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    Plenarprotokoll 12/104 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 104. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1993 (Haushaltsgesetz 1993) (Drucksache 12/3000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1992 bis 1996 (Drucksache 12/3100) Wolfgang Thierse SPD 8847 B Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/CSU 8849 D Wolfgang Thierse SPD 8850 A Ingrid Matthäus-Maier SPD . 8850C, 8854 C Wolfgang Roth SPD 8852 B Uwe Lühr F D P. 8856B Dr. Fritz Schumann (Kroppenstedt) PDS/ Linke Liste . . . . . . . . . . . . . 8859 B Werner Schulz (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8861 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . 8861C Dr. Günther Krause (Börgerende) CDU/ CSU 8862 B Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 8864A, 8888B Wolfgang Roth SPD , . . 8868 B Jürgen W. Möllemann F.D.P. 8870B Michael Glos CDU/CSU 8872A Dr. Klaus Zeh, Minister des Landes Thüringen 8875 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . 8876 A Ursula Schmidt (Aachen) SPD 8877 A Dr. Reinhard Meyer zu Bentrup CDU/ CSU 8877 D Johannes Nitsch CDU/CSU . . . . . . 8879 B Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 8879 D Kurt J. Rossmanith CDU/CSU 8881 D Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 8883B, 8887 C Ingrid Matthäus-Maier SPD 8887 A Anke Fuchs (Köln) SPD (Erklärung nach § 30 GO) 8888 A Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 8888B Marion Caspers-Merk SPD 8892 A Dr. Sigrid Hoth F.D.P. . . . . . . . . 8893D Klaus Lennartz SPD 8895C, 8898 B Dr. Klaus W. Lippolt (Offenbach) CDU/ CSU 8897 D Dr. Klaus-Dieter Feige BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . 8898C, 8935 A Dr. Klaus Töpfer CDU/CSU 8899 D Dr. Ulrich Briefs fraktionslos 8901 A Dr. Dagmar Enkelmann PDS/Linke Liste 8903A, 8932 C Ulrich Junghanns CDU/CSU , . . . . . 8903 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . . 8905D Georg Gallus F D P 8907 A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 Jan Oostergetelo SPD . . 8907B, 8909 D Bartholomäus Kalb CDU/CSU 8907 D Ignaz Kiechle, Bundesminister BML 8908 D Horst Sielaff SPD . . . . . . . . . 8909C Dr. Heinz Riesenhuber, Bundesminister BMFT . . . . . . . . . . . . . . . 8910 A Siegmar Mosdorf SPD 8911B Josef Vosen SPD 8912 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 8914A Josef Vosen SPD 8916A, 8928 A,B Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann F.D.P. 8916C Achim Großmann SPD 8917D, 8925 B Dieter Pützhofen CDU/CSU 8920 D Carl-Ludwig Thiele F.D.P. . . . . . . 8922 D Dr. Ilja Seifert PDS/Linke Liste 8924 A Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 8925 C Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministerin BMBau 8925 D Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . . 8928 D Wilfried Bohlsen CDU/CSU 8930 C Ernst Waltemathe SPD . . . . 8931C, 8932 D Werner Zywietz F.D.P. 8934 A Manfred Kolbe CDU/CSU 8935 C Albrecht Müller (Pleisweiler) SPD . . 8935 D Elke Ferner SPD 8937 C Manfred Kolbe CDU/CSU 8939 B Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister BMPT . . . . . . . . . . . . . 8940 D Peter Paterna SPD 8942 C Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 8943 B Anke Fuchs (Köln) SPD . . . . . . . . 8946A Ursula Männle CDU/CSU 8949 B Dr. Edith Niehuis SPD . . . . . . . . 8951 B Maria Michalk CDU/CSU 8953 B Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . 8954 C Petra Bläss PDS/Linke Liste 8955 D Christina Schenk BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 8957 C Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ . . . . . . . . . . . . . . . . 8959B Marianne Birthler, Ministerin des Landes Brandenburg 8962 A Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 8964 C Ottmar Schreiner SPD 8967 C Dr. Norbert Blüm CDU/CSU 8969 C Dr. Gisela Babel F.D.P. 8972 A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU . . . . . 8974 D Anke Fuchs (Köln) SPD 8975 A Renate Jäger SPD 8976 C Cornelia Schmalz-Jacobsen F.D.P. . . . 8977 D Dr. Dietmar Keller PDS/Linke Liste . . 8979 B Dr. Rainer Ortleb, Bundesminister BMBW 8980 B Doris Odendahl SPD 8981 B Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink F.D.P. . 8983 A Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) F.D.P. (Erklärung nach § 32 GO) . . . . . . . . . 8984 A Nächste Sitzung 8984 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8985* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 104. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1992 8847 104. Sitzung Bonn, den 10. September 1992 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Adler, Brigitte SPD 10. 09. 92**** Antretter, Robert SPD 10. 09. 92* Berger, Johann Anton SPD 10. 09. 92 Dr. Blank, CDU/CSU 10. 09. 92*** Joseph-Theodor Böhm (Melsungen), CDU/CSU 10. 09. 92* Wilfried Brandt, Willy SPD 10. 09. 92 Clemens, Joachim CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Fell, Karl H. CDU/CSU 10. 09. 92 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 10. 09. 92**** Friedrich, Horst F.D.P. 10. 09. 92 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 10. 09. 92**** Gattermann, Hans H. F.D.P. 10. 09. 92 Göttsching, Martin CDU/CSU 10. 09. 92 Haschke CDU/CSU 10. 09. 92 (Großhennersdorf), Gottfried Hinsken, Ernst CDU/CSU 10. 09. 92 Hollerith, Josef CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Holtz, Uwe SPD 10. 09. 92**** Jaunich, Horst SPD 10. 09. 92 Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Leonhard-Schmid, SPD 10. 09. 92 Elke Lummer, Heinrich CDU/CSU 10. 09. 92* Dr. Müller, Günther CDU/CSU 10. 09. 92**** Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Oesinghaus, Günther SPD 10. 09. 92 Opel, Manfred SPD 10. 09. 92*** Dr. Pfennig, Gero CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Pinger, Winfried CDU/CSU 10. 09. 92 Pofalla, Ronald CDU/CSU 10. 09. 92 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 10. 09. 92** Reddemann, Gerhard CDU/CSU 10. 09. 92* Regenspurger, Otto CDU/CSU 10. 09. 92 Rempe, Walter SPD 10. 09. 92 Sauer (Salzgitter), CDU/CSU 10. 09. 92*** Helmut Schäfer (Mainz), Helmut F.D.P. 10. 09. 92 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Schöfberger, Rudolf SPD 10. 09. 92 Schulte (Hameln), SPD 10. 09. 92*** Brigitte Schuster, Hans F.D.P. 10. 09. 92 Sehn, Marita F.D.P. 10. 09. 92 Dr. Stercken, Hans CDU/CSU 10. 09. 92**** Dr. Warnke, Jürgen CDU/CSU 10. 09. 92 Weyel, Gudrun SPD 10. 09. 92**** Dr. Wieczorek, Norbert SPD 10. 09. 92 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Günther Krause


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Matthäus-Maier, Sie wissen, daß es angenehm ist, sich mit Ihnen zu streiten; es macht mir auch wirklich Spaß.
    Zum ersten: Es gab in der ehemaligen DDR hauptamtliche Kreissekretäre und ehrenamtliche Kreisvorsitzende. Ich war kein Kreissekretär, sondern Kreisvorsitzender.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Auch nicht besser!)

    Das hat der „Spiegel" bisher immer falsch veröffentlicht.

    (Wolfgang Roth [SPD]: Das war doch ein Ehrenamt!)

    — Ich bekenne mich zu meinem Weg in der Ost-CDU; darüber diskutiere ich nicht. Bekennen Sie sich doch dazu, daß Sie mit der SED darüber gesprochen haben, wie sie die Wahlen gewinnt!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU sowie Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)




    Dr. Günther Krause (Börgerende)

    Was wollen wir uns denn hier ewig vorhalten?

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Warum fangen Sie denn immer damit an?)

    Zum zweiten: Weil ich darüber spreche, was die eigentlichen Probleme der Bewältigung unserer beider Vergangenheiten sind, will ich Ihnen dazu eins sagen — das wird mir Wolfgang Schäuble bestätigen können —: Wir mögen bitte aufhören, nur immer darüber zu reden, wie der Mensch in der ehemaligen DDR seine Vergangenheit bewältigt. Wir haben in Ost und in West Probleme der Vergangenheitsbewältigung. Das macht die Schwierigkeiten des Begreifens der Aufgabe der deutschen Einheit aus. Deshalb diskutieren wir nur über das Geld, und das ist unser Hauptproblem.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Weiterhin — auch das wird mir Wolfgang Schäuble bestätigen können —: Im Entwurf des Einigungsvertrages, der damals übrigens einen Tag vor dem Entwurf der Bundesregierung auf den Tisch kam, gab es den Länderfinanzausgleich. Die SPD hat damals immer erklärt: Das Konzept „Teilung kann nur durch Teilen überwunden werden" ist nicht das richtige Konzept; es muß der Fonds Deutsche Einheit erhöht werden, es muß der Bund in eine Verschuldung hineingetrieben werden.

    (Ingrid Matthäus-Maier [SPD]: Sie beantworten meine Fragen zum Eigentum nicht!)

    Wenn wir nicht begreifen, daß wir mit der deutschen Einheit eine Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden zu bewältigen haben, dann wird es schwierig. Wir konnten den Länderfinanzausgleich durchsetzen.
    Zur Frage nach dem Eigentumsrecht: Es haben sehr viele SPD-regierte Bundesländer am Verhandlungstisch gesessen. Ein Mann, den ich wirklich verehre, weil ich ihn als einen sehr anständigen und fairen Verhandlungspartner kennengelernt habe, ist Herr Clement. Wir haben in der Runde alle Szenarien hin und her diskutiert, welche Gefahr bestehen könnte, wenn wir die Regelung Entschädigung vor Rückgabe als Bestandteil des Einigungsvertrages aufnähmen, und zwar hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Bestandes des Einigungsvertrages. Das ist die ganze Wahrheit, warum diese Regelung in dieser Form in den Einigungsvertrag hineingekommen ist.

    (Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Und wer das bezahlen soll!)

    — Die Frage des Bezahlens, lieber Wolfgang Bötsch, wurde da kaum diskutiert. Es war die Frage, daß die ostdeutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger den 3. Oktober mit einem Berufsabschluß erleben. Das hat nämlich der Einigungsvertrag geregelt. Hätten wir bloß einen Beitritt realisiert, wären wir alle ohne Berufsabschluß Bürgerinnen und Bürger der Freiheit geworden. Bürgerinnen und Bürger der Freiheit zu werden war unser Anliegen, allerdings nicht ohne Berufsabschluß.
    Im Bereich der Wirtschaftspolitik bekenne auch ich Fehler, natürlich. Allerdings bin ich für den Verkehr verantwortlich. Die Euphorie zur Zeit hinsichtlich des Umdenkens im Planungsrecht zeigt mir, daß es richtig war, daß ich mich in der Öffentlichkeit eine Zeitlang habe beschimpfen lassen. Aber nun ziehen wir endlich nach, und ich denke, daß wir gute Erfolge erreichen werden.
    Ich meine, die Frage des Solidarpakts und die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung in Ost und West muß im Zusammenhang gesehen werden. Ich bin der festen Überzeugung — das sollten wir unseren westdeutschen Mitbürgerinnen und Mitbürgern auch so sagen —, daß die Stabilisierung der Probleme des westdeutschen Wirtschaftssystems durch die deutsche Einheit und durch den Markt zwei Jahre funktioniert hat. Leider hat diese Stabilisierung zu Tarifverträgen geführt, die nicht der wirklichen Situation entsprechen. Deshalb ist es in der gegenwärtigen Situation wichtig, über einen Solidarpakt zu reden, damit wir die Wachstumsprozesse im Westen sichern und im Osten wesentlich höheres Wachstum als bisher realisieren.
    Es wird so viel über die Wirtschaftskuh gesprochen. Ich denke, die Analogie ist ganz richtig. Ich denke aber, es ist falsch, zu behaupten: Man muß die westdeutsche Wirtschaftskuh füttern, damit die Milch in den Osten gereicht wird. Diese Darstellung ist zu einfach. Sie ist richtig, weil wir natürlich Milch für die Defizite des Sozialismus brauchen. Zusätzlich brauchen wir aber die Initiative zur Arbeitsplatzsicherung mit Tarifpartnern. Wir müssen auch darüber sprechen, wie wir das Bruttosozialprodukt umverteilen. Wir müssen auch über die Probleme und Aufgaben sprechen, die finanziell bisher deshalb nicht darstellbar waren, weil die Treuhandanstalt ihre D-Mark-Eröffnungsbilanz beispielsweise nicht vorgelegt hat. Diese Dinge müssen wir in der Diskussion ebenso akzeptieren.
    Richtig ist, daß der Solidarpakt die eigentliche politische Herausforderung der nächsten Monate sein wird. Wenn es uns nicht gelingt, Wohlstand im Osten zu entwickeln, im Westen zu sichern und vor allen Dingen als Maßstab für die Arbeitsplatzpolitik zu verstehen, dann wird es nicht nur der Politiker sein, der in der Regierungsverantwortung versagt hat, sondern dann müssen wir auch den Tarifpartnern entsprechende Verantwortung zutragen.
    Ich möchte das bekräftigen, was der Bundeskanzler hier gestern formuliert hat, daß in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst die Dinge in diesem Jahr nicht so optimal gelaufen sind, wie wir uns das alle gewünscht haben. Jeder Prozentpunkt, der in Westdeutschland oben draufgesetzt wird, wird nicht den Wohlstand auf Dauer sichern, sondern wird die desolate Situation des Transfers in das Bezahlen nicht getaner Arbeit in den Osten und die Probleme der westdeutschen Wirtschaft eher verschärfen.
    Insofern, denke ich, haben wir mit unseren zweieinhalb Seiten, die wir mittlerweile als Erfurter Papier bezeichnen, nicht etwa ein Konzept vorgelegt — wir sind keine Planwirtschaftler und können nicht die nächsten zehn Jahre in Mark und Pfennig ausdrükken —, sondern wir wollen in der Diskussion zum jetzigen Haushalt erreichen, daß in der politischen Gestaltung der Mensch als Investor, wenn er im Osten geboren ist oder wenn er aus dem Westen in den Osten kommt oder wenn er sich etwas im Osten kauft und



    Dr. Günther Krause (Börgerende)

    dies vom Westen aus betreiben will, in den Mittelpunkt des Konzepts des wirtschaftlichen Aufschwungs gestellt wird.
    Ich bin sicher, daß es dann möglich sein wird, in unserem Volk endlich damit aufzuhören, über Geld zu reden, um sich statt dessen zu freuen, daß wir die deutsche Einheit erreicht haben.
    Vielen Dank.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Als nächster hat das Wort der Abgeordnete Lühr.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Uwe-Bernd Lühr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (F.D.P.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich den letzten Diskussionsbeitrag von Herrn Krause und die darin abgelaufene Kontroverse sehe, muß ich sagen: Es war von beiden Seiten eine Art, die dem Stil dieses Hauses nicht gerecht wird. Ich werde mich in meinem Diskussionsbeitrag befleißigen, solche Art von Polemik auszulassen.

    (Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)

    Aber eines möchte ich der SPD natürlich auch einmal anbieten. Man muß in der Tat über diese Probleme reden, aber ohne Polemik, sondern in aller Sachlichkeit. Denn es ist wichtig, daß wir diesen Teil unserer gemeinsamen Geschichte aufarbeiten.
    Wir wollen aber heute nicht so sehr gegenseitige Schuldzuweisungen bezüglich der Vergangenheit betreiben, sondern mehr darüber reden, was jetzt und in der Zukunft zu tun ist. Darauf möchte ich mich beschränken.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    In dieser Haushaltsdebatte, meine Damen und Herren, wird erstmals richtig deutlich, daß die Probleme der neuen Bundesländer auch die der alten sind. Wenn wir über Ostdeutschland reden, reden wir über Deutschland als Ganzes. Nichts, was in Ostdeutschland passiert, bleibt ohne Auswirkungen auf ganz Deutschland. Wir sind uns hier alle sicher einig, daß für die Angleichung der Lebensverhältnisse der wirtschaftliche Aufschwung der Schlüssel ist.
    Die deutsche Einheit ist aber mehr als nur der wirtschaftliche Aufschwung im Osten Deutschlands. Deutsche Einheit heißt vor allem innere Vereinigung. Viele Umfragen zeigen: Deutschland-Ost und -West sind heute weiter voneinander entfernt als in den Tagen der Begeisterung über die wiedererlangte staatliche Einheit.
    Es gibt in der Bevölkerung Ängste, die aber in Ost und West sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Es droht das Auseinanderfallen Deutschlands in zwei Neidgesellschaften: die eine im Westen, in der die Menschen sagen, wir tun schon mehr als genug für euch da drüben, die andere im Osten, in der die Menschen sagen, ihr tut noch nicht genug für uns. Dabei geht es nicht nur immer um Geld, es geht darum, wie Deutsche mit Deutschen umgehen.
    Worin bestehen diese Ängste? Im Osten ist es die Sorge um die nackte Existenz, um den Arbeitsplatz, um die Wohnung, um die innere Sicherheit, und es ist die neue Angst vor einer völlig undurchschaubaren überwuchernden Bürokratie. Im Westen ist es die Angst, daß sich Deutschland mit der gigantischen Aufgabe der Vollendung der deutschen Einheit übernommen haben könnte. Es ist die Angst, was an persönlicher Belastung und persönlichem Verzicht abverlangt wird. Kurz, es ist die Angst, Abstriche am eigenen Wohlstand machen zu müssen. Gemeinsam ist allen die Angst vor unkontrollierbar massenhafter Zuwanderung von Ausländern unter Mißbrauch des liberalen Asylrechts, wie es im Grundgesetz verankert ist.
    Wie kann man diese Ängste in Ost und West abbauen? Sicherlich zuallererst, indem man in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens aufeinander zugeht, den Konsens sucht, tolerant miteinander umgeht und Geduld füreinander aufbringt. Das ist eine Aufgabe für alle, die in der Gesellschaft Verantwortung tragen, natürlich für politische Parteien in erster Linie, aber ebenso für Gewerkschaften, Kirchen und Arbeitgeberverbände.
    Es kommt darauf an, nicht übereinander, sondern viel mehr miteinander zu reden. Für uns Politiker bedeutet das, unnötige Ängste durch gezielte sachliche Information abzubauen. Deshalb wiederhole ich meine Aufforderung an alle in diesem Hohen Hause, daß die Politiker der alten Bundesländer verstärkt in Ostdeutschland Präsenz zeigen, um sich zum einen ein reales Bild von der wirklichen Lage der Menschen dort zu machen und zum anderen möglichst viele direkte Informationen weiterzugeben. Im Umkehrschluß müssen wir ostdeutsche Politiker verstärkt hier im Westen Deutschlands auftreten, um oftmals vorhandene Irritationen und Unverständnis über die Situation in Ostdeutschland abzubauen.
    Ich möchte hier die Gelegenheit nehmen, meinem Fraktionsvorsitzenden für seinen beispielhaften Einsatz in dieser Frage zu danken, der sich in der parlamentarischen Sommerpause drei Wochen in Ostdeutschland aufgehalten hat und mit sehr konkreten Vorschlägen, die wir in dieser Debatte auch diskutieren sollten, zurückgekommen ist. Er hat diese Vorschläge in der „Herbstoffensive Ost" niedergeschrieben.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Für die Vollendung der deutschen Einheit gibt es kein Lehrbuch. Deshalb gehören zu diesem Experiment, was die deutsche Einheit ist, auch Fehler. Es gehört sich aber auch, daß Fehler zugegeben werden und wir alle aus ihnen lernen. Fast alle haben den schlechten Zustand der Wirtschaft der DDR unterschätzt. Unterschätzt wurden auch die eigenen Fähigkeiten, die Probleme mit den im Westen gebräuchlichen Mitteln der Sozialen Marktwirtschaft zu lösen. Die Probleme sind natürlich so lösbar. Aber die Vollendung wird länger dauern, und sie wird mehr kosten, als wir alle es gedacht haben. Der Zusammenbruch des Osthandels, die allgemein verschlechterte weltwirtschaftliche Situation tun ihr übriges.
    Nicht alle Entscheidungen in dieser Koalition haben die F.D.P. glücklich gestimmt. Dazu gehört u. a., daß es uns nicht gelungen ist, unseren Koalitionspartner davon zu überzeugen, daß das Niedrigsteuergebiet



    Uwe Lühr
    für Ostdeutschland der beste Weg für einen schnellen Aufschwung Ost sein würde.

    (Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

    Wir müssen uns auch der Frage stellen, ob die enormen Finanztransfers von West nach Ost den neuen Bundesländern nun wirklich in dem Maße zugute kommen, wie sie es sollten. Denn ein wesentlicher Teil dieser Mittel fließt unmittelbar über das Steueraufkommen zurück in die alten Bundesländer, weil Ostdeutschland eben noch nicht der Produktionsstandort, sondern vornehmlich Absatzmarkt ist. Das kann und darf auf Dauer so nicht bleiben. Ziel muß es sein, den neuen Bundesländern durch Investitionen, durch Produktion vor Ort auf die Beine zu helfen. Das heißt, kurz gesagt: weniger Geld in den konsumtiven Bereich, mehr Geld für die Investitionsförderung.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

    Die tragende Säule für diese Entwicklung muß ein leistungstarker Mittelstand sein. Deshalb unterstütze ich alle Fördermaßnahmen, die dies bewirken und die neuen Bundesländer zu einem attraktiven Investitions- und Produktionsstandort machen.
    Die Bundesregierung hat, so meine ich, rechtzeitig entscheidende Schritte unternommen. Ein entscheidender Schritt war die Initiative des Bundeswirtschaftsministers zur Strategie „Aufschwung Ost" im Frühjahr 1991. Ich möchte noch einmal die zentralen Punkte dieser Strategie in Erinnerung rufen, die für das wirtschaftliche Handeln der Bundesregierung auch heute bestimmend sind und sein müssen.
    Das sind: Förderung der privaten Investitionstätigkeit durch zusätzliche Anreize sowie massive öffentliche Investitionen, Auf- und Ausbau der Infrastruktur, Forcierung der Privatisierungs- und Reprivatisierungspolitik der Treuhand, Entwicklung neuer Strategien für sanierungsfähige Treuhandbetriebe, massive Förderung des Osthandels, regionalpolitische Flankierung durch Sonderprogramme für Krisenregionen, Investitionen in Wohnungs- und Städtebau, insbesondere Sanierung und Modernisierung der Bausubstanz sowie der Einsatz des arbeitsmarktpolitischen Instrumentariums zur sozialen Abfederung der unvermeidlichen Folgen des Strukturwandels.
    Von Anfang an war klar, daß die Mehraufwendungen für den Aufschwung Ost im Rahmen eines gesamtpolitischen Gesamtkonzepts solide finanziert werden mußten, um die Stabilität der westdeutschen Wirtschaft nicht zu gefährden. Die Umsetzung des vom Wirtschaftsminister initiierten Subventionsabbaukonzepts vom Februar 1991 im Volumen von ca. 10 Milliarden DM ab 1992 war ein wichtiger Schritt. Ich glaube, auf diesem Weg eines konsequenten Subventionsabbaus müssen wir weitermachen.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Positive Auswirkungen, meine Damen und Herren, zeigen sich beim Soforthilfeprogramm „Gemeinschaftswerk Aufschwung Ost". Speziell die 5,34 Milliarden DM aus der kommunalen Investitionspauschale warèn ein wirksames Instrument zur beschäftigungswirksamen Umsetzung dieser Mittel. Dieses
    Instrument sollte neu aufgelegt werden, und die Signale dazu sind ja sehr deutlich.
    Eine Vielzahl zusätzlicher Maßnahmen wurde eingeleitet, um die Chancen beim Aufschwung Ost zu verbessern. Ohne sie einzeln aufzuzählen, sage ich, daß sie im Rahmen der Investitionsförderung, der Mittelstandsförderung, des Infrastrukturaufbaus, der Absatzförderung ostdeutscher Produkte angesiedelt waren.
    Die konsequente Fortführung der Strategie „Aufschwung Ost" sind die von Bundesminister Möllemann im Januar vorgelegten Leitlinien zum „Aufschwung Ost", die aus den Erfahrungen des ersten Jahres neue Prioritäten gesetzt haben. All diese Aktivitäten der Bundesregierung sind hervorragende Rahmenbedingungen für die Attraktivität des Investitionsstandorts Ost und damit des Wirtschaftstandortes Deutschland.
    Ausgesprochen kontraproduktiv für den Erhalt, die Sicherung bzw. Neuentstehung von Arbeitsplätzen hat sich die Lohnpolitik der Tarifpartner in diesem Jahr speziell für Ostdeutschland ausgewirkt. Das Abkoppeln der Löhne im Osten von der Produktivitätsentwicklung hat zu zusätzlicher Arbeitslosigkeit durch weiter verringerte Wettbewerbsfähigkeit für die dortigen Betriebe geführt. Natürlich müssen Löhne und Gehälter im vereinigten Deutschland so schnell wie möglich in Übereinstimmung kommen, aber nicht auf Teufel komm raus, sondern sozialverträglich und gesamtwirtschaftlich vernünftig. Es ist hohe Zeit, im gesamtstaatlichen Interesse hier zur Vernunft zurückzukehren.
    Der vom Bundeskanzler initiierte Solidarpakt ist zu begrüßen. Die Bereitschaft aller Beteiligten zur Kompromißfähigkeit ist die Voraussetzung dafür. Es geht um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Es geht uns, es geht allen um die Zukunft des geeinten Deutschland. Nationaler Konsens ist notwendig, weil der Wirtschaftsstandort Deutschland im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsstandorten in Europa steht. Bei allen investitionsfördernden Maßnahmen geht schon jetzt eine Vielzahl von Investitionen an Ostdeutschland vorbei nach Polen, in die Noch-Tschechoslowakei und nach Ungarn.
    In den Zeiten eines gewaltigen wirtschaftsstrukturellen Umbruchs halten wir auch AB-Maßnahmen für ein geeignetes Mittel, diesen Prozeß vorübergehend sozial abzufedern. Aber — das muß deutlich gesagt werden — der wahre Arbeitsbeschaffer ist und bleibt der wirtschaftliche Mittelstand und nicht der Staat mit seinen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

    (Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

    Deshalb müssen bei AB-Maßnahmen die Mittel dort radikal gekürzt werden, wo AB-Maßnahmen zu Verhinderern eines aufstrebenden Mittelstandes werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)

    Statt dessen sind sie verstärkt dort einzusetzen, wo
    anders als mit staatlicher Unterstützung gegenwärtig
    ganze Aufgabenbereiche nur unzureichend wahrge-



    Uwe Lühr
    nommen werden können wie in einigen Bereichen der Sozialarbeit, im Umweltbereich und in der Kultur.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Gezielt kann man damit auch die Situation von Frauen in Ostdeutschland verbessern, die jetzt überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Wir müssen auch verhindern, daß die jetzt 50- bis 60jährigen zu den Verlierern der deutschen Einheit werden, denn sie haben im vereinigten Deutschland kaum eine Chance auf einen Arbeitsplatz. Diese Menschen, die die Teilung am längsten zu ertragen hatten, haben das, so meine ich, nicht verdient. Hier können in begrenztem Umfang Beschäftigungsgesellschaften einen wichtigen Dienst leisten, indem sie diesen Menschen einen würdevollen Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand ermöglichen.
    Aber noch mehr Aufmerksamkeit müssen wir dem Problem der Jugendlichen widmen. Die Ereignisse von Rostock und anderswo haben uns alle erschüttert. Die eigentliche Ursache liegt nicht in der Asylproblematik, sondern es sind viel tiefergehende wirtschaftliche, soziale und psychologische Gründe. Der Verlust an Werten, die Lust am Krawall, Gewaltbereitschaft, der Haß auf Ausländer: All das hat seine Ursache in einem tiefen Frust, in Enttäuschung, in Orientierungslosigkeit, die sich auf diese Art und Weise ein Ventil sucht.
    Es ist kein Wunder, wenn in einem Stadtteil wie Lichtenhagen fast 50 % Arbeitslosigkeit herrscht, wenn sich die Menschen auf 65 Quadratmeter ihrer sterilen Plattenbauwohnungen auf die Nerven gehen und die letzten Freizeitzentren für Jugendliche geschlossen werden. Hier muß die Politik ansetzen und mit gezielter Unterstützung der Kommunen das Problem an der Wurzel packen.
    Da wir über den Wirtschaftsstandort Deutschland oder Ostdeutschland sprechen: Solche Ausschreitungen, solche Randale sind natürlich auch nicht gerade fördernd für die Investitionstätigkeit ausländischer Unternehmer. Sie schrecken vor diesem Gewaltpotential zurück.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Ich stellte eingangs fest, daß eine gemeinsame Angst vor der massenhaften Zuwanderung von Ausländern unter Mißbrauch des Asylrechts bei den Bürgern in Ost und West besteht. Jeder Tag zählt. Die Bevölkerung erwartet ein entschlossenes Handeln der Politiker. Die Koalitionsfraktionen sind bereit, mit der SPD-Fraktion einen Konsens herbeizuführen, der auch die Änderung des Art. 16 des Grundgesetzes unter Beibehaltung des subjektiven Rechts auf politisches Asyl beinhaltet. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, die Signale vom Petersberg waren in der Tat gut. Ich verstehe aber nicht, warum die SPD-Fraktion jetzt auf einen Sonderparteitag warten muß.

    (Zurufe von der SPD)

    — Hören Sie mir doch bitte erst einmal zu! — Herr Klose und seine Fraktion stehen schon jetzt in der Verantwortung und können sich aktiv beteiligen, denn auch Ihre Fraktion besteht aus frei gewählten Abgeordneten, die nur ihrem Gewissen verpflichtet
    sind, und bekanntlich gibt es kein imperatives Mandat.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Deshalb blockieren Sie bitte nicht, sondern lassen Sie uns alle sehr schnell befriedigende Lösungen in dieser Frage finden!
    Es geht auch nicht um mehr Geld bei einem weiteren Problem, das immer wieder beklagt wird: die bürokratischen Hemmnissse in den neuen Bundesländern. Es zeigt sich, daß sich unser föderaler Staat mit seinen verschiedenen Zuständigkeits- und Verwaltungsebenen in einer Zeit, in der schnelle, unbürokratische Entscheidungen gefragt sind, oftmals als Hindernis erweist. Deshalb müssen auch hier alle Beteiligten gemeinsame Handlungswege erarbeiten, um wichtige Entscheidungen schneller durchzusetzen. Die Installation von zusätzlichen Mittelinstanzen in einigen ostdeutschen Bundesländern ist zunehmend ein Instrument bürokratischer Verhinderung von Entscheidungsabläufen.
    Kritisiert wird auch die mangelnde Entscheidungsfreudigkeit der kommunalen Verwaltungen in Ostdeutschland. Ich möchte hier gerne eine Lanze für die kommunalen Verwaltungen in Ostdeutschland brechen. Sie sind besser als ihr Ruf. Der Arbeitsaufwand ist gegenwärtig um ein Vielfaches höher als in vergleichbaren Kommunen in Westdeutschland. Deshalb brauchen die Kommunen nach wie vor Hilfe zur Selbsthilfe.
    Es gibt eine Reihe administrativer Hemmnisse. Diese müssen beseitigt werden, weil sie den Aufschwung blockieren. Die mangelhafte personelle und räumliche Ausstattung in den Ämtern für Vermögensfragen und auf den Grundbuchämtern sind ein unerträglicher Zustand.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Nicht das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung" ist das Problem, sondern die bürokratische Organisation der Entscheidungsvorgänge. Nahezu 80 % aller vorliegenden Rückgabeansprüche könnten schneller und unbürokratischer bearbeitet werden. Das Zweite Vermögensrechtsänderungsgesetz bietet dafür alle Voraussetzungen. Nur, es muß jetzt auch angewandt werden.
    Es gibt aber auch in Ostdeutschland eine Reihe Reserven. Diese liegen z. B. im kommunalen Bereich in der Privatisierung nicht hoheitlicher kommunaler Aufgaben wie z. B. im Bereich Wasser und Abwasser. Hier ist es sehr schnell möglich, privates Kapital zu mobilisieren. Nicht alles in diesen Fragen muß der Staat finanzieren.
    Auch in der Vereinfachung von Richtlinien und Vorschriften für die neuen Bundesländer liegen Reserven. Herr Krause, hat dazu gesprochen. Wenn es uns gelingt, die Planungsverfahren zu vereinfachen, wäre das natürlich auch eine Chance für die alten Bundesländer, auch hier den Abbau von Bürokratie voranzutreiben. Ich begrüße deshalb die Aussage des Bundeskanzlers, entscheidende Vereinfachungen für Ostdeutschland vorzubereiten. Das muß sicherlich ein ganz wesentlicher Bestandteil des vor uns stehenden Solidarpakts sein.



    Uwe Lühr
    Sicher dürfen wir die großen Probleme speziell in Ostdeutschland nicht herunterreden. Bloß: Nur zu lamentieren, wie von Herrn Thierse soeben vorgeführt, hilft auch nicht. Die Menschen in Ostdeutschland haben nach wie vor große Hoffnung. Deshalb ist es nötig, auch die positiven Signale zu erwähnen, und es gibt sie.
    Eine Vielzahl von Investitionsprojekten befindet sich in der notwendigen Planungsphase. Erste neue Betriebe wie z. B. die in Bau befindliche modernste Zuckerfabrik Europas in Könnern in der Nähe von Bernburg entstehen. Der Bau der Raffinerie in Leuna ist ein Hoffnungssignal für eine ganze Region. 82 730 Firmenneugründungen seit 1990 allein in Sachsen-Anhalt zeigen, daß auch viel Initiative und Leistungsbereitschaft in Ostdeutschland vorhanden ist.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Es ist notwendig, auch die Arbeit der Treuhandanstalt weiter zu verbessern. Entsprechende Vorschläge werden von der F.D.P. in absehbarer Zeit auf den Tisch gelegt werden.

    (Wolfgang Roth [SPD]: Nicht erst 1995!)

    — Nein, Herr Roth. Ich sagte: in absehbarer Zeit. Das sind bei mir kurze Zeiträume.
    Verwahren müssen wir uns gegen pauschale Kritik an der Arbeit der Treuhand. Sie leistet hervorragende Arbeit. Ich begrüße es — das resultiert aus der gestrigen Beratung mit den Personalräten aus Ostdeutschland —, daß diese künftig verstärkt in die Privatisierungsentscheidungen der Treuhand einbezogen werden sollen.
    Meine Damen und Herren, auch wir Ostdeutschen haben viel in das vereinte Deutschland eingebracht, u. a. einen reichen Schatz kultureller Werte und Güter. Diese zu erhalten und für künftige Generationen zu sichern muß ein vordringliches nationales Anliegen aller Deutschen sein.

    (Beifall bei der F.D.P.)

    Der Verfall in 40 Jahren SED-Herrschaft ist teilweise erschreckend. Deshalb müssen wir in dieser Haushaltsdebatte darüber sprechen, wie ein drohender Kulturkollaps in Ostdeutschand verhindert werden kann.
    Wir haben die Pflicht, aber auch die Chance, die größte uns Deutschen gestellte Aufgabe zu bewältigen. Aber dazu müssen wir den Menschen noch mehr als bisher ehrlich sagen, welche Anforderungen an uns alle gestellt sind und daß wir mehr Geduld dafür brauchen.

    (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)