Rede von
Ortwin
Lowack
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Scheer, ich teile Ihre Auffassung, daß der Atomwaffensperrvertrag eines der wichtigsten Vertragswerke gegen die Verbreitung von Atomwaffen ist. Leider ist die Gemeinsamkeit damit schon am Ende; denn Sie erklären Ihrem Publikum natürlich nicht, wer am meisten gegen diesen Vertrag verstoßen hat. Wir stellen fest, seit dieser Konferenz 1968, die Sie angesprochen haben, und seit der Ratifizierung des Vertrages im November 1969 im Deutschen Bundestag hat die Sowjetunion ihr Atomwaffenarsenal in einer Art und Weise ausgebaut, daß sie hinterher eine siebenfache Überlegenheit gegenüber den westlichen Arsenalen hatte.
Sie waren in dieser Zeit an der Regierung, und Sie hätten in dieser Zeit Konferenzen einberufen und abhalten können. Ich habe überhaupt den Eindruck, daß Sie offenbar unsere Regierungszeit dazu nutzen wollen, um alle die Sünden, die Sie vorher begangen haben, zu korrigieren.
In der letzten Debatte hat uns der Kollege Willy Brandt immerhin noch die Ehre seiner Anwesenheit und seines Redebeitrags gegeben. Offenbar hat ihn seitdem wieder der Mut verlassen. Es war doch in der Kanzlerzeit von Willy Brandt, in der die Sowjetunion als einer der Signatarstaaten leider nicht entscheidend darauf hingewiesen wurde, daß sie permanent gegen diesen Vertrag und vor allen Dingen gegen die Verpflichtung nach Art. VI verstößt. Wo war damals die Bundesregierung, die von Ihrer Partei angeführt wurde?
Der Kanzler Helmut Schmidt war da schon viel nüchterner; denn die Maßnahme, die er über den NATO-Doppelbeschluß entscheidend mit eingeleitet hat, der durchaus seinem Konzept entsprach, war gerade nicht an die Staaten adressiert, die keine Atomwaffen haben. Vielmehr hat er das Richtige gemacht: Er hat sich an das Bündnis gewandt, um mit dem Verteidigungsbündnis erreichen zu können, daß wir mehr Erfolg bei der Nichtverbreitung haben. Dort ist letztlich auch anzusetzen.
Die Frage lautet, was wir heute mit einer derartigen Konferenz erreichen würden. Meines Erachtens würde eine völlig falsche Frontstellung entstehen. Wir sollten im Augenblick darauf Wert legen, daß wir bei den viel wichtigeren Verhandlungen in Wien über die konventionelle Abrüstung zu Ergebnissen kommen. Wir gehen alle davon aus, daß bereits im nächsten Jahr ein Ergebnis vorliegen wird. Dann — da haben Sie allerdings recht — werden wir uns in Vorbereitung auf die Verlängerung nach 1995 sowie im Rahmen der Überprüfungskonferenz darauf zu konzentrieren haben, wie jetzt neben den derzeitigen Gesprächen — wie z. B. im Rahmen von START — für alle Mitgliedstaaten bestimmte Richtlinien zum Nichtverbreitungsvertrag erarbeitet werden.
Im übrigen bin auch ich der Auffassung, daß dieser Vertrag eines der Hauptinstrumente sein kann und sein muß, um zu verhindern, daß weitere Länder in der Welt Atomwaffen produzieren. Aber es wäre geradezu ein verhängnisvoller Fehler, wenn wir dies au-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 186. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1989 14397
Lowack
ßerhalb des Bündnisses und außerhalb der derzeitigen Gespräche zwischen der Sowjetunion und den Amerikanern zu erreichen versuchen wollten.
— Ich frage Sie: Was hat sie 1968 denn gebracht? Warum hat man das fünf Jahre später nicht wiederholt? Was war denn das Ergebnis?
Warum sprechen Sie heute, 1989, darüber, daß eine Konferenz, die 1968 stattgefunden hat, jetzt wiederholt werden soll?
Wenn, dann hätte das kontinuierlich gemacht werden sollen. Die Erfüllung der Verpflichtung nach Art. VI, die Sie zu Recht angesprochen haben, hätte permanent angemahnt werden müssen, vor allen Dingen bei der Supermacht, die in besonderem Maße dagegen verstoßen hat. Ich räume Ihnen ein: Es gibt eine gewisse Gemeinsamkeit zwischen den Staaten, die keine Atomwaffen haben, und denen, die Atomwaffenarsenale aufgebaut haben.
Aber Sie sollten nicht vergessen, daß wir innerhalb des Bündnisses einer Konzeption zugestimmt haben, die uns dazu verholfen hat, daß wir jetzt über viele Jahrzehnte den Frieden erhalten konnten, und nicht nur das: daß wir heute zwischen Ost und West schon über ganz andere Dinge sprechen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Auswärtige Ausschuß hat mehrheitlich beschlossen, den Antrag der Sozialdemokraten abzulehnen.
In diesem Zusammenhang möchte ich erneut sagen: Entscheidend ist im Augenblick, daß wir die Hauptspannungsursache in Europa und damit auch in der Welt abbauen. Das ist die konventionelle Überrüstung innerhalb Europas vor allem durch die Warschauer Paktstaaten. Sie kennen die Überlegenheit allein im Bereich der Panzer: 59 000 gegenüber 20 000.
Wenn wir dann dazu übergehen, die gemeinsamen Interessen zwischen Ost und West an einer Nichtverbreitung zu entwickeln, wenn wir dann dazu übergehen, uns auf diesen Vertrag zu konzentrieren, dann ist das sicher der bessere Weg.
Ich habe Ihnen deshalb für meine Fraktion vorzuschlagen, daß wir der Beschlußempfehlung, die im Auswärtigen Ausschuß beraten und mit Mehrheit gefaßt wurde, auch nach dieser Debatte zustimmen.