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ID1203706200

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    Plenarprotokoll 12/37 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 37. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 4. September 1991 Inhalt: Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur Lage und Entwicklung in der Sowjetunion und Jugoslawien Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 3015 B Björn Engholm, Ministerpräsident des Lan- des Schleswig-Holstein 3020 A Dr. Alfred Dregger CDU/CSU 3025 D Dr. Hermann Otto Solms FDP 3031 D Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 3035 C Gerd Poppe Bündnis 90/GRÜNE 3038 C Ortwin Lowack fraktionslos 3041 D Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister AA 3043 A Hans Koschnick SPD (Erklärung nach § 30 GO) 3046 D Tagesordnungspunkt 1: Fortsetzung der a) ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1992 (Haushaltsgesetz 1992) (Drucksache 12/1000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 (Drucksache 12/1001) Dr. Hans-Jochen Vogel SPD 3047 C Dr. Jürgen Rüttgers CDU/CSU 3057 B Dr. Burkhard Hirsch FDP 3058C, 3100B, 3104 C Dr. Otto Graf Lambsdorff FDP 3062 C Ingrid Köppe Bündnis 90/GRÜNE . . . 3068 D Ulla Jelpke PDS/Linke Liste 3070 C Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler 3072 B Peter Conradi SPD 3082 B Dr. Lutz G. Stavenhagen CDU/CSU . . 3082 C Christel Hanewinckel SPD 3082 D Dr. Burkhard Hirsch FDP 3085 D Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMI 3086A Dr. Willfried Penner SPD 3087 A Konrad Weiß (Berlin) Bündnis 90/GRÜNE 3089D, 3106A Dr. Sigrid Hoth FDP 3089 D Dr. Wolfgang Ullmann Bündnis 90/GRÜNE 3091 D Johannes Gerster (Mainz) CDU/CSU . . 3092 B Dr. Paul Laufs CDU/CSU 3093 A Dr. Gregor Gysi PDS/Linke Liste . . . 3095 B Dr. Willfried Penner SPD 3097 C Dr. Klaus Kinkel, Bundesminister BMJ . 3102A Karl Deres CDU/CSU 3104A Dr. Hans de With SPD 3108 C Dr. Uwe-Jens Heuer PDS/Linke Liste . 3109A Dr. Conrad Schroeder (Freiburg) CDU/CSU 3110D Harald B. Schäfer (Offenburg) SPD . . . 3112D Dr. Klaus Töpfer, Bundesminister BMU . 3115D Nächste Sitzung 3117D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 3119* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 — Haushaltsgesetz und Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 — (Michael von Schmude CDU/CSU) . . . . 3119* B Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. September 1991 3015 37. Sitzung Bonn, den 4. September 1991 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bargfrede, Heinz-Günter CDU/CSU 04. 09. 91 Blunck, Lieselott SPD 04. 09. 91 * Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 04. 09. 91 * Erler, Gernot SPD 04. 09. 91 Fischer (Unna), Leni CDU/CSU 04. 09. 91 * Francke (Hamburg), CDU/CSU 04. 09. 91 Klaus Hilsberg, Stephan SPD 04. 09. 91 Koltzsch, Rolf SPD 04. 09. 91 Dr.-Ing. Laermann, FDP 04. 09. 91 Karl-Hans Dr. Lammert, Norbert CDU/CSU 04. 09. 91 Marten, Günter CDU/CSU 04. 09. 91 * Michels, Meinolf CDU/CSU 04. 09. 91 Dr. Müller, Günther CDU/CSU 04. 09. 91 Müller (Düsseldorf), SPD 04. 09. 91 Michael Dr. Neuling, Christian CDU/CSU 04. 09. 91 Pfuhl, Albert SPD 04. 09. 91 * Rempe, Walter SPD 04. 09. 91 Roitzsch (Quickborn), CDU/CSU 04. 09. 91 Ingrid Dr. Scheer, Hermann SPD 04. 09. 91 * Schmidt-Zadel, Regina SPD 04. 09. 91 Sielaff, Horst SPD 04. 09. 91 Dr. Soell, Hartmut SPD 04. 09. 91 * Dr. Sperling, Dietrich SPD 04. 09. 91 Dr. Sprung, Rudolf CDU/CSU 04. 09. 91 * Verheugen, Günter SPD 04. 09. 91 Vosen, Josef SPD 04. 09. 91 Weisskirchen (Wiesloch), SPD 04. 09. 91 Gert Welt, Hans-Joachim SPD 04. 09. 91 Wieczorek-Zeul, SPD 04.09.91 Heidemarie Zierer, Benno CDU/CSU 04. 09. 91 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Tagesordnungspunkt 1 - Haushaltsgesetz und Finanzplan des Bundes 1991 bis 1995 - Michael von Schmude (CDU/CSU): Diese erste Lesung des Haushalts 1992 gibt uns willkommenen Anlaß zu einer Bestandsaufnahme, nämlich: wie weit sind wir beim Aufbau des freiheitlichen Rechtsstaates in den neuen Bundesländern vorangekommen, wo stehen wir, was muß noch getan werden? Anlagen zum Stenographischen Bericht Uns ist allen bewußt, daß die Glaubwürdigkeit der Justiz und das damit verbundene Vertrauen in den Rechtsstaat unabdingbare Voraussetzung für das Zusammenwachsen der Deutschen in Ost und West sind. Die Verwirklichung der Einheit auf dem Gebiet des Rechts ist eine Mammutaufgabe und braucht demzufolge auch Zeit. Dennoch gehöre auch ich zu jenen, die ungeduldig sind, und in der Tat könnte und müßte das eine oder andere zügiger verwirklicht werden. Das Justizwesen der früheren DDR war Werkzeug des Unterdrückerstaates und muß deshalb mehr als jede andere Verwaltung auch personell von Grund auf erneuert werden. Das bedeutet, daß Richter und Staatsanwälte nur in einem geringen Umfang übernommen werden können. Um eine Richterdichte wie in den alten Bundesländern herzustellen, benötigen wir etwa 4 500 Richter, 1 000 Staatsanwälte und 2 000 Rechtspfleger. Letztere waren in der früheren DDR überhaupt nicht vorhanden. Die Überprüfung der Richter und Staatsanwälte, die bereits in der ehemaligen DDR tätig waren, wird intensiv betrieben (von 2 600 = 1990 sind jetzt noch 1 300 im Amt). Unabhängig davon sollten jene Juristen, die sich schuldig gemacht haben, nicht erst auf das Ergebnis ihrer Überprüfung warten, sondern durch freiwilliges Ausscheiden ein Zeichen der Einsicht und damit einen Beitrag zum Neubeginn leisten. Gleiches gilt auch für diejenigen Juristen, die sich noch kurz vor der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 als Rechtsanwälte niedergelassen haben, obwohl sie auf Grund ihrer Vergangenheit dieses besser hätten unterbleiben lassen sollen. Überprüfungen sind notwendig, wobei erforderlichenfalls die bisherigen gesetzlichen Grundlagen ergänzt werden müssen. Auch hier gilt: Jeder Einzelfall muß auf die persönliche Verantwortung hin untersucht werden, Pauschalverurteilungen sind fehl am Platze. Unser 1991 beschlossenes dreijähriges Hilfsprogramm zum Aufbau des Rechtsstaates im Beitrittsgebiet sieht die Entsendung von insgesamt 2 300 Juristen und Rechtspflegern vor. Dabei handelt es sich um 1 000 Richter und Staatsanwälte, von denen bis Ende Juni etwa die Hälfte abgeordnet waren. Die Länder haben erneut versprochen, die angestrebte Zahl per Ende dieses Jahres annähernd sicherzustellen. Ein größeres Defizit tut sich bei den Rechtspflegern auf. Zwischen Bund und Ländern war vereinbart, in diesem Jahr 500 Rechtspfleger abzuordnen. Per Ende August lag diese Zahl mit 211 weit zurück. Angesichts des großen Arbeitsanfalls bei den Grundbuchämtern - bekanntlich liegen über 1 Million Ansprüche auf Rückübertragung vor - ist dieser Zustand besonders bedauerlich. Am Geld kann es nicht liegen, denn im Rahmen des gesamten Hilfsprogramms von 120 Millionen sind für diesen Bereich der Abordnung allein 65,4 Millionen DM vorgesehen. Die neuen Bundesländer machen von dem finanziellen Hilfsangebot des Bundes zur Einstellung von bis zu 300 Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern regen Gebrauch. Hier sind kurzfristig bereits 200 Stellen besetzt worden. 3120* Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 37. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. September 1991 Außerordentlich unbefriedigend und schleppend verläuft dagegen die Ausschöpfung unseres sog. Seniorenmodells. Hier waren Haushaltsmittel in Höhe von 17,5 Millionen DM im Haushalt 1991 vorgesehen zur Entsendung von 500 pensionierten Richtern, Staatsanwälten und Rechtspflegern. Mehr als 100 Interessenten haben sich bei den Justizministern der alten Bundesländer beworben und ganze drei sind inzwischen erst tätig: ein Richter in Sachsen und jeweils ein Richter und ein Rechtspfleger in Thüringen. Diesem Mißstand muß durch den Bundesjustizminister dringend nachgegangen werden. Sollten die alten Bundesländer mit dieser Aufgabe der Bewerberauswahl überfordert sein, so wäre dringend eine Übertragung auf ein anderes Gremium erforderlich. Insgesamt bleibt ohnehin festzuhalten, daß einige Bundesländer sehr vorbildlich den Aufbau des Rechtsstaates in den neuen Bundesländern unterstützen, andere hingegen, oft entgegen großer Ankündigungen, nur sehr halbherzig. Ein negatives Beispiel ist dafür leider auch Herr Engholm, der 1990 ganze vier Richter nach Mecklenburg-Vorpommern abgeordnet hat und die ohnehin knappen Ressourcen an Richtern durch die parteipolitisch motivierte Entscheidung zur Einrichtung eines neuen Oberverwaltungsgerichts weiter einengt. So sehen manche Solidarbeiträge aus! Die Vereinbarung des Bundesjustizministers mit seinen Länderkollegen zur Entsendung von 60 Staatsanwälten zur Aufdeckung der Regierungskriminalität in der früheren DDR ist von den Ländern bisher erst mit 10 Juristen teilerfüllt worden. Natürlich ist kein Schleswig-Holstein dabei. Zur Aufarbeitung der früheren SED-Diktatur hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Bereinigung von SED-Unrecht vorgelegt. Damit sollen die Aufhebung von Unrechts-Urteilen und die Entschädigungsregulierung beschleunigt werden. Wir müssen an diesen Komplex mit einem besonderen Augenmaß herangehen: In den mehr als 20 000 anstehenden Rehabilitierungsverfahren stecken erschütternde Einzelschicksale. Den Betroffenen muß Gerechtigkeit widerfahren. Allerdings müssen wir auch die Grenzen unserer Möglichkeiten erkennen, die einfach darin bestehen, daß geschehenes Unrecht weder finanziell noch sonst voll ausgeglichen werden kann. Bei den Finanzen ist zu berücksichtigen, daß dieses Gesetz mit etwa 1,5 Milliarden DM Kosten an die Grenzen unserer Möglichkeit heranführt. Mit einem noch zu beratenden Gesetz über die sogenannte Verwaltungsrehabilitation müssen Willkürakte der DDR-Organe im Verwaltungsbereich aufgearbeitet werden. Hier muß eine Möglichkeit geschaffen werden, auch abgeschlossene Verfahren wieder aufzugreifen. Besonders gilt dies hinsichtlich der sogenannten Zwangsumsiedlungen. So wurden u. a. im ehemaligen Sperrgebiet an der innerdeutschen Grenze — auch direkt angrenzend an meinen Wahlkreis in Mecklenburg — Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen und ihr Hab und Gut gegen ein Trinkgeld dem Staat zu übereignen. Für die Vergangenheitsbewältigung des SED-Schnüffler- und Spitzelstaates brauchen wir weitere juristische Grundlagen. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz ermöglicht uns entsprechende Informationen im Interesse betroffener Opfer. In Verbindung mit der Erfassungsstelle Salzgitter kann dann hoffentlich ein Großteil politisch motivierter Straftaten aus der DDR-Zeit verfolgt und gesühnt werden. In diesem Zusammenhang ist zu begrüßen, daß einige SPD-regierte Bundesländer einen Läuterungsprozeß durchlaufen haben und sich wieder an den Kosten der Erfassungsstelle Salzgitter beteiligen. Es war schon beschämend, wie man hier in der Vergangenheit aus einer Gefälligkeitspolitik heraus sich aus der politischen Verantwortung davongestohlen hat. Ein ganz besonders negatives Beispiel gibt wiederum die schleswig-holsteinische Landesregierung unter Ministerpräsident Engholm, die sofort nach der Regierungsübernahme 1987 ihren Anteil von nur 10 000 DM verweigerte. Der bisherige Aufbau der rechtsstaatlichen Justiz im Osten Deutschlands verdient Dank und Respekt vor allem gegenüber den neuen Bundesländern, denn der Alltag zeigt, daß inzwischen auch hier und da bereits Rückstände bei Gerichten und Grundbuchämtern abgearbeitet werden können. Allen Mitarbeitern des Bundesjustizministeriums möchte ich an dieser Stelle ebenfalls meinen Dank für die von ihnen geleistete vorbildliche Arbeit sagen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Schäuble


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Die Antwort lautet nein, Herr Kollege Penner.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir sind doch nicht im Untersuchungsausschuß!)

    Ich denke, daß wir die Fragen im übrigen wirklich im Untersuchungsausschuß in wahrscheinlich epischer Breite erörtern werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Eben!)

    Darüber hinaus hat Ihnen, Herr Conradi, der Herr Kollege Stavenhagen soeben in der, wie ich glaube, angemessenen Form geantwortet.

    (Peter Conradi [SPD]: Das wird sich herausstellen!)

    — Ja, gut. Aber in der für diese Debatte angemessenen Form.

    (Peter Conradi [SPD]: Angemessen wäre eine Entschuldigung gewesen! — Gegenruf von der CDU/CSU: Von Ihnen!)

    Ich habe ja den dringenden Wunsch, daß bald Gelegenheit besteht, vor dem Untersuchungsausschuß auszusagen, weil ich nicht meine, daß wir in diesem Spiel von Verdächtigungen, mit denen in Wahrheit schon Hinrichtungen vorgenommen werden, die Debatte weiterführen sollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deswegen war die Reaktion, Frau Kollegin Hanewinckel, des Herrn Bundeskanzlers angemessen.
    Wir wissen spätestens seit Joseph Goebbels, daß an solchen Behauptungen immer etwas hängenbleibt. Deswegen sollte man zu diesen Methoden nicht greifen, und deswegen muß man dem sofort entgegentreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Freimut Duve [SPD]: Mit der Nennung dieses Namens in diesem Zusammenhang wäre ich sehr vorsichtig!)

    — Ich bin auch vorsichtig gewesen, wie Sie gesehen haben. Ich habe gesagt: Wir wissen es spätestens seit Joseph Goebbels, daß man solche Methoden brandmarken muß, damit sie nicht fortgesetzt werden. Ich hoffe, Herr Duve, daß Sie da an meiner Seite sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Ich möchte gerne eine zweite Bemerkung machen, weil ich die Sorge habe, daß das, was wir in den deutsch-deutschen Beziehungen zwischen 1982 und 1989 erfolgreich für die Menschen im geteilten Deutschland und für das Ziel der Einheit Deutschlands getan haben, ins Zwielicht gezogen werden soll. Warum hat Schalck-Golodkowski in der Zeit, in der Helmut Kohl Bundeskanzler war, eine so zentrale Rolle in den Beziehungen gehabt? Letztlich deswegen, weil mit dieser Bundesregierung für die damalige DDR ein Ausgleich von Interessen auf dem Gebiet politischer Forderungen nicht zu erreichen war.
    Wir hatten seit dem 13. Oktober 1980 die Geraer Forderungen Honeckers: die Anerkennung einer geteilten Staatsangehörigkeit — was wäre denn aus der deutschen Einheit im Oktober 1989 geworden, wenn wir darauf eingegangen wären? —,

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    die Abschaffung der zentralen Erfassungsstelle für Unrecht in der DDR in Salzgitter, die Veränderung der Elbgrenze und die Veränderung des Status der Ständigen Vertretung.
    Die Sozialdemokraten waren sehr wohl bereit, über die Geraer Forderungen mit der DDR zu verhandeln und Kompromisse zu schließen. Alle sozialdemokratisch regierten Länder haben seit Jahren die Zahlungen für die Erfassungsstelle in Salzgitter eingestellt. Davon wollen Sie heute nicht mehr reden, wenn es um das Unrecht geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Als ich dabei war, mit Schalck-Golodkowski unter Nutzung wirtschaftlicher Interessen der DDR darüber zu verhandeln, daß der Reise- und Besucherverkehr für jüngere Menschen in der damaligen DDR erweitert werde, hat Herr Lafontaine zum selben Zeitpunkt



    Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
    in der DDR eine Pressekonferenz gehalten, in der er sinngemäß gesagt hat, man müsse die eigene Staatsangehörigkeit der DDR anerkennen, damit die DDR im Reise- und Besucherverkehr Gegenleistungen zeigen könne; anders sei das für die DDR nicht möglich. Er ist uns damals in den Rücken gefallen.
    Als ich dabei war, mit Schalck-Golodkowski unter Ausnutzung des massiven wirtschaftlichen Interesses der DDR in Sachen Transitpauschale eine Vereinbarung zustande zu bringen, daß wir die Elbverschmutzung gemeinsam bekämpfen, ohne in der Frage der Elbgrenze nachzugeben, da war es u. a. der heutige niedersächsische Ministerpräsident Schröder, der gesagt hat, man müsse in Sachen Elbgrenze nachgeben. Er ist uns damit in den Rücken gefallen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Ich könnte die Geschichte wirklich unendlich verlängern.
    Weil nun die Frage von Asyl schon damals und auch im Zusammenhang mit Wahlkämpfen in der Bundesrepublik eine Rolle gespielt hat, will ich Ihnen folgende Geschichte nicht vorenthalten: Es ist wahr, im Jahre 1985 mußten wir den innerdeutschen Überziehungskredit — Swing hieß er — im Zahlungsverkehr verlängern und im Volumen ausweiten. Ich habe damals die Verhandlungen über den Swing zum Anlaß genommen, Herrn Schalck zu sagen, daß ich eine Vereinbarung über den Swing nicht abschließen könne und würde, wenn sie nicht einen ersten Schritt zur Bekämpfung des Skandals täten, daß wir bei der Zuwanderung von Asylbewerbern über Schönefeld und Ost-Berlin nach West-Berlin ein offenes Loch hatten.
    Sie wissen, wie uns das damals geplagt hat. Sie wissen, daß es Forderungen gab, wir müßten an der Mauer in Berlin unsererseits Kontrollen einführen. Ich habe das alles abgelehnt. 1985, 14 Tage, nachdem die Swing-Vereinbarung veröffentlicht war, ist es gelungen, daß die damalige DDR den Zugang von Tamilen über Schönefeld gestoppt hat.
    1986 gab es wieder das Problem mit Asylbewerbern aus anderen Ländern. Auch da haben wir gesagt: Ihr habt im Zusammenhang mit den Tamilen bewiesen, daß ihr den Zugang stoppen könnt; ihr müßt jetzt auch dieses Loch stopfen.
    Dann geschah das völlig Überraschende: Im September 1986 hat Herr Rau — er war damals, wenn ich mich richtig erinnere, Kanzlerkandidat der SPD —

    (Dr. Wilfried Penner [SPD]: 1987!)

    — im Januar 1987 war die Wahl, lieber Willfried Penner; 1986 war Wahlkampf — der staunenden deutschen Öffentlichkeit die Mitteilung von Herrn Honekker überbracht — sie ist Herrn Rau über Herrn Bahr übermittelt worden — , daß die DDR generell den Zugang von Asylbewerbern über Schönefeld verschließen werde.
    Wir haben das damals respektiert. Das Problem war gelöst; es ist durch die Bemühungen der Bundesregierung gelöst worden. Die damalige DDR hat dem Kanzlerkandidaten Rau die Mitteilung überlassen. Jetzt frage ich einmal: Wem hat wohl die damalige SED-
    Führung im Wahlkampf helfen wollen? Viel genützt hat es ja Gott sei Dank nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Also, lassen Sie die Verdächtigungen, und lassen Sie Franz Josef Strauß in diesem Zusammenhang in Ruhe. Denn er hat einen entscheidenden Anteil daran, daß diese Politik so erfolgreich geführt werden konnten. Ich finde nun wirklich, daß wir es, nachdem wir die deutsche Einheit errungen haben, miteinander nicht mehr nötig haben sollten, das Andenken Verstorbener nachträglich noch in einer so diffamierenden Weise in den Schmutz zu ziehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

    Weil ich, Herr Präsident, meine Damen und Herren, nun schon beim Thema Asyl war und diese Debatte heute auch innenpolitischen Schwerpunkten gewidmet werden soll, will ich obwohl ich nicht über Gebühr lange sprechen möchte, doch wenigstens einige Bemerkungen zum Thema Asyl heute noch zu diesem Zeitpunkt in der Debatte machen.
    Wir wissen, daß das ein besonders schwieriges Thema ist, bei dem wir darauf achten müssen, daß wir das friedliche und freundliche Zusammenleben von Deutschen und über 4,5 Millionen ausländischen Mitbürgern in der Bundesrepublik Deutschland nicht gefährden. Die Zahl der Asylbewerber ist in den letzten Monaten so angestiegen, daß jeder, der nicht handelt, die Verantwortung auf sich lädt, wenn hinterher die Ausländerfeindlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland zunehmen würde. Die Diskussion in den letzten Monaten hat sich so zugespitzt, daß die Menschen zunehmend besorgt werden.
    Was soll denn eigentlich ein Bürger der Bundesrepublik Deutschland davon halten, wenn ein veritabler Regierungschef eines — zugegeben — kleinen Bundeslandes, Herr Wedemeier, öffentlich verkündet, er halte sich jetzt nicht mehr an das, was nach Verfassung und Gesetz die Pflicht seines Amtes ist, er halte sich nicht mehr an das Grundgesetz, er nehme in Bremen keine Asylbewerber mehr auf? Wo kommen wir denn hin, wenn Regierungschefs von Bundesländern einen solchen Umgang mit der Verfassung hier predigen? Das hat Herr Wedemeier im Sommer getan, und das muß er sich zurechnen lassen. Sie als sozialdemokratische Bundestagsfraktion sollten sich davon distanzieren.
    Was sollen denn eigentlich die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland davon halten, wenn Herr Engholm, Ministerpräsident eines anderen Bundeslandes und Vorsitzender der SPD, in dieser Sommerpause sagt, man müsse Quoten einführen, und natürlich in dieser Diskussion den Menschen damit suggeriert: Folgt man Engholm, wird in Zukunft Jahr für Jahr festgelegt, wie viele kommen, und wer über die Quote hinaus kommen will, der kann nicht kommen? Wenn man ihn dann fragt: Herr Engholm, wollen Sie das Grundgesetz ändern, wollen Sie das



    Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
    Recht auf Asyl abschaffen?, dann sagt er: nein. Damit täuscht er die Menschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP — Dr Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Unehrlich! — Zuruf der Abg. Ingrid Matthäus-Maier [SPD])

    — Aber, Frau Matthäus-Maier, „unabhängig davon" heißt: Es bleibt beim jetzigen Zustand. Es gab 28 272 Asylbewerber im Monat August, und Herrn Engholms Quote kommt hinzu. Das hat aber Herr Engholm nicht gemeint, als er sich mit seinem Quotenvorschlag um die Luftherrschaft über Stammtischen bemüht hat. Er hat etwas ganz anderes gemeint. Deswegen täuscht er, und deswegen muß er mit dem Gebot der Wahrhaftigkeit sehr viel vorsichtiger sein.
    Ich bin dafür, daß wir in aller Verantwortlichkeit, aber auch in aller Dringlichkeit jetzt das Notwendige tun. Ich glaube, wir sollten drei Dinge wirklich ändern.
    Erstens. Wir sollten Menschen, die aus Ländern kommen, über die der Bundesaußenminister dem Bundesjustizminister geschrieben hat, daß es dort keine politische Verfolgung geben könne — z. B. in Polen gibt es ja wohl heute Gott sei Dank keine politische Verfolgung mehr — , wenn wir sie in das Asylverfahren aufnehmen, nicht so lange in der Bundesrepublik Deutschland belassen. Wir sollten vielmehr eine Möglichkeit schaffen, daß sie vorher die Bundesrepublik Deutschland verlassen und daß sie ihr Asylverfahren notfalls von zu Hause betreiben.

    (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU])

    Herr Conradi, das sollten wir heute einführen. Ich bin dafür, daß wir darüber reden.
    Wir sollten zweitens einführen, daß Menschen, die in anderen Ländern sicheren Schutz vor Verfolgung gefunden haben, nicht mehr Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland finden müssen.
    Wir sollten drittens — Graf Lambsdorff hat es gesagt — europäische Lösungen ermöglichen. Wir werden in Europa im Sinne der notwendigen gemeinsamen Asylpolitik nicht vorankommen, wenn wir nicht gemeinsam Asylentscheidungen — für und gegen — mit Wirkung für alle Mitgliedsländer in der Europäischen Gemeinschaft schaffen.
    Das sind die drei Punkte, von denen ich meine, daß wir sie einführen müssen.

    (Abg. Peter Conradi [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    Herr Conradi, wenn wir uns in der Sache darüber verständigen, dann werden die Verfassungsjuristen hinterher Frau und Manns genug sein zu entscheiden, ob das Grundgesetz dazu geändert werden muß oder nicht.

    (Peter Conradi [SPD]: Okay! Das wäre meine Frage gewesen!)

    Meine Überzeugung ist: Man muß das Grundgesetz ändern. Wenn mir jemand einen Weg zeigt, daß es auch ohne Grundgesetzänderung möglich ist, dann werden wir das prüfen; dann bin ich dafür. Aber in der
    Sache müssen wir handeln. Dem Gerede von Herrn Wedemeier, Herrn Engholm und anderen in der Sommerpause müssen jetzt Taten folgen, weil sich in der Bundesrepublik Deutschland sonst etwas fortsetzen würde, was ich nicht möchte: daß wir wegen der mißbräuchlichen Inanspruchnahme eines Grundrechts zunehmend in Gefahr geraten, wirklich politisch Verfolgten nicht mehr Zuflucht gewähren zu können, was wir auch in Zukunft wollen, daß wir in Gefahr geraten, unsere Bürger in ihrem Vertrauen in die Handlungsfähigkeit derjenigen zu enttäuschen, die für diesen Staat in Bund und Ländern Verantwortung tragen, und weil Ausländerfeindlichkeit wachsen würde.
    Wir haben inzwischen jeden Tag Anschläge auf Asylantenwohnheime zu verzeichnen, und zwar nicht nur in den neuen Ländern, sondern auch in den alten Ländern.
    Weil ich dies alles nicht möchte, meine verehrten Damen und Herren, ist es Zeit, daß wir nun gemeinsam handeln. Der Bund alleine kann es nicht. Die Länder sind stärker in der Verantwortung als der Bund. Sie müssen miteinander handeln. Wer das Grundgesetz ändern will, braucht Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Deswegen hat der Bundeskanzler zu Gesprächen eingeladen. Ich appelliere an die Sozialdemokratie in Bund und Ländern, sich jetzt ihrer Verantwortung zu stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Weiß das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Konrad Weiß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Kollege Schäuble! Herr Kollege Kohl! Sie wissen, daß ich seit langem und vielleicht als einer der ersten einen Schalck-Untersuchungsausschuß und eine Auseinandersetzung mit diesen Problemen gefordert habe. Ich muß Ihnen aber auch sagen, daß ich die Art und Weise, in der meine Kollegin Ingrid Köppe hier heute mit diffamierenden Unterstellungen ihre Fragen gestellt hat, aufs tiefste mißbillige und mich dafür entschuldige.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)