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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 12/38 Bundestag Deutscher Stenographischer Bericht 38. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 Inhalt: Bestimmung der Abg. Anke Fuchs als ordentliches Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle der ausgeschiedenen Abg. Ingrid Matthäus-Maier 3121A Bestimmung der Abg. Gudrun Weyel als stellvertretendes Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses an Stelle der zum ordentlichen Mitglied bestimmten Abg. Anke Fuchs . . 3121A Wahl des Abg. Harald B. Schäfer (Offenburg) als ordentliches Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle der ausgeschiedenen Abg. Ingrid Matthäus-Maier . . . 3121 B Wahl des Abg. Gunter Huonker als stellvertretendes Mitglied in den Vermittlungsausschuß an Stelle des zum ordentlichen Mitglied gewählten Abg. Harald B. Schäfer (Offenburg) 3121 B Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksache 12/1000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 (Drucksache 12/1001) Jürgen W. Möllemann, Bundesminister BMWi 3121C, 3145C Wolfgang Roth SPD 3125 B Michael Glos CDU/CSU 3128C Ingrid Matthäus-Maier SPD . . 3129D, 3212C, 3217B, 3226A Werner Zywietz FDP 3132 D Werner Schulz (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3134 C Bernd Henn PDS/Linke Liste 3136B Klaus Wedemeier, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 3138B Michael Glos CDU/CSU 3138C Dr. Wolfgang Weng (Gerlingen) FDP . 3141C, 3219 D Bernd Neumann (Bremen) CDU/CSU . . 3142C Manfred Richter (Bremerhaven) FDP . . 3144 C Matthias Wissmann CDU/CSU 3146A Wolfgang Roth SPD 3148C Dr. Norbert Blüm, Bundesminister BMA 3148D Rudolf Dreßler SPD 3152A, 3159A Dr. Heiner Geißler CDU/CSU 3158D Dieter-Julius Cronenberg (Arnsberg) FDP 3159B Christina Schenk Bündnis 90/GRÜNE . . 3159D, 3200 B Dr. Alexander Warrikoff CDU/CSU . . . 3161 B Petra Bläss PDS/Linke Liste . . . 3163D, 3196A Dr. Klaus-Dieter Uelhoff CDU/CSU . . . 3166C Ottmar Schreiner SPD 3168A, 3172B Volker Kauder CDU/CSU 3172 A Ina Albowitz FDP 3172 D Gerda Hasselfeldt, Bundesministerin BMG 3176B Horst Jungmann (Wittmoldt) SPD . . 3177 C Klaus Kirschner SPD 3180A Dr. Dieter Thomae FDP 3183 B Arnulf Kriedner CDU/CSU 3184 D Ottmar Schreiner SPD 3185B Dr. Angela Merkel, Bundesministerin BMFJ 3186D Hanna Wolf SPD 3189B Dr. Edith Niehuis SPD 3190A II Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 Ingrid Becker-Inglau SPD 3190 C Susanne Jaffke CDU/CSU 3194 B Dr. Gisela Babel FDP 3198B Maria Michalk CDU/CSU 3202 A Margot von Renesse SPD 3204 D Irmgard Karwatzki CDU/CSU 3207 D Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3209 B Norbert Eimer (Fürth) FDP 3211A Hannelore Rönsch, Bundesministerin BMFuS 3212 B Irmgard Karwatzki CDU/CSU 3212D Ingrid Becker-Inglau SPD 3213D Hans Peter Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 3215D Dr. Peter Struck SPD 3218 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . 3220 A Dr. Klaus Rose CDU/CSU 3220 D Carl-Ludwig Thiele FDP 3224 A Dr. Ulrich Briefs PDS/Linke Liste . . . 3227 B Dr. Klaus Rose CDU/CSU 3229 B Ingrid Matthäus-Maier SPD 3232 B Dr. Theodor Waigel, Bundesminister BMF 3233 D Dr. Hans-Jochen Vogel SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3238 A Friedrich Bohl CDU/CSU 3239 B Friedrich Bohl CDU/CSU (zur Geschäftsordnung) 3239D Vizepräsident Dieter-Julius Cronenberg 3176B Nächste Sitzung 3240 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3241* A Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 3121 38. Sitzung Bonn, den 5. September 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode - 38. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 5. September 1991 3241* Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 05. 09. 91 Berger, Johann Anton SPD 05. 09. 91 Blunck, Lieselott SPD 05. 09. 91 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 05. 09. 91 * Eppelmann, Rainer CDU/CSU 05. 09. 91 Erler, Gernot SPD 05. 09. 91 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 05. 09. 91* Francke (Hamburg), CDU/CSU 05. 09. 91 Klaus Gröbl, Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Jung (Düsseldorf), Volker SPD 05. 09. 91 Koltzsch, Rolf SPD 05. 09. 91 Dr.-Ing. Laermann, FDP 05. 09. 91 Karl-Hans Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 05. 09. 91 Marten, Günter CDU/CSU 05. 09. 91 * Dr. Mertens (Bottrop), SPD 05. 09. 91 Franz-Josef Dr. Müller, Günther CDU/CSU 05. 09. 91 * Niggemeier, Horst SPD 05. 09. 91 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Nitsch, Johannes CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Probst, Albert CDU/CSU 05. 09. 91* Reddemann, Gerhard CDU/CSU 05. 09. 91 * Rempe, Walter SPD 05. 09. 91 Repnik, Hans-Peter CDU/CSU 05. 09. 91 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 05. 09. 91 Ingrid Schäfer (Mainz), Helmut FDP 05. 09. 91 Scharrenbroich, Heribert CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Scheer, Hermann SPD 05. 09. 91* Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 05. 09. 91* Dr. Sperling, Dietrich SPD 05. 09. 91 Terborg, Margitta SPD 05. 09. 91* Verheugen, Günter SPD 05. 09. 91 Vogt (Düren), Wolfgang CDU/CSU 05. 09. 91 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 05. 09. 91 Gert Wieczorek-Zeul, SPD 05.09.91 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 05. 09. 91 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Klaus Dieter Uelhoff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der letzte Satz war der einzige, den ich hier unterschreiben kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Richtig!)

    Im übrigen ballt sich einem doch die Faust in der Tasche, wenn Vertreter der SED-Nachfolgeorganisation uns hier sagen wollen, wie man eine vernünftige Sozialpolitik macht.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP — Dr. Dagmar Enkelmann [PDS/Linke Liste]: Das ist ja primitiv, was Sie hier vorbringen!)

    Sie haben 18 Millionen deutsche Menschen in eine soziale und wirtschaftliche Katastrophe geführt.

    (Widerspruch bei der PDS/Linke Liste)

    Ich kann nur sagen: Schämt euch, schweigt und lernt! Das wäre die richtige Konsequenz.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP — Zuruf von der PDS/ Linke Liste: Schämen Sie sich! — Dr. Ulrich Briefs [PDS/Linke Liste]: Sie stehen in der Tradition eines Massenmörders wie Globke!)

    Meine Damen und Herren, ich habe heute in einer Zeitung einen richtigen Satz gelesen, den ich zitieren möchte, weil er eigentlich die große Überschrift über unsere gesamte Haushaltsdiskussion ist:
    Der Spielraum für Neuverschuldung und Steuererhöhung ist verbraucht.
    Dies ist leider auch in der Sozialpolitik ein gültiger Satz.

    (Zuruf von der FDP: Sehr richtig!)

    Wenn ich heute morgen aus Bremen etwa höre,

    (Dr. Hans-Peter Voigt [Northeim] [CDU/ CSU]: Das sollte man nicht erwähnen!)

    daß es gilt, die Werftindustrie zu subventionieren,
    dann werde ich daran erinnert, daß in meinem Wahlkreis durch Strukturprobleme etwa 20 000 Arbeits-



    Dr. Klaus-Dieter Uelhoff
    plätze in der Schuhindustrie verloren gegangen sind. Ich erinnere an manche Regionen insbesondere im Westen, aber wohl auch im Osten, wo durch die erfreuliche Abrüstung große wirtschaftliche und sozialpolitische Probleme entstanden sind. Hier erwarten wir vom Koalitionsabkommen — darin steht es — Hilfen etwa im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe.
    Das Entscheidende aber muß sein — deswegen habe ich diese Beispiele erwähnt — , daß wir aus dem einzelnen, regionalen Denken wieder herausfinden und das wichtige gemeinsame Ziel im Auge behalten, um das es bei Haushaltsberatungen immer, aber dieses Mal mehr denn je geht, nämlich die Stabilität der Deutschen Mark und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dieses schafft und sichert Arbeitsplätze, und dieses finanziert und ermöglicht damit eine konstruktive Sozialpolitik.
    Doch wir alle, meine sehr verehrten Damen und Herren im Westen, wissen, daß die finanziellen Herausforderungen bei der Umgestaltung im östlichen Teil Deutschlands wesentlich größer sind als im Westen. Teilung durch Teilen überwinden — ein guter Satz. Ich würde es für gut halten, wenn diese These nicht nur bei Sonntagsreden, sondern insbesondere auch von Oppositionspolitikern vor Ort im Westen vertreten würde.
    Die Probleme des Arbeitsmarktes sind im Osten um Lichtjahre größer als im Westen, doch auch im Westen gibt es strukturschwache Räume, in denen Arbeitsmarktpolitik eine wichtige soziale Komponente einer erfreulichen Wirtschaftspolitik ist. Umgekehrt wird die Arbeitsmarktpolitik immer den rentablen Arbeitsplatz und nicht irgendeine Beschäftigung zum Ziele haben.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Das ist ein ganz wichtiger Punkt!)

    Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, so sinnvoll sie auf Zeit, jetzt insbesondere in Ostdeutschland, sind, haben immer nur für den Übergang einen Sinn.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich möchte deshalb in diesem Zusammenhang ein paar Gedanken zu Kap. 11 12, Bundesanstalt für Arbeit, äußern, der wegen der Selbstverwaltung der Bundesanstalt dem Haushaltsgesetzgeber Deutscher Bundestag nur einen sehr geringen Anteil gibt, weil wir im wesentlichen nur über Zuweisungen sprechen können. Es hat mich in dem Zusammenhang schon interessiert, wenn ich vor wenigen Tagen in der Zeitung las, die Sonderzahlung von 5 Milliarden DM, die von der Bundesregierung für ABM zur Verfügung gestellt wurde, werde 1991 nicht angetastet.
    Ich sage hier aus grundsätzlichen Erwägungen und nicht in aller Bescheidenheit, sondern mit allem Nachdruck: Die Spielregeln unserer parlamentarischen Demokratie sehen anders aus. Wenn ich unsere bewährte verfassungsmäßige Ordnung richtig einschätze, Herr Bundesarbeitsminister und Herr Bundesfinanzminister, stellt nicht die Bundesregierung der Bundesanstalt für Arbeit 5 Milliarden DM zur Verfügung; vielmehr führen Minderausgaben aus dem Haushaltsplan 1991 grundsätzlich zu einer Verringerung der Nettokreditaufnahme für den laufenden
    Haushalt. Dies hätte angesichts der Zinsbelastung der Staatsfinanzen dem Haushalt im übrigen sehr gut getan.
    Es waren wohl Zwänge bei der Umstrukturierung der ostdeutschen Wirtschaft und die auch von mir voll gestützte Absicht, AB-Maßnahmen im Beitrittsgebiet fortführen zu können, die dazu geführt haben, daß die Bundesregierung dem Parlament jetzt anderes vorschlägt. Das Parlament wird also gründlich zu prüfen haben, wie sich die Bundesanstalt die Fortführung der ABM-Programme vorstellt — in der Sache nötig, aber bei größter Sparsamkeit.
    Ich will auch sehr deutlich sagen: Wir werden mit einem Gesetzesbeschluß darüber zu befinden haben, in welcher Höhe — etwa 5 Milliarden DM — der Bundesanstalt für Arbeit Mittel zur Verbesserung ihrer Rücklagensituation bereitgestellt werden. Dies ist bisher nicht geschehen. Das ist unsere Aufgabe, meine Damen und Herren, und darauf möchte ich im Interesse des Parlaments mit allem Nachdruck hinweisen.

    (Zustimmung bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend ein paar Anmerkungen zur Arbeitsbeschaffung machen. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, so wichtig sie sind, dürfen kein Zauberwort für Dienstleistungen zum Billigtarif oder für die Entlastung kommunaler Haushalte sein. Es gab in West und Ost viel Mißbrauch; die Presse hat darüber berichtet. Sehr wichtig, meine ich, ist die Zusammenarbeit der Arbeitsämter mit berufsständischen Organisationen, insbesondere den Handwerkskammern und den Industrie- und Handelskammern.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Sie sollten bei der Bewertung mitwirken, ob diese oder jene Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nicht in Konkurrenz zur gewerblichen Wirtschaft steht.

    (Zuruf von der FDP: Das ist der Punkt!)

    Ich meine auch, daß die Umstrukturierung der Wirtschaft im Osten sozialverträglich erfolgen muß und daß deshalb eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eine wichtige Brücke zu einem neuen, rentablen Arbeitsplatz ist. Aber ich verkenne bei aller sozialen Bedeutung nicht, daß der Finanzrahmen begrenzt ist und daß die Gefahr der Ausnutzung — durch die Träger, nicht durch den betroffenen Arbeitslosen — sehr groß ist. Deshalb sollten wir bei den fortlaufenden Beratungen über die Bundesanstalt darüber nachdenken, inwieweit durch differenzierte Lösungen bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen eine größere Effektuierung ermöglicht wird, zum Beispiel durch Erhöhung der Eigenbeteiligung des Trägers. Das ist sicherlich im Osten weniger möglich als im Westen und bei einer Kommune leichter durchzusetzen als bei einem gemeinnützigen Wohlfahrtsverband. Ich stelle mir vor, daß wir über die Senkung der Regelförderungsdauer von zwei Jahren nachdenken sollten. Ich halte es für sehr wichtig, auch die degressive Staffelung der Fördersätze im Verlauf einer Maßnahme in die Debatte zu bringen. Schließlich sollte grundsätzlich keine Förderung von ABM-Trägern erfolgen, die faktisch in



    Dr. Klaus-Dieter Uelhoff
    Konkurrenz zu im Westen bestehenden oder im Osten im Aufbau befindlichen Gewerbebetrieben stehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wir werden im Verlauf der nächsten Wochen sehr genau zu prüfen haben, inwieweit die Bundesanstalt für Arbeit in eigener Verantwortung diesen wichtigen, teuren, aber notwendigen Komplex auch selbstkritisch durchforstet. In jedem Fall — lassen Sie mich dies abschließend sagen — danke ich Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, für die Sisyphusarbeit, die Sie in der Vergangenheit und Gegenwart geleistet haben und auch in der Zukunft leisten werden, wenn es darum geht in Ostdeutschland eine solche Situation zu schaffen, daß in der ganzen Bundesrepublik Deutschland gleiche Lebensverhältnisse bestehen. Ein letztes Dankeschön noch für Ihre Aussage, daß der Beitragssatz für die Bundesanstalt zum 1. Januar 1992 gesenkt wird. Dies, meine ich, ist wichtig für die Glaubwürdigkeit staatlicher Finanzpolitik und ist ein wichtiger Beitrag zur Leistungsbereitschaft von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nun erteile ich dem Abgeordneten Ottmar Schreiner das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ottmar Schreiner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Uelhoff, es ist schon fast an der Grenze zur Unverschämtheit,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Na, na!)

    wenn Sie die SPD-Fraktion auffordern, vor Ort die Erkenntnis „Teilung läßt sich nur durch Teilen überwinden" zu verbreiten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Beispielsweise in Rheinland-Pfalz!)

    Ein erheblicher Teil der Probleme, die wir heute bei der sozialen Gestaltung der Einheit haben, hängt doch damit zusammen, daß Ihre Partei und die Bundesregierung im Wahlkampf des vergangenen Jahres nicht den Mut hatten, den Menschen die Wahrheit zu sagen,

    (Beifall bei der SPD)

    daß die Überwindung der Teilung soziale Opfer auch im Westen kostet. Sie haben im Gegenteil die Menschen bewußt hinters Licht geführt. Das ist einer der Gründe für die Probleme, die wir heute im östlichen Teil Deutschlands flächendeckend haben.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Das hat Herr Lafontaine ganz bewußt gesagt. Sie haben doch den Wahlkampf mit der These „Steuererhöhungen sind unter keinen Umständen notwendig" bestritten, schon zum damaligen Zeitpunkt wohl wissend, daß dies überhaupt nicht gehen könnte.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Sehr richtig!)

    Also stellen Sie sich jetzt nicht hier hin und ermahnen
    uns! Sie müssen sich an die eigene Brust klopfen. Wer
    im Glashaus sitzt, sollte wirklich nicht mit Steinen werfen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wollen Sie denn heute die Teilung durch Teilen überwinden? — Gegenruf von der CDU/CSU: Vor Wahlen nie!)

    —Wir hatten bereits in der aufgeheizten Atmosphäre des Wahlkampfs gesagt, daß die Sozialdemokratische Partei davon ausgeht, daß es gar nicht anders geht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dann sagen Sie es auch heute!)

    — Meine Güte, wir können das immer wieder sagen!

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Er ist lernbehindert!)

    Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Gegensatz zu dem Irrglauben des Kollegen Warrikoff begrüßt die Sozialdemokratische Fraktion ausdrücklich das neuerliche Ziel der Bundesanstalt für Arbeit, die Zahl der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den ostdeutschen Ländern bis zum Ende dieses Jahres auf dann 400 000 zu steigern.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Ist ja toll!)

    Wir selbst hatten schon im Verlauf der Haushaltsdebatte vom März dieses Jahres eine weitere Aufstokkung gefordert, um die dramatischen Beschäftigungseinbrüche in Ostdeutschland wenigstens teilweise und vorübergehend aufzufangen.
    Jetzt wird es weniger toll für Sie: Nach allgemeinem Verständnis ist es — der Kollege Uelhoff hat eben zu recht darauf hingewiesen — in Zeiten wirtschaftlichen Strukturwandels Aufgabe der Arbeitsmarktpolitik, Massenarbeitlosigkeit zu verhindern und für von Arbeitslosigkeit betroffene und bedrohte Menschen eine Brücke zu regulären Anschlußbeschäftigungen zu schlagen. Diese Funktion kann der Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung für Ostdeutschland nun gerade nicht zugrunde gelegt werden.
    Tatsächlich haben Sie dem seit Mitte des vorigen Jahres erkennbaren intensiven Drängen der Bundesanstalt und der politischen Opposition nach Ausweitung der Maßnahmen in diesem Hause stattgegeben, weil Sie befürchten mußten, daß sich die Massenarbeitslosigkeit in den ostdeutschen Ländern der politischen Kalkulierbarkeit und Berechenbarkeit entziehen könnte. Die Angst vor sozialen Unruhen war eines der wesentlichen und treibenden Motive für das Handeln der Bundesregierung.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Das ist eine schlichte Unverschämtheit, was Sie uns unterstellen!)

    Damit bleibt aber die zentrale Frage: Wo ist das rettende Ufer, zu dem die extensive Arbeitsmarktpolitik eine Brücke bauen soll? Welche industrie- und damit beschäftigungspolitischen Konzeptionen hat die Bundesregierung?

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Sehr wahr!)

    Wo sind die Perspektiven für eine reguläre Anschlußbeschäftigung derjenigen, die vorübergehend in einer
    Arbeitsmarktmaßnahme Schutz gefunden haben? —



    Ottmar Schreiner
    Die traurige Wahrheit ist, daß die Bundesregierung auch nicht die Ansätze einer Konzeption hat.
    Damit läuft die Arbeitsmarktpolitik allerdings Gefahr, den Problemberg nur um ein oder zwei Jahre zu verschieben, statt zur Lösung der Probleme beizutragen. Zuletzt könnten diejenigen Oberwasser bekommen, die immer schon gegen eine extensive Arbeitsmarktpolitik waren und sind, weil sie dahinter „zeitlich subventionierte Aufbewahranstalten" vermuten.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Wen meinen Sie damit?)

    Ich betone deshalb noch einmal und ausdrücklich: Die Wirksamkeit der in Gang gebrachten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen hängt auf mittlere Sicht entscheidend davon ab, ob die Arbeitsmarktpolitik ihrerseits durch wirksame wirtschafts- und strukturpolitische Maßnahmen unterstützt wird.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Das tun wir doch!)

    Die struktur- und sozialpolitische Überbrückungsfunktion der Arbeitsmarktpolitik steht und fällt damit, ob durch Investitionen dauerhaft Arbeits- und Ausbildungsplätze im privaten und öffentlichen Bereich geschaffen werden. Nur so kann die Arbeitsmarktpolitik über den Tag hinausführen und mehr als nur ein Notnagel in schwieriger Zeit sein.
    Der Dreh- und Angelpunkt der ostdeutschen Beschäftigungsentwicklung ist eine Antwort auf die Frage, ob der ehemalige Industriestandort DDR eine angemessene Zukunftsperspektive hat. Diese Antwort sind die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen bis zur heutigen Stunde schuldig geblieben. Diese Antwort haben Sie bislang nicht gegeben.

    (Beifall bei der SPD — Julius Louven [CDU/ CSU]: Über eine Million neuer Arbeitsplätze!)

    Damit aber steht und fällt die Sinnhaftigkeit jeder Arbeitsmarktpolitik.
    Nun sind gerade die Treuhandunternehmen derjenige wirtschaftliche Sektor, der besonders drastisch von Beschäftigungsrückgängen betroffen ist. Dazu gehören vor allem die ehemaligen Kombinate der Industrie und damit die Bereiche, die am stärksten dem Konkurrenzdruck westdeutscher und ausländischer Unternehmungen ausgesetzt sind. Ihre Marktsituation ist auch aus diesen Gründen besonders kritisch.
    Nach einer Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg soll die Zahl der Arbeitsplätze in den Treuhand-Unternehmen im Laufe dieses Jahres um etwa 1,4 Millionen, also um rund die Hälfte, zurückgehen. Im kommenden Jahr sollen nochmals etwa 200 000 Arbeitsplätze in diesem Bereich abgebaut werden. Bis zum Ende dieses Jahres kann die Gesamtzahl der Erwerbstätigen in der ehemaligen DDR auf rund sechs Millionen sinken. In dieser Zahl befinden sich etwa 1,3 Millionen Kurzarbeiter. Gegenüber dem Herbst 1989 würde dies bedeutet, daß etwa jeder Zweite in Ostdeutschland bis Ende dieses Jahres seinen Arbeitsplatz verloren hat oder kurzarbeitet.
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist dabei auch wenig tröstlich, daß die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen keineswegs mit dem weitaus höheren Verlust von Erwerbsarbeitsplätzen identisch ist. Immer noch verlassen Monat für Monat — bis zum heutigen Tag — Tausende von vor allem jungen Ostdeutschen mangels einer beruflichen Zukunft ihre Heimat, um sich in Westdeutschland eine neue Lebensperspektive aufzubauen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie machen denen auch viel Mut!)

    Diese Entwicklung ist in hohem Maße schädlich,

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Bei solchen Reden brauchen Sie sich nicht zu wundern!)

    weil sie in Ostdeutschland zu einen enormen Defizit an gut qualifizierten Fachkräften führt und damit betriebliche Ansiedlungen zusätzlich erschwert.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Aber das ist besser, als arbeitslos zu sein, Herr Kollege!)

    — Das ist natürlich besser, als arbeitslos zu sein. Aber Sie bewegen sich damit in einem Teufelskreis, weil das Angebot von gut qualifizierten Fachleuten natürlich eine zwingende Voraussetzung für unternehmerische Ansiedlungen sind.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Aber dafür sorgen wir!)

    — Dafür sorgen Sie ja gerade nicht, sonst würde der Marsch vom Ostteil in den Westteil der Republik nicht fortgesetzt werden.

    (Beifall bei der SPD — Julius Louven [CDU/ CSU]: 540 000 Qualifizierungsmaßnahmen!)

    Diesen dramatischen Beschäftigungseinbrüchen steht keine auch nur in Ansätzen erkennbare Konzeption gegenüber.

    (Dr. Hans-Peter Voigt [Northeim] [CDU/ CSU]: Glauben Sie das eigentlich selber?)

    Die wirtschafts- und beschäftigungspolitische Gestaltung der deutschen Einheit hat Sie völlig überfordert. Statt die Eigentumsfrage einer raschen Regelung zuzuführen und den zügigen Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur und Verwaltung anzustoßen, schloß die Bundesregierung über Monate hinweg die Augen und hoffte im Zustand ideologischer Verklärung auf ein Wunder des Markts.

    (Rudolf Dreßler [SPD]: Leider wahr!)

    Statt der Treuhand von Anfang an einen klaren gesetzlichen Sanierungsauftrag in die Hand zu geben, lassen Sie bis zur Stunde die Dinge treiben.
    Die SPD-Fraktion hat in diesem Hause und anderswo immer wieder darauf hingewiesen, daß die Treuhand gleichrangig durch Sanierung und Privatisierung auf eine effiziente Wirtschaftsstruktur in den neuen Ländern hinzuwirken hat. Wir halten zudem den unbedingten Vorrang der Sanierung für strukturpolitisch unverzichtbar und absolut unerläßlich für solche Betriebe, die mittelfristig am Markt eine Chance haben. Eine noch so expansive Arbeitsmarktpolitik kann die dringend notwendige Strukturpolitik eben nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Eine



    Ottmar Schreiner
    Strukturpolitik findet aber nicht statt; das ist das zentrale Problem.

    (Beifall bei der SPD und der PDS/Linke Liste)

    Ich sage Ihnen, daß das grundlegende Dilemma Ihrer Politik ist, daß Sie keine industrie- und damit auch beschäftigungspolitische Konzeption haben, auf die die Qualifizierungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen perspektivisch hinorientiert werden könnten. Eine dringend notwendige konzeptionelle Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Arbeitsmarktpolitik, also zwischen den Bundesministern für Wirtschaft sowie Arbeit und Soziales fand und findet erkennbar nicht statt.
    Aber auch Ihre Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinne ist von Widersprüchen und Ungereimtheiten geprägt. Statt im Frühsommer dieses Jahres die Treuhand zur Initiierung von Beschäftigungsgesellschaften anzuregen, verkroch sich die Bundesregierung, weil die internen Meinungsunterschiede zu einer totalen Selbstblockade geführt hatten. Betriebsnahe Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaften hätten ihrerseits einen wertvollen Beitrag im Rahmen einer Sanierungsstrategie zu leisten. Durch die Aneignung von Primär- und Weiterqualifikationen und durch die Verbesserung der betrieblichen Infrastruktur wäre es gerade nicht um die Konservierung wettbewerbsunfähiger Strukturen gegangen. Hauptgegenstand der Beschäftigungsgesellschaften — ganz im Gegensatz dazu — war gerade die Verbesserung der Angebotsbedingungen durch eine qualifikationsorientierte und infrastrukturelle Förderung des unternehmerischen Wandels.
    Statt die besondere Kurzarbeitergeldregelung Ost angesichts der bekannten Probleme längerfristig zu terminieren, wurschteln Sie von einer kurzatmigen Verlängerung zur nächsten. Wie unter diesen Umständen die Kurzarbeiterzeiten für wirklich sinnvolle und solide Weiterbildungsmaßnahmen genutzt werden können, bleibt das Geheimnis der Bundesregierung. Bis zur Stunde ist übrigens offen, ob es eine Verlängerung über das Jahr 1991 hinaus geben wird. Ich fordere Sie gerne auf, sich dazu hier zu äußern.
    Statt die Frauen gleichberechtigt in arbeitsmarktpolitische Maßnahmen einzubeziehen, sehen Sie tatenlos zu, wie Frauen in den ostdeutschen Ländern zum Hauptverlierer des Beschäftigungseinbruches werden.

    (Dr. Rudolf Karl Krause [Bonese] [CDU/ CSU]: Das ist die Unwahrheit!)

    Mit ca. 35 % liegt der Frauenanteil beispielsweise an den ABM-Beschäftigten noch niedriger als im Westen, während der Anteil der Frauen an der Gesamtarbeitslosigkeit in Ostdeutschland bei ca. 60 % liegt.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Und bei der Qualifizierung sind es 56 % ! )

    — Das sind die Zahlen, lieber Herr Kollege.
    Statt die Finanzierung der notwendigen Solidarmaßnahmen auf eine sozial gerechte und durchschaubare Grundlage zu stellen, werden fast wöchentlich neue Milliardenspiele aufgeführt, deren Finanzierungsgrundlage selbst einem professionellen Haushälter wie dem Kollegen Uelhoff große Rätsel aufgeben. Unklar ist bis zur Stunde auch, ob der Steuerlüge nun eine Beitragslüge folgt. Bekanntlich hat die Bundesregierung versprochen, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zum 1. Januar 1992 um 0,5 Prozentpunkte abzusenken.

    (Arnulf Kriedner [CDU/CSU]: Das werden wir auch tun!)

    Sie könnte dies um so problemloser tun, wenn sie sich unserem Vorschlag einer Arbeitsmarktabgabe anschließen würde, die alle Bürgerinnen und Bürger
    — und eben nicht nur die Arbeitnehmerschaft — alleine in ein solidarisches Finanzierungskonzept einbindet.

    (Dr. Gisela Babel [FDP]: Wollen Sie die noch immer?)

    — Was heißt „Wollen Sie die noch immer"? Das Problem ist doch, daß die Träger der Hauptlast der Finanzierungskosten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, während wir mit unserem Vorschlag alle Bürger in eine solidarische Finanzierungsstruktur einbinden wollten.
    Der Bundesarbeitsminister unterstützt unseren Vorschlag, kann sich aber — wie üblich — im Kreis der Koalitionsfraktionen nicht durchsetzen.

    (Beifall bei der SPD — Julius Louven [CDU/ CSU]: Aber mit der Senkung des Beitrags sind Sie einverstanden!)

    Statt die Arbeitslosigkeit im Osten wie im Westen entschieden zu bekämpfen, werden, Herr Bundesarbeitsminister, die östlichen gegen die westlichen Arbeitslosen ausgespielt.

    (Julius Louven [CDU/CSU]: Lächerlich!)

    Jedermann weiß, daß es gerade die prinzipiell positiven sozialpolitischen Erfahrungen mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Westen waren, die oft erfolgreich Langzeitarbeitslosen, älteren Arbeitnehmern, Ungelernten und Leistungsgeminderten eine weiterführende berufliche Perspektive eröffnen konnten und die gerade deshalb einen Export dieser Maßnahmen in die neuen Länder als zweckmäßig erscheinen ließen.
    Vor diesem Hintergrund — Herr Blüm, es ist grotesk —,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wahr!)

    klingt es geradezu nach Hohn und Spott, wenn die Bundesregierung das Instrument Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in ihren finanzpolitischen Betrachtungen nunmehr der Gesichtspflege Möllemanns zuliebe zu einer gewöhnlichen Subvention degradiert. Das ist Hohn und Spott aus vielerlei Gründen.
    Die für die nächsten drei Jahre beabsichtigte Streichung von etwa 1,6 Milliarden DM an ABM-Geldern für Westdeutschland ist ein sozialpolitisches Eigentor erster Klasse. Die Langzeitarbeitslosen im Westen, deren AB-Maßnahmen gestrichen werden, sollen einen Teil der Zeche für die Misere auf dem östlichen Arbeitsmarkt zahlen.
    Hinzu kommt, daß dieser „Kraftakt ohne Effekt"
    — wie ihn die „Süddeutsche Zeitung" nannte — fi-



    Ottmar Schreiner
    nanzpolitisch, Herr Uelhoff, nur eine Umschichtung bedeutet. Die Bundesregierung selbst, Herr Blüm vorneweg, hat in ihren Erläuterungen zum arbeitsmarktpolitischen Teil des Gemeinschaftswerks Aufbau Ost in einer Broschüre vom April 1991 festgestellt, daß die Beschäftigung von Arbeitslosen in ABM insgesamt gesehen — Zitat — „nicht teurer ist als durch Arbeitslosigkeit erzwungenes Nichtstun".
    Wenn das so ist, fragt man doch, warum 1,6 Milliarden DM unter finanzpolitischen Gesichtspunkten abgebaut werden sollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Selbst Sie können doch diesen Hirnriß nicht nachvollziehen — oder können Sie das? Haben Sie eine besondere Eignung, diesen Hirnriß nachvollziehen zu können? Sie scheinen besondere Fachqualifikationen zu haben.
    In einer weiteren Broschüre des Arbeitsministehums vom August dieses Jahres — Titel „Vereinsgründung und ABM" — heißt es zutreffend — Zitat — :
    Für den Arbeitslosen ist es wichtig, zu wissen, daß spätere Arbeitgeber erfahrungsgemäß die Zeiten einer Beschäftigung, auch wenn es sich um eine AB-Beschäftigung handelt, besser bewerten als Arbeitslosigkeit mit entsprechenden Lücken in der praktischen Berufsausbildung.
    Richtig!
    Was soll dann das Geschwätz vom angeblichen Subventionsabbau? Wen wollen Sie eigentlich für dumm verkaufen? Wer soll Ihnen diese grotesken Widersprüche zwischen der Selbstdarstellung der Bundesregierung und den Broschüren einerseits und Ihren Forderungen nach Subventionsabbau andererseits eigentlich noch abnehmen?
    Die Bundesregierung hat dem ABM-Instrument mit der Subventionseinstufung zudem einen zusätzlichen Bärendienst erwiesen. Ich zitiere die „Süddeutsche Zeitung" vom Juli dieses Jahres:
    Die Einstufung der AB-Mittel als Subvention ist um so pikanter, als die EG-Kommission seit langem versucht, die deutschen ABM-Gelder als wettbewerbsverzerrende Lohnzuschüsse zu definieren und als nicht EG-konforme Unternehmenssubventionierung in Frage zu stellen.
    Zusammengefaßt: Die Kürzung um 1,6 Milliarden DM hat also einen dreifachen Preis: Sie spielen die Langzeitarbeitslosen im Westen gegen die Arbeitslosen im Osten aus. Sie bewirken finanzpolitisch nichts, da es sich um eine kostenneutrale Umverteilung von aktiver Arbeitsmarktpolitik zugunsten der Finanzierung von Arbeitslosigkeit handelt. Sie liefern den Euro-Bürokraten in Brüssel zusätzliche Argumente, um ein bewährtes Instrument zu kappen. Soviel Unfug auf einmal ist sehr selten und verdient als Leistung eigener Art fast schon wieder Respekt.

    (Beifall bei der SPD)

    Offensichtlich hat im Kampf der Gladiatoren der „Riesenstaatsmann" Möllemann — zitiert nach Franz
    Josef Strauß — den Sieg gegen den „Herkules" Blüm — zitiert nach ihm selbst — davongetragen.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Ihr politisches Sündenregister ist reichlich lang. Ablaßkäufe sind seit den Bemühungen des Herrn Luther aus der Mode gekommen. Nicht aus der Mode gekommen sind klassische Ablenkungsmanöver, sei es die von der rechten Seite dieses Hauses völlig verantwortungslos geführte Asyldebatte, die immer dann bemüht wird, wenn man in der Patsche sitzt, sei es die bewährte Doppelstrategie von Herrn Minister Blüm.

    (Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Kommen Sie einmal in meinen Wahlkreis! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Fragen Sie einmal die Kirchen, was sie von Ihrer verantwortungslosen Hetze gegen Fremde in der Bundesrepublik halten. Fragen Sie einmal Ihre Kirchen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie sind mir ein merkwürdiger Christ. Sie scheinen mir mehr Parteichrist als Christ zu sein.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie sind der wahre Christ!)

    Die merkwürdige Doppelstrategie von Ihnen, Herr Blüm, ist: Mal sind Sie der selbsternannte Herkules der Bundesregierung, mal sind Sie ein politisch ohnmächtiger Oppositionspolitiker.
    Sie haben in der „Süddeutschen Zeitung" vom 9. August dieses Jahres in die Manege gerufen: „Wie wär's, Frau Breuel? Wie wär's, Herr Steinkühler?" Sie fordern das in der Tat ungleiche Paar auf, die in Westdeutschland zutiefst ungerechte Verteilung des Produktionsvermögens in Ostdeutschland erst gar nicht aufkommen zu lassen.
    Ja, meine Gute, sitzen denn neuerdings Frau Breuel und Herr Steinkühler in der Bundesregierung? Oder sitzen Sie noch in der Bundesregierung? Das ist doch dann die Frage.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS/Linke Liste)