch künftig werden die Menschen in Europa jedoch ihrer eigenen Geschichte und Kultur treu bleiben können. Es wird keinen europäischen Schmelztiegel geben; das will auch niemand. Einheit in Vielfalt ist vielmehr das Ziel. Die Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten ist im Vertrag ausdrücklich festgehalten.
    Meine Damen und Herren, allein schon die durch den Zerfall der Sowjetunion auf Europa zukommende Herausforderung zeigt, wie dringlich eine größere außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft ist. Dies ist nur durch eine neue Qualität der Zusammenarbeit erreichbar. Der Maastrichter Vertrag bringt eben den Einstieg in diese neue Qualität. In zentralen Fragen gemeinsamen Interesses wird die Europäische Union nicht nur mit einer Stimme sprechen, sondern in Zukunft hoffentlich auch gemeinsam handeln.
    Mit Blick auf den Jugoslawien-Konflikt ist die Gemeinschaft oft kritisiert worden. Man muß sich aber fragen und auch fragen dürfen: Was wäre eigentlich geschehen, wenn es den jetzigen Integrationsstand nicht gegeben hätte? Ohne die Bindung durch die Gemeinschaft hätte Europa in diesem Konflikt womöglich vor einer gefährlichen politischen Zerreißprobe gestanden.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Das wird zu oft von den Euroskeptikern übersehen.
    Roland Dumas hat auf der Londoner JugoslawienKonferenz in einem beschwörenden Appell die deutsch-französische Versöhnung und Freundschaft als beispielhaft auch für die Konfliktparteien im ehemaligen Jugoslawien bezeichnet. Die enge Verbindung zwischen Deutschen und Franzosen ist in der Tat das eigentliche Unterpfand für die Überwindung des Nationalismus in ganz Europa. Sie stand am Anfang der nunmehr 40jährigen Erfolgsgeschichte der Europäischen Gemeinschaft. Ohne den deutsch-französischen Schulterschluß geht in Europa wenig; mit ihm geht sehr viel. Dies wird eine Grundmaxime unserer Europapolitik bleiben.
    40 Jahre europäische Einigung haben stets auch den nationalen deutschen Interessen gedient. Bitte nicht vergessen: Europa hat Deutschland den Weg zur gleichberechtigten Partnerschaft in Europa und der Welt eröffnet. Ohne die Europäische Gemeinschaft wäre an eine Wiedervereinigung im Einklang mit unseren Nachbarn nicht zu denken gewesen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)




    Bundesminister Dr. Klaus Kinkel
    Es wäre ein großes historisches Versagen, wenn wir jetzt innehalten würden. Die letzten Wochen haben gezeigt: Wer in Europa Fortschritte verhindert, fordert zwangsläufig den Rückschritt heraus. Seien wir uns bewußt: Als wirtschaftsstärkstes und bevölkerungsreichstes Land in der Mitte Europas ist Deutschland in besonderer Weise auf die fortschreitende europäische Integration angewiesen.
    Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Fragen, sondern in erster Linie um die Sicherung eines friedlichen und harmonischen Zusammenlebens mit unseren Nachbarn. Dies ist eben nur dann auf Dauer gewährleistet, wenn wir uns mit diesen Nachbarn möglichst eng verbinden. Ergreifen wir jetzt die Jahrhundertchance zur Schaffung einer solchen engen, dauerhaften und prosperierenden Gemeinschaft der europäischen Völker.
    Ich behaupte nach wie vor: Die Menschen in Europa wollen Europa, wenn wir ihnen ihre nationale Identität lassen. Das sollten wir tun, das sollte unsere Politik sein.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat nunmehr die Abgeordnete Frau Ingrid Matthäus-Maier.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Es muß uns alle betroffen machen, wie sehr Europa seit Maastricht ins Gerede gekommen ist. Einer der Gründe ist sicher, daß die Menschen Errungenschaften wie Frieden, Freizügigkeit und Wohlstand als etwas völlig Selbstverständliches hinnehmen. Dies alles ist aber nicht selbstverständlich. Nur wenn man Europa weiter aktiv gestaltet, wird man Rückfälle in Nationalismus auf Dauer vermeiden, wie wir sie in anderen Teilen Europas doch sehen.
    Auch Sie, Herr Bundeskanzler, haben leider zu einer gewissen Europaverdrossenheit beigetragen.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Niemand spricht dem Herrn Bundeskanzler den guten Willen für Europa ab. Aber haben Sie nicht im November 1991 erklärt, „die Politische Union ist das unerläßliche Gegenstück zur Wirtschafts- und Währungsunion"? Damit hat der Bundeskanzler wieder einmal Erwartungen erweckt, die später nicht eingelöst wurden; das war schon nicht gut für die deutsche Einheit, und das ist auch nicht gut für Europa.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Wir dürfen Europa auch nicht an unseren Bürgern vorbei entwickeln. Wir müssen die Sorgen und Ängste der Menschen aufgreifen und ausräumen: wo sie unbegründet sind, durch beharrliche Aufklärung, wo sie begründet sind, durch eine bessere Politik.
    Befürchtung Nr. 1: Eine europäische Währungsunion könne nicht funktionieren, die Turbulenzen im Europäischen Währungssystem hätten gezeigt, daß
    schon das EWS nicht funktioniere. Das Gegenteil ist richtig, meine Damen und Herren.

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Sehr gut!)

    Das Europäische Währungssystem ist eine Erfolgsgeschichte: nicht nur, daß wir zwei Drittel unseres Exports seit Jahren auf vergleichsweise berechenbaren Währungsrelationen abwickeln können, auch die anderen Länder haben wegen des Wunsches, in der Bandbreite des EWS zu bleiben, ganz erhebliche Stabilitätsanstrengungen unternommen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Abwertungen der letzten Woche sind kein Gegenargument. Es gehört zur Philosophie des EWS, daß es angesichts unterschiedlicher Finanz- und Wirtschaftspolitiken ab und zu zu Wechselkursanpassungen kommt.

    (Vorsitz: Präsidentin Dr. Rita Süssmuth)

    Nein, Ursache für die Währungsturbulenzen war nicht die Schwäche des Europäischen Währungssystems, sondern die Schwäche der nationalen Regierungen: der britischen Regierung, die mit dem Pfund zu hoch in das EWS eingestiegen ist und dann aus nationalen Prestigegründen nicht abwerten wollte; die Schwäche der italienischen Regierung, ihre Haushalts- und Finanzpolitik in Ordnung zu bringen; und auch die Schwäche der deutschen Bundesregierung mit ihrer ausufernden Schuldenpolitik.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN — Dr. Kurt Faltlhauser [CDU/CSU]: Was?)

    Der Schlüssel für die notwendige Zinssenkung liegt, wie jeder weiß, in Bonn. Wer aber ein solches Finanzchaos veranstaltet wie diese Bundesregierung, der darf sich nicht wundern, daß die Zinsen nicht weiter sinken, und der ist mitverantwortlich dafür, daß die Turbulenzen im Europäischen Währungssystem ein solches Ausmaß angenommen haben.

    (Beifall bei der SPD — Peter Kittelmann [CDU/CSU]: Wenn die Welt so einfach wäre!)

    Befürchtung Nr. 2: die Deutschen verschenkten die Mark, ohne etwas dafür zu bekommen. Ich sage dagegen: Wenn wir es richtig machen, dann wird unsere Währung noch sicherer und stabiler. Die Bürde, Weltreservewährung Nr. 2 zu sein, ist leichter zu tragen, wenn sie nicht nur von der Mark alleine,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt!)

    sondern von den breiten Schultern eines stabilen Währungsblocks getragen wird. Nur auf diese Weise können wir auch verhindern, daß die Spekulanten weiter an Oberwasser gewinnen.
    Der Bonner „General-Anzeiger" schrieb über die Währungsspekulanten: „Die kostspielige Wechselkursvielfalt der EG-Staaten ist deren liebste Spielwiese. Kein Wunder, daß sie", — die Spekulanten —„der Gedanke an eine einheitliche Währung in Panik versetzt". Ich glaube, der „General-Anzeiger" hat es auf den Punkt gebracht.



    Ingrid Matthäus-Maier
    Befürchtung Nr. 3: eine Gemeinschaftswährung könne nicht so hart sein wie die D-Mark. Ich stelle klipp und klar fest: Die gemeinschaftliche europäische Währung kommt für uns nur dann in Betracht, wen sie mindestens so stabil ist wie die Mark. Ist das nicht der Fall, dann wird es eine gemeinschaftliche europäische Währung schlicht und einfach nicht geben.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Im Vertragstext sind die Voraussetzungen erfüllt. Bundesbankpräsident Schlesinger hat es selbst bestätigt, als er sagte: „Alle für den Erfolg der Währungsunion unverzichtbaren Hauptforderungen sind erfüllt worden." Es kommt jetzt darauf an, daß von dem Vereinbarten nicht abgewichen wird.
    Wir werden peinlich genau darauf achten, daß die formal garantierte Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank nicht in Frage gestellt wird. Deswegen weisen wir die Äußerung von Präsident Mitterrand zurück, der gesagt hat, die Europäische Zentralbank sei nur für technische Abläufe zuständig.

    (Beifall bei der SPD, der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Erst recht aber müssen wir verlangen, daß die deutsche Bundesregierung keinen Zweifel an der Unabhängigkeit der Zentralbank aufkommen lassen darf.

    (Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das ist klar!)

    Die Art und Weise — da sind wir uns, glaube ich, alle einig —, wie der deutsche Finanzminister in der letzten Woche die Senkung der Leitzinsen im Fernsehen hinausposaunt hat, noch bevor der Zentralbankrat dieses am nächsten Tag beschlossen hat, war in der 40jährigen Geschichte der Bundesbank eine noch nie dagewesene Desavouierung.

    (Bundesminister Dr. Theodor Waigel: Es ist schlichtweg falsch, was Sie sagen!)

    Dies darf sich nicht wiederholen.