Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! An unsere Gäste aus der DDR gerichtet können wir sagen: Parlamente, die üblicherweise ganz voll sind, haben in aller Regel nichts zu sagen.
Dort, wo die Parlamente so besetzt sind wie gerade hier, haben sie in Wirklichkeit Entscheidungsbefugnisse.
Schauen Sie nach Amerika, nach England oder wohin auch sonst! Man darf sich von dem Schein eines vollen Plenums nicht täuschen lassen.
Meine Damen und Herren, ich möchte zur Sache kommen. Wir sozialdemokratischen Rechtspolitiker haben eine lange Tradition, das geistige Eigentum engagiert zu schützen. Deshalb wird es keinen wundern, daß wir an der heute zur Verabschiedung anstehenden Regelung sehr engagiert und konstruktiv mitgearbeitet haben. Ich kann mich deshalb in den meisten Punkten auf das beziehen, was Professor Kreile gesagt hat, und muß keine Wiederholungen vornehmen.
Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß die gute Vorlage des Ministeriums — ich habe im Ausschuß gesagt: manche Studenten könnten sie geradezu als Einstieg in den gewerblichen Rechtsschutz benutzen — aus den Reihen der Koalition leider etwas verschlimmbessert worden ist. Ein wichtiger Zahn in dem
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ganzen Instrument ist auf diese Weise herausgebrochen worden.
Ich möchte jedoch, nachdem wir am Schluß trotzdem zugestimmt haben — denn so weltbewegend war das auch wieder nicht —, die urheberrechtliche Situation an den Streichungen am Auskunftsanspruch klarstellen. Wir Sozialdemokraten hätten es durchaus gerne gesehen, wenn derjenige, der Auskunft erteilen muß, an Eides Statt versichern müßte, daß seine Auskunft richtig ist. Die jetzige Regelung, die wir mühselig ausgehandelt haben, ist zwar auch ein Fortschritt, aber es hätte besser sein können. Auf der anderen Seite weise ich manche anmaßenden Briefe, die wir in den letzten Tagen von Verbänden bekommen haben, doch zurück. Denn der Rechtsausschuß ist nicht dazu da, nur Wünsche zu erfüllen und sich dann, wenn er anders entscheidet, anmachen zu lassen. Hier ist es fast aus erzieherischen Gründen notwendig, manches anders zu machen, als es sich die Damen und Herren der Verbände wünschen.
— Ich kann nichts dafür, daß Sie schon am frühen Morgen eine lebhafte Phantasie haben. Das semantische Differential des Wortes „anmachen" ist durchaus vielseitig. Schauen Sie in den entsprechenden Lexika nach! Aber gegen schlechtes Gewissen kann ich nichts haben. Das müssen Sie mit Ihrem Beichtvater ausmachen.
Meine Damen und Herren, wir haben miteinander das Gesetz angereichert, indem wir gerade auch das Gebrauchsmustergesetz wesentlich verbessert haben. Wir sind noch nicht so weit gegangen, wie wir gerne gehen würden. Ich sage: Wir wollen das Gebrauchsmuster systematisch als „kleines Patent" ausbauen. Das wird in der nächsten Legislaturperiode sicher dazu führen, daß wir die Verfahrenserfindungen einbeziehen. Ich hoffe, daß auch die Koalition in diesem Bereich mitziehen wird.
Wir haben aus dem Urheberrechtsbericht der Bundesregierung, nicht zuletzt auf Initiative der Opposition, einige wichtige Sachen herausgenommen. Aber wir ermuntern die Bundesregierung nachhaltig, schon jetzt damit zu beginnen, die große Urheberrechtsnovelle und die Entwicklung des Urheberrechts insbesondere auch im europäischen Zusammenhang weiter voranzutreiben.
Ansonsten haben wir mit dem Produktpirateriegesetz ein wichtiges Instrument geschaffen, das gerade auch den Arbeitnehmern dient. Herr Professor Kreile hat mit Recht darauf hingewiesen, daß jährlich allein in der Bundesrepublik 50 000 Arbeitsplätze durch die Ausbeutung fremder Leistungen gefährdet werden. Ziel des gewerblichen Rechtsschutzes ist es, daß man seine geistigen Leistungen selber verwerten kann und daß man von der Ausbeutung durch Fremde geschützt ist, die sich die eigene Leistung aneignen.
Weil wir in diesem Punkt so einig sind, kann ich die Gelegenheit nutzen, in dieser Rede ein Resümee über den Stand des gewerblichen Rechtsschutzes und des Schutzes des geistigen Eigentums zu ziehen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich vor allem einem Mann besonders danken, der demnächst aus seinem Führungsamt im Ministerium ausscheiden wird. Ich
möchte Herrn Ministerialdirektor Krieger danken und diesen Dank einbinden in eine kleine Bilanz des Aufbaus des Schutzes des geistigen Eigentums nach dem Kriege.
Meine Damen und Herren, 1948 ist das Gesetz über die Errichtung von Annahmestellen für Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenanmeldungen geschaffen worden, 1949 das Gesetz über die Errichtung des Patentamtes im Vereinigten Wirtschaftsgebiet.
Von 1949 bis 1953 sind die Überleitungsgesetze auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes geschaffen worden. Damals ist der gewerbliche Rechtsschutz wieder aufgebaut worden.
1957 wurde das Gesetz über Arbeitnehmererfindungen verabschiedet, ein Gesetz, das nach sehr kontroverser Diskussion nahezu einstimmig verabschiedet worden ist und weltweit eine hohe Anerkennung genießt.
1957 war die diplomatische Konferenz in Nizza zur Nizzaer Fassung des Madrider Abkommens über die internationale Registrierung von Fabrik- und Handelsmarken, 1958 die diplomatische Konferenz in Lissabon zur Revision der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums.
1959 wurde das Gesetz über die Eingliederung des Saarlands auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes geschaffen. Das ist von hoher Aktualität; denn damals haben die Beteiligten gemeint, das wäre das Mustergesetz zur Wiedereingliederung der DDR. Das würde in der Konföderation sicher anders sein. Hier hat man so etwas aber schon probiert. Man sollte sich dieses Gesetz näher ansehen.
— Oskar wird sagen, Herr Grünbeck: Das Saarland ist wie immer vorbildlich.
1960 wurde das europäische Abkommen zum Schutz von Fernsehsendungen beschlossen, 1961 das 12. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes; hier ist das Bundespatentgericht errichtet worden.
1961 war die diplomatische Konferenz in Rom zum Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen, 1963 das Straßburger Übereinkommen über die Vereinheitlichung der Begriffe des materiellen Patentrechts, ein Recht, mit dem wir heute gerade im Gebrauchsmustergesetz zu tun haben.
1965 fand die große Urheberrechtsreform statt, deren Urhebern damals im Parlament wir herzlich zu danken haben. Ich erinnere in dem Zusammenhang an meinen Freund Georg Kahn-Ackermann.
1967 wurden die verschobene Prüfung im Patenterteilungsverfahren und vor allem der Benutzungszwang im Warenzeichenrecht eingeführt.
1967 fand die diplomatische Konferenz in Stockholm über die Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum statt. Ich meine, wir sollen der WIPO gerade heute immer mehr Aufmerksamkeit schenken und auch mit unseren amerikanischen
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Freunden reden, die gerne auf Bilateralität ausweichen und die WIPO nicht immer so unterstützen, wie sie unterstützt werden sollte. Ich finde, die WIPO ist auf Weltebene ein verdienstvolles und unverzichtbares Instrument für das geistige Eigentum.
1971 fand die diplomatische Konferenz in Paris zur Revision der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und der Kunst statt, 1971 die diplomatische Konferenz in Washington zum Patentzusammenarbeitsvertrag. 1971 wurde die Bibliothekstantieme eingeführt. 1973 fand die diplomatische Konferenz in München zum europäischen Patentübereinkommen statt, 1976 die Luxemburger Konferenz über das Gemeinschaftspatentübereinkommen.
1976 wurde das Gesetz über das Internationale Patentübereinkommen geschaffen, 1979 das Gemeinschaftspatentgesetz und die Änderung des Warenzeichengesetzes.
1985 fand die zweite große Urheberrechtsnovelle statt, 1986 die Gebrauchsmusternovelle, ebenfalls 1986 die Geschmacksmusternovelle mit der Zentralisierung in Berlin, im vorauseilenden Gehorsam.
1987 wurde das Halbleiterschutzgesetz beschlossen, 1988 die erste EG-Richtlinie zur Angleichung des Markenrechts.
1989 fanden die diplomatische Konferenz in Washington zum Halbleiterschutzabkommen statt, das momentan noch etwas hängt, sowie die diplomatische Konferenz in Madrid über die Reform des Madrider Markenabkommens.
Schließlich sind wir heute, 1989, beim Produktpirateriegesetz. Dieses Produktpirateriegesetz heißt nicht ohne Grund „Gesetz zur Stärkung des geistigen Eigentums", weil es quasi den Schlußstein in einer sehr, sehr langen Entwicklung in der Entfaltung des geistigen Eigentums setzt.
In diesem Zusammenhang ist ein Mann zu rühmen, Ministerialdirektor Dr. h. c. Albrecht Krieger, der im Grunde seit Beginn seiner Laufbahn die Entwicklung des geistigen Eigentums vorangetrieben hat. 1949 hat er als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter beim Deutschen Patentamt in München begonnen, 1953 war er Hilfsreferent für den gewerblichen Rechtsschutz im Bundesjustizministerium — ich bitte um Vergebung, ich habe mir das unter Verstoß gegen den Datenschutz alles besorgt —, 1959 Versetzung an das Bundesministerium der Justiz für das Referat Warenzeichenrecht, Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, dann 1963 Übernahme des Referats Patent- und Gebrauchsmusterrecht, dann 1970 von Gerhard Jahn, meinem Fraktionskollegen, zum Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung III, Handels- und Wirtschaftsrecht, ernannt.
— Das GmbH-Recht ist ein Bereich des Handels- und Wirtschaftsrechts. Auch Uwe Lambinus sagt das und schließt sich mir an.
— Nein, so etwas macht er nicht. Außerdem können wir sowas selber.
Meine Damen und Herren, Herr Krieger hat viele Minister und Abgeordnete kommen und gehen sehen.
Er verkörpert die Kontinuität der Entwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes. Er hat das Vertrauen unendlich vieler Parlamentarier immer wieder erworben. Wenn er im Rechtsausschuß aufgetreten ist, hatte er die Aufmerksamkeit und das Vertrauen. Ich glaube, wir haben allen Anlaß, Herrn Krieger für sein Lebenswerk herzlich zu danken.
Denn Herr Krieger hat nicht nur im nationalen Bereich unendlich viel gemacht, er hat auch im internationalen Bereich, etwa bei dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber-und Wettbewerbsrecht Großes geleistet, als Vorsitzender des Koordinierungsausschusses der Weltorganisation für geistiges Eigentum, als Präsident der Generalversammlung der Weltorganisation für geistiges Eigentum, als Präsident der Versammlung der Berner Union zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst. Da sieht man mal, was so ein Mann im Laufe der Jahrzehnte alles geleistet hat. Wir Parlamentarier sehen, wo eigentlich auch das geistige Eigentum politisch gestaltet wird, nämlich nicht nur hier im Parlament, im Rechtsausschuß, sondern es ist hunderttausendmal draußen gearbeitet worden, bevor hier im Parlament was läuft. Wenn wir vermehrt mitreden wollen, müssen wir uns z. B. jetzt um das GATT kümmern.