Rede von
Gunnar
Uldall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine Damen und meine Herren! Es ist in Straßburg auch über die Wirtschafts- und Währungsunion gesprochen worden. Dazu möchte ich jetzt einige Ausführungen machen, Herr Kollege Voigt. Insofern ist das tatsächlich etwas abweichend von dem, was bisher gesagt worden ist.
Einer erfolgreichen Wirtschaftsunion, meine Damen und Herren, wohnt auch immer eine Tendenz zu einer Währungsunion inne. Die Bundesrepublik ist ein einheitliches Wirtschaftsgebiet, wir haben auch eine einheitliche Währung. Es wäre völlig undenkbar, daß wir hier mit unterschiedlichen Währungen operieren könnten. So erkennt man, daß eben die Vorteile eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes erst dann richtig zum Tragen kommen, wenn es auch eine einheitliche Währung gibt. Daher bin ich absolut sicher, daß die Europäische Gemeinschaft auch zu einer Währungsunion führen wird. Aber man darf eben nicht übersehen, daß auf dem Wege zu dieser Währungsunion auch gewisse Klippen zu umschiffen sind und daß es dann, wenn man diese nicht umschifft, zu einem Schiffbruch kommen kann.
Die Delors-Kommission hat aus gutem Grunde ein stufenweises Vorgehen empfohlen. Erst an dessen Ende soll eine Währungsunion stehen. Zu unterschiedlich ist die Ausgangssituation in den einzelnen EG-Staaten. Verstehen z. B. alle Länder der EG unter Preisstabilität das gleiche, wie wir es tun? Während eine Preissteigerung von 2 % in Deutschland schon zur Nervosität führt, wären andere Staaten in der EG bereits glücklich, wenn sie diese Zielmarke erreicht hätten.
Dies wird durch die unterschiedliche Entwicklung der Preissteigerungsraten seit 1980 deutlich: Während die Preise z. B. in Italien seit 1980 um 138 % stiegen, stiegen sie in Deutschland um 26 %. Während die Preise in Spanien um 130 % stiegen, stiegen sie in den Niederlanden nur um 24 %. Es müssen deswegen bei einer so unterschiedlichen Ausgangsposition wichtige Bedingungen erfüllt sein, bevor eine Währungsunion errichtet werden kann.
Erstens nenne ich: Die Preisstabilität muß das höchste Ziel des europäischen Zentralbanksystems sein. Preisstabilität muß in diesem Zusammenhang so definiert werden, wie wir Preisstabilität in der Bundesrepublik beschreiben.
Zweitens muß deswegen das europäische Zentralbanksystem unabhängig sein. Das heißt: Weder formal darf es eine Abhängkeit geben, noch darf es durch das Entsenden von gefügigen Persönlichkeiten dazu kommen, daß die Mitgliedstaaten auf die Zentralbank Einfluß nehmen können.
Drittens darf es keine Defizitfinanzierung von Staatshaushalten durch die europäische Zentralbank geben.
Meine Damen und Herren, die Währungsunion stellt den bisher weitestgehenden Verzicht auf Souveränität im europäischen Einigungsprozeß dar. Wir dürfen unsere Souveränität nur solchen Gremien übertragen, von denen wir auch wissen, daß sie unseren politischen Zielvorstellungen entsprechen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß es auch bei der Einigung des Deutschen Reiches vor mehr als
14340 Deutscher Bundestag — l 1. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989
Uldall
100 Jahren zunächst die politische Einigung im Jahre 1871 gegeben hat und die Währungsunion erst nach der politischen Einigung eingeführt wurde.
Meine Damen und Herren, die europäische Wirtschafts- und Währungsunion und die Preisstabilität sind keine Gegensätzlichkeiten, sondern können sehr wohl verbunden werden, wenn man behutsam, Schritt für Schritt vorgeht und alle Bedingungen erfüllt, die im Delors-Bericht gefordert sind, und zwar erfüllt, bevor der nächste Schritt kommt. Zu große Eile kann eben auch großen Schaden hervorrufen — wie in vielen anderen Politikbereichen auch.
Im Beschluß des Europäischen Rates heißt es — ich zitiere — :
Im Hinblick auf die neue Legislaturperiode des Europäischen Parlaments, die 1994 beginnt, verlangt er, daß die Wirtschafts- und Währungsunion diesem Demokratieerfordernis in vollem Umfang Rechnung trägt.
Ich interpretiere diesen Beschluß so, daß das Europäische Parlament 1994 entscheidend prüfen soll, ob die nächste Stufe in diesem Sinne angepackt werden soll.
Helmut Kohl, meine Damen und Herren — lassen Sie mich das zum Abschluß sagen — , ist es gelungen, beide Ziele, Fortschritt in der europäischen Einigung und Bewahrung der Preisstabilität, im Gleichklang weiterlaufen zu lassen. Unsere Fraktion gratuliert Helmut Kohl zu diesem Erfolg. Wir sind sicher: Am Ende der Entwicklung wird eine europäische Wirtschaftsunion mit einer gemeinsamen Währung und mit stabilen Preisen stehen.
Vielen Dank.