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ID1118600200

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    Plenarprotokoll 11/186 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 186. Sitzung Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 14393 A Zusatztagesordnungspunkt 14: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung über den Begriff des Arbeitsumfelds und den Anwendungsbereich von Artikel 118 a des EWG-Vertrags (Drucksachen 11/3899, 11/5997) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu der dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvE 2/89 (Drucksache 11/6084) 14393 B Zusatztagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Dr. Scheer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Einberufung einer zweiten Konferenz der Nicht-Kernwaffenstaaten (Drucksachen 11/2202, 11/5705) Dr. Scheer SPD 14393 D Lowack CDU/CSU 14396 C Eich GRÜNE 14397 C Dr. Feldmann FDP 14398 D Schäfer, Staatsminister AA 14400 C Dr. Soell SPD 14402 C Lamers CDU/CSU 14403 D Tagesordnungspunkt 18: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 29. September 1988 zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, Regierungen von Mitgliedstaaten der Europäischen Weltraumorganisation, der Regierung Japans und der Regierung Kanadas über Zusammenar-belt bei Detailentwurf, Entwicklung, Betrieb und Nutzung der ständig bemannten zivilen Raumstation (Drucksache 11/4576) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf dem Gebiet der Raumfahrt (Raumfahrtaufgabenübertragungsgesetz) (Drucksache 11/5994) c) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Antrag des Abgeordneten Vosen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Weltraumpolitik der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 11/1995, 11/4723) Dr. Probst, Parl. Staatssekretär BMFT 14405 A Fischer (Homburg) SPD 14406 D Dr.-Ing. Laermann FDP 14409 B Wetzel GRÜNE 14410 C Dr. Rüttgers CDU/CSU 14412 A Catenhusen SPD 14415D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989 Tagesordnungspunkt 19: Beratung der Großen Anfrage des Abgeordneten Dr. Ehmke (Bonn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ost-West-Handel mit Hochtechnologiegütern (Drucksachen 11/2658, 11/3726) Roth SPD 14418 D Kittelmann CDU/CSU 14421 A Stratmann GRÜNE 14423 B Funke FDP 14425 B Beckmann, Parl. Staatssekretär BMWi . 14426 C Vosen SPD 14427 C Dr. Schwörer CDU/CSU 14428 B Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Strafnachlaßgesetzes zum 40jährigen Bestehen der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 11/4555) Frau Nickels GRÜNE 14430 B Marschewski CDU/CSU 14431 A Dr. de With SPD 14432 B Kleinert (Hannover) FDP 14433 C Dr. Jahn, Parl. Staatssekretär BMJ 14434 B Nächste Sitzung 14435 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 14437* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 14437* D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989 14393 186. Sitzung Bonn, den 15. Dezember 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 185. Sitzung, Seite 14391' A: In die Liste der entschuldigten Abgeordneten sind einzufügen: Hoss GRÜNE 14. 11. 89 und Scharrenbroich CDU/CSU 14. 11. 89 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein CDU/CSU 15. 12. 89 Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP 15. 12. 89 Dr. Ahrens SPD 15. 12. 89 * Dr. Apel SPD 15. 12. 89 Bachmaier SPD 15. 12. 89 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 15. 12. 89 Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU 15. 12. 89 Frau Becker-inglau SPD 15. 12. 89 Dr. Bötsch CDU/CSU 15. 12. 89 Dr. Briefs GRÜNE 15. 12. 89 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 15. 12. 89 Dr. Diederich (Berlin) SPD 15. 12. 89 Egert SPD 15. 12. 89 Dr. Ehmke (Bonn) SPD 15. 12. 89 Ehrbar CDU/CSU 15. 12. 89 Dr. Ehrenberg SPD 15. 12. 89 Dr. Emmerlich SPD 15. 12. 89 Eylmann CDU/CSU 15. 12. 89 Frau Frieß GRÜNE 15. 12. 89 Gattermann FDP 15. 12. 89 Dr. Geißler CDU/CSU 15. 12. 89 Genscher FDP 15. 12. 89 Dr. Götz CDU/CSU 15. 12. 89 Grünbeck FDP 15. 12. 89 Frau Hasselfeldt CDU/CSU 15. 12. 89 Hauser (Esslingen) CDU/CSU 15. 12. 89 Dr. Haussmann FDP 15. 12. 89 Dr. Häfele CDU/CSU 15. 12. 89 Frau Hämmerle SPD 15. 12. 89 Heyenn SPD 15. 12. 89 Hiller (Lübeck) SPD 15. 12. 89 Hoss GRÜNE 15. 12. 89 Irmer FDP 15. 12. 89 Jaunich SPD 15. 12. 89 Jung (Düsseldorf) SPD 15. 12. 89 Kißlinger SPD 15. 12. 89 Klein (Dieburg) SPD 15. 12. 89 Kolb CDU/CSU 15. 12. 89 Frau Kottwitz GRÜNE 15. 12. 89 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 15. 12. 89 Dr. Kreile CDU/CDU 15. 12. 89 Kreuzeder GRÜNE 15. 12. 89 Dr. Kübler SPD 15. 12. 89 Lummer CDU/CSU 15. 12. 89 Lutz SPD 15. 12. 89 Dr. Mechtersheimer GRÜNE 15. 12. 89 Meneses Vogl GRÜNE 15. 12. 89 Dr. Mertens (Bottrop) SPD 15. 12. 89 Meyer SPD 15. 12. 89 Dr. Meyer zu Bentrup CDU/CSU 15. 12. 89 Michels CDU/CSU 15. 12. 89 Dr. Müller CDU/CSU 15. 12. 89 Niegel CDU/CSU 15. 12. 89 Niggemeier SPD 15. 12. 89 Dr. Nöbel SPD 15. 12. 89 Petersen CDU/CSU 15. 12. 89 Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Pohlmeier CDU/CSU 15. 12. 89 Rappe (Hildesheim) SPD 15. 12. 89 Reddemann CDU/CSU 15. 12. 89 Reimann SPD 15. 12. 89 Reuschenbach SPD 15. 12. 89 Rind FDP 15. 12. 89 Frau Rock GRÜNE 15. 12. 89 Scharrenbroich CDU/CSU 15. 12. 89 Dr. Schäuble CDU/CSU 15. 12. 89 Schluckebier SPD 15. 12. 89 Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 15. 12. 89 von Schmude CDU/CSU 15. 12. 89 Dr. Sperling SPD 15. 12. 89 Dr. Sprung CDU/CSU 15. 12. 89 Steiner SPD 15. 12. 89 Dr. Thomae FDP 15. 12. 89 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 15. 12. 89 Waltemathe SPD 15. 12. 89 von der Wiesche SPD 15. 12. 89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 15. 12. 89 Wissmann CDU/CSU 15. 12. 89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 15. 12. 89 Würtz SPD 15. 12. 89 Würzbach CDU/CSU 15. 12. 89 Dr. Zimmermann CDU/CSU 15. 12. 89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Fraktion DIE GRÜNEN hat mit Schreiben vom 11. Dezember 1989 bzw. 14. Dezember 1989 mitgeteilt, daß sie ihre Anträge auf Drucksache 11/5274 „Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als Westgrenze Polens" und auf Drucksache 11/5969 „Melderechtsrahmengesetz (MRRG)" zurückzieht. Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/4020 Drucksache 11/4226 Drucksache 11/4339 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/4489 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/2681 Ausschuß für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung Drucksache 11/4341 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/4081 Nr. 2.12 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/4680 Nr. 2.13
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Scheer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Sommer 1990 wird die vierte und vorläufig letzte Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag stattfinden. Dieser Vertrag, der am 1. Juli 1970 in Kraft trat, hat eine vorläufige Geltungsdauer bis zum Jahr 1995. Der Atomwaffensperrvertrag ist das bisher wichtigste internationale Vertragswerk gegen Atomwaffen. Seine Bedeutung wird heute weithin unterschätzt. Sein Bestand ist gleichzeitig in großer Gefahr, und dies hängt mit der gegenwärtigen Unterschätzung seiner Bedeutung zusammen.
    Gegenwärtig gibt es fünf offizielle Atomwaffenstaaten und mit Israel einen weiteren inoffiziellen Atomwaffenstaat. In den 90er Jahren droht die Verbreitung von Atomwaffen auf weitere Staaten, die sich in Weltregionen befinden, die schon seit Jahren spannungsgeladener sind, als es der Ost-West-Koflikt in Europa seit den 60er Jahren war. Diese Entwicklung ist alarmierend. Sie kann nur verhindert werden, wenn endlich die Atomwaffenstaaten zu umfassender atomarer
    14394 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989
    Dr. Scheer
    Abrüstung, zu einer zügigen Einleitung eines entsprechenden Prozesses bereit sind. Dies hängt mit der Bereitschaft zusammen, auf die Atomabschreckung zu verzichten.
    Darüber hinaus gibt es einen unverkennbaren Zusammenhang zwischen den Möglichkeiten einer weltweiten Achtung chemischer Waffen und der Bereitschaft zu einem Verzicht auf Atomwaffen und Atomabschreckung. Im Januar 1989 fand in Paris eine internationale Konferenz zu chemischen Waffen statt. Auf dieser Konferenz wurde deutlich, daß eine Reihe arabischer Staaten, die im Besitz von chemischen Waffen sind, nur zur Beteiligung an einem weltweiten Verbot aller chemischen Waffen bereit sind, wenn auch die Atomwaffenstaaten zu einem Verzicht auf Atomwaffen bereit sind.
    Alle Verlautbarungen der Bundesregierung, anderer Regierungen oder auch der Koalitionsfraktionen, die eine baldige Vereinbarung zum C-Waffen-Verbot versprechen, sind eine Selbsttäuschung, solange es an der gleichzeitigen Bereitschaft zu einer Ächtung der Atomwaffen fehlt. Es wird zu einem C-Waffen-Vertrag nicht kommen, solange dieser Zusammenhang ignoriert wird.
    Dieser Zusammenhang ist ernst zu nehmen. Sie versprechen seit Jahren: Es kommt eine Lösung. Aber es kommt ja keine, und die Gründe dafür sind auf offenem internationalen Forum in Paris im letzten Januar ausgebreitet worden. Es kann bisher keine Rede davon sein, daß die NATO-Regierungen — einschließlich der Bundesregierung — diesen Zusammenhang mit der Bedeutung, die er wirklich hat, wahrzunehmen bereit sind. Sie verleugnen diesen Zusammenhang. Sie empören sich zu Recht über die C-WaffenRüstung anderer, leugnen aber gleichzeitig, daß das Nichtzustandekommen eines Verbots aller chemischen Waffen heute seine wesentliche Ursache im prinzipiellen Festhalten der NATO und anderer Atommächte an Atomwaffen hat.
    Der realistische Klartext lautet:
    Erstens. Ohne Bereitschaft zur Aufgabe der Atomwaffen wird es allenfalls eine Begrenzung — eine Begrenzung, Herr Staatsminister Schäfer — , aber kein weltweites Verbot der chemischen Waffen geben.
    Zweitens. Ohne Bereitschaft zur Aufgabe der Atomwaffen durch die jetzigen Atomwaffenstaaten sind in den nächsten Jahren darüber hinaus ein Auseinanderbrechen des Atomwaffensperrvertrages und eine Ausbreitung atomarer Waffen auf weitere Staaten selbst dann zu befürchten, wenn es zwischen Ost und West zu weiteren Vereinbarungen über eine Reduzierung vorhandener atomarer Waffen kommt.
    Drittens. In einer Zeit der Beendigung des OstWest-Konfliktes wachsen damit die globalen Gefahren neuer Konflikte. Die Gefahr von Atomkriegen kann dadurch größer statt geringer werden.
    Viertens. Die Verantwortung für solche Entwicklungen liegt eindeutig mit bei den jetzigen Atomwaffenstaaten. Ich sage nicht, sie liegt alleine bei ihnen, aber sie liegt mit bei ihnen. Sie liegt natürlich auch bei denen, die zu solchen Rüstungen greifen. Sie liegt jedenfalls mit bei den jetzigen Atomwaffenstaaten —
    ich wiederhole es — , die krampfhaft an diesen Waffen festhalten.
    Die einzige realistische Schlußfolgerung ist, daß die einzigartige Chance der Überwindung des jahrzehntelangen Ost-West-Konflikts nun endlich dazu benutzt wird, die Atomwaffen abzuschaffen und das internationale Regime des Atomwaffensperrvertrages zu einer dauerhaft verbindlichen Regel des Völkerrechts zu machen.
    Der Zusammenhang zwischen Ost-West-Konflikt und Atomrüstung, der Entstehung der wechselseitigen atomaren Abschreckung, ist historisch unverkennbar. Indem dieser Ost-West-Konflikt überwunden wird, muß man auch bereit sein, das Abschrekkungsprinzip als Folge dieses Ost-West-Konflikts mit aufzugeben. Sonst wird es sich verselbständigen und neue Probleme hervorrufen, an die von Ihnen im Moment nicht gedacht wird; jedenfalls wird nichts dagegen getan. Es wird sogar zu einem unausweichlichen Erfordernis, wenn man die Problemlage genau betrachtet, dies mit den Bemühungen um eine Ächtung der C-Waffen inhaltlich zu verknüpfen. Die Festigung des Atomwaffensperrvertrages durch atomare Abrüstung muß also frühzeitig und vorausschauend eingeleitet werden, d. h. bevor der Atomwaffensperrvertrag zerbricht.
    Aber statt die politische Verantwortung mit einer solchen Voraussicht wahrzunehmen, spielen auch die Regierungsparteien diese Gefahr — jedenfalls in der öffentlichen Diskussion — permanent herunter. Auch in dieser Debatte werden wir das wahrscheinlich wieder erleben.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Warten Sie einmal ab!)

    Jedenfalls war das in den Ausschüssen so, als darüber beraten wurde. Das war auch in der ganzen zurückliegenden Zeit der Fall. Wir haben über diese Frage ja zuletzt vor ungefähr eineinhalb Jahren, d. h. in dieser Legislaturperiode diskutiert.

    (Dr. Feldmann [FDP]: Mehrfach! Schon 1985!)

    — Mehrfach davor. Aber es gab immer dieselben ausweichenden Antworten, Herr Kollege Feldmann.
    1968 gab es eine Konferenz aller Staaten, die nicht im Besitz von Atomwaffen sind — —

    (Dr. Feldmann [FDP]: Im nächsten Jahr haben wir die vierte Konferenz! — Zuruf des Abg. Mischnick [FDP])

    — Das Problem, Herr Kollege Mischnick, geht weiter über die Mittelstreckenfrage hinaus.

    (Mischnick [FDP] : Natürlich!)

    1969 war es das zentrale Thema des Bundestagswahlkampfs. Damals hat Ihre Partei — gegen die Unionsparteien — für den Atomwaffensperrvertrag mitgefochten.

    (Dr. Feldmann [FDP]: Bei vernünftigen Dingen sind wir immer dabei, Herr Kollege!)

    Das Problem war damals schon ganz aktuell, obwohl
    seinerzeit überhaupt nie von atomaren Mittelstrek-
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989 14395
    Dr. Scheer
    kenraketen gesprochen wurde. Das heißt, man muß auch an die anderen Dinge denken.
    Ich wiederhole: 1968 gab es eine Konferenz aller Staaten, die nicht in Besitz von Atomwaffen sind, um diese zu ihrer Unterschrift unter diesen Vertrag und damit zu einem vertraglichen Verzicht auf solche Waffen zu motivieren; denn ein vertraglicher Verzicht ist immer besser als einer, der lediglich freiwillig erfolgt und jederzeit zurückgenommen werden kann, ohne daß ein Vertrag gebrochen werden muß. Diese Konferenz aller Nicht-Kernwaffenstaaten fand in der Zeit des Kalten Krieges statt. Die Konferenz fand wenige Tage nach dem Einrollen der sowjetischen Panzer in Prag statt.
    Die damalige Bundesregierung nahm an dieser Konferenz teil. Es war die Zeit der Großen Koalition.
    r Jetzt fordert die SPD, daß sich die Bundesregierung für eine zweite Konferenz aller nichtatomaren Staaten nach dem Beispiel der Konferenz von 1968 einsetzt, um durch eine gemeinsame Bemühung dieser Staaten den mittlerweile gefährdeten Atomwaffensperrvertrag zu sichern und auf die Atomwaffenstaaten einzuwirken, endlich ihrer Verpflichtung zu atomarer Abrüstung gerecht zu werden. Aber Sie tun diesen Vorschlag einfach ab, tun so, als wäre alles in bester Ordnung, und wollen mit fadenscheinigen Begründungen erklären, daß jetzt, da der Kalte Krieg zu Ende ist, nicht möglich sein soll, was 1968 möglich war. Diesen Widerspruch müssen Sie erst einmal auflösen.

    (Dr. Feldmann [FDP]: Aber seitdem hat sich doch sehr viel geändert!)

    — Der Vertrag, der damals geschlossen worden ist, Herr Kollege Feldmann — das hat sich geändert — , ist jetzt in Gefahr, nachdem er zunächst einmal etwas stabilisiert hat.
    In Wahrheit weichen Sie dem Problem also aus. Wollen Sie etwa erst dann mit vollmundigen Appellen reagieren, wenn es wieder einmal zu spät ist, wenn also die Weiterverbreitung von Atomwaffen schon begonnen hat? Hätten wir vor zwei Jahren darüber diskutiert, daß in Libyen chemische Waffen produziert werden, hätten Sie das geleugnet, hätten Sie gesagt, hier wird irgend etwas erfunden.

    (Dr. Feldmann [FDP]: Das ist ein ganz anderes Thema!)

    Ein Jahr später wurde es Realität und hat uns alle und dann die ganze Weltöffentlichkeit beschäftigt.

    (Dr. Soell [SPD]: Bis auf den heutigen Tag! — Lamers [CDU/CSU]: Eine abenteuerliche Parallele!)

    Die Bundesregierung triefte vor Besorgnis und beschwörenden Appellen, als der Bau der C-WaffenFabrik in Libyen bekannt wurde. Sie triefte zu Recht vor Besorgnis.
    Außenminister Genscher sagte — wörtlich — , wer so etwas mache, begehe kriminelles Unrecht. Ich stimme dem zu und füge hinzu: Auch der Besitz von Atomwaffen und das Streben danach sind kriminelles Unrecht.

    (Lamers [CDU/CSU]: O Gott! O Gott!)

    Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, daß Irak, bereits berüchtigt durch den Völkermord mit chemischen Waffen im gerade beendeten Golfkrieg, eine Rakete gestartet hat, die zum Atomwaffenträger geeignet ist.

    (Staatsminister Schäfer: Israel schon lange!)

    — Israel ohnehin schon. — Es ist nicht zu sehen, daß aus solchen Alarmzeichen — ich könnte noch eine Menge hinzufügen — irgendwelche Konsequenzen gezogen werden. Statt dessen verschanzt man sich hinter Argumenten, die man für Realpolitik hält.

    (Dr. Feldmann [FDP]: Gute Argumente!)

    — Das ist eine sattsam bekannte Vorstellung von Realpolitik, Herr Kollege Feldmann, die immer erst reagiert, wenn es fünf Minuten nach zwölf ist.
    Art. VI des Atomwaffensperrvertrages enthält die Verpflichtung — wörtlich, Herr Kollege Mischnick, zu Ihrer Erinnerung —

    (Mischnick [FDP]: Fünf Minuten nach zwölf ist alles vorbei!)

    zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung. — Es spricht nicht für Sie, daß Sie bei diesem ernsten Problem nichts weiter als Lächelei übrig haben.

    (Dr. Feldmann [FDP]: Sie überziehen, Herr Kollege!)

    — Ich überziehe überhaupt nicht. Ich zeige das auf, was wirklich um uns herum los ist und geschieht.
    Zum dem Thema, was zu chemischen Waffen geschah und geschieht, tagt nachher der Auswärtige Ausschuß. Genauso wichtig ist das Thema atomarer Bewaffnungsversuche, nur daß im Moment kein spektakulärer Anlaß gegeben ist. Vor nicht allzu langer Zeit hatten wir entsprechende spektakuläre Anlässe, auch was den Export atomwaffenfähigen Materials in andere Länder angeht.

    (Zuruf des Abg. Dr. Feldmann [FDP])

    — Spielen Sie das Problem bitte nicht herunter. Es ist zu ernst, Herr Feldmann.
    Art. VI des Atomwaffensperrvertrages enthält die Verpflichtung zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zu nuklearer Abrüstung. Mit anderen Worten, die Bereitschaft der Atommächte zu atomarer Abrüstung war die Voraussetzung zum Verzicht der nichtatomaren Staaten auf den Besitz von Atomwaffen. Atomwaffen sind nach diesem Vertrag also Waffen, die nur noch für eine Übergangszeit toleriert werden.
    25 Jahre nach Inkrafttreten dieses Vertrages soll
    — so bestimmt Artikel X dieses Vertrages — eine Konferenz einberufen werden — so im Vertragstext wörtlich —,
    die beschließen soll, ob der Vertrag auf unbegrenzte Zeit in Kraft bleibt oder um eine oder mehrere bestimmte Frist oder Fristen verlängert wird.
    Der Zeitpunkt dieser Konferenz wird also 1995 sein, in fünfeinhalb Jahren. Soviel Zeit haben wir also noch. Wer weiß, wie mühsam und zeitraubend das Aushandeln internationaler Vereinbarungen und Vertragser-
    14396 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989
    Dr. Scheer
    gänzungen möglicherweise ist, der weiß auch, daß eigentlich schon jetzt mit der umfassenden Sicherung dieses Vertrages begonnen werden müßte.
    Dabei geht es auch um das, was man bei sich selber tut. Denn diese umfassende Sicherung wird es nur geben, wenn die prinzipielle Bereitschaft zum Verzicht auf alle Atomwaffen bis dahin verbindlicher zugesichert ist, als es bisher der Fall war.
    Tatsache ist, daß demgegenüber die NATO heute eine Haltung einnimmt, mit der sie dogmatischer an Atomwaffen festhält als zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Atomwaffensperrvertrages. Erst im Mai hat die NATO auf ihrer Frühjahrstagung das atomare Abschreckungsprinzip in einer Weise bekräftigt, daß von einer Übergangswaffe etwa für den Zeitraum des Atomwaffensperrvertrages zwischen 1970 und 1995 — seine jetzige Geltungsdauer — überhaupt keine Rede sein kann. Diese Waffen sollen jetzt offenbar zur Dauereinrichtung werden.
    Das Ziel eines vollständigen atomaren Teststopps, eine der zentralen Forderungen, ist praktisch aufgegeben. Angestrebt wird nur noch eine Verringerung und eine Begrenzung der Tests. Das ist ein Rückfall hinter Positionen, die auch Sie vor über zehn Jahren und weit davor in noch viel schwerwiegenderen spannungsgeladenen Zeiten mit vertreten haben. Warum nicht jetzt?

    (Dr. Feldmann [FDP]: Die wir auch heute noch vertreten!)

    — Ich brauche nur die letzte Debatte zu zitieren.
    1963 scheiterte der vollständige Atomteststopp an der Weigerung der damaligen sowjetischen Führung, eine Kontrolle des Atomteststopps auf ihrem Territorium zuzulassen. Jetzt läßt die Sowjetunion alle Kontrollen zu. Aber die NATO — und im Schlepptau auch die Bundesregierung — erklärt, Atomwaffentests müßten so lange stattfinden, wie es Atomwaffen gibt, wenigstens in einer bestimmten Anzahl. Das ist ein klarer Rückfall.
    Zwar wird natürlich darüber gesprochen — möglicherweise kommt es auch zu einem Ergebnis — , daß Amerika und die Sowjetunion 50 % ihrer Interkontinentalraketen abbauen. Gleichzeitig finden umfassende atomare Neurüstungen statt, nicht nur bei der NATO, auch auf dem Boden der Bundesrepublik, und zwar nicht nur bei Kurzstreckenraketen. Es geht dabei auch um britische und französische Waffen und Antisatellitenwaffen.
    Das heißt, es ist ein Zusammenhang klar erkennbar. Wenn Sie nicht endlich die Konsequenz zu ziehen bereit sind, das eigene atomare Abschreckungsprinzip aufzugeben und entsprechende bilaterale atomare Abrüstungsverhandlungen zu führen — denn dieser Prozeß muß beidseitig geschehen —, wird atomare Aufrüstung in anderen Ländern provoziert. Vor dieser Entwicklung kann man nur warnen. Sie werden nicht irgendwann sagen können, andere seien daran schuld, und man hätte leider nichts dagegen tun können.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Herr Lowack.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ortwin Lowack


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Scheer, ich teile Ihre Auffassung, daß der Atomwaffensperrvertrag eines der wichtigsten Vertragswerke gegen die Verbreitung von Atomwaffen ist. Leider ist die Gemeinsamkeit damit schon am Ende; denn Sie erklären Ihrem Publikum natürlich nicht, wer am meisten gegen diesen Vertrag verstoßen hat. Wir stellen fest, seit dieser Konferenz 1968, die Sie angesprochen haben, und seit der Ratifizierung des Vertrages im November 1969 im Deutschen Bundestag hat die Sowjetunion ihr Atomwaffenarsenal in einer Art und Weise ausgebaut, daß sie hinterher eine siebenfache Überlegenheit gegenüber den westlichen Arsenalen hatte.
    Sie waren in dieser Zeit an der Regierung, und Sie hätten in dieser Zeit Konferenzen einberufen und abhalten können. Ich habe überhaupt den Eindruck, daß Sie offenbar unsere Regierungszeit dazu nutzen wollen, um alle die Sünden, die Sie vorher begangen haben, zu korrigieren.
    In der letzten Debatte hat uns der Kollege Willy Brandt immerhin noch die Ehre seiner Anwesenheit und seines Redebeitrags gegeben. Offenbar hat ihn seitdem wieder der Mut verlassen. Es war doch in der Kanzlerzeit von Willy Brandt, in der die Sowjetunion als einer der Signatarstaaten leider nicht entscheidend darauf hingewiesen wurde, daß sie permanent gegen diesen Vertrag und vor allen Dingen gegen die Verpflichtung nach Art. VI verstößt. Wo war damals die Bundesregierung, die von Ihrer Partei angeführt wurde?
    Der Kanzler Helmut Schmidt war da schon viel nüchterner; denn die Maßnahme, die er über den NATO-Doppelbeschluß entscheidend mit eingeleitet hat, der durchaus seinem Konzept entsprach, war gerade nicht an die Staaten adressiert, die keine Atomwaffen haben. Vielmehr hat er das Richtige gemacht: Er hat sich an das Bündnis gewandt, um mit dem Verteidigungsbündnis erreichen zu können, daß wir mehr Erfolg bei der Nichtverbreitung haben. Dort ist letztlich auch anzusetzen.
    Die Frage lautet, was wir heute mit einer derartigen Konferenz erreichen würden. Meines Erachtens würde eine völlig falsche Frontstellung entstehen. Wir sollten im Augenblick darauf Wert legen, daß wir bei den viel wichtigeren Verhandlungen in Wien über die konventionelle Abrüstung zu Ergebnissen kommen. Wir gehen alle davon aus, daß bereits im nächsten Jahr ein Ergebnis vorliegen wird. Dann — da haben Sie allerdings recht — werden wir uns in Vorbereitung auf die Verlängerung nach 1995 sowie im Rahmen der Überprüfungskonferenz darauf zu konzentrieren haben, wie jetzt neben den derzeitigen Gesprächen — wie z. B. im Rahmen von START — für alle Mitgliedstaaten bestimmte Richtlinien zum Nichtverbreitungsvertrag erarbeitet werden.
    Im übrigen bin auch ich der Auffassung, daß dieser Vertrag eines der Hauptinstrumente sein kann und sein muß, um zu verhindern, daß weitere Länder in der Welt Atomwaffen produzieren. Aber es wäre geradezu ein verhängnisvoller Fehler, wenn wir dies au-
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989 14397
    Lowack
    ßerhalb des Bündnisses und außerhalb der derzeitigen Gespräche zwischen der Sowjetunion und den Amerikanern zu erreichen versuchen wollten.

    (Dr. Scheer: [SPD]: War die Konferenz 1968 auch ein Fehler?)

    — Ich frage Sie: Was hat sie 1968 denn gebracht? Warum hat man das fünf Jahre später nicht wiederholt? Was war denn das Ergebnis?

    (Dr. Scheer [SPD]: Sie hat Unterschriften gebracht! Sie hat den Vertrag gesichert!)

    Warum sprechen Sie heute, 1989, darüber, daß eine Konferenz, die 1968 stattgefunden hat, jetzt wiederholt werden soll?

    (Dr. Soell [SPD]: Weil wir vor dem Ende des Vertrages stehen, Herr Lowack!)

    Wenn, dann hätte das kontinuierlich gemacht werden sollen. Die Erfüllung der Verpflichtung nach Art. VI, die Sie zu Recht angesprochen haben, hätte permanent angemahnt werden müssen, vor allen Dingen bei der Supermacht, die in besonderem Maße dagegen verstoßen hat. Ich räume Ihnen ein: Es gibt eine gewisse Gemeinsamkeit zwischen den Staaten, die keine Atomwaffen haben, und denen, die Atomwaffenarsenale aufgebaut haben.

    (Lamers [CDU/CSU]: Aber sehr begrenzt!)

    Aber Sie sollten nicht vergessen, daß wir innerhalb des Bündnisses einer Konzeption zugestimmt haben, die uns dazu verholfen hat, daß wir jetzt über viele Jahrzehnte den Frieden erhalten konnten, und nicht nur das: daß wir heute zwischen Ost und West schon über ganz andere Dinge sprechen können.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Auswärtige Ausschuß hat mehrheitlich beschlossen, den Antrag der Sozialdemokraten abzulehnen.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Pfui!)

    In diesem Zusammenhang möchte ich erneut sagen: Entscheidend ist im Augenblick, daß wir die Hauptspannungsursache in Europa und damit auch in der Welt abbauen. Das ist die konventionelle Überrüstung innerhalb Europas vor allem durch die Warschauer Paktstaaten. Sie kennen die Überlegenheit allein im Bereich der Panzer: 59 000 gegenüber 20 000.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Wehrpflicht verkürzen! Das ist auch eine gute Chance! Zwölf Monate! — Dr. Scheer [SPD]: Der Warschauer Pakt erschreckt heute ja noch jeden!)

    Wenn wir dann dazu übergehen, die gemeinsamen Interessen zwischen Ost und West an einer Nichtverbreitung zu entwickeln, wenn wir dann dazu übergehen, uns auf diesen Vertrag zu konzentrieren, dann ist das sicher der bessere Weg.
    Ich habe Ihnen deshalb für meine Fraktion vorzuschlagen, daß wir der Beschlußempfehlung, die im Auswärtigen Ausschuß beraten und mit Mehrheit gefaßt wurde, auch nach dieser Debatte zustimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)