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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/236 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 236. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Bundesministers Dr. Schwarz-Schilling 18861A Erweiterung der Tagesordnung 18861 A Zur Geschäftsordnung Such GRÜNE/Bündnis 90 18861 B Bohl CDU/CSU 18862 B Jahn (Marburg) SPD 18863 A Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 18930 B Außerhalb der Tagesordnung Dr. Ullmann GRÜNE/Bündnis 90 (Erklärung nach § 32 GO) 18930 C Dr. Heuer Gruppe der PDS (Erklärung nach § 32 GO) 18930 D Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Bundeskanzlers zu den Ergebnissen des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der KSZE in Paris und zum bevorstehenden Europäischen Rat in Rom Dr. Kohl, Bundeskanzler 18863 D Dr. Ehmke (Bonn) SPD 18869A Dr. Bötsch CDU/CSU 18873 D Duve SPD 18874 A Frau Dr. Vollmer GRÜNE/Bündnis 90 . 18876 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 18879 D Frau Dr. Kaufmann Gruppe der PDS . . 18883 A Bahr SPD 18885 D Dr. Knabe GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18887A Dr. Hornhues CDU/CSU 18890D Frau Kottwitz GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18892 D Genscher, Bundesminister AA 18893 D Frau Unruh fraktionslos 18895 C Hoppe FDP 18896 D Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE/Bündnis 90 (Erklärung nach § 31 GO) 18897 C Tagesordnungspunkt 2: Aussprache zur Haltung der Bundesregierung zur Erhöhung von Steuern und Abgaben Lafontaine, Ministerpräsident des Saarlan- des 18898 A Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 18906 D Frau Matthäus-Maier SPD 18908 B Dr. Ullmann GRÜNE/Bündnis 90 . . . 18910 D Frau Matthäus-Maier SPD 18912 C Frau Vennegerts GRÜNE/Bündnis 90 . 18912 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 18915 C Westphal SPD 18917 A Dr. Faltlhauser CDU/CSU 18917 C Dr. Gysi Gruppe der PDS 18919 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 18921 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 18924 B Schäfer (Offenburg) SPD 18924 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 Frau Unruh fraktionslos 18925 A Dr. Blüm, Bundesminister BMA 18925D, 18927 C Dreßler SPD 18927 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 18927 C Hoss GRÜNE/Bündnis 90 18928A Wüppesahl fraktionslos 18928 B Präsidentin Dr. Süssmuth 18931A Berichtigung 18932 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . .18933* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede des Abg. Glos (CDU/CSU) zu TOP 2 — Aussprache zur Haltung der Bundesregierung zur Erhöhung von Steuern und Abgaben 18933* D Anlage 3 Amtliche Mitteilung 18935* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 18861 236. Sitzung Bonn, den 22. November 1990 Beginn: 10.01 Uhr
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    Berichtigung 235. Sitzung, Seite 18839B, Zeile 10 von unten: Statt „Es wird Überweisung an die zuständigen Ausschüsse beantragt." ist „Es wird Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß beantragt." zu lesen. Anlage i Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 22. 11. 90 * Antretter SPD 22. 11. 90 * Frau Becker-Inglau SPD 22. 11. 90 Beckmann FDP 22. 11. 90 Frau Beer GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Bindig SPD 22. 11. 90 Frau Birthler GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Börnsen (Ritterhude) SPD 22. 11. 90 Borchert CDU/CSU 22. 11. 90 Brunner CDU/CSU 22. 11. 90 Büchler (Hof) SPD 22. 11. 90 Frau Bulmahn SPD 22. 11. 90 Daweke CDU/CSU 22. 11. 90 Dörfler GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Frau Faße SPD 22. 11. 90 Francke (Hamburg) CDU/CSU 22. 11. 90 Frau Fuchs (Verl) SPD 22. 11. 90 Gattermann FDP 22. 11. 90 Graf SPD 22. 11. 90 Gröbl CDU/CSU 22. 11. 90 Grünbeck FDP 22. 11. 90 Dr. Haack SPD 22. 11. 90 Haack (Extertal) SPD 22. 11. 90 Dr. Häfele CDU/CSU 22. 11. 90 Häfner GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 22. 11. 90 Hasenfratz SPD 22. 11. 90 Dr. Haussmann FDP 22. 11. 90 Frhr. Heereman von Zuydtwyck CDU/CSU 22. 11. 90 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 22. 11. 90 Frau Hürland-Büning CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Jobst CDU/CSU 22. 11. 90 Jung (Düsseldorf) SPD 22. 11. 90 Frau Kelly GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Kißlinger SPD 22. 11. 90 Koschnick SPD 22. 11. 90 Kossendey CDU/CSU 22. 11. 90 Kreuzeder GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Kühbacher SPD 22. 11. 90 Dr. Langner CDU/CSU 22. 11. 90 Maaß CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 22. 11. 90 Meyer SPD 22. 11. 90 Dr. Modrow Gruppe 22. 11. 90 der PDS Dr. Müller CDU/CSU 22. 11. 90 * Platzeck GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Dr. Pohlmeier CDU/CSU 22. 11. 90 Reddemann CDU/CSU 22. 11. 90 * Regenspurger CDU/CSU 22. 11. 90 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Rehm CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Schäuble CDU/CSU 22. 11. 90 Schmidt (München) SPD 22. 11. 90 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 22. 11. 90 Schütz SPD 22. 11. 90 Schulz GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Dr. Seifert Gruppe 22. 11. 90 der PDS Seiters CDU/CSU 22. 11. 90 Spilker CDU/CSU 22. 11. 90 Frau Trenz GRÜNE/ 22. 11. 90 Bündnis 90 Vosen SPD 22. 11. 90 Waltemathe SPD 22. 11. 90 Frau Weiler SPD 22. 11. 90 Weinhofer SPD 22. 11. 90 Wiefelspütz SPD 22. 11. 90 Wischnewski SPD 22. 11. 90 Wissmann CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Wittmann CDU/CSU 22. 11. 90 Zeitlmann CDU/CSU 22. 11. 90 Dr. Zimmermann CDU/CSU 22. 11. 90 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede des Abgeordneten Glos (CDU/CSU) zu Tagesordnungspunkt 2 Aussprache zur Haltung der Bundesregierung zur Erhöhung von Steuern und Abgaben Glos (CDU/CSU): Die CDU/CSU plant keine Steuererhöhungen, weder eine höhere Mehrwertsteuer noch eine höhere Mineralölsteuer noch eine sonstige Steuererhöhung. Es gibt keinen Grund, unsere langjährig erfolgreiche Politik des knappen öffentlichen Geldes und der Verbreiterung des privaten Sektors unter dem Vorzeichen der Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland aufzugeben. Unsere Politik der Senkung der Steuerquote - wir haben 1990 mit rund 22,5 Prozent den niedrigsten Stand seit 30 Jahren - hat zum Beispiel entscheidend dazu beigetragen, daß wir - auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik - jetzt in das neunte Jahr ununterbrochenen Wirtschaftswachstums hineingehen. Im Gegensatz zur SPD - die eine 9prozentige Ergänzungsabgabe, eine Erhöhung der Mineralölsteuer um 50 Pfennig je Liter sowie zahlreiche sogenannte Ökosteuern fordert - ist die CDU/CSU der Auffassung, daß Steuererhöhungen das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen und damit die solideste aller Finanzierungsquellen verschütten würden. Entgegen der Äußerung von Graf Lambsdorff am Sonntag in „Bonn direkt" ist die CDU/CSU in Sachen Finanz- und Steuerpolitik mindestens so sattelfest wie die FDP. Anders als die FDP fordern CDU und CSU 18934* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 zum Beispiel keine Vermehrung der Steuervielfalt um eine Klimasteuer. Wenn Graf Lambsdorff am vergangenen Wochenende meinte, feststellen zu müssen, daß die CDU/CSU in der Finanz- und Steuerpolitik wackelt, dann spricht er gegen besseres Wissen, denn die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und insbesondere die Finanz- und Steuerpolitiker haben nie gewackelt. In dieser hektischen Wahlkampfzeit ist seine Aussage nur als Profilierungsversuch zu werten, die FDP als bessere Steuererhöhungsverhinderungspartei darzustellen. Bedeutend mehr Freude macht uns natürlich, wenn der wirtschafts- und finanzpolitische Mentor der SPD, Professor Karl Schiller, vor zwei Wochen bei der von der SPD verlangten öffentlichen Anhörung zur Finanzierung der deutschen Einheit bestätigt hat, daß er — Schiller — nicht anders gehandelt hätte als unser CSU-Bundesfinanzminister Theo Waigel. Wir von der CDU/CSU verstehen ja, daß ein solches Lob aus der roten Ecke an die schwarze Adresse die FDP schmerzen muß. Ist es doch ihr Wirtschaftsminister, der seit langem jegliches Lob schmerzlich vermißt. Auf einem anderen Blatt steht die Notwendigkeit, die Leistungs- und Innovationskraft der Sozialen Marktwirtschaft verstärkt in den Dienst der Umwelt zu stellen. Unabhängig von der Finanzierung des Anpassungsprozesses in den neuen Bundesländern und seiner sozialen Absicherung ist eine breitere Anwendung des Verursacherprinzips mit marktwirtschaftlichen Maßnahmen geboten. Dazu können auch nichtsteuerliche Sonderabgaben gehören, wenn sie das Ziel verfolgen und auch geeignet sind, schädliche Umweltbelastungen zu verringern und bereits eingetretene Schäden zu beseitigen. Das Aufkommen solcher Sonderabgaben nimmt in dem Maße ab, in dem das Umweltziel erreicht wird. Eine solche Sonderabgabe hat also nichts mit Steuererhöhungen zur Aufbesserung der Staatseinnahmen zu tun, meine Damen und Herren von der Opposition! Steuererhöhungen schmälern die Investitionsbereitschaft und die Leistungsbereitschaft der Betriebe und der Berufstätigen. Sie wirken preistreibend. Dadurch wird eine verhängnisvolle Lohn-Preis-Spirale in Gang gesetzt, die zwar kurzfristig inflationsbedingte Steuermehreinnahmen bringen kann, aber mittelfristig mit realen Wachstumsverlusten und folglich Steuerverlusten bezahlt werden muß. Die richtige Finanzpolitik im vereinten Deutschland heißt vor allem Ausgabendisziplin. Unabweisbare Mehrausgaben für die Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland müssen mit Ausgabeeinsparungen in den öffentlichen Haushalten verbunden werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt deshalb den Beschluß der Bundesregierung, den mittelfristigen Ausgabenanstieg im Bundeshaushalt auf durchschnittlich 2 Prozent jährlich zu begrenzen. Auf Grund der kurzfristig notwendigen Unterstützung des Anpassungsprozesses in den neuen Bundesländern ist auch eine vorübergehend höhere Nettokreditaufnahme im Bundeshaushalt erforderlich. Vor allem 1991 wird es zu Mehrbelastungen kommen, die aber auf der Grundlage der dynamischen Wirtschaftsentwicklung in den alten Bundesländern und des baldigen Aufschwungs in den neuen Bundesländern bewältigt werden können. Meine Damen und Herren! Der Wiederaufbau des östlichen Teils unseres Vaterlandes ist die größte und wichtigste Investition seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Auf mittlere Sicht wird der ökonomische Nutzen der deutschen Wiedervereinigung die zusätzlichen Belastungen von heute deutlich übersteigen. Auch aus diesem Grunde ist eine vorübergehend höhere Nettokreditaufnahme der bessere Weg als die von der SPD geforderten neuen Steuern und Abgaben. Karl Schiller hat der SPD in der öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses am 7. November folgendes vorgerechnet: Die Einführung der SPD-Ergänzungsabgabe würde gerade diejenigen Steuerpflichtigen treffen, die die höchste Sparquote haben. Damit würde das Weniger an Kreditaufnahme des Staates auf ein Weniger an Kreditangebot der Privaten treffen und hätte deshalb keinerlei zinsentlastende Wirkung. Frau Matthäus-Maier sollte noch mal bei Herrn Schiller studieren; vielleicht ist er sogar bereit, ihr Privatunterricht zu geben. Noch eine Bemerkung an die Adresse von Graf Lambsdorff: Die privatwirtschaftliche Finanzierung und Durchführung von Investitionsprojekten soll nach dem Eckwertebeschluß der Bundesregierung, der vor 9 Tagen gefaßt wurde, für eine zusätzliche Entlastung der öffentlichen Haushalte sorgen. Soweit geeignete Objekte vorhanden sind, die Private besser als die öffentliche Hand erbringen können, sind die rechtlichen und sachlichen Voraussetzungen für eine privatwirtschaftliche Finanzierung baldmöglichst geschaffen. Dies ist die Beschlußlage, die die FDP im Kabinett mitgetragen hat. Es ist deshalb — zurückhaltend formuliert — unfair, wenn der Vorsitzende der FDP die Möglichkeit der privaten Finanzierung eines Autobahnbaus im östlichen Deutschland durch Gebühren als ein Marterinstrument bezeichnet und damit den Regierungsbeschluß konterkariert. Oder weiß Graf Lambsdorff nicht, daß die von ihm bevorzugte Vignette nach Schweizer Muster nichts anderes ist als eine Pauschalgebühr für die Autobahnbenutzung? Trotz des wahlkampfbedingten Geplänkels werden wir in der Koalition unsere bewährte Zusammenarbeit im Kampf gegen eine zu hohe Steuerbelastung für Bürger und Unternehmungen fortsetzen. Unsere Finanzpolitik hat die Angebotsbedingungen der Volkswirtschaft innerhalb von 8 Jahren nachhaltig verbessert, den Wohlstand der Bürger erhöht und die Selbstfinanzierungskräfte der Sozialen Marktwirtschaft gestärkt. Die glänzende Verfassung unserer Volkswirtschaft auf dem Gebiet der ehemaligen Bundesrepublik ist ganz wesentlich ein Ergebnis unserer wachstums- und investitionsfreundlichen Finanz- und Steuerpolitik. Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 236. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. November 1990 18935* Die Bürger und Bürgerinnen unseres Landes haben keinen Grund, ausgerechnet jetzt die Wirtschafts- und Finanzpolitik den Sozialisten als Experimentierfeld zu überlassen. Das SPD-Konzept eines völligen ökologischen Umbaus unseres Steuersystems verkennt grundlegende finanzpolitische Zusammenhänge. Ein Umkrempeln des Steuer- und Abgabesystems im Zeichen des Umweltschutzes würde irreparable Störungen unserer Wirtschafts- und Sozialordnung zur Folge haben. Dies kann sich das vereinte Deutschland, das international zunehmend in die Pflicht genommen ist, nicht leisten. Anlage 3 Amtliche Mitteilung Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 15. November 1990 ihren Entschließungsantrag auf Drucksache 11/8438 zurückgezogen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema unserer heutigen Debatte ist die Zukunft Europas, seine künftige Sicherheit und Zusammenarbeit und sein immer engerer Zusammenschluß in der Europäischen Gemeinschaft. Ich berichte Ihnen über den KSZE-Gipfel der Staats- und Regierungschefs Anfang dieser Woche in Paris und über die dort unterzeichneten und verabschiedeten Dokumente, und ich gebe Ihnen einen Ausblick auf den Europäischen Rat in Rom Mitte Dezember und die dort zu eröffnenden zwei Regierungskonferenzen über die Wirtschafts- und Währungsunion sowie über die Politische Union.
    Zusammengenommen bedeuten diese beiden Gipfelbegegnungen im Abstand von weniger als einem Monat Weichenstellungen für eine neue Epoche der europäischen Geschichte, in der wir der Vision von dem einen Europa entscheidend näher kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Gerade für unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, das vor sechs Wochen seine Einheit in Frieden, in Freiheit und in gutem Einvernehmen mit allen seinen Nachbarn und Partnern vollenden konnte, sind beide Gipfelbegegnungen von historischem Rang.
    In Paris wurde das Werk der deutschen Einigung unter dem europäischen Dach vollendet. In den Beiträgen der Staats- und Regierungschefs und in den



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Dokumenten wurde besonders sinnfällig, daß jetzt ein großes Ziel deutscher und europäischer Politik erreicht ist: Wir Deutsche überwinden die widernatürliche Teilung, unter der unser Land und Volk mehr als vierzig Jahre gelitten hat, und wir Europäer beenden Konfrontation und Kalten Krieg und begründen die historisch gewachsene Einheit unseres Kontinents neu.
    Ich habe in Paris all unseren Partnern in der KSZE für ihren großartigen Beitrag zu diesem Erfolg gedankt. Im KSZE-Prozeß ist über 15 Jahre hindurch hervorragende Arbeit geleistet worden. Die Schlußakte von Helsinki von 1975 war die richtige, die zukunftsweisende Weichenstellung.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    — Jetzt warten Sie bitte erst einmal ab. — Wir, die Unionsparteien, haben sie damals mit Skepsis aufgenommen, — —

    (Lachen bei der SPD)

    — Meine Damen und Herren, ich würde Ihnen wirklich raten: Jetzt warten Sie doch einmal ab. Im Moment brauchen wir hier keine Wahlversammlung abzuhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Lachen bei der SPD)

    Es sollte möglich sein, auch in einer solchen Stunde einen solchen Satz einmal ruhig aussprechen zu können.
    Wir, die Unionsparteien, haben sie damals mit Skepsis aufgenommen, eine Skepsis, die sich glücklicherweise als unbegründet herausgestellt hat. Ich nehme deshalb diese Debatte zum Anlaß, der damaligen Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Schmidt und Bundesminister Hans-Dietrich Genscher meinen besonderen Respekt für diese Entscheidung zu bezeugen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Jetzt möchte ich den anderen Satz auch noch ruhig sagen. Ich schließe die Kollegen Willy Brandt und Walter Scheel ausdrücklich in diese Feststellung ein.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der SPD und der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Auf dem Europäischen Rat in Rom werden wir Deutsche durch die Tat beweisen, daß wir mit der wiedergewonnenen Souveränität unseres Landes nicht rückwärtsgewandt umgehen. Wir sind im Gegenteil mehr als bisher bereit, Hoheitsrechte auf die Europäische Gemeinschaft zu übertragen. Wir arbeiten weiter an dem großen Ziel, das uns mit unseren europäischen Freunden eint, nämlich an den Vereinigten Staaten von Europa zu bauen.
    Daß wir Deutsche in diesem Herbst eine glückliche Wende unserer Geschichte erleben und zugleich eine große Zukunft für ganz Europa mitgestalten dürfen, verdanken wir vor allem zwei historischen Entwicklungen: Präsident Gorbatschow hat in der Außen- und Sicherheitspolitik der Sowjetunion „Neues Denken" durchgesetzt, und die Völker Mittel-, Ost- und
    Südosteuropas sind in festem Vertrauen auf die Ideale der KSZE mutig für ihr Recht, für ihre Freiheit und für ihre Selbstbestimmung eingetreten. Ich habe dies in der letzten Sitzung des Deutschen Bundestages ausführlich gewürdigt und will heute unseren Dank noch einmal bekräftigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Nur auf dem Fundament dieses grundlegenden Wandels und des darauf neu begründeten Vertrauens war es möglich, in Paris Ecksteine für eine dauerhafte und gerechte europäische Friedensordnung zu legen.
    Dieser grundlegende Wandel kommt besonders sinnfällig in der „gemeinsamen Erklärung von 22 Staaten" zum Ausdruck. Hierin erklären die 22 Staaten, die sich vormals in Bündnissen unversöhnlich gegenüberstanden, daß sie nicht mehr Gegner sind, sondern neue Partnerschaften aufbauen und einander die Hand zur Freundschaft reichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Vor allem: Sie bekräftigen ihre Verpflichtungen zum Gewaltverzicht. Sie versichern feierlich, daß sie keine ihrer Waffen jemals einsetzen werden, es sei denn zur Selbstverteidigung oder im Einklang mit der UNO-Charta. Wann in der Menschheitsgeschichte sind Allianzen in diesem Geist des Friedens und der Versöhnung aufeinander zugegangen?
    Mit dem „Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa" haben die 22 Staaten gleichzeitig das umfassendste und weitreichendste Abkommen in der Geschichte der Abrüstung und Rüstungskontrolle unterzeichnet. In nur 20monatigen Verhandlungen haben sie ein beispielloses Regelwerk geschaffen, um vom Atlantik bis zum Ural die konventionellen Hauptwaffensysteme zu begrenzen und diese Begrenzungen strikten Überprüfungen zu unterwerfen. Künftig wird es in Europa auf jeder Seite nur noch 20 000 Kampfpanzer, 30 000 gepanzerte Kampffahrzeuge, 20 000 Artilleriesysteme, 6 800 Kampfflugzeuge und 2 000 Kampfhubschrauber geben. Kein einzelner Staat darf mehr als ein Drittel dieses Potentials behalten.
    Für die Umsetzung dieses Vertrages sind weniger als vier Jahre vorgesehen. Danach wird zwischen den westlichen und den östlichen Staaten Gleichheit der konventionellen Streitkräfte in Europa auf niedrigerem Niveau als bisher geschaffen sein. Danach wird kein Staat in Europa mehr die Fähigkeit haben, einen Überraschungsangriff auszulösen oder großangelegte Offensivhandlungen zu unternehmen. Damit ist sowohl ein historischer Markstein der Abrüstung erreicht als auch das Fundament einer ganz Europa umfassenden Sicherheitsarchitektur gelegt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Kurzum: Frieden und Sicherheit in Europa werden künftig mit weniger Waffen verbürgt. Ich habe in meiner ersten Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag im Oktober 1982 die Arbeit der von mir geführten Bundesregierung unter das Ziel gestellt:



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Frieden schaffen mit weniger Waffen. Wir haben Wort gehalten.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE/Bündnis 90]: Wie wäre es mit einem Dank an die Friedensbewegung?)

    Die Bundesregierung hat deshalb von Anfang an als Teil ihrer besonderen Verantwortung für den Frieden in Europa angesehen, die Verhandlungen über konventionelle Streitkräfte in Europa in jeder nur denkbaren Weise zu fördern. Wir haben weiterführende Konzeptionen und konsensfähige Texte beigetragen, wofür ich den Verhandlungsführern wie auch ihren Kollegen in den anderen Wiener Foren meine besondere Anerkennung aussprechen möchte.
    Meine Damen und Herren, wir haben nicht zuletzt auf dem Weg zur deutschen Einheit die Verpflichtung übernommen, die Streitkräfte des geeinten Deutschland auf die Zahl von 370 000 Mann zurückzuführen. Diese Verpflichtung war der Schlüssel zum Verhandlungserfolg in Wien. Genauso hatten wir im Sommer 1987 mit unserem Verzicht auf die Pershing I a den Durchbruch zum INF-Vertrag und zur weltweiten Verschrottung aller nuklearen Mittelstreckenraketen erleichtert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesrepublik Deutschland hat im Vertrag über die konventionellen Streitkräfte in Europa Reduzierungspflichten übernommen, mit denen sie in absoluten Zahlen nach der Sowjetunion an zweiter Stelle steht, gemessen an den vorhandenen Potentialen jedoch an der Spitze liegt. Wir bauen ab: Panzer um 42 %, gepanzerte Kampffahrzeuge um 64 %, Artillerie um 42 %, Flugzeuge um 16 % und Kampfhubschrauber um 14 %.
    Alle Reduzierungen werden selbstverständlich überprüft durch ein bis in Einzelheiten festgelegtes System der Verifikation und Inspektion. Damit wird in Europa ein Maß an Offenheit und Transparenz auf militärischem Gebiet erreicht, das in der Geschichte ohne Vorbild ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Besonders wichtig ist für uns die im Vertrag enthaltene Verpflichtung, unmittelbar im Anschluß an seine Unterzeichnung die Verhandlungen auf der Grundlage des gleichen Mandats sowie im gleichen Teilnehmerkreis fortzusetzen. Wir gehen davon aus, daß dabei auch andere Partner ihren Beitrag zur Festigung von Sicherheit und Stabilität in Europa leisten und ebenfalls ihre Personalstärken begrenzen.
    Lassen Sie mich an dieser Stelle einfügen: Mit der Unterzeichnung des ersten Wiener Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa erhält nunmehr der erfolgreiche Abschluß der Genfer Verhandlungen über die weltweite Ächtung chemischer Waffen höchste Priorität. Vor dem Hintergrund der krisenhaften Entwicklung am Golf ist es allerhöchste Zeit, daß das Damoklesschwert dieser Massenvernichtungswaffen von der Menschheit genommen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Ich würdige in diesem Zusammenhang erneut, daß Präsident Bush die amerikanischen Chemiewaffen aus unserem Land einseitig und vorzeitig abgezogen hat.
    Mit dem Vertrag über die konventionellen Streitkräfte in Europa wird die sicherheitspolitische Lage Europas grundlegend verbessert. Diese positive Wirkung wird durch die neuen vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen weiter verstärkt, die parallel dazu in Wien ausgehandelt wurden und die die Staats- und Regierungschefs nunmehr in Paris zustimmend zur Kenntnis genommen haben.
    Ich hebe besonders die sicherheitspolitische Bedeutung des neuen Mechanismus für die Aufklärung ungewöhnlicher militärischer Aktivitäten hervor; ebenso den umfassenden Informationsaustausch, der erstmals auch Militärhaushalte und die Planungen für Großgerät einbezieht. Ich begrüße das neue, moderne Kommunikationssystem, das gerade im Krisenfall schnellste Abstimmung erlaubt und dadurch Fehleinschätzungen verhindert. Diese vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen durchzusetzen gehört zu den ersten Hauptaufgaben des KSZE-Konfliktverhütungszentrums, das die Staats- und Regierungschefs in Paris beschlossen haben. Damit ist ein wesentliches deutsches Verhandlungsziel erreicht.
    Meine Damen und Herren, ich komme damit zum wichtigsten Abschluß des Pariser Gipfels, dem Dokument unter dem Titel „Pariser Charta für ein neues Europa". Diese Charta verdient eine ausführlichere Würdigung, als dies im Rahmen einer Regierungserklärung möglich ist. Lassen Sie mich jedoch zwei wesentliche Aspekte hervorheben.
    Erstens: Das Pariser Gipfeldokument ist eine Magna Charta der Freiheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Es bekennt sich zu einer auf Menschenrechten und Grundfreiheiten beruhenden Demokratie, zu Wohlstand durch wirtschaftliche Freiheit und soziale Gerechtigkeit sowie zu gleicher Sicherheit für alle Länder. Die sind Leitbilder für die gemeinsame Zukunft unseres Kontinents. Die Hoffnungen und Erwartungen so vieler Menschen und Völker, die sich über Jahrzehnte mutig für die Ideale der KSZE eingesetzt haben, werden damit endlich erfüllt.
    Wir erinnern uns in dieser Stunde mit großer Dankbarkeit an Andrej Sacharow, der vor knapp einen Jahr starb.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN/Bündnis 90)

    Wer an die Tage zurückdenkt, in denen er seinen Kampf aufnahm, wer an die von sofortiger Repression begleiteten Anfänge so vieler Helsinki-Gruppen zurückdenkt, der kann ermessen, welch große Wegstrecke Europa auf dem Weg zur gemeinsamen Freiheit gegangen ist.
    Für uns Deutsche ist die umfassende Bekräftigung der Rechte der Minderheiten von besonderer Bedeutung. Das Pariser Gipfeldokument bekennt sich zu ihrem Schutz als Gebot des Friedens, der Gerechtigkeit, der Stabilität und der Demokratie. Es gewährlei-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    stet ihnen die Entfaltung ihrer ethnischen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Identität. Die Staats- und Regierungschefs haben zu diesem besonderen, für uns sehr wichtigen Thema ein zusätzliches KSZE-Forum einberufen.
    Zweitens: 15 Jahre nach der Schlußakte von Helsinki werden erstmals im Rahmen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gesamteuropäische Institutionen geschaffen. Sie befähigen die KSZE besser als bisher, ihre Arbeit im Dienst des Friedens, der Stabilität und der Zusammenarbeit in ganz Europa wirksam zu erfüllen. Regelmäßige Zusammenkünfte der Staats- und Regierungschefs, Treffen der Außenminister als Rat der KSZE mindestens einmal im Jahr sowie deren Vorbereitung durch hohe Beamte schaffen ein beispiellos dichtes Netz des Dialogs und der Konsultation. Ein neu geschaffenes Sekretariat in Prag wird diese Konsultation und Kommunikation unterstützen. Ich begrüße besonders, daß das erste Treffen der Außenminister im Juni 1991 in Berlin stattfinden wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Neben dem schon erwähnten Konfliktverhütungszentrum, das in Wien arbeiten wird, wird ein Büro für freie Wahlen in Warschau eingerichtet, um im Zusammenhang mit Wahlen in den Teilnehmerstaaten Kontakte und Informationsaustausch zu erleichtern. Besonders begrüße ich, daß künftig die Parlamente im KSZE-Prozeß stärker mitsprechen werden. Die Schaffung einer parlamentarischen Versammlung der KSZE steht auf der Tagesordnung des ersten KSZE-Außenministerrates im Sommer in Berlin.
    Meine Damen und Herren, schließlich haben die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die Vereinigten Staaten von Amerika bzw. Kanada andererseits in gemeinsamen transatlantischen Erklärungen ihre künftigen Beziehungen verabredet. Zusätzlich zum Nordatlantischen Bündnis und zusätzlich zur KSZE-Rolle der USA und Kanadas bedeuten die transatlantischen Erklärungen eine weitere starke Bindung zwischen Europa und den nordamerikanischen Demokratien. Deren Verantwortung in und für Europa wird erneut festgeschrieben. Die transatlantische Solidarität wird bekräftigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Angesichts des dynamischen Fortschritts bei der Einigung Europas werden die Gemeinschaft und ihre Organe nun selbst Partner der USA und Kanadas. Verabredet sind regelmäßige Konsultationen auf höchster Ebene und engste Abstimmungen in allen Fragen der gemeinschaftlichen Zuständigkeit.
    Herr Präsident, meine Damen und Herren, am Rande des Pariser KSZE-Gipfels bin ich wiederholt mit Präsident Gorbatschow zusammengetroffen. Wir haben unsere Gespräche von Bonn und Ludwigshafen fortgesetzt, und wiederum standen die Wirtschaftsreformen in der Sowjetunion und Möglichkeiten, ihre Durchsetzung von außen abzustützen, im Mittelpunkt der Gespräche. Wir haben vereinbart, daß in der kommenden Woche eine hochrangige deutsche Expertengruppe nach Moskau reist. Sie wird dort mit Präsident Gorbatschow selbst und mit seinem Beauftragten, dem Stellvertretenden Ministerpräsidenten Sitarjan, zusammentreffen.
    Es geht dabei um die Unterstützung der Reformen im Bereich von drei Schwerpunkten: Erstens sollen Wege erörtert werden, die beiderseitige Zusammenarbeit so wirksam wie möglich zu gestalten. Zweitens soll im Hinblick auf den Europäischen Rat in Rom im Dezember die multilaterale Zusammenarbeit vorbesprochen werden. Drittens wollen wir uns bemühen, die Weichen für humanitäre Hilfsaktionen so zu stellen, daß das, was hier bei uns in der Bundesrepublik Deutschland gespendet wird, auch tatsächlich den Menschen in der Sowjetunion zugute kommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, der SPD und den GRÜNEN/Bündnis 90)

    Um es klar auszudrücken: Es geht nicht darum, die Hilfsorganisationen von Staats wegen zu bevormunden. Vielmehr geht es darum, zu erreichen — das ist ein wichtiges Anliegen vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger aus der Bundesrepublik — , daß die Menschen eine gewisse Garantie bekommen, daß ihre Hilfe auch tatsächlich den Empfänger erreicht. In diesem Sinne hat Präsident Gorbatschow vorgeschlagen, daß wir beide auch die Schirmherrschaft über diese Aktion übernehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, in Paris ist bei allen Fortschritten im KSZE-Rahmen deutlich geworden, daß unser Kontinent die Europäische Gemeinschaft als einen politischen und wirtschaftlichen Stabilitätsanker braucht; ich füge hinzu, aus deutscher Sicht mehr denn je. Die EG muß Europa in dieser entscheidenden Phase der geschichtlichen Entwicklung den notwendigen Halt geben. Wir wollen daher die Europäische Gemeinschaft in den kommenden Jahren im Innern weiter festigen und ihre Handlungsfähigkeit sicherstellen. Nur so kann sie auch in Zukunft als treibende Kraft im gesamteuropäischen Prozeß und darüber hinaus wirken. Daher wollen wir sie entsprechend der Vision ihrer Gründungsväter zur Europäischen Union ausbauen und damit den Grundstein zu den Vereinigten Staaten von Europa legen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Diesem Ziel gelten die beiden Regierungskonferenzen, die wir in drei Wochen in Rom eröffnen. Sie sollen die Grundlagen für die Wirtschafts- und Währungsunion festlegen und die Politische Union voranbringen. Nur wenn es uns gelingt, diese Reformvorhaben zum Erfolg zu führen, wird die Europäische Gemeinschaft die Herausforderungen, die sich ihr von innen und von außen stellen, bestehen können. Nur so wird sie in der Lage sein, ihrer politischen und wirtschaftlichen Verantwortung für ganz Europa und gegenüber ihren Partnern in der Welt gerecht zu werden.
    Für uns Deutsche kommt es bei diesen Konferenzen im wesentlichen auf folgendes an: Erstens wollen wir rechtzeitig vor der nächsten Europawahl im Sommer



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    1994 die Rechte und die Kompetenzen des Europäischen Parlaments nachhaltig stärken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Es entspricht unserem demokratischen Selbstverständnis, weitere Hoheitsrechte der nationalen Parlamente und Regierungen in dem Maße auf europäische Institutionen zu übertragen, in dem gleichzeitig eine klare parlamentarische Kontrolle auf europäischer Ebene gewährleistet ist. Es ist ganz unstreitig, meine Damen und Herren, daß wir bisher eine Reihe von Kompetenzen der nationalen Parlamente und Regierungen auf die Gemeinschaft übertragen haben, ohne daß in diesem Bereich eine wirkliche parlamentarische Kontrolle existiert — ein an sich unmöglicher Zustand, den wir ändern müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der GRÜNEN/ Bündnis 90)

    Wir brauchen ein starkes Europäisches Parlament. Seine Befugnisse werden sich im Laufe der kommenden Jahre mehr und mehr denen der nationalen Parlamente annähern. So sollte das Parlament z. B. zukünftig bei der Wahl des Präsidenten und der Mitglieder der Kommission beteiligt werden. Vor allem aber müssen wir den Weg zu einer echten Mitentscheidung des Parlaments bei der Gesetzgebung ebnen.
    Zweitens muß es darum gehen, die Effizienz der Gemeinschaftsorgane nachdrücklich zu verbessern. Hierzu gehört sicherlich die Straffung der Arbeitsweise und der Entscheidungsprozesse von Kommission, Rat und Europäischem Parlament.
    Eines der Schlüsselthemen, das große Schwierigkeiten aufwerfen wird, wird die Vermehrung der Fälle sein, in denen der Rat mit qualifizierter Mehrheit abstimmt. Zugleich muß an entsprechend klare Quoten im Parlament gedacht werden. Aber auch Stellung und Aufgaben des Europäischen Rates sollten insbesondere auf der Grundlage der feierlichen Deklaration von Stuttgart aus dem Jahre 1983 in den Verträgen verankert und fortentwickelt werden.
    Drittens geht es um die Schaffung einer echten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, zu der auch die Entwicklungspolitik gehören muß. Für uns gilt unverändert, daß das europäische Einigungswerk ohne die volle Einbeziehung der Sicherheitspolitik und langfristig auch der Verteidigung unvollständig bleibt. Gerade die Ereignisse dieses Jahres haben uns vor Augen geführt, wie notwendig es ist, daß die Europäer über ein wirkungsvolles Instrumentarium verfügen, um ihre gemeinsamen Interessen in der Welt noch deutlicher zur Geltung zu bringen.
    Viertens wollen wir die europäische Wirtschafts- und Währungsunion verwirklichen. Auf der Grundlage des Berichts des Delors-Ausschusses, den wir im Sommer 1988 in Hannover unter meinem Vorsitz eingesetzt hatten, hat der Europäische Rat Ende Oktober dieses Jahres in Rom der Regierungskonferenz klare Orientierungen vorgegeben.
    Meine Damen und Herren, es ist erfreulich, daß sich die Notenbankgouverneure der Zwölf bereits jetzt unter der Leitung von Bundesbankpräsident Pöhl auf einen gemeinsamen Entwurf für ein Statut der künftigen europäischen Zentralbank verständigt haben. Wer die Diskussion der letzten Jahre aufmerksam verfolgt hat, muß feststellen, daß es heute über die von uns immer wieder vorgebrachten Eckpunkte keinen wirklichen Dissens mehr gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Für diese wichtige Überzeugungsarbeit schulden wir auch der Deutschen Bundesbank und ihrem Präsidenten Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, Kern und Ziel muß ein unabhängiges europäisches Zentralbanksystem sein, das ebenso wie die Deutsche Bundesbank vorrangig der Sicherung der Geldwertstabilität verpflichtet ist. Um dies zu erreichen, brauchen wir bereits bis zum Eintritt in die zweite Stufe am 1. Januar 1994 nachhaltige Fortschritte in der wirtschaftlichen Konvergenz aller Beteiligten.
    Fünftens gilt für uns bei alledem, daß wir keinesfalls mehr Zentralismus in Europa wollen,

    (Beifall des Abg. Dr. Dregger [CDU/CSU])

    sondern ein Europa der Bürger, das die Eigenarten und Traditionen der Länder und Regionen achtet und erhält.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Hierzu gehört nach unserer Überzeugung die Verankerung eines vernünftigen Gleichgewichts zwischen den Befugnissen der Gemeinschaft und denen ihrer Mitglieder. Föderalismus, Subsidiarität und die Einbeziehung der Interessen der Regionen sind für uns wesentliche Ordnungsprinzipien unserer europäischen Zukunft. Für uns Deutsche ist — ich will dies besonders betonen — die Parallelität der beiden Regierungskonferenzen von einer grundlegenden Bedeutung. Unser Kernziel ist und bleibt die politische Union Europas. So wichtig die Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion ist, sie bliebe aus meiner Sicht nur Stückwerk, wenn wir nicht gleichzeitig die politische Union verwirklichten; beide Ziele gehören unauflöslich zusammen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir werden uns in Rom erneut einem Thema zuzuwenden haben, das Anlaß zu großer Sorge gibt: Es geht um den Kampf gegen Drogen, gegen die international organisierte Kriminalität, insbesondere gegen die Mafia, sowie gegen den nationalen und internationalen Terrorismus. Wir haben hierzu auf der europäischen Ebene in den letzten Jahren Maßnahmen eingeleitet, die nach meiner Überzeugung angesichts der Dimension der Gefährdung jedoch nicht ausreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Zuruf von der SPD: Das stimmt!)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Ich halte es für das Gebot der Stunde, die Zusammenarbeit auch auf der europäischen Ebene sehr rasch und spürbar zu verbessern. Ich bin der Überzeugung, daß wir dringend eine europäische Zentrale zur Verbrechensbekämpfung brauchen; sonst laufen wir Gefahr, daß die Dinge außer Kontrolle geraten.
    Wir wollen weiterhin den Abbau und den Wegfall der Grenzkontrollen. Dies erfordert aber zwingend engste Abstimmung sowie ein gemeinsames Vorgehen in Kernbereichen polizeilichen und justizpolitischen Handelns. Wir werden daher im Rahmen der Regierungskonferenz zur Politischen Union nachdrücklich dafür eintreten, daß diese Fragen in die Gemeinschaftsverträge einbezogen werden.
    Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, daß wir in den kommenen Jahren auf diese Weise nicht nur für ein handlungsfähiges Europa sorgen, sondern zugleich auch der Vision der europäischen Einheit einen wesentlichen Schritt näherkommen werden. Wir wollen einen entscheidenden Beitrag für ein neues kraftvolles Europa leisten, für unsere gemeinsame europäische Zukunft in Frieden, in Freiheit, in Wohlstand und in Sicherheit.
    Wir wollen unseren Beitrag zu dem Ziel leisten, das in der Präambel unseres Grundgesetzes mit gleichem Rang verankert ist wie die Wiederherstellung unserer Einheit: das vereinte Europa. Das in Freiheit vereinte Deutschland ist sich seiner Verantwortung für ein in Freiheit vereintes Europa bewußt. Wir werden auch in Zukunft unsere Politik danach ausrichten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Begegnung von 34 Staats- und Regierungschefs gab Gelegenheit zu zahlreichen Gesprächen auch am Rande der Konferenz. Dabei standen verständlicherweise vor allem der Golfkonflikt und — damit verbunden — das Problem der im Irak und in Kuwait festgehaltenen Ausländer im Vordergrund.
    Wir freuen uns mit den deutschen Geiseln und ihren Angehörigen über die Ankündigung, daß alle festgehaltenen Deutschen jetzt endlich ausreisen dürfen. Wir haben von Anfang an auf dieses Ziel hingearbeitet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Unsere gemeinsamen Anstrengungen — ich denke, das darf ich für alle hier im Hause sagen — waren aber immer darauf gerichtet, die Freilassung aller Geiseln aus allen Nationen zu erreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP, bei Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN/ Bündnis 90 sowie der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Wir werden auch in Zukunft alles tun — soweit dies in unseren Möglichkeiten liegt — , um dieses Ziel zu erreichen. Wir hoffen, daß bis zum Weihnachtsfest, dem Fest des Friedens für alle Christen, alle Geiseln ausreisen dürfen. Meine Damen und Herren, dies wäre ein wichtiges Signal, das die Chancen für eine friedliche Lösung entscheidend verbessern könnte.
    Wer im Golfkonflikt eine friedliche Lösung will, wer eine militärische Auseinandersetzung ausschließen will, der muß wissen, daß die Lösung der Geiselfrage
    höchste Priorität hat. Die irakische Führung sollte wissen, daß ein weiteres Festhalten von Ausländern in Kuwait und im Irak den Konflikt erheblich verschärft, daß dies ein Spiel mit dem Feuer ist.
    Alle meine Gesprächspartner in den vergangenen Tagen haben die internationale Solidarität beschworen. Das gilt für Präsident Bush, für Präsident Mitterrand, für Premierministerin Thatcher genauso wie für Präsident Gorbatschow und andere. Wir sind uns einig, daß diese völlige Übereinstimmung von höchstem Gewicht und von größter Bedeutung für die Zukunft ist. Wer diese Solidarität gefährdet oder aufkündigt, erschwert eine friedliche Lösung des Konflikts und die Durchsetzung der allgemein gültigen Normen des Völkerrechts in der Golfregion.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Meine Damen und Herren, diese überzeugende solidarische Haltung schließt den klaren Wunsch aller ein, eine friedliche Lösung anzustreben. Keiner von uns will Krieg. Aber wir alle wollen die Durchsetzung der Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, das heißt vor allem den bedingungslosen Abzug aller irakischen Truppen aus Kuwait, die Wiederherstellung der vollen Souveränität des Landes und selbstverständlich — ich wiederhole es noch einmal — die Freilassung aller festgehaltenen Ausländer.
    Alle sind sich einig, daß nur im Rahmen der Verantwortung der Vereinten Nationen gehandelt werden soll. Sie bleiben das Dach für alle Aktionen, und niemand soll sich im Blick auf die Entschlossenheit der Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen täuschen, den Beschlüssen Geltung zu verschaffen und sie durchzusetzen.
    Wir alle waren uns aber auch darin einig, daß die Zeit reif ist, daß über den Golfkonflikt hinaus auch die Probleme der anderen Krisenherde dieser Region auf dem Verhandlungswege gelöst werden müssen. Es wird im Mittleren und Nahen Osten keinen dauerhaften Frieden und keine Sicherheit geben, wenn nicht endlich der arabisch-israelische und der Libanon-Konflikt auf dem Verhandlungsweg beigelegt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Das Ziel, so denke ich, könnten regionale Sicherheitsstrukturen sein, die wie in Europa auf Abrüstung und Rüstungskontrolle und insbesondere auf den allseitigen Verzicht auf ABC-Massenvernichtungsmittel sowie auf Zusammenarbeit gründen.
    Meine Damen und Herren, der KSZE-Gipfel in Paris war eine eindrucksvolle Demonstration des Friedenswillens aller. Aber wir wissen, daß Frieden und Sicherheit in Europa nicht für sich allein stehen können. Wir müssen gemeinsam Mitverantwortung dafür übernehmen, daß der Frieden auch in anderen Regionen der Erde möglich wird. Wir, die Bundesregierung, sind zu dieser Mitverantwortung bereit.

    (Langanhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP und Beifall bei Abgeordneten der SPD)






Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ehmke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das gestern abgeschlossene Gipfeltreffen der KSZE-Staaten von Paris ist aus der Sicht der SPD ein außenpolitisch notwendiger, sicherheitspolitisch sinnvoller und europapolitisch hoffnungsvoller Schritt auf dem Weg zu einer europäischen Friedensordnung.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Neues im Konsens von 34 Staaten durchzusetzen wird nie einfach sein. Daß es bei dieser Konferenz in beachtlichem Maße gelungen ist, ist zunächst Ausdruck dessen, daß sich die KSZE-Staaten in den letzten Jahren entscheidend nähergekommen sind. Es ist aber auch Ausdruck des Einsatzes der Verhandlungsdelegationen in den verschiedenen Bereichen, und ich spreche sicher nicht nur im Namen meiner Fraktion, wenn ich den Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes, des Verteidigungsministeriums und allen anderen an dem Verhandlungserfolg beteiligten Ressorts meinen herzlichen Dank und Glückwunsch ausspreche.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Die Ergebnisse von Paris sind ein Erfolg der KSZE-Staaten, aber auch ein Erfolg deutscher Außenpolitik. Ich erinnere daran, daß sich Paris nahtlos in die Architektur der sozialdemokratischen Friedens-, Sicherheits- und Menschenrechtspolitik einfügt, die mit der Person von Willy Brandt verbunden ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Es war Willy Brandt, der die Entspannung in Europa eingeleitet hat, deren Früchte Sie und wir heute ernten. Die Kollegen aus den Unionsparteien erinnern sich vielleicht noch daran, daß es nicht ganz leicht war, Helsinki und die KSZE gegen ihre starre KalteKriegs-Mentalität durchzudrücken.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Ohne Helsinki gäbe es heute keine deutsche Einheit.
    Herr Bundeskanzler, ich möchte Ihnen dazu gratulieren, daß Sie sich überwunden haben, heute zuzugeben, daß sich die Union damals geirrt hat,

    (Beifall bei der SPD)

    und daß Sie Willy Brandt gratuliert haben, daß er trotz Ihres starren Widerstandes die Entspannungspolitik fortgeführt hat. Das ehrt Sie, Herr Bundeskanzler. Ich darf Ihnen sagen, wir Sozialdemokraten sind immer froh, wenn Sie und andere Mitglieder der Unionsparteien sozialdemokratisches Gedankengut übernehmen. Wir haben nur noch eine kleine Bitte: es sollte nicht immer fünfzehn Jahre dauern, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der SPD)

    In diesem Zusammenhang möchte ich auch Egon Bahr nennen, der heute seine Abschiedsrede in diesem Hohen Hause halten wird.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN/Bündnis 90)

    Unser Freund Egon Bahr trug hohe Verantwortung bei der Konzipierung und Ausführung einer zukunftsweisenden Ost- und Entspannungspolitik. Wir alle haben ihm für sein Wirken in der Bundesregierung und als Abgeordneter zu danken.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN/Bündnis 90)

    Der KSZE-Prozeß war von Beginn an mit dem Bemühen um konventionelle Abrüstung verbunden. Der Grundsatz, daß Kooperation in Europa ohne den Abbau von Konfrontation nicht möglich ist, hat heute nichts an Gültigkeit verloren. Wir begrüßen daher nachdrücklich, daß mit dem am 19. November unterzeichneten Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa der Einstieg in die konventionelle Abrüstung gelungen ist. Der konventionelle Rüstungswettlauf, der uns nicht nur höhere Kosten, sondern auch höhere Risiken aufgebürdet hatte, wird nun durch einen politisch kontrollierten Abrüstungsprozeß ersetzt.
    Die Bundeswehr wird — das stand schon vorher fest — auf 370 000 Mann begrenzt. Für uns, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesverteidigungsminister, steht außer Frage, daß diese Reduzierung der Mannschaftsstärke auch von einer deutlichen Verringerung der Rüstungsausgaben begleitet werden muß.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [fraktionslos])

    Unser Ziel ist es, den Verteidigungshaushalt in der kommenden Legislaturperiode um die Hälfte zu reduzieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Dabei spreche ich von den reinen Militärausgaben. Wir sind uns bewußt, daß die Abrüstung auch mit vielen strukturpolitischen und sozialen Problemen verbunden ist, für deren Lösung in der Übergangsphase auch Gelder eingesetzt werden müssen, die im Verteidigungshaushalt frei werden.

    (Beifall bei der SPD — Unruhe im Saal — Dr. Vogel [SPD]: Herr Präsident! — Weitere Zurufe von der SPD: Ruhe bitte!)