Rede von
Dr.
Horst
Ehmke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das gestern abgeschlossene Gipfeltreffen der KSZE-Staaten von Paris ist aus der Sicht der SPD ein außenpolitisch notwendiger, sicherheitspolitisch sinnvoller und europapolitisch hoffnungsvoller Schritt auf dem Weg zu einer europäischen Friedensordnung.
Neues im Konsens von 34 Staaten durchzusetzen wird nie einfach sein. Daß es bei dieser Konferenz in beachtlichem Maße gelungen ist, ist zunächst Ausdruck dessen, daß sich die KSZE-Staaten in den letzten Jahren entscheidend nähergekommen sind. Es ist aber auch Ausdruck des Einsatzes der Verhandlungsdelegationen in den verschiedenen Bereichen, und ich spreche sicher nicht nur im Namen meiner Fraktion, wenn ich den Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes, des Verteidigungsministeriums und allen anderen an dem Verhandlungserfolg beteiligten Ressorts meinen herzlichen Dank und Glückwunsch ausspreche.
Die Ergebnisse von Paris sind ein Erfolg der KSZE-Staaten, aber auch ein Erfolg deutscher Außenpolitik. Ich erinnere daran, daß sich Paris nahtlos in die Architektur der sozialdemokratischen Friedens-, Sicherheits- und Menschenrechtspolitik einfügt, die mit der Person von Willy Brandt verbunden ist.
Es war Willy Brandt, der die Entspannung in Europa eingeleitet hat, deren Früchte Sie und wir heute ernten. Die Kollegen aus den Unionsparteien erinnern sich vielleicht noch daran, daß es nicht ganz leicht war, Helsinki und die KSZE gegen ihre starre KalteKriegs-Mentalität durchzudrücken.
Ohne Helsinki gäbe es heute keine deutsche Einheit.
Herr Bundeskanzler, ich möchte Ihnen dazu gratulieren, daß Sie sich überwunden haben, heute zuzugeben, daß sich die Union damals geirrt hat,
und daß Sie Willy Brandt gratuliert haben, daß er trotz Ihres starren Widerstandes die Entspannungspolitik fortgeführt hat. Das ehrt Sie, Herr Bundeskanzler. Ich darf Ihnen sagen, wir Sozialdemokraten sind immer froh, wenn Sie und andere Mitglieder der Unionsparteien sozialdemokratisches Gedankengut übernehmen. Wir haben nur noch eine kleine Bitte: es sollte nicht immer fünfzehn Jahre dauern, Herr Bundeskanzler.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch Egon Bahr nennen, der heute seine Abschiedsrede in diesem Hohen Hause halten wird.
Unser Freund Egon Bahr trug hohe Verantwortung bei der Konzipierung und Ausführung einer zukunftsweisenden Ost- und Entspannungspolitik. Wir alle haben ihm für sein Wirken in der Bundesregierung und als Abgeordneter zu danken.
Der KSZE-Prozeß war von Beginn an mit dem Bemühen um konventionelle Abrüstung verbunden. Der Grundsatz, daß Kooperation in Europa ohne den Abbau von Konfrontation nicht möglich ist, hat heute nichts an Gültigkeit verloren. Wir begrüßen daher nachdrücklich, daß mit dem am 19. November unterzeichneten Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa der Einstieg in die konventionelle Abrüstung gelungen ist. Der konventionelle Rüstungswettlauf, der uns nicht nur höhere Kosten, sondern auch höhere Risiken aufgebürdet hatte, wird nun durch einen politisch kontrollierten Abrüstungsprozeß ersetzt.
Die Bundeswehr wird — das stand schon vorher fest — auf 370 000 Mann begrenzt. Für uns, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesverteidigungsminister, steht außer Frage, daß diese Reduzierung der Mannschaftsstärke auch von einer deutlichen Verringerung der Rüstungsausgaben begleitet werden muß.
Unser Ziel ist es, den Verteidigungshaushalt in der kommenden Legislaturperiode um die Hälfte zu reduzieren.
Dabei spreche ich von den reinen Militärausgaben. Wir sind uns bewußt, daß die Abrüstung auch mit vielen strukturpolitischen und sozialen Problemen verbunden ist, für deren Lösung in der Übergangsphase auch Gelder eingesetzt werden müssen, die im Verteidigungshaushalt frei werden.