Rede von
Uta
Würfel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an diesen vorliegenden Entwurf eines Arbeitsgerichtsgesetz-Änderungsgesetzes unter zwei Aspekten herangehen: einmal unter dem rechtspolitischen und zum anderen unter dem frauenpolitischen Aspekt.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll den Ländern die Bildung von Rechtspflegeministerien ermöglicht werden. Ohne rechthaberisch sein zu wollen, möchte ich doch sagen, daß damit ein erster Schritt getan wird,
eine Forderung zu verwirklichen, die die FDP seit etwa 20 Jahren erhoben hat.
Wir sehen in einer solchen Maßnahme einen Schritt zur Stärkung der richterlichen Unabhängigkeit und der rechtsprechenden Gewalt. Auch sehen wir darin eine Verbesserung des Rechtsschutzes für den Bürger.
— Es hat immer wieder — leider vergebliche — Versuche, Frau Kollegin Steinhauer, gegeben, diese Forderung zu verwirklichen: Ich erinnere an die Gesetzesinitiative der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein in der 7. Wahlperiode,
an die Initiative der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein in der 8. Wahlperiode
und den Antrag der Länder Berlin und SchleswigHolstein in der 10. Wahlperiode.
Natürlich sind wir als FDP froh darüber, daß der Bundesarbeitsminister nun wenigstens dazu bereit ist, den Bundesländern die Entscheidungsmöglichkeit zu eröffnen,
auch die Arbeitsgerichtsbarkeit dem Justizministerium zu unterstellen. Sie können sich sicher vorstellen, daß wir hoffen, daß möglichst viele Bundesländer von dieser Regelung Gebrauch machen.
Wir sind sicher, Frau Kollegin Steinhauer, daß sich die Befürchtungen, die gegen den Entwurf auch von den Gewerkschaften vorgebracht werden, nicht bewahrheiten
und daß dann auch der Bundesarbeitsminister bereit sein wird, der Bildung eines Rechtspflegeministeriums auf Bundesebene zuzustimmen.
Das war der rechtspolitische Aspekt.
Was die Diskriminierungstatbestände für Frauen betrifft, die im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf nicht nur diskutiert, sondern auch aufgehoben werden müssen, möchte ich — ebenso wie Sie es getan haben, Frau Steinhauer — einen kleinen Rückblick geben: Allein auf Grund des Tatbestandes, daß Frauen Frauen sind, wurden sie beispielsweise noch vor wenigen Jahrzehnten ihr Vermögen los, sobald sie heirateten. Auch bei Scheidung hatten sie kein Anrecht auf das mit in die Ehe gebrachte Vermögen. Frauen durften bei Eheschließung ihren Namen nicht behalten. Frauen durften auch nicht berufstätig sein, wenn der Mann damit nicht einverstanden war, ja, er konnte sogar ein bestehendes Arbeitsverhältnis rechtskräftig kündigen. Und handelte es sich um eine Arbeiterin, so konnte der Mann sogar bestimmen, daß sie arbeiten gehen mußte.
Richterinnen, also weibliche Richter, durften während der Nazizeit nicht berufstätig sein, und weibliche Beamte, also Beamtinnen, wurden nach Hause geschickt, sobald sie heirateten. Arbeiterwitwen erhielten keine Witwenrente, solange sie noch in der Lage waren, zu arbeiten.
Heute sieht es ja nicht viel besser aus, wenn ich das noch kurz sagen darf: Eine Frau, sofern Sie Katholikin ist, darf heute noch nicht als Pfarrerin Gottes Wort von
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989 14377
Frau Würfel
der Kanzel predigen. Im Verteidigungsfall dürfen Frauen nicht mit der Waffe das Vaterland verteidigen, und als Frau brauche ich bei vielen Kreditinstituten auch noch die Unterschrift des Ehemannes, wenn ich einen größeren Kredit beantrage.
Für Frauen kommen bislang auch Berufe im Bauhauptgewerbe nicht in Frage, und Frauen dürfen nach wie vor nicht nachts arbeiten, sofern sie Arbeiterinnen sind.
Darauf, was die katholische Kirche macht, habe ich schon gar keinen Einfluß.
Darauf, daß Frauen in Zukunft das Vaterland mit der Waffe verteidigen dürfen, habe ich auch keinen Einfluß, jedenfalls keinen großen. Es ist auch nicht meine Sache, darüber zu entscheiden, wie es zukünftig bei den Kreditinstituten aussehen soll. Aber, Frau Steinhauer, wir müssen im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf darangehen, das bisherige Verbot für Arbeiterinnen, nachts zu arbeiten, aufzuheben.
Wir müssen auch darangehen, es Frauen zu ermöglichen, im Bauhauptgewerbe zu arbeiten. Ich werde mich daranmachen, das noch bis zur zweiten und dritten Lesung hinzubekommen.