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ID1210423100

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    Plenarprotokoll 12/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Wolfgang Thierse SPD 8847 B Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/CSU 8849 D Wolfgang Thierse SPD 8850 A Ingrid Matthäus-Maier SPD . 8850C, 8854 C Wolfgang Roth SPD 8852 B Uwe Lühr F D P. 8856B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste . . . . . . . . . . . . . 8859 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8861 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 8861C Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/ CSU 8862 B Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 8864A, 8888B Wolfgang Roth SPD , . . 8868 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. 8870B Michael Glos CDU/CSU 8872A Dr. Klaus Zeh, Minister des Landes Thüringen 8875 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . 8876 A Ursula Schmidt (Aachen) SPD 8877 A Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup CDU/ CSU 8877 D Johannes Nitsch CDU/CSU . . . . . . 8879 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8879 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 8881 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 8883B, 8887 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 8887 A Anke Fuchs (Köln) SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8888 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 8888B Marion Caspers-Merk SPD 8892 A Dr. Sigrid Hoth F.D.P. . . . . . . . . 8893D Klaus Lennartz SPD 8895C, 8898 B Dr. Klaus W. Lippolt (Offenbach) CDU/ CSU 8897 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . 8898C, 8935 A Dr. Klaus Töpfer CDU/CSU 8899 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 8901 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 8903A, 8932 C Ulrich Junghanns CDU/CSU , . . . . . 8903 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . . 8905D Georg Gallus F D P 8907 A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Jan Oostergetelo SPD . . 8907B, 8909 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 8907 D Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 8908 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . 8909C Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister BMFT . . . . . . . . . . . . . . . 8910 A Siegmar Mosdorf SPD 8911B Josef Vosen SPD 8912 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 8914A Josef Vosen SPD 8916A, 8928 A,B Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. 8916C Achim Großmann SPD 8917D, 8925 B Dieter Pützhofen CDU/CSU 8920 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . . . . 8922 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 8924 A Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 8925 C Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 8925 D Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . . 8928 D Wilfried Bohlsen CDU/CSU 8930 C Ernst Waltemathe SPD . . . . 8931C, 8932 D Werner Zywietz F.D.P. 8934 A Manfred Kolbe CDU/CSU 8935 C Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . 8935 D Elke Ferner SPD 8937 C Manfred Kolbe CDU/CSU 8939 B Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT . . . . . . . . . . . . . 8940 D Peter Paterna SPD 8942 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 8943 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . . . . . 8946A Ursula Männle CDU/CSU 8949 B Dr. Edith Niehuis SPD . . . . . . . . 8951 B Maria Michalk CDU/CSU 8953 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . 8954 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 8955 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8957 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ . . . . . . . . . . . . . . . . 8959B Marianne Birthler, Ministerin des Landes Brandenburg 8962 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 8964 C Ottmar Schreiner SPD 8967 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 8969 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 8972 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . 8974 D Anke Fuchs (Köln) SPD 8975 A Renate Jäger SPD 8976 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 8977 D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 8979 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 8980 B Doris Odendahl SPD 8981 B Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink F.D.P. . 8983 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. (Erklärung nach § 32 GO) . . . . . . . . . 8984 A Nächste Sitzung 8984 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8985* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 8847 104. Sitzung Bonn, den 10. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 10. 09. 92**** Antretter, Robert SPD 10. 09. 92* Berger, Johann Anton SPD 10. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 10. 09. 92*** Joseph-Theodor Böhm (Melsungen), CDU/CSU 10. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 10. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 10. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 10. 09. 92**** Friedrich, Horst F.D.P. 10. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 10. 09. 92**** Gattermann, Hans H. F.D.P. 10. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 10. 09. 92 Haschke CDU/CSU 10. 09. 92 (Großhennersdorf), Gottfried Hinsken, Ernst CDU/CSU 10. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 10. 09. 92**** Jaunich, Horst SPD 10. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 10. 09. 92 Elke Lummer, Heinrich CDU/CSU 10. 09. 92* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 10. 09. 92**** Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oesinghaus, Günther SPD 10. 09. 92 Opel, Manfred SPD 10. 09. 92*** Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 10. 09. 92 Pofalla, Ronald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 10. 09. 92** Reddemann, Gerhard CDU/CSU 10. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 10. 09. 92 Rempe, Walter SPD 10. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 10. 09. 92*** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 10. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 10. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 10. 09. 92*** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 10. 09. 92 Sehn, Marita F.D.P. 10. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 10. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 10. 09. 92**** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 10. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Edith Niehuis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Ich muß Sie, Frau Männle, enttäuschen. Ich gedenke nicht über die älteren Menschen in dieser Welt zu reden und es auch nicht so lustig zu machen, wie Sie es getan haben.

    (Irmgard Karwatzki [CDU/CSU]: Wie Frau Fuchs es getan hat!)

    — Ich meine das gar nicht negativ. — Das, was ich sagen will, ist viel zu ernst. Ich versuche nur, für mich und für Sie den Übergang zu finden.
    Unsere Haushaltsdebatte fällt in eine Zeit, in der wir betroffen immer wieder von gewalttätigen Demonstrationen und Anschlägen auf Asylbewerberheime lesen, sie zum Teil auch selber erleben. Jugendliche in den neuen Bundesländern spielen dabei immer eine auffällige Rolle. — Sie verstehen mm, wie schwer es mir gefallen ist, den Übergang zu diesem Thema zu finden. — Unbestreitbar jedoch ist: Wir, die wir in die politische Verantwortung gewählt wurden, müssen über die Ursachen dieser Ausschreitungen nachdenken und das, was wir politisch leisten können, auch tun.
    Ich möchte gerne zu dem Haushalt über Jugend reden. Als wir im Dezember letzten Jahres hier im Parlament ausführlich über den Achten Jugendbericht geredet haben, waren Sie es, Frau Ministerin Merkel, die sich mit der Frage der Glaubwürdigkeit von Politik beschäftigte und dabei feststellte — ich zitiere —, „daß junge Leute ehrliche und sensible Beobachter sind und sehr schnell spüren, ob man ihre Befürchtungen und Sorgen ernst nimmt oder ob man sich nur vordergründig damit befaßt". Das sind natürlich Worte, die gerade in einer Zeit der Jugendausschreitungen nachdenklich machen müssen, insbesondere natürlich jene, die die Regierungsverantwortung tragen, also Sie, Frau Ministerin Merkel.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Ich bin weit davon entfernt, zu behaupten, eine gute Jugendpolitik auf Bundesebene könne von einem Tag auf den anderen alle Probleme lösen. Ich behaupte aber: Die Jugendpolitik dieser Bundesregierung braucht einen Kurswechsel, wenn sie aus dem Fiasko von heute überhaupt herauskommen und eine Chance haben will, die Probleme von heute, morgen und übermorgen zu lösen.
    Dieses möchte ich Ihnen an ein paar Punkten erläutern. Zu Recht hat Ministerin Merkel bei ihrem Besuch im September in Rostock angemerkt: „Wichtig ist, daß wir für die Jugendarbeit den erforderlichen langen Atem haben. " Wir von der SPD stimmen Ihnen da zu, fragen aber zugleich, warum Sie diese Erkenntnis in Ihrer eigenen Politik nicht umsetzen.

    (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Denn das Kennzeichen Ihrer Politik ist nicht langer Atem, sondern Kurzatmigkeit und damit zugleich auch bedenkliche Konzeptionslosigkeit.

    (Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

    Es mag noch angehen, daß nach der Vereinigung das Programm „Sommer der Begegnung" als eine gute Aktion angesehen werden kann, aber schon das „Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt" möchte ich einer kritisch-konstruktiven Betrachtung unterziehen.
    Es ist gut, daß dieses Programm nicht nur auf ein Jahr angelegt ist, sondern auf drei Jahre. Ob dies ausreicht, wird die Zeit uns zeigen.

    (Vorsitz: Vizepräsident Hans Klein)

    Doch ich kann nicht verstehen, daß Sie dieses Programm gerade in einer so unruhigen Zeit wie der



    Dr. Edith Niehuis
    heutigen im neuen Haushaltsentwurf um 2 Millionen DM kürzen; denn das hat dann mit einer logischen Konzeption doch wenig zu tun.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Was an dieser Kürzung symbolhaft deutlich wird, ist auch das Grundproblem dieses Programms. Sie haben dieses Programm rund um die Vorgänge in Hoyerswerda und mit Blick auf vorherige Vorgänge aufgelegt. Nun wissen wir aber im Westen seit Jahren und zunehmend auch im Osten — die Jugendverbände haben seit Jahren vor dieser Entwicklung gewarnt —, daß Ausländerfeindlichkeit und Gewaltbereitschaft inzwischen weit in bisher ganz unauffällige rechtsgerichtete Teile der Jugend eingesickert sind.
    Wenn solche Erkenntnisse vorliegen, dann ist es ein falscher konzeptioneller Ansatz, mit schnell lockergemachten Geldern für Sondermaßnahmen auf das Aufgehen der rechtsextremistischen Saat zu reagieren. Vielmehr bedarf es einer kontinuierlichen Jugendarbeit und einer politischen Jugendbildung, die orientierungslose und unzufriedene Jugendliche wahrscheinlich am ehesten auffangen können. Das ist keine Frage von Notprogrammen, sondern das ist die Forderung nach einer langfristig angelegten Strukturpolitik.

    (Beifall bei der SPD)

    Das bedeutet in der Jugendpolitik, daß man eine funktionierende Jugendhilfestruktur öffentlicher und freier Träger haben muß. Ich sage Ihnen damit nichts Neues. Sie haben das Ende August in Ihrem Interview mit der „Osnabrücker Zeitung" , wie ich finde, sehr drastisch und darum sehr deutlich ausgedrückt. Sie haben gesagt:
    Es ist eben ein Fehler, trotz angespannter öffentlicher Haushalte vornehmlich in Straßen oder Kläranlagen, aber nicht oder nur völlig unzureichend in kontinuierliche und vorbeugende Jugendhilfe ... zu investieren.

    (Beifall bei der SPD und der F.D.P.)

    In der Tat, Frau Ministerin, das ist ein Fehler, aber nicht nur, wie Sie meinen, ein Fehler der ostdeutschen Kommunen. Sie haben damit auch einen Kardinalfehler Ihrer eigenen Jugendpolitik angesprochen.

    (Beifall bei der SPD)

    Schon in dem Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost haben Sie keine Jugendhilfestrukturen vorgesehen, und Sie tun es auch im Haushaltsentwurf 1993 nicht.
    Ohne Zweifel ist die Haushaltslage des Bundes sehr angespannt. Der Bundesfinanzminister gibt vor, die Ausgabensteigerung auf 2,5 % zu begrenzen. Wenn ich diese Zahl vom Bundesfinanzminister höre, dann kann ich nur feststellen: Der Bundesfinanzminister scheint hier von Straßen und Kläranlagen zu reden — um in Ihrer Sprache zu bleiben —, aber nicht von der Jugendpolitik. Denn hier steht keine 2,5%ige
    Erhöhung, sondern eine empfindliche Kürzung ins Haus. Ich sage noch einmal: Das ist ein Fehler.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Es geht zunächst um das Nullwachstum bei dem Bundesjugendplan, dem klassischen Förderungsinstrument für die Jugendarbeit auf der Ebene des Bundes. Diese Stagnation bedeutet für viele Jugendverbände ein Minuswachstum, und das seit Jahren. Sie müssen auf Grund dieser faktisch rückläufigen Förderpolitik des Bundes seit Jahren institutionell und personell abspecken.
    Dies geht zu Lasten der praktischen Jugendarbeit vor Ort im Westen, aber nach der deutschen Vereinigung auch zu Lasten des Aufbaus von Strukturen freier Träger in den neuen Bundesländern. So manche notwendige Koordinierungs- und Anleitungsaufgabe für die neuen Länder kann auf diese Weise nicht wahrgenommen werden. Das schwächt den Aufbau freier pluraler Trägerstrukturen in den neuen Ländern, und es ist ein jugendpolitischer Rückzug, ohne daß wir überhaupt dort angekommen sind.

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Ja!)

    Doch wie konzeptionslos die Bundesregierung hinsichtlich der jugendpolitischen Aufgabe in den neuen Bundesländern ist, zeigt das Schicksal des AFT-Programms, jenes Programms, das angeblich zum Aufbau freier Träger in den neuen Bundesländern beitragen soll. Nach einem Jahr fallen diese Mittel — 50 Millionen DM — ersatzlos dem Rotstift zum Opfer. Sie haben sich dies selber eingebrockt; denn wer kurzfristig plant, wird von den Haushältern an die kurze Leine genommen.
    Die SPD, die — das wissen Sie — sehr zeitig auf dieses Programm kritisch reagiert hat, weil uns klar war, daß man in einem Jahr in den neuen Bundesländern keine Jugendhilfestruktur aufbauen kann, wird sich nicht damit begnügen, nichts zu tun und weiterhin zu kritisieren. Sie müssen zugeben: Wenn man von diesem Einjahresprogramm redet, dann stimmt das nicht. In Wahrheit ist es nur ein Programm von acht bis zehn Monaten. Wenn Sie dieses Programm jetzt auslaufen lassen, wie beabsichtigt, dann sind, so befürchte ich, auch die schon ausgegebenen 50 Millionen DM in den Sand gesetzt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Sie haben einer verbreiteten Perspektivlosigkeit in den neuen Ländern durch diese jugendpolitische Eintagsfliege eine neue Perspektivlosigkeit staatlicherseits verordnet. Tutoren, Beraterinnen und Berater, nur für ein paar Monate eingestellt und selber ohne Zukunft, sollten überzeugend für die Zukunft motivieren, wissend, daß im Dezember 1992 alles zu Ende ist.
    Perspektivlosigkeit kann nicht mit perspektivlosen Programmen erfolgreich begegnet werden. Diese Politik muß beendet werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Das Programm bringt einige Probleme mit sich. Das wissen Sie aus der Praxis genauso wie wir. Darum bedarf es einer Reparatur und einer Korrektur. Aber



    Dr. Edith Niehuis
    ich sage Ihnen: Wir werden uns als Sozialdemokraten sicher nicht verweigern, wenn es darum geht, dafür Sorge zu tragen, daß dieses Programm verlängert wird.

    (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Irmgard Karwatzki [CDU/CSU])

    Aber wir brauchen eine langfristige Perspektive; das sage ich dazu. Wir schlagen Ihnen vor, daß wir in den anstehenden Haushaltsberatungen über einen langfristig angelegten Sonderplan zur Entwicklung leistungsfähiger und pluraler Strukturen in den neuen Ländern reden und ihn gemeinsam verabschieden sollten.
    Daß auch Sie von den Regierungsparteien dieses Defizit spüren, Frau Funke-Schmitt-Rink, zeigt doch die Tatsache, daß Sie den Hilferuf aussenden, wir bräuchten eine Nationale Jugendkonferenz. Wenn Frau Nolte bestätigt: „Ja, wir brauchen dies", geben Sie mit dem Hilferuf das Defizit in Ihrer eigenen Politik zu.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich sage genauso deutlich: Wir werden uns an kurzfristigen, aktionsorientierten Programmen nicht beteiligen, wenn Sie uns nicht eine tragfähige Gesamtkonzeption vorlegen. Zu Recht bemängeln nämlich die Jugendverbände, daß diese Politik der jugendpolitischen Eintagsfliegen mit ihren immer wieder neuen Antrags- und Bewilligungsverfahren Arbeits- und finanzielle Kapazitäten überflüssigerweise binden, die bei Vorhandensein einer langfristigen jugendpolitischen Gesamtkonzeption viel effizienter eingesetzt werden könnten. Zu Recht bemängeln die Jugendverbände mangelnde Koordination der einzelnen Entscheidungsebenen. Bei einer guten Konzeption ließe sich mit dem gleichen Geld mehr bewerkstelligen.
    Als wir im letzten Jahr hier im Parlament Ähnliches diskutiert haben, dies aber nur die Warnungen in die Zukunft waren, kam bei meiner Rede der Zwischenruf aus den Reihen der CDU/CSU, ich betreibe die Darstellung der Apokalypse. Als Apokalypse oder Resignation verstehe ich auch das nicht, was ich heute gesagt habe. Aber meine Forderung nach einer jugendpolitischen Konzeption verstehe ich heute dringlicher als je zuvor.
    Danke schön.

    (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Hans Klein
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Abgeordnete Maria Michalk, Sie haben das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Maria Michalk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Fuchs, ich muß auf Ihre Rede zurückkommen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist aber nett von Ihnen!)

    Sie haben vorhin behauptet, es sei zwei Jahre lang
    nichts getan worden. Das ist eine Beleidigung der
    Menschen z. B. in Sachsen — wo Sie kandidiert
    haben —, die täglich mehr als 10 oder 12 Stunden arbeiten, um dieses kaputte Land aufzubauen.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Wären Sie Ministerpräsidentin geworden, hätten Sie Ihre wahre Freude an dem Aufbauwillen der Sachsen. Nach Ihrer heutigen Rede bin ich wirklich froh, daß Sie es nicht geworden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie haben mich nicht verstanden!)

    Ohne Frage befinden wir uns gegenwärtig in einer entscheidenden Phase, in der es um den Aufbau im Osten ebenso wie um die Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen im Westen Deutschlands geht. Nur wenn es uns gelingt, beides gleichermaßen zu verwirklichen, wird die innere Einheit letztlich gelingen.
    In den vergangenen zwei Jahren sind erhebliche Fortschritte erzielt worden. Dies sollte, ungeachtet aller Probleme und Schwierigkeiten, nicht übersehen werden. Vieles hat sich zum Besseren gewendet. Allerdings werden zahlreiche Verbesserungen häufig nur allzu rasch, wie wir heute gehört haben, zu kaum mehr wahrnehmbaren Selbstverständlichkeiten.
    Der Bund hat hierfür die finanzielle Hauptlast getragen und wird es auch in Zukunft tun, gemeinsam mit den Ländern. Der Schlüssel hierfür ist eine verläßliche und solide Haushaltspolitik. Dafür ist es unerläßlich, daß neben dem Bund auch Länder und Gemeinden konsequent den Weg strikter Ausgabenbegrenzung verfolgen. Der Bund hat mit seiner Beschränkung des Ausgabenwachstums um 2,5 % ein wichtiges Signal gesetzt.
    Der notwendige Aus- und Umbau, z. B. im Gesundheitswesen der neuen Länder, hat sich schneller, als erwartet, vollzogen. Engpässe bei der gesundheitlichen Versorgung, z. B. bei den Arzneimitteln, bei Heil- und Hilfsmitteln sowie bei der medizinisch-technischen Ausstattung der Krankenhäuser, konnten zu einem wesentlichen Teil abgebaut werden. Größere Anstrengungen sind aber auch noch erforderlich, um die zum Teil unzureichenden baulichen Verhältnisse in den Krankenhäusern zu verbessern.

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Das letzte war richtig!)

    Gleiches gilt insbesondere im Pflegebereich. Frau Ministerin Rönsch ist darauf ausführlich eingegangen.
    Beim Kampf gegen Aids und in der Drogenpolitik kann auf den bisherigen Erfahrungen aufgebaut werden. Mit dem Modellprogramm „Mobile Drogenprävention" — rund 1,8 Millionen DM bis 1993 — und dem Modellversuch „Integrierte Suchtberatungsstellen" — 5,4 Millionen DM bis 1993 — leistet das Bundesministerium für Gesundheit in den neuen Ländern differenzierend am Ort Vorbeugemaßnahmen sowie Hilfe und Beratung.

    (Zuruf von der SPD: Genug, es reicht!)

    Vor dem Hintergrund der Ausgabenbegrenzung ist es nur folgerichtig, wenn sich die Einzelpläne für die Bundesministerien für Frauen und Jugend sowie Bil-



    Maria Michalk
    dung und Wissenschaft im Rahmen der Eckwerte halten. Der Etat des Bundesministeriums für Familie und Senioren verzeichnet tatsächlich einen leichten Rückgang. Das hat seine Ursachen aber auch — das muß man ebenso sehen —, im Geburtenrückgang. Es wird eben weniger Erziehungsgeld ausgegeben.
    Die Situation in den neuen Bundesländern ist durch einen rasanten Wandel auf allen Gebieten gekennzeichnet und führt bei vielen Menschen zu Unsicherheiten und Desorientierung. Häufig fühlen sie sich angesichts der grundlegenden Veränderungen in nahezu allen Bereichen schlicht überfordert. Das sollten auch Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Sie können auch nicht verstehen, wenn wir hier dieses Parteiengezänk aufführen. Auch Sie sind doch wohl der Meinung, daß den Menschen im Grunde genommen geholfen werden muß. Und das kann man eben nicht nur mit Geld tun.
    Bei den jungen Menschen sind es vielfach Probleme, die für Heranwachsende nicht ungewöhnlich sind. Das gilt für Ost wie für West. Konflikte, z. B. mit den Eltern, sind in einem bestimmten Lebensalter eine ganz normale Erscheinung, ebenso Beziehungsprobleme, z. B. mit Partnerinnen und Partnern, Schul- und Ausbildungssorgen. Jedoch wird diese notwendige Umstellung auf die gesellschaftlichen Veränderungen dadurch zusätzlich mit Unsicherheiten belastet. Unsere jungen Leute hatten nicht genug Zeit, sich darauf vorzubereiten.
    Um allerdings einem Mißverständnis vorzubeugen: Die Mehrheit unserer jungen Menschen steht der Zukunft durchaus positiv und zuversichtlich gegenüber. Sie erkennen sehr wohl die vielfältigen Chancen und Perspektiven, die eine sehr offene Gesellschaft bietet. Die Demokratie läßt Raum für Selbstverantwortung und Eigeninitiative und ermöglicht Individualität.
    Die noch vor einem halben Jahr von Ihrer Seite beschworene Ausbildungskatastrophe zeichnet sich aus meiner Sicht im Moment nicht ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe mich an Ort und Stelle über die Zahlen vom Juli hinsichtlich der Ausbildungsplätze informiert. Wir wissen alle, daß wir insgesamt Lehrstellen im Überfluß haben. Aber in den einzelnen Regionen sieht es natürlich unterschiedlich aus. Beispiele: Freie Lehrstellen für Bewerber gibt es in Annaberg, Leipzig und Plauen; da sehen die Verhältnisse günstiger aus. In Oschatz und Pirna kommen etwa fünf Ausbildungssuchende auf eine Lehrstelle. In Bautzen — wo ich zu Hause bin — kommt auf zehn Bewerber eine Ausbildungsstelle.
    Damit will ich nur belegen, daß wir in der Summe die Zielstellung erreichen werden, aber daß es regional sehr wohl Unterschiede gibt. Hier sind die Wirtschaft und die öffentlichen Dienste gefordert. Wir werden auch nicht ohne überbetriebliche Ausbildungsplätze auskommen.
    Wir sollten auch nicht unerwähnt lassen und — da wir hier über den Bundeshaushalt diskutieren — ungewürdigt lassen, daß auch die Länder an dieser Stelle in ihre Verantwortung getreten sind und z. B.
    Sonderprogramme aufgelegt haben. Hier werden sie auch der Besonderheit der Situation von Mädchen und Jungen gerecht, indem sie z. B. Sonderprogramme aufgelegt haben, bei denen für einen Ausbildungsplatz bei einem Jungen 4 000 DM und bei einem Mädchen 5 000 DM gezahlt werden.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)