Rede von
Prof. Dr.-Ing.
Karl-Hans
Laermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Es geht nicht nur um Ankündigungen, sondern auch um konkrete Maßnahmen und um die Fortsetzung von bereits eingeleiteten konkreten Maßnahmen, die hier aufgeführt sind.
Da können Sie nicht sagen, wir müßten sie noch einmal ankündigen.
— Darüber wird noch zu reden sein. Es steht auch in dem Papier, daß darüber insbesondere im Zusammenhang mit der Förderung erneuerbarer Energien zu reden ist. Sie müssen das einmal lesen.
— Wir brauchen nicht den Vermittlungsausschuß. Ich denke, daß wir stark genug sind, hier die vernünftigen Dinge durchzusetzen, und zwar im Einklang mit der Natur, auch unter Berücksichtigung von naturgesetzlichen Gegebenheiten. Die können wir nicht auf den Kopf stellen; sonst werden wir hier vielleicht einmal antreten, das Gravitationsgesetz zu novellieren. Vielleicht hilft Ihnen das dann weiter.
Ich denke, im europäischen Kontext werden wir keinen Alleingang unternehmen. Dies ist vernünftig. Wer hier Fortschritte erzielen will, der muß einsehen, daß wir die CO2-Problematik nur auf europäischem Wege lösen können.
Ich meine auch, daß an dem EG-Vorschlag noch manches im Sinne unserer nationalen Vorstellungen zu verbessern ist. Dabei sollte über ein Kompensationsmodell nachgedacht werden. Anstrengungen zur Reduzierung der umwelt- und klimabelastenden Emissionen sollten zunächst dort konzentriert werden, wo derzeit noch die größten Belastungen auftreten, wie z. B. in den neuen Bundesländern — Kollege Seesing hat darauf hingewiesen — , aber auch in den mittel- und osteuropäischen Staaten.
In diesem Zusammenhang möchte ich positiv herausstellen, daß das vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Energieprogramm unsere Verpflichtungen, die eines hochentwickelten Industriestaates darstellt. Denn wir müssen davon ausgehen, daß in Anbetracht der Entwicklung der Weltbevölkerung und in Anbetracht der — wenn auch langsamen — wirtschaftlichen Entwicklung und der Verbesserung
5720 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 67. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 12. Dezember 1991
Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann
der Lebensbedingungen der Weltenergiebedarf rapide steigen wird.
Auch dies müssen wir bei unserer nationalen Politik betrachten: Wenn zwei Drittel der Weltbevölkerung derzeit pro Kopf nur etwa ein Zehntel der Energie im Vergleich zu den Industriestaaten verbrauchen, so kann man dort nicht vom Energiesparen reden. Das wäre doch nachgerade so, als ob man einem Verhungernden raten wollte, den Hunger mit Fasten zu überwinden. Wir können uns doch nicht vorstellen, daß gerade im Hinblick auf die globale Dimension der Klimaproblematik der zunehmende Weltenergiebedarf über fossile Energieträger gedeckt wird, selbst dann nicht, wenn die Schwellen- und Entwicklungsländer auf die modernste, aber teure Energieumwandlungstechnik zurückgreifen können.
Wie weit etwa die Erschließung erneuerbarer Energien — Wasserkraft, Wind, Sonne — den Energiebedarf oder, richtiger gesagt, den Bedarf an Energiedienstleistungen wird abdecken können, werden weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten noch nachweisen müssen. Hier sind wir, die Industriestaaten, verpflichtet, aus genuiner Verantwortung heraus für die Schwellen- und Entwicklungsländer mitzudenken, sie aber nicht besserwisserisch zu bevormunden, sondern mit ihnen partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. Dann wird manches klargestellt werden können.
Unter diesen Aspekten ist und wird in den Industriestaaten auch die Frage der Nutzung der Kernenergie, ob Kernspaltung oder Kernfusion, zu beurteilen sein. Die Bundesregierung hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß die Kernenergie auch weiterhin einen substantiellen Beitrag zur Stromerzeugung leisten muß, solange andere sichere, vergleichbar versorgungssichere , umweltverträgliche und preisgünstige Energieträger nicht zur Verfügung stehen. Ich sehe aber nicht, daß dies in absehbarer Zeit der Fall ist. Belügen wir uns und unsere Bürger nicht!
Ich setze mich schon seit Jahren vehement für das Energiesparen und für die Förderung erneuerbarer Energien und ihre Markteinführung ein; der Kollege Schäfer wird das sicherlich nicht bestreiten.
Alle Beiträge, auch wenn sie noch so klein sind, halte ich für unverzichtbar. Aber sie werden weder im Wärmemarkt noch in der Stromerzeugung die Kernenergie ersetzen können. Aber selbst wenn dies möglich werden sollte, müssen wir mit der Tatsache leben, daß andere Länder — nicht nur in Europa — Kernkraftwerke bauen und betreiben.
Wir werden uns deshalb in wohlverstandenem eigenen Sicherheitsinteresse — auch hinsichtlich der Proliferationsproblematik — mit der Kernenergie und ihrer friedlichen Nutzung auseinandersetzen müssen. Sicherheitsforschung und die daraus abzuleitenden technischen Entwicklungen können aber ohne Verlust an fachlicher Kompetenz und ohne Verlust an internationaler Mitsprachemöglichkeit nicht am Grünen Tisch, nicht in der Theorie alleine betrieben werden. Wir brauchen dazu auch die praktische Kompetenz.
Ich unterstreiche nachdrücklich alles, was zur Kernenergienutzung im Energieprogramm ausgeführt ist. Lassen Sie uns, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wieder zum Konsens kommen. Lassen Sie uns gemeinsam Bedingungen, Anforderungen und Voraussetzungen festlegen, unter denen auch im nationalen Rahmen die Nutzung der Kernenergie verantwortet werden kann.
An dieser Stelle möchte ich anmerken, daß es nicht nur um die Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung gehen kann, sondern daß die Kernenergie auch in der Wärmeerzeugung, besonders in der Prozeßwärme, zukünftig eine Rolle spielen wird, nämlich um auch dort fossile Energieträger zu ersetzen — und das nicht nur aus ökologischen Gründen.
So könnte z. B. — Herr Kollege Schäfer, da waren wir uns schon einmal einig — die Hochtemperaturreaktorlinie zur Kohlevergasung eingesetzt werden, um das Energiepotential des wertvollen Rohstoffes Kohle, insbesondere der Braunkohle, unter weitgehender Vermeidung von CO2-Emissionen weit besser auszunutzen, als das im Verbrennungsprozeß je möglich sein wird.
Vielleicht, verehrte Kollegen, die Sie sich für den Umweltschutz einsetzen, können dann auch im rheinischen Braunkohlegebiet die Fördermengen zurückgenommen werden. Vielleicht kann dann über viele Jahrzehnte hinaus der höchst problematische großflächige Eingriff in den Naturhaushalt durch den Aufschluß des Tagebaus Garzweiler II vermieden werden.
Für die FDP-Fraktion möchte ich abschließend die Absicht des Bundeswirtschaftsministers begrüßen, noch in dieser Legislaturperiode die Novelle zum Energiewirtschaftsgesetz vorzulegen. Wir stimmen den im Energieprogramm dargelegten Eckwerten im Grundsatz zu und erwarten eine in sich schlüssige Konzeption in Verbindung mit den übrigen energierelevanten Gesetzen und den Zielen einer gemeinschaftlichen europäischen Energiepolitik.
Ich danke Ihnen.