Rede von
Dr.
Reinhold
Kreile
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Jahren bemühen sich viele Institutionen im nationalen und internationalen Bereich, die EG-Kommission und die Uruguay-Runde des GATT, die WIPO, die Weltorganisation für geistiges Eigentum in Genf, und der Europarat, dem Unwesen der Produktpiraterie zu begegnen. Eine Fülle durchaus brauchbarer Vorschläge wurde gemacht.
Daraufhin hat die Bundesregierung gehandelt. Sie hat nach intensiver Beratung eines den Stand der internationalen Überlegungen zusammenfassenden Referentenentwurfs dem Deutschen Bundestag am 15. Juli 1989 den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Produktpiraterie vorgelegt. Der Deutsche Bundestag hat daraufhin ebenfalls unverzüglich gehandelt und das Gesetz zügig und zielgerichtet beraten, nämlich in vier Sitzungen: im September, Oktober, November und Dezember. In diesen Sitzungen hat er den Entwurf nicht nur intensiv beraten, sondern auch erweitert und verdichtet.
Heute kann der Deutsche Bundestag über dieses Gesetz befinden, dessen umfassende Bedeutung auch durch seine neue Überschrift gekennzeichnet ist. Es heißt nunmehr: „Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie". Ich meine, daß wir uns nicht nur angesichts der Kürze der Zeit, in der dieses Gesetzesvorhaben nach einer langen Vorbereitungszeit bewältigt worden ist, sondern auch angesichts des Inhalts im
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Dr. Kreile
internationalen Vergleich sehen lassen können. Der deutsche Gesetzgeber hat wiederum eine Spitzenposition im Bereich des Schutzes des geistigen Eigentums erreicht.
Was ist Produktpiraterie, um was geht es? Produktpiraterie ist das gezielte Verletzen von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten, ist das gewerbliche Aneignen von fremdem geistigen Eigentum. Sowenig die Piraten auf hoher See und in Küstengewässern Kavaliere waren, so wenig sind es die Produktpiraten: Sie beuten fremdes geistiges Eigentum aus, sie ahmen nach, was ihnen nicht gehört, stehlen anderer Leute geistiges Vermögen. Insofern hat die Bezeichnung „Produktpiraterie" noch geradezu einen verharmlosenden Charakter. Denn nicht allein das Produkt wird geraubt, sondern auch der Geist, der hinter dem Produkt steht, der seine Gestaltung erst ermöglichte. Das Unverwechselbare wird von den Piraten verdorben.
Der Gesetzgeber steht hier nun vor der gleichen Frage, vor der er immer steht, wenn es um den Schutz des geistigen Eigentums geht: Wie kann der Schutz des einzelnen vor dem technischen Fortschritt verwirklicht werden, ohne den Fortschritt der Technik zu hemmen oder zu hindern?
Die Entwicklung auf dem Gebiet der Reproduktionstechniken ermöglicht es heute fast jedem, zum Kopierer zu werden, jede Ware, ihre Verpackung und ihr Warenzeichen täuschend ähnlich technisch nachzuahmen, jedes Buch als Raubdruck photomechanisch zu vervielfältigen, jede Musikkassette, jedes Videoband, jeden Film und jedes Computerprogramm zu überspielen und dann gewerblich weiterzuverbreiten. Bei dieser Weiterverbreitung muß der Ansatz für den Schutz gefunden werden; denn durch die Produktpiraterie, durch das rechtswidrige Nachahmen und Kopieren von Waren, wird nicht nur der Autor, nicht nur der Erfinder, der gestaltende Künstler um seinen Lohn gebracht, es wird auch den Originalherstellern und damit den innovativen Klein- und Mittelbetrieben, also dem Mittelstand im weitesten Sinne, erheblicher Schaden zugefügt.
Der Arbeitsmarkt auf diesem Gebiet wird erheblich geschädigt. 50 000 Arbeitsplätze pro Jahr gingen verloren, wenn es nicht einen Schutz gegen eine solche Nachahmungs- und Raubkopierindustrie und gegen einen Handel mit deren Produkten gäbe.
Die Bundesregierung und, ihr folgend, der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages haben deswegen ein verbessertes rechtliches Instrumentarium für alle Fälle der Verletzung von Schutzrechten des geistigen Eigentums entwickelt.
Strafrechtliche Sanktionen allein tun es dabei sicherlich nicht, aber sie müssen in das Instrumentarium eingeführt werden und müssen dieses Instrumentarium anführen. Das beginnt bei der Erweiterung des Strafrahmens bei vorsätzlicher Verletzung der Schutzrechte, bezieht die Strafbarkeit des Versuchs ein und geht bis zur Ausgestaltung der qualifizierten Schutzrechtsverletzung als Offizialdelikt. Auch hier zeigt sich die in der Rechtsordnung notwendigerweise immer mehr zu verankernde Gleichstellung des dinglichen mit dem geistigen Eigentum. Der
Diebstahl einer geistigen Sache ist nicht besser als der Diebstahl einer realen Sache.
Ergänzt werden müssen diese strafrechtlichen Instrumentarien allerdings durch zivilrechtliche Handhaben. Dies beginnt mit einer erheblichen Verbesserung des zivilrechtlichen Anspruchs auf Auskunft über die Herstellung, über die Herkunft und die Vertriebswege der schutzrechtsverletzenden Waren. Hier wird im Gesetz der zivilrechtliche Grundgedanke von Treu und Glauben in sinnvoller Weise weiterentwikkelt. Wer also schutzrechtsverletzende Waren vertreibt, muß künftig Angaben über Namen und Anschriften des Herstellers und anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer und Auftaggeber machen. Es handelt sich also um einen selbständigen Auskunftsanspruch, der seine Wirkung hoffentlich nicht verfehlen wird.
Der Rechtsausschuß ist jedoch nicht dem Gedankengang der Bundesregierung gefolgt, daß diese Auskunft in einem sogenannten einstufigen Verfahren sofort der eidesstattlichen Versicherung unterliegen sollte. Hier soll es nach der Meinung des Rechtsausschusses zunächst bei der Regelung der §§ 259ff. BGB blieben. Statt dessen wurde die Verpflichtung zur unverzüglichen Auskunft, also zu einer Auskunft ohne schuldhaftes Zögern, eingeführt, um damit den Schutzbereich zu stärken.
Der Rechtsausschuß hat jedoch in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, die Bundesregierung auf zu-fordern, zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Wirkung dieses neuen Auskunftsanspruches Bericht zu erstatten und dabei insbesondere auch zu klären, ob die jetzt vorgesehene Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs ausreichend ist.
Das zivilrechtliche Instrumentarium setzt sich dann fort in einem zivilrechtlichen Anspruch auf Vernichtung solcher schutzrechtsverletzenden Waren. Dabei muß es nicht immer zu einer Vernichtung der Waren kommen. Im Einvernehmen zwischen Verletzer und Verletztem könnte man diese Waren auch karitativen Zwecken zuführen, in Weiterführung dieses Gedankens auch bei einer Einziehung schutzrechtsverletzender Waren in einem Strafverfahren. Hierbei wünscht der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages, daß eine eventuelle Änderung der Strafvollstreckungsordung zwischen Bund und Ländern noch eingehend erörtert wird, damit die Möglichkeit dazu geschaffen wird.
Im Zusammenhang mit dem Produktpirateriegesetz hat der Rechtsausschuß den dem Deutschen Bundestag nahezu zeitgleich damit, nämlich am 4. Juli 1989, zugeleiteten Ersten Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen der Urheberrechtsnovelle 1985 und Fragen des Urheber- und Leistungsschutzrechts erörtert. Von den Gesetzesvorschlägen, die dieser sehr kluge, ausgewogene und die Entwicklung des Urheberrechts weiterführende Bericht enthält, duldeten zwei keinen Aufschub, mußten also noch in dieser Legislaturperiode behandelt und verabschiedet werden. Es sind zwei Bereiche, bei denen wegen Fristablaufs sonst nicht wiedergutzumachender Schaden eintreten würde.
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Das erste ist eine Verlängerung der Schutzfristen für das Leistungsschutzrecht der ausübenden Künstler. Dies wäre am 31. Dezember 1990 auf Grund der am 1. Januar 1966 eingeführten 25jährigen Schutzfrist ausgelaufen. Hier haben die wirtschaftliche und technische Entwicklung, aber auch der Zwang zur internationalen Anpassung gezeigt, daß eine 25jährige Schutzfrist zu kurz ist. Der Vorschlag der Bundesregierung, sie auf 50 Jahre zu verlängern, mußte noch aufgegriffen werden, da sonst der Anschluß zum 1. Januar 1991 im Gesetzgebungsverfahren nicht mehr hätte erreicht werden können.
Die in diesem Zusammenhang stehende Verlängerung der Schutzfrist für die Herausgabe wissenschaftlicher und nachgelassener Werke von zehn auf 25 Jahre ist eine gleichsam miteinzubeziehende Folgerechtsänderung.
Das Thema der Schutzfristen und ihrer Synchronisierung bzw. Harmonisierung wird, wie bereits jetzt zu erkennen ist, im europäischen Bereich von der Europäischen Kommission aufgenommen werden. Nicht zuletzt auch in diesem Zusammenhang ist es wichtig, daß die Bundesrepublik Deutschland ihre in allen Fragen des geistigen Eigentums international beachtete Rolle auch hier wieder eingenommen hat.
Auch die zweite Regelung hängt mit einer europäischen Fristsetzung zusammen. Beim Wegfall der europäischen Binnengrenzen 1992, wenn es also zu dem wirklich gemeinschaftlichen europäischen Markt kommt, wird eines der wesentlichsten Instrumente zur Sicherung des Inkassos für die Vergütung für Urheber, Schriftsteller, Musiker und Künstler, im Bereich der Geräte und Leerkassetten sowie der Fotokopiergerätevergütung ebenfalls wegfallen, nämlich die Einfuhrkontrollmeldungen, die der Deutsche Bundestag den Berechtigten zugestanden hat.
Hier war also ähnlich wie bei den weiteren Bereichen des Produktpirateriegesetzes eine Verbesserung des bestehenden Auskunftsanspruchs erforderlich. Dieser Auskunftsanspruch verpflichtet im wesentlichen Importeure — um die geht es nämlich — von Geräten und Leerkassetten und Betreiber von Fotokopiergeschäften, den sogenannten Copyshops, vollständig Auskunft und diese auch rechtzeitig zu erteilen. Durch einen solchen erweiterten Auskunftsanspruch wird insbesondere auch der Schutz der deutschen Industrie, der deutschen Hersteller von Geräten und Leerkassetten erreicht, die bisher gewissenhaft ihrer Auskunftspflicht nachgekommen sind und die vor unlauterem Wettbewerb durch Waren aus unkontrollierten Auslandslieferungen geschützt werden müssen.
Der Rechtsausschuß hat in diesem Zusammenhang den Grundgedanken der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aufgenommen, daß man denjenigen, der die richtige Auskunft gibt, nicht mit notwendigen Kosten eines Kontrollapparats belasten dürfe, daß man deswegen denjenigen, der falsche Auskunft erteilt, zur Zahlung der doppelten Vergütung verpflichten müsse. Die vom Rechtsausschuß demgemäß hier vorgenommene Verpflichtung zur Zahlung der doppelten Vergütung durch diejenigen, die schuldhaft ihrer Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Auskunft nicht nachgekommen sind, entspricht dem unser deutsches Recht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben.
Durch die Ausgestaltungen, die im Rechtsausschuß vorgenommen sind, hat das Produktpirateriegesetz seinen umfassenden Titel gerechtfertigt, wonach es ein Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums ist. Der deutsche Gesetzgeber hat hier gezeigt, daß er es mit dem Schutz des geistigen Eigentums ernst meint und diesen mit großer Effektivität angeht. Dieser Aufgabe wird sich der deutsche Gesetzgeber auch bei der weiteren Entwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts, nicht zuletzt bei der weiteren Umsetzung der Vorschläge des Berichts der Bundesregierung nicht nur nicht entziehen, sondern — da bin ich ganz sicher — auch hier seine führende Rolle in Europa bekräftigen.
Ich danke Ihnen.