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ID1210422700

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    Plenarprotokoll 12/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Wolfgang Thierse SPD 8847 B Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/CSU 8849 D Wolfgang Thierse SPD 8850 A Ingrid Matthäus-Maier SPD . 8850C, 8854 C Wolfgang Roth SPD 8852 B Uwe Lühr F D P. 8856B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste . . . . . . . . . . . . . 8859 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8861 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 8861C Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/ CSU 8862 B Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 8864A, 8888B Wolfgang Roth SPD , . . 8868 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. 8870B Michael Glos CDU/CSU 8872A Dr. Klaus Zeh, Minister des Landes Thüringen 8875 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . 8876 A Ursula Schmidt (Aachen) SPD 8877 A Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup CDU/ CSU 8877 D Johannes Nitsch CDU/CSU . . . . . . 8879 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8879 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 8881 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 8883B, 8887 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 8887 A Anke Fuchs (Köln) SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8888 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 8888B Marion Caspers-Merk SPD 8892 A Dr. Sigrid Hoth F.D.P. . . . . . . . . 8893D Klaus Lennartz SPD 8895C, 8898 B Dr. Klaus W. Lippolt (Offenbach) CDU/ CSU 8897 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . 8898C, 8935 A Dr. Klaus Töpfer CDU/CSU 8899 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 8901 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 8903A, 8932 C Ulrich Junghanns CDU/CSU , . . . . . 8903 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . . 8905D Georg Gallus F D P 8907 A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Jan Oostergetelo SPD . . 8907B, 8909 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 8907 D Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 8908 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . 8909C Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister BMFT . . . . . . . . . . . . . . . 8910 A Siegmar Mosdorf SPD 8911B Josef Vosen SPD 8912 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 8914A Josef Vosen SPD 8916A, 8928 A,B Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. 8916C Achim Großmann SPD 8917D, 8925 B Dieter Pützhofen CDU/CSU 8920 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . . . . 8922 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 8924 A Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 8925 C Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 8925 D Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . . 8928 D Wilfried Bohlsen CDU/CSU 8930 C Ernst Waltemathe SPD . . . . 8931C, 8932 D Werner Zywietz F.D.P. 8934 A Manfred Kolbe CDU/CSU 8935 C Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . 8935 D Elke Ferner SPD 8937 C Manfred Kolbe CDU/CSU 8939 B Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT . . . . . . . . . . . . . 8940 D Peter Paterna SPD 8942 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 8943 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . . . . . 8946A Ursula Männle CDU/CSU 8949 B Dr. Edith Niehuis SPD . . . . . . . . 8951 B Maria Michalk CDU/CSU 8953 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . 8954 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 8955 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8957 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ . . . . . . . . . . . . . . . . 8959B Marianne Birthler, Ministerin des Landes Brandenburg 8962 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 8964 C Ottmar Schreiner SPD 8967 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 8969 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 8972 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . 8974 D Anke Fuchs (Köln) SPD 8975 A Renate Jäger SPD 8976 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 8977 D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 8979 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 8980 B Doris Odendahl SPD 8981 B Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink F.D.P. . 8983 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. (Erklärung nach § 32 GO) . . . . . . . . . 8984 A Nächste Sitzung 8984 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8985* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 8847 104. Sitzung Bonn, den 10. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 10. 09. 92**** Antretter, Robert SPD 10. 09. 92* Berger, Johann Anton SPD 10. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 10. 09. 92*** Joseph-Theodor Böhm (Melsungen), CDU/CSU 10. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 10. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 10. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 10. 09. 92**** Friedrich, Horst F.D.P. 10. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 10. 09. 92**** Gattermann, Hans H. F.D.P. 10. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 10. 09. 92 Haschke CDU/CSU 10. 09. 92 (Großhennersdorf), Gottfried Hinsken, Ernst CDU/CSU 10. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 10. 09. 92**** Jaunich, Horst SPD 10. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 10. 09. 92 Elke Lummer, Heinrich CDU/CSU 10. 09. 92* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 10. 09. 92**** Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oesinghaus, Günther SPD 10. 09. 92 Opel, Manfred SPD 10. 09. 92*** Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 10. 09. 92 Pofalla, Ronald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 10. 09. 92** Reddemann, Gerhard CDU/CSU 10. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 10. 09. 92 Rempe, Walter SPD 10. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 10. 09. 92*** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 10. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 10. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 10. 09. 92*** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 10. 09. 92 Sehn, Marita F.D.P. 10. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 10. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 10. 09. 92**** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 10. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Anke Fuchs


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen von Frau Rönsch geben mir doch Anlaß, das zu tun, was ich mir eh vorgenommen hatte. Ich hatte gedacht, die Rede ist so spannend, daß ich alles umwerfen muß. Aber sie hat im Grunde so geredet, wie ich gedacht habe. Deshalb kann ich dabei bleiben, daß ich in dieser verbundenen Debatte versuche, Bilanz zu ziehen.
    Wir haben hier drei Tage Haushaltsberatungen hinter uns. Ich habe ziemlich viel zugehört, angefangen bei der Rede des Herrn Finanzministers. Ich möchte eigentlich eine politische Bilanz zu ziehen versuchen und komme dann auch noch auf das, was Frau Rönsch gesagt hat. Am Ende der Haushaltsdebatte - so zeichnet es sich heute ab — weiß die Öffentlichkeit eigentlich immer noch nicht, wie es um die Staatsfinanzen steht, sie kann es sich aber denken. Wir, die Opposition, haben es von Ihnen, nämlich der Bundesregierung, nicht erfahren.
    Wir denken, daß Sie hier ein Stück aufführen, das den Titel trägt: „Denn sie wissen nicht, was sie tun", und am Ende kommen Steuererhöhungen heraus, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    „Sie wissen nicht, was sie tun" war, wie viele sich erinnern, ein Kassenschlager im Kino in den 50er Jahren. Heute bezeichnet dieser Slogan die leeren Kassen des Haushalts 1993. Sie bieten keine Perspektive für die Zukunft, auch, Frau Rönsch, keine über den Tag hinausgehenden, wegweisenden Entscheidungen. Und mir ist dabei klargeworden, meine Damen und Herren: Ihr Problem sind nicht nur die leeren Kassen, Ihr Problem ist, daß Sie über 10 Jahre hinweg allmählich den Anschluß an die gesellschaftliche Wirklichkeit verloren haben.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Die Koalition wird getragen von drei Parteien, die alle in der Vergangenheit leben. „Mit uns zurück in die 50er Jahre! " — Das ist das heimliche Motto, die Perspektive von CDU und CSU. Und wenn ich mir die sozialpolitischen Vorschläge der F.D.P. anhöre, dann erscheinen vor meinem geistigen Auge unwillkürlich Dampfmaschinen, Industriebosse im Bratenrock, und ich befinde mich unversehens im 19. Jahrhundert.

    (Beifall bei der SPD)

    Gemeinsam hat die Koalition eine Haltung, die sich mit dem Wort umschreiben läßt: Das Ich und Mich, das Mir und Mein regiert in dieser Welt allein.
    Diese Haltung fällt jetzt auf Sie zurück. Sie erleben jetzt, daß Sie Opfer Ihres Weltbildes werden. Sie haben Wasser gepredigt und Wein getrunken und einer Politik der sozialen Kälte und der Ellenbogengesellschaft den Weg gewiesen.

    (Beifall bei der SPD)

    Es hat Sie schon in den 80er Jahren nicht gestört, daß
    der soziale Konsens zu bröckeln anfing; Stichworte:
    Zweidrittelgesellschaft und Armut. Eine Mehrheit hatte Sie ja gewählt. Für die anderen haben Sie sich nicht verantwortlich gefühlt. Jetzt wundern Sie sich alle miteinander, daß immer mehr Menschen im Lande nur zu bereit sind, ihre Ellenbogen auch zu benutzen, meine Damen und Herren. Wahr ist doch — das ist diese Woche nochmals klargeworden; das hat alles auch etwas mit dem Haushalt von Frau Rönsch zu tun —, daß falsche Weichenstellungen im Osten und eine Wirtschaftspolitik, die diesen Namen nicht verdient hat, den Aufschwung in den fünf neuen Ländern verhindert haben.

    (Irmgard Karwatzki [CDU/CSU]: Frau Fuchs, das glauben Sie selbst nicht!)

    Sie haben Fehler gemacht, en détail und en gros. Im Detail war es falsch, in der Eigentumsfrage das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung" durchzusetzen. Nehmen Sie das endlich zurück, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Es war falsch, der Treuhand nicht den Auftrag zu geben, eine aktive Industriepolitik zu betreiben. Ändern Sie das endlich, meine Damen und Herren! Es war falsch, keine Infrastrukturprogramme zum Aufbau der Kommunen in Ostdeutschland aufzulegen. Tun Sie endlich etwas, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei der SPD)

    Es war falsch, die Menschen in Arbeitslosigkeit zu schicken, statt Arbeit zu organisieren. Sie haben im Westen nichts gegen 2 Millionen Arbeitslose in der Hochkonjunktur getan. Sie tun jetzt in Ostdeutschland ebenfalls nichts. Wollen Sie eigentlich nicht, oder können Sie nicht? Ich glaube, beides. Es paßt nicht in Ihren ideologischen Kram, daß der Staat auf dem Arbeitsmarkt eingreift. Weil es Ihnen nicht paßt, haben Sie es auch nie gelernt. So einfach ist das.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU]: Nur für Sie!)

    Das wird auch aus einer Nebenbemerkung des Finanzministers von vorgestern klar. Er sagte — das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen —: Für 1993 gibt es keinen Bundeszuschuß mehr für die Bundesanstalt für Arbeit. Was heißt das eigentlich?

    (Dr. Uwe Küster [SPD]: Soziale Kälte!)

    Damit sagen Sie klipp und klar: Die Bundesregierung entläßt sich selbst aus der Verantwortung für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

    (Beifall bei der SPD —Arne Fuhrmann [SPD]: Das ist ein Skandal!)

    Die Beitragszahler, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sollen in Zukunft allein die Arbeitslosigkeit ausbaden. Folgt man Ihnen, sind sie auch selbst schuld an ihrer Malaise. Denn die einen investieren zu wenig im Osten und werden von Ihnen beschimpft, die anderen feiern ständig krank. So muß eben Strafe her,



    Anke Fuchs (Köln)

    und die heißt in diesem Fall: keine Zuschüsse mehr für die Bundesanstalt für Arbeit.

    (Norbert Eimer [Fürth] [F.D.P.]: Kann es sein, daß Sie ein falsches Manuskript haben?)

    Wie mühsam haben wir miteinander die Instrumente der Arbeitsförderung aufgebaut! Sie bauen sie jetzt aus vordergründigen fiskalischen Gründen ab. Ich sage deswegen: Sie nehmen Arbeitslosigkeit im Westen wie im Osten in Kauf. Das zeigt auch die Kürzung der Mittel für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die im Haushalt des Bundesarbeitsministers jetzt vorgenommen werden muß.
    Damit springe ich gleich zu Frau Rönsch. Sie hat in diesen Tagen gesagt: Oh, wie schrecklich ist das doch mit der Armut; aber so schlimm ist es gar nicht. Was nicht sein darf, das kann nicht sein. Dann wollte sie die Ursachen der Armut bekämpfen. Ich sage Ihnen: Die Hauptursache für Armut besteht darin, daß Menschen nicht die Chance haben, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, und deswegen auf einen anderen Weg gewiesen werden.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    In diesem Zusammenhang ist es besonders verhängnisvoll, daß bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nicht geklotzt, sondern wieder gekleckert wird, daß Sie aus fiskalischen Gründen eine Rückführung der Mittel vornehmen müssen und uns sagen: Im nächsten Jahr zieht sich die Bundesregierung aus der Finanzierung der Arbeitslosigkeit zurück. Ich halte das für sehr schlimm. Die Folge wird steigende Armut sein. Die können wir dann auch durch die beste Sozialhilfe nicht auffangen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dann hat er nochmals ein paar hunderttausend Menschen in die Arbeitslosigkeit geschickt, der Herr Bundesfinanzminister.

    (Hans Peter Schmitz [Baesweiler] [CDU/ CSU]: Verwechseln Sie doch nicht Ursache und Wirkung! Das wissen Sie doch!)

    Denn er lehnt es immer noch ab, der Treuhand den Auftrag zu geben, in wichtigen Branchen zu investieren, statt zu privatisieren. Sie begreifen nicht, Herr Kollege, worin der wirtschaftliche Erfolg im Westen gelegen hat: nicht im Treibenlassen, nicht im Nichts tun, sondern darin, daß wir Strukturveränderung ökonomisch und sozial über Jahre hinweg begleitet haben. Husch, husch, wie der Bundeskanzler es versprochen hat, geht es natürlich nicht. Aber unsere guten Erfahrungen aus dem Westen sollten wir im Osten anwenden. Es ist erbärmlich, daß Sie sich dazu immer noch nicht durchringen können.

    (Beifall bei der SPD)

    Es muß aufhören, daß Sie alles treiben lassen und daß man nicht weiß, welches Ressort zuständig ist: das von Herrn Blüm, das von Frau Merkel oder das von Frau Rönsch, was aber ohnehin keinen Unterschied macht.
    Die gleiche Phantasielosigkeit merke ich, wenn ich zu einem Thema komme, von dem Sie im Grunde auch glauben, die Mehrheit außen vor lassen zu können.
    Das ist die Pflegeversicherung. Der Bundesfinanzminister hat dieses Thema im Zusammenhang mit der Entlastung der Kommunen erwähnt, Herr Kollege Blüm. Sonst hat er darüber kein Wort verloren. Er hat ganz stolz gesagt, ab 1996 würden die Kommunen wegen der Pflegeversicherung entlastet. Da frage ich: Wo denn? Wie denn? Was denn? Wann kommt denn die Pflegeversicherung? Was ist bis 1996? Bis sie kommt, spielt die Bundesregierung die Pflegebedürftigen gegen die Arbeitnehmer aus:

    (Hans Peter Schmitz [Baesweiler] [CDU/ CSU]: Was haben Sie denn getan, als Sie im Amt waren?)

    Die einen sollen auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder auf Urlaub verzichten oder sich „irgend etwas Komisches" anrechnen lassen — jeder weiß: das rechnet sich gar nicht —, damit die anderen, nämlich die älteren Pflegebedürftigen, endlich menschenwürdig versorgt werden können. Ich sage ganz ruhig: Wer in diesem Land ernsthaft will, daß jemand Überstunden macht, weil er krank ist, der ist nicht ganz bei Trost.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Das ist ein Zurück in die sozialpolitische Steinzeit. Ötzi, der Mann aus dem Gletschereis, war dagegen ein Ausbund an Modernität.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich komme zu dem Schluß: In dieser Regierung sitzt eine Partei, die nichts anderes tut, als die Anliegen der Satten und Wohlhabenden dieser Gesellschaft zu vertreten. Die brauchen im Alter aber keine Pflegeversicherung. Und weil man das als Partei so unverfroren nicht sagen darf, hantiert man mit Begriffen wie Eigenverantwortlichkeit oder Individualismus. Diese Begriffe benutzen Sie als Keule gegen die Wünsche der übergroßen Mehrheit. Sie behaupten — wie Sie das schon immer getan haben —, daß sich die Menschen mit sozialer Absicherung nicht frei entfalten könnten. Es geht Ihnen um das Gegenteil. Aber: Nicht für die Mehrheit der Menschen ist der Sozialstaat eine Bedrohung, meine Damen und Herren von der F.D.P., sondern für eine kleine Minderheit, die um die Bewahrung von Besitzständen und Privilegien kämpft. Das ist Ihre Politik.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Auch Frau Rönsch lebt mit ihren familienpolitischen Vorstellungen in den 50ern. Sie weiß nicht, was sie tut.

    (Walter Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Sie wissen nicht, was Sie sagen! So ein Quatsch!)

    Frau Rönsch sagt: Wir wollen eine ordentliche Familie. Wir brauchen eine normale Familie. — Ich habe mich gefragt: Was ist das? Sind Sie erschreckt, daß in den fünf neuen Ländern so viele Frauen ihre Kinder allein erziehen? Sind Sie erschreckt, weil dort 86 % der Frauen erwerbstätig waren und es auch bleiben wollen? Die beste Politik für die Frauen in den fünf



    Anke Fuchs (Köln)

    neuen Ländern wäre, zu verhindern, daß sie aus dem Arbeitsmarkt herausgedrängt werden.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

    Ich habe den Verdacht, mit Ihrem Gerede von der „ordentlichen Familie" möchten Sie erreichen, daß die Frauen im Osten denselben Fehler machen wie die Frauen im Westen, nämlich den, daß sie sich mit einer geringen Erwerbsbeteiligung abgefunden haben und sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer wieder an den Herd zurückversetzen lassen. Das verstehen Sie unter „ordentlicher Familie": jedem Mann und jeder Frau seinen bzw. ihren vom lieben Gott zugewiesenen Platz. Man mag es gar nicht fassen, wie tief das in den Köpfen steckt — auch bei Ihnen, Frau Kollegin —, eine Mischung aus Ideologie und Berechnung.
    Ihre geistigen Vorväter, meine Damen und Herren von der Koalition, haben das Wahlrecht der Frauen bis aufs Messer bekämpft. An manche Debatte zum Ehe- und Familienrecht, in der dieses Gedankengut artikuliert wurde, erinnere ich mich. Noch heute müssen wir Frauen zäh Stück für Stück den gleichberechtigten Zugang zum Erwerbsleben erkämpfen. Es kommt mir so vor, als ob Frau Rönsch ihre Politik mehr als Aufstellen von Benimmregeln denn als Formulieren politischer Ziele versteht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie habe ich wenig gehört. So ein bißchen klingt bei Ihnen an, Sie möchten es eigentlich ganz gern so haben, wie es früher war. Da haben die Frauen gefragt: Wie kriege ich einen Mann? Einen Mann heiraten, der die Frau mit starkem Arm durchs Leben führt, das war das Ideal.

    (Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU]: Sie müssen ein tiefes Trauma haben, Frau Kollegin!)

    Ich sage Ihnen noch einmal: Das gab es nur einmal, das kommt nie wieder, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Nun zu der Frage, die meine Kollegin Matthäus-Maier angesprochen hat — auch da weiß ich wieder nicht so genau, wer bei Ihnen dafür zuständig ist —: Wie ist es eigentlich — das muß auch die Kolleginnen von der F.D.P. interessieren — mit den sozialen Begleitmaßnahmen zum § 218?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Frau Fuchs, dem Freistaat Sachsen ist viel erspart geblieben!)

    Ich habe — auch nicht von den Kolleginnen und Kollegen in den Ausschüssen, bei denen ich mich informiert habe — nirgendwo gehört, daß die Frage der sozialen Hilfe und der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz im Etat für 1993 ihren Niederschlag gefunden hätten. Wo bleibt denn da die Hilfe, die wir
    mit der Änderung des § 218 angemahnt haben, meine Damen und Herren?

    (Norbert Eimer [Fürth] [F.D.P.]: Das Haushaltsrecht sollten Sie wenigstens kennen! So ein Schmarren!)

    Dann hat Frau Rönsch sehr viel zum Kindergeld gesagt. Frau Rönsch, da müssen Sie noch ein bißchen mit uns nachdenken.
    Für Sie, Frau Rönsch — das klingt bei Ihnen an —, heißt Familie wirklich Ehe plus Kinder. Wir alle wissen, daß dies nicht mehr ausschließlich das ist, was unter Familie zu verstehen ist. Also muß man doch, wenn man sich den Aufwand für Ehegattensplitting und Kindergeld ansieht, fragen: Wie kann ich das, ohne mehr Geld ausgeben zu müssen, ordentlich verteilen? Auf Dauer muß es doch so sein, daß wir nicht die Tatsache der Eheschließung steuerlich begünstigen, sondern mit der Begünstigung beim Kindergeld anfangen, und zwar für jeden gleich, 250 DM ab erstem Kind. Das sind unsere Forderungen seit langem. Dazu hätte ich gern ein Wort von Ihnen, Frau Ministerin, gehört.

    (Beifall bei der SPD, der PDS/Linke Liste und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU)

    — Ja, Sie belassen es bei Ihrer geistigen Welt aus den 50er Jahren. 30 Milliarden DM Aufwand für Ehegattensplitting, unabhängig von der Frage, ob ein Kind vorhanden ist oder nicht, Kindergeld je nachdem, wieviel verdient wird, nach dem Motto, je mehr ich verdiene, desto mehr Kindergeld bekomme ich, das ist sozial ungerecht, das ist nicht emanzipatorisch. Deswegen sage ich zu Recht: Sie leben in der Geisteswelt von gestern und haben die Realitäten von heute nicht begriffen.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Wir werden, Frau Ministerin, demnächst Gelegenheit haben, uns sehr ausführlich mit dem Thema älterwerdende Generation zu beschäftigen. Was da von Ihnen kam, war noch ein bißchen dünne.

    (Hans Peter Schmitz [Baesweiler] [CDU/ CSU]: Das, was von Ihnen kam, war noch dünner!)

    Deswegen wollen wir auch eine Enquete-Kommission, von der ich hoffe, daß es in ihr kein parteipolitisches Geplänkel gibt. Ich sage es immer so: Meine Tochter wird im Jahre 2030 60 Jahre alt. Ich möchte gern, daß sie in eine Gesellschaft hineinwächst, in der das Altwerden und das Mit-Alten-Leben selbstverständlicher sind als heute. Insofern haben wir, glaube ich, gemeinsam eine große Aufgabe vor uns, nicht nur was Geld anlangt, sondern auch was diese Enquete-Kommission anlangt. Ich freue mich, wenn wir das miteinander machen.
    Zu dem, was Sie hier von Ihrem Bundesaltenplan erzählt haben: Es ist klar, so schöne Broschüren hat man gern. Einen Altenplan, wo man schauen kann, was man vor Ort daraus machen kann, hat man gern.



    Anke Fuchs (Köln)

    Und dann kommen Ihre Seniorenbüros, die Sie sogar in einer Riesenanzeige propagiert haben. Dafür haben sich ganz viele Leute gemeldet und gesagt: Auch wir wollen mitmachen. — Sie haben gerade 16 Büros hinbekommen, dann war das Geld alle. Und die sind auch nur für drei Jahre installiert. Damit, meine Damen und Herren, schaffen Sie kein Vertrauen. Damit machen Sie eine eigentlich gute Sache kaputt. Das zeigt mir, daß Sie zu kurz gesprungen sind, als Sie behaupteten, Sie hätten schon ein Projekt oder ein Modell, das zukunftsträchtig sei.

    (Beifall bei der SPD)

    In der Haushaltsdebatte vor einem Jahr, meine Damen und Herren, habe ich behauptet, diese Regierung interessiere sich nicht mehr für das Land, und dieses Land interessiere sich nicht mehr für seine Regierung. Sie haben mir damals Polemik vorgeworfen. Aber heute stellt sich heraus: Meine Behauptung war eine Untertreibung.

    (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

    Die Wirklichkeit heute ist: Dieses Land hat keine Regierung mehr, weil diese Regierung kein Land mehr sieht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Sie bezahlen für zehn Jahre Durchwursteln und mogeln sich an den Problemen vorbei. Das ist der tiefere Grund für Ihr Scheitern, spätestens bei den nächsten Bundestagswahlen. Davon bin ich überzeugt.

    (Beifall bei der SPD — Irmgard Karwatzki [CDU/CSU]: Das werden wir sehen!)

    Wir sind nicht betriebsblind. Deswegen konzediere ich Ihnen gern: Sorgenfreies Regieren gibt es in dieser Zeit des Zusammenwachsens Deutschlands nicht. Wir unterstützen Sie deshalb in vielen praktischen Fragen. Aber meine feste Überzeugung ist, daß der Vertrauensverlust in diese Regierung mit den leeren Kassen nur vordergründig zu tun hat. Er hat damit zu tun, daß bei Ihnen geistige Leere herrscht.

    (Norbert Eimer [Fürth] [F.D.P.]: Und bei Ihnen geistige Verwirrung!)

    Und das ist ziemlich verhängnisvoll. Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Rede von Renate Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nun hat Frau Professor Ursula Männle das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Ursula Männle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Fuchs, eigentlich hatte ich mich gefreut, nach Ihnen reden zu dürfen, weil ich glaubte, man könne in eine sachliche Auseinandersetzung treten.

    (Dr. Walter Franz Altherr [CDU/CSU]: Das war nichts Substantielles!)

    Ich habe Sie immer als gute, substantiell agierende,
    erfahrene Politikerin gekannt. Aber das, was Sie
    heute gesagt haben, war Ihrer wirklich unwürdig. Es
    waren billige Sprüche. Es tut mir leid, daß ich das so sagen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich bin entsetzt und enttäuscht über das, was Sie hier zu einigen Punkten gesagt, mit welchen Unterstellungen Sie gearbeitet haben, gerade was z. B. das Familienbild oder Fragen wie ABM angeht.
    Frau Fuchs, Sie müßten es eigentlich noch ganz genau wissen, weil auch Sie damals große Verantwortung getragen haben. 1982 haben Sie bei einer etwa gleich hohen Arbeitslosigkeit 20 000 AB-Maßnahmen geschaffen. 1990 haben wir 90 000 AB-Maßnahmen finanziert.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So war es!)

    Heute gibt es 60 000 in den alten und 300 000 in den neuen Bundesländern. Wenn Sie Zahlen oder andere konkrete Dinge präsentiert hätten, hätte man sofort sehen können, wie leer all das war, was Sie gesagt haben. Das, was Sie hier bringen, ist ein Krisenszenario, das Ihrer wirklich nicht würdig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. — Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Frau Fuchs, ich möchte hier jetzt im Zusammenhang sprechen, weil ich denke, daß ich auf viele Punkte, die Sie angesprochen haben, im Rahmen meiner Ausführungen eingehen kann.
    Lassen Sie mich mit einigen Aussagen zur Familienpolitik beginnen: Von Ihnen ist ein Familienbild gezeichnet worden, das sicherlich nichts mit der Realität gemein hat. Krisentheoretiker aus der Politik, gerade aus Ihren Kreisen — heute wurde es deutlich —, haben schon seit Jahren das baldige Ende der Familie prophezeit. Sie hätten es gerne gehabt.

    (Joachim Hörster [CDU/CSU]: So ist es!)

    Aber die Umfrageergebnisse machen ganz deutlich: Die Lebensform Familie hat Zukunft. Die gesellschaftliche Bedeutung der Familie ist ungebrochen.

    (Irmgard Karwatzki [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Die Familie genießt eine große Wertschätzung in der Bevölkerung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Sie ist heute unverzichtbarer Bestandteil der Lebensplanung der überwiegenden Mehrheit der jüngeren Generation. In Familien suchen und erfahren Menschen Geborgenheit, emotionale Zuwendung, Sinnorientierung, Gemeinsinn und Unterstützung.

    (Zuruf von der SPD: Alles Wunsch!)

    — Das ist kein Wunsch, das ist Gott sei Dank auch Realität, Realität bei vielen. Ich wünsche, daß es noch mehr werden — ohne die Familie zu idealisieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Die Familie ist wichtigste Erziehungs- und Bildungsgemeinschaft für Kinder, ein zentraler Ort der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und eine unverzichtbare Institution zur Vermittlung gesellschaftlich-kultureller Werte, Normen und Verhaltens-



    Ursula Männle
    weisen. Familien sind die Leistungsträger der Gesellschaft, nicht andere Organisationen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Ich gebe Ihnen recht: Es wird so gerne von der Familie gesprochen. Familie hat heute viele Formen. Dazu stehen wir. Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturwandel hat auch die Familien verändert, ihre Aufgaben, ihre Leistungen, ihr Innenleben. Die Beziehungen der Familie zur Außenwelt, auch die Erwartungen der einzelnen Familienmitglieder heute an das Leben in und mit der Familie haben sich gewandelt. Frauen, Mütter, haben heute völlig andere Vorstellungen als vor 50 Jahren. Sie fordern Unterstützung von ihren Männern, von ihren Kindern.

    (Irmgard Karwatzki [CDU/CSU]: Auch das wollen wir!)

    Das ist richtig, und wir unterstützen dies. Sie fordern mit Recht ein Umdenken, mehr Gemeinsinn in der Familie und gleiche Verteilung von Rechten und Pflichten. Und: Zunehmend wird Familie als ein sozialer Raum betrachtet, in dem der einzelne auch „Ich" sein darf, in dem der einzelne als Person zählt.
    Familie als Ort des Nichtöffentlichen soll dem einzelnen auch eine Verschnaufpause von Rollenzwängen, von Leistungsdruck, von Konkurrenz bieten. Vielen gilt die Familie heute als ein emotionales Rückgrat einer entpersönlichten Welt.
    Familie ist natürlich nicht nur Harmonie. Familie als soziales Netz ist auch Ort der Auseinandersetzung, ist Kampf zur Durchsetzung unterschiedlicher Interessen. Wir brauchen eine staatliche Familienpolitik, die den geänderten gesellschaftlichen Wertvorstellungen Rechnung trägt.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ich komme schon noch auf die Finanzen; keine Bange. Familie ist aber Gott sei Dank nicht nur Finanzielles.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Das Schlimme ist ja, daß wir heute alles, aber wirklich alles nur in Mark und Pfennig ausdrücken.

    (Widerspruch bei der SPD)

    — Doch.
    Wir haben jetzt eine Haushaltsdebatte, und in der muß man auch sagen, wer Leistungsträger in der Gesellschaft ist und in welche politische Richtung wir gehen. Unser Konzept umfaßt: finanzielle Entlastung von Familien, materielle Unterstützung der Familien, effektive Angebote und Hilfen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Konfliktberatung, Schaffung einer familiengerechten Infrastruktur — das alles gehört natürlich zur Familienpolitik. Gemessen werden muß die Familienpolitik an dem Kriterium: Inwieweit ermöglicht sie Familien, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten.
    Frau Fuchs, Sie haben vorhin gefragt: Was ist seit 1982 in der Familienpolitik geschehen? Lassen Sie mich einige Stichworte nennen: die dreistufige Steuerreform, die Wiedereinführung des Kinderfreibetrages.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ein ungerechtes Kindergeld!)

    — Liebe Frau Fuchs, da Sie gerade das Kindergeld ansprechen: Was schlagen Sie vor? Sie wollen keinen Kinderfreibetrag; Sie wollen ein einheitliches Kindergeld. Sie wollen, daß Familien genausoviel Steuern zahlen wie alle anderen. Sie nehmen ihnen also erst mal Geld weg. Dann wollen Sie den Familien wieder etwas zurückgeben, aber weniger, als Sie ihnen weggenommen haben. Selbstverständlich wollen Sie dann noch ein Dankeschön der Familien dafür. Genau das ist Ihre Familienpolitik.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Aber Kind ist doch Kind!)

    Wir müssen eine differenzierte, an den unterschiedlichen Familiensituationen orientierte Politik betreiben. Vor allem müssen wir Familien befähigen, ihre Aufgaben wahrnehmen zu können.
    Wir haben die Situation der Familie deutlich verbessert. Selbst das Bundesverfassungsgericht hat sehr lobend anerkannt, daß wichtige familienpolitische Schritte unternommen worden sind. Erinnern Sie sich doch an die Situation von 1982! Hatten Sie Erziehungsgeld eingeführt? Hatten Sie Erziehungsurlaub eingeführt?

    (Irmgard Karwatzki [CDU/CSU]: Nein!)

    Hatten Sie die Anrechnung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung eingeführt?

    (Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)

    Nichts von all dem. Das war Ihre Bilanz im Jahre 1982.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Eine NullBilanz!)

    — Ja, sehr richtig. Es ist unverfroren, wenn Sie jetzt fragen, was in den letzten zehn Jahren geschehen ist.
    Sie haben auch in die Zukunft geblickt, aber wir haben von Ihnen nichts darüber gehört, was Sie tun wollen.

    (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Gleiches Kindergeld für alle!)

    — Ich habe vorhin schon gesagt, daß das hieße, den Familien weniger zu geben, als Sie ihnen zuvor genommen haben.
    Wir wollen die Nichtbesteuerung des Existenzminimums für Kinder.

    (Arne Fuhrmann [SPD]: Das sieht Waigel aber ganz anders! Da hat er auch schon Ärger mit dem Verwaltungsgericht! Seien Sie vorsichtig, Frau Männle, sonst kriegen Sie Ärger mit Ihrem Minister!)

    — Nein, das sieht Herr Waigel überhaupt nicht anders. Wir haben in diesem Jahr den Kinderfreibetrag erneut erhöht. Dies wird so weitergehen. Wir Familienpolitiker wollen natürlich mehr Familienentlastung und Familienförderung. Natürlich wissen wir, daß wir



    Ursula Männle
    nicht alles sofort durchsetzen können. Sie propagieren die Politik: „Wir wollen alles — und zwar sofort. " Ich sage ganz deutlich: Eine derartige Politik können wir nicht betreiben. Dies ist unverantwortliche Politik. Es muß bedacht werden, welche Schwerpunkte wir in unserem Haushalt insgesamt setzen müssen, auch angesichts der Aufgaben im Rahmen der Herstellung der Deutschen Einheit.
    Darauf kann ich nicht mehr eingehen, weil ich auf Sie so stark eingegangen bin — —

    (Irmgard Karwatzki [CDU/CSU]: Schade!)

    — Es ist wirklich schade, daß ich Sie so ernstgenommen habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn wir Familienpolitik betreiben, müssen wir deutlich machen, daß Politik für Familien unterschiedliche Facetten hat, materielle wie ideelle, und daß hier verschiedene politische Ebenen zu beachten sind. Ich war wirklich entsetzt, liebe Frau Fuchs, daß Sie nicht einmal wußten, daß der Bereich der Kindergärten Sache der Länder ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)

    Und in Ihrem seinerzeitigen Entwurf für den Haushalt 1983 war kein Hinweis auf eine beabsichtigte Lösung der Kindergartenfrage enthalten.

    (Zuruf der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD])

    — Man konnte ihn gar nicht finden, weil Sie den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz in ihm gar nicht vorgesehen hatten.
    Das haben Sie für das Jahr 1983 nicht in Angriff genommen. Machen Sie also den Leuten, die hier oben sitzen, doch nichts vor!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

    Diejenigen, die sich ernsthaft mit den Problemen auseinandersetzen, wissen, wer etwas getan hat, und werden honorieren, daß wir es getan haben.
    Es tut mir leid, daß ich jetzt die ganzen Ausführungen über die Situation der alten Menschen nicht mehr vortragen kann. Ich denke aber, daß die Kollegen, die nach mir reden, dies noch aufgreifen werden und unsere Positionen zu dieser Frage deutlich machen. Frau Fuchs, Wahrheit muß Wahrheit bleiben!

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)