Rede von
Wolfgang
Lüder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als das Vorhaben, hier in Bonn ein Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu errichten, auf den Weg gebracht wurde, sah mancher darin einen Trostpreis für Bonn dafür, daß in Berlin das Museum für die ganze deutsche Geschichte errichtet wird. Manch einer befürchtete hier sonst eine Lücke, die aber nur schwer zu finden sein wird. Das hat nicht zuletzt gestern auch der Bonn-Vertrag gezeigt.
Nicht erst seit heute wissen wir — dies ist in den letzten Monaten besonders deutlich geworden — , daß die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ihren sehr eigenen Platz in der deutschen Geschichte haben wird.
40 Jahre Demokratie, 40 Jahre ohne Krieg — allein dies ist schon etwas Wichtiges in der langen deutschen Geschichte. Gerade wenn wir die Attraktivität unseres Gesellschaftssystems, unserer Staatsordnung, unseres Wirtschaftssystems, ja, auch unserer kulturellen Pluralität und insbesondere unserer gesicherten Grundrechte sehen, die diese Merkmale für unsere Landsleute in der DDR ausüben, müßte auch der letzte Kritiker davon überzeugt sein, daß das, was unsere politischen Vorfahren mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland auf den Weg gebracht haben, was in diesen 40 Jahren mit und für diesen Staat und seine Bürger geleistet wurde, was im europäischen Frieden und für ihn bewirkt wurde, was an Neuem geschaffen, aber auch was in Bindung an die gute Tradition bewirkt wurde, festgehalten und gezeigt verdient, ausgestellt und stets von neuem aufgearbeitet werden muß.
Meine Damen und Herren, am Ende dieses Jahres, 1989, weiß keiner von uns, welchen Weg die deutsche Nation, die jetzt in zwei Staaten organisiert ist, in Zukunft gehen wird. Für das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sollten wir gerade jetzt drei Feststellungen treffen:
Erstens. Die demokratische Reformbewegung in der DDR, die dort die nachstalinistischen Strukturen aufgebrochen hat, hat ihre Wurzeln in den gleichen Freiheits- und Rechtspositionen, die bei der Gründung der Bundesrepublik für diesen Staat maßgeblich waren.
Es wird zu den Aufgaben des Hauses der Geschichte auch gehören, aufzuarbeiten, was in unserer Bundesrepublik davon durch tagesaktuelle Opportunität verdeckt worden ist.
Zweitens. Ein Haus der Geschichte wird stets deutlich machen müssen, warum und zu welchem Zweck diese Bundesrepublik so, wie geschehen, gegründet wurde und die ersten 40 Jahre erfolgreich bestanden hat. Dazu gehört die stolze Bilanz 40jährigen demokratischen und sozialen Rechtsstaats ebenso wie die Feststellung, daß die Präambel des Grundgesetzes auch nach 40 Jahren ihre Erfüllung noch nicht gefunden hat.
Drittens. Gerade weil wir in diesen Tagen und Wochen überall darüber nachdenken, was in Zukunft mehr, wieder oder neu in Berlin geschehen soll — worüber ich mich als Berliner besonders freue — , gehört das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hierher nach Bonn. So wie die deutsche Geschichte insgesamt umfassend ins Historische Museum nach Berlin gehört, gehört dieses Haus hierher nach Bonn; denn auch die Entscheidung für diese Stadt als, wie man früher sagte, „provisorische Hauptstadt" dieser Republik behält ihre historische Bedeutung.
So verstehen wir den Stiftungszweck, wie er in § 2 des Gesetzes niedergelegt ist. Zweck der Stiftung ist es, in einem Ausstellungs-, Dokumentations- und Informationszentrum die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland im geteilten Deutschland einschließlich der Vor- und Entstehungsgeschichte darzustellen und Kenntnisse hierüber zu vermitteln.
14278 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1989
Lüder
Meine Damen und Herren, durch die heute vorgeschlagenen Änderungen zum Gesetzentwurf wird noch stärker als im ersten, bisherigen Regierungsentwurf sichergestellt, daß eine breite Repräsentanz bei der weiteren Verwirklichung des Vorhabens verantwortlich mitwirken kann. Gerade weil wir, Herr Duve, diese Breite der Mitwirkung ermöglichen, will ich davon absehen, auf die Einzelheiten, die Sie aus Kuratoriums- und anderen Sitzungen vorgetragen haben, einzugehen. Wir wollen gerade die Beratungsgremien in ihrer Breite und Vielfalt haben, um dort das Sachgespräch zu führen
und die Offenheit zu gewährleisten. Das gehört nicht ins Plenum des Deutschen Bundestages, wo sich diejenigen, die angesprochen sind, dann noch nicht einmal wehren können.
Meine Damen und Herren, wir möchten auch durch die entsprechende Stellenbewertung sicherstellen, daß die Leitung des Hauses der Geschichte so ausgewählt werden kann, wie es der schwierigen und vielfältigen Aufgabenstellung entspricht. Wir werden dem heutigen Drei-Parteien-Antrag zustimmen. Wir behalten uns aber vor, in dem Sinne weiter zu prüfen, wie wir es im Innenausschuß vorgesehen haben, um die Möglichkeiten wirklich optimal ausschöpfen zu können. Es darf nicht am Stellenrahmen liegen, wenn Qualität verhindert werden würde. Dieser Grundsatz hat uns bisher bei allen wichtigen Stellenplanentscheidungen bewegt. Das ist keine Entscheidung zur Person, sondern eine Grundsatzbemerkung, die uns hier weiter bewegen muß.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf in der Fassung, in der er vom Innenausschuß vorgelegt worden ist.