Rede:
ID1113809100

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Fellner.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/138 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 138. Sitzung Bonn, Freitag, den 21. April 1989 Inhalt: Verfahrensanträge des Abg. Wüppesahl . 10186A Absetzung des Punktes 20 — deutsche Staatsangehörigkeit — und des Zusatzpunktes 4 — Staatsangehörigkeit — von der Tagesordnung 10218D Tagesordnungspunkt 18: Eidesleistung der neuernannten Bundesminister Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . . 10185 B Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau . 10185 C Seiters, Bundesminister für besondere Auf- gaben 10185D Wüppesahl fraktionslos (zur GO) . . . 10186B Tagesordnungspunkt 19: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (Drucksachen 11/2834, 11/4359) b) Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Verteidigung der inneren Liberaltiät und Stärkung der Demokratie (Drucksachen 11/17, 11/4359) Dr. Stark (Nürtingen) CDU/CSU 10187 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 10191B Kleinert (Hannover) FDP 10195 D Jahn (Marburg) SPD (zur GO) 10198 C Wüppesahl fraktionslos (zur GO) 10198D, 10203 B Engelhard, Bundesminister BMJ 10199B, 10204 B Häfner GRÜNE 10199 C Frau Nickels GRÜNE 10204 A Dr. de With SPD 10206A Fellner CDU/CSU 10208 B Graf SPD 10209 C Irmer FDP 10211B Wüppesahl fraktionslos 10214 A Eylmann CDU/CSU 10214 C Frau Hillerich GRÜNE (zur GO) 10216A Dr. Hirsch FDP (Erklärung nach § 31 GO) 10216D Lüder FDP (Erklärung nach § 31 GO) . . 10217D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP (Erklärung nach § 31 GO) 10218A Namentliche Abstimmung 10218 C Ergebnis 10219D Zusatztagesordnungspunkt 4: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zu jüngsten Äußerungen der Gewerkschaften IG Metall, IG Medien sowie Handel, Banken und Versicherungen zu Kriegsdienstverweigerung und Bundeswehr Ronneburger FDP 10219A Bahr SPD 10221 B Lowack CDU/CSU 10222 B Frau Schilling GRÜNE 10223 A Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . 10224 B Koschnick SPD 10226A Frau Roitzsch (Quickborn) CDU/CSU . 10227A Nolting FDP 10228 A II Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. April 1989 Frau Beer GRÜNE 10229 A Genscher, Bundesminister AA 10229 C Gilges SPD 10231 A Breuer CDU/CSU 10232 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 10233 A Frau Fischer CDU/CSU 10234 A Kossendey CDU/CSU 10234 D Nächste Sitzung 10236 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 10237* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 10237* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 138. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. April 1989 10185 138. Sitzung Bonn, den 21. April 1989 Beginn: 9.15 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein CDU/CSU 21. 04. 89 Dr. Ahrens SPD 21. 04. 89 * Amling SPD 21. 04. 89 Bamberg SPD 21. 04. 89 Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 21. 04. 89 Dr. Biedenkopf CDU/CSU 21. 04. 89 Böhm (Melsungen) CDU/CSU 21. 04. 89 * Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 21. 04. 89 Clemens CDU/CSU 21. 04. 89 Egert SPD 21. 04. 89 Eimer (Fürth) FDP 21. 04. 89 Engelsberger CDU/CSU 21. 04. 89 Frau Fuchs (Köln) SPD 21. 04. 89 Funke FDP 21. 04. 89 Gattermann FDP 21. 04. 89 Dr. Glotz SPD 21. 04. 89 Grünbeck FDP 21. 04. 89 Dr. Hauff SPD 21. 04. 89 Dr. Häfele CDU/CSU 21. 04. 89 Frhr. Heereman von CDU/CSU 21. 04. 89 Zuydtwyck Heimann SPD 21. 04. 89 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 21. 04. 89 Dr. Holtz SPD 21. 04. 89 * Kleinert (Marburg) GRÜNE 21. 04. 89 Kolbow SPD 21. 04. 89 Dr. Kreile CDU/CSU 21. 04. 89 Kreuzeder GRÜNE 21. 04. 89 Dr. Langner CDU/CSU 21. 04. 89 Frau Luuk SPD 21. 04. 89 * Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 21. 04. 89 Meyer SPD 21. 04. 89 Mischnick FDP 21. 04. 89 Dr. Mitzscherling SPD 21. 04. 89 Oesinghaus SPD 21. 04. 89 Oostergetelo SPD 21. 04. 89 Paintner FPD 21. 04. 89 Reuschenbach SPD 21. 04. 89 Frau Rock GRÜNE 21. 04. 89 Roth (Gießen) CDU/CSU 21. 04. 89 Schäfer (Offenburg) SPD 21. 04. 89 Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 21. 04. 89 von Schmude CDU/CSU 21. 04. 89 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 21. 04. 89 Schröer (Mülheim) SPD 21. 04. 89 Seidenthal SPD 21. 04. 89 Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 21. 04. 89 Dr. Stercken CDU/CSU 21. 04. 89 Stiegler SPD 21. 04. 89 Stobbe SPD 21. 04. 89 Stratmann GRÜNE 21. 04. 89 Dr. Struck SPD 21. 04. 89 Dr. Vondran CDU/CSU 21. 04. 89 Weisskirchen (Wiesloch) SPD 21. 04. 89 Frau Dr. Wilms CDU/CSU 21. 04. 89 Frau Wollny GRÜNE 21. 04. 89 Würtz SPD 21.04.89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Drucksache 11/3090 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Innenausschuß Drucksache 11/2956 Nr. 2.1 Drucksache 11/3311 Nr. 2.2 Finanzausschuß Drucksache 11/3882 Nr. 3.1 Drucksache 11/3927 Nr. 3.1 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/3831 Nr. 24 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/2956 Nr. 2.6 Drucksache 11/3117 Nr. 2.15 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/883 Nr. 137 Drucksache 11/1707 Nr. 30 Drucksache 11/3021 Nr. 2.15 Drucksache 11/3311 Nr. 2.20
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans de With


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage auch: Herr Minister! Was dem Deutschen Bundestag angesonnen wird, heute zu verabschieden, sind „fleurs du mal", ein Strauß böser Blumen. Die Farben täuschen, auch wenn sie gelb eingefärbt sind: Sie sind Gift für den freiheitlichen Rechtsstaat.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Die Bundesregierung erweitert den Haftgrund der Wiederholungsgefahr bei Vorliegen eines besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs. Das klingt für viele Bürger zunächst gut; denn sie hören, daß die reisenden gewalttätigen Berufsdemonstranten nun endlich festgenommen werden können, ehe sie wieder auf die Polizeibeamten losgehen.

    (Marschewski [CDU/CSU]: So ist es! Genauso ist es!)

    Nur, was steckt wirklich hinter dieser Vorschrift? Auf Frage im Rechtsausschuß, auf welcher Rechtstatsachenforschung dieser schwere und gefährliche Eingriffstatbestand denn beruhe, mußte die Bundesregierung kleinlaut einräumen: auf keiner. Sie mußte auf Grund der Verurteilten-Statistik weiter einräumen, daß es 1987 nur ganze 57 Verurteilungen wegen besonders schweren Landfriedensbruchs gegeben hat, daß die Zahlen für 1986 und 1988 wohl nicht anders aussehen und daß darunter auch die Fälle von Vorgängen in Fußballstadien fallen. Realistisch gesehen gibt es danach pro Jahr nur etwa 30 Verurteilungen im Rahmen einer Demonstration.
    In Wahrheit ist damit die Zahl der von dieser Vorschrift erfaßten potentiellen Täter ganz außerordentlich gering. Die Festnahme der gewalttätigen reisenden Berufsdemonstranten — was ja suggeriert wird —wird sie schlechthin nicht ermöglichen. Die Vorschrift täuscht in ihrer Wirkung. Nun könnte man sich damit zufrieden geben, daß sie ja praktisch kaum wirksam werde. Da aber gibt es noch eine andere Wirkung, und die ist träufelndes Gift gegen den Rechtsstaat.
    Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr setzt nicht nur dringenden Verdacht voraus, eine der bezeichneten Straftaten begangen zu haben. Er verlangt dazu auch eine Prognose darüber, daß der Verdächtige eine solche Tat wieder begehen werde. Auf welch wackeligen Füßen eine solche Prognose stehen wird, kann sich jedermann vorstellen.
    Weil das so ist und weil die Gefahr besteht, daß dabei in der Eile Fehlprognosen gestellt werden, hat das Bundesverfassungsgericht besonders enge Voraussetzungen für den Haftgrund der Wiederholungsgefahr verlangt. An deren Einhaltung hier bestehen ganz erhebliche Zweifel, solche Zweifel, daß die übergroße Mehrheit der gehörten Sachverständigen der
    Meinung war, daß wir die Finger davon lassen sollten.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr richtig!)

    Die Regierungsparteien schlagen das in den Wind. Sie suggerieren lieber Stärke

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Suggerieren!)

    und nehmen dabei die Aufweichung des Rechtsstaates in Kauf.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wir Sozialdemokraten bagatellisieren die schändlichen Morde und die noch immer bestehende Gefahr durch RAF-Mitglieder nicht. Ebenso wie Sie verurteilen wir die jüngsten Brandanschläge aus dem Umfeld der RAF zu deren Unterstützung.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: 15 an der Zahl!)

    Wir stehen ebenso wie Sie vor der bitteren Tatsache, daß die Kapitalverbrechen an Beckurts, von Braunmühl und Zimmermann noch immer nicht aufgeklärt werden konnten.
    Es ist richtig, daß wir Sozialdemokraten in der sozialliberalen Koalition neue Instrumente zur Bekämpfung des Terrorismus geschaffen haben. Dazu stehen wir. Wir haben im nachhinein nach etwas ruhigerer Betrachtung das eine oder andere etwas abgeschwächt und die Vorschrift der verfassungsfeindlichen Befürwortung von Straftaten, den unglücklichen § 88a, wieder abgeschafft. Wir hätten vielleicht auch, von heute aus betrachtet — das sei eingeräumt — , das eine oder andere etwas anders ausgestaltet. Aber im Kern waren unsere damaligen Maßnahmen auch aus heutiger Sicht nicht nur wirksam und richtig, sondern wir haben darüber hinaus den liberalen Rahmen des Strafrechts und des Strafprozeßrechts nie verletzt und vor allem nie in fundamentale Rechtspositionen eingegriffen oder diese für eine Sondergruppe zeitweise außer Kraft gesetzt.

    (Frau Nickels [GRÜNE]: Na ja, Herr de With!)

    Aber genau das tun Sie von den Regierungsparteien mit der sogenannten Kronzeugenregelung.
    Die von der Bundesregierung und den sie tragenden Parteien vorgesehene Kronzeugenregelung ermöglicht dem Generalbundesanwalt, mit einem terroristischen Gewalttäter direkt oder über dessen Anwalt einen regelrechten Handel abzuwickeln.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Zur Sicherung von Leben! — Frau Dr. DäublerGmelin [SPD]: Das ist ein Kuhhandel!)

    — Das ist ein Handel, Herr Stark, und nichts anderes!

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Zur Sicherung von Leben!)

    Dabei kann der Generalbundesanwalt — man höre
    und staune — einem Mörder die lebenslange Frei-



    Dr. de With
    heitsstrafe auf drei Jahre ermäßigen und einen Anstifter zum Mord sogar straflos stellen,

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Unglaublich!)

    wenn diese ihr Wissen preisgeben und er, der Generalbundesanwalt, das für verhältnismäßig hält.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Und was ist das Motiv für diese Regelung?!)

    Er muß sich dazu allerdings der Zustimmung eines Strafsenats — ursprünglich hieß es noch: eines Ermittlungsrichters — des Bundesgerichtshofs versichern.
    Dabei aber kommt es — und das ist der Punkt — zu keiner öffentlichen Verhandlung. Hinter den Augen der Öffentlichkeit kommt es zum Deal. Es wird damit das Prinzip der Öffentlichkeit durchbrochen. Weder die Italiener noch die Spanier noch die Franzosen, die hier so gern zitiert wurden, sind auf die Idee gekommen, das bei sich so einzuführen.
    Das Legalitätsprinzip, die Pflicht, jeden ohne Ansehen der Person der gesetzlichen Strafe zuzuführen, wird hier für Kapitalverbrechen durchbrochen.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist das Schlimme!)

    Das ist in dieser Form einmalig in unserer Rechtsgeschichte.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Und es gibt diese Privilegierung nur für Terroristen, nicht auch für andere entsprechende „normale" Täter. Damit wird der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt wie nie bisher.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: So ist es!)

    Daß der Generalbundesanwalt dabei Gefahr läuft, getäuscht zu werden, liegt auf der Hand. Beispiele aus dem Ausland gibt es genug, aber eines auch aus dem Inland. Denn wir alle wissen um die Geschichte des Schmücker-Prozesses, der jetzt zum dritten Mal verhandelt wird. Dabei wird belegt, was ich eingangs andeutete: Die Rechtsvergewisserung mit dem Kronzeugen wird nicht größer, sondern kleiner.

    (Beifall bei der SPD)

    Und hier wurde der Kronzeuge auch noch umgebracht. Nein, gegen den Kronzeugen muß der Verdacht bestehen, daß er sich reinwaschen oder aber andere reinlegen will. Daher das Mißtrauen.
    Daß dies alles das Vertrauen des Bürgers in den Rechtsstaat erschüttern muß, haben die gehörten Sachverständigen im Übermaß bestätigt; Zustimmung gibt es kaum. Die Gewerkschaft der Polizei ebenso wie der Deutsche Anwaltverein und der Deutsche Richterbund sperren sich.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört! Wer will's denn eigentlich? — Marschewski [CDU/CSU]: Machen Sie Lösungsvorschläge anderer Art!)

    Dabei, meine sehr verehrten Damen und Herren,
    hätte die Bundesregierung, am heutigen Tag eines
    gewissen Neubeginns, die Chance gehabt, sich mit Anstand zu korrigieren.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: So ist es!) Es hätte der Glaubwürdigkeit gut getan.


    (Beifall bei der SPD)

    Auf zwei Ungereimtheiten darf ich noch einmal zu sprechen kommen.
    Dieselben, die mit der Kronzeugenregelung tragende Rechtsprinzipien außer Kraft setzen, kritisieren den Bundespräsidenten, wenn er Gnadenerweise gegenüber RAF-Terroristen erteilt,

    (Dr. Vogel [SPD]: Sehr wahr!)

    Gnadenerweise, die Ministerpräsidenten aller Couleur in ähnlichem Umfang vorgenommen haben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)

    Und sie kritisieren sozialdemokratische Justizminister, wenn diese den RAF-Gefangenen genau das anbieten, was der Staatssekretär des Bundesministers der Justiz, sicher mit dessen Zustimmung, auch getan hat.

    (Marschewski [CDU/CSU]: Das ist eine schlimme Handlungsweise Ihrer Ministerpräsidenten, schlimm!)

    Und ich sage hierzu: Wer das eine tut und das andere als das des Teufels kritisiert, der spricht — ich kann es nicht anders sagen, Herr Marschewski — für mich mit gespaltener Zunge.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Nicht viel anders sehen die Vorschläge zur Strafbewehrung des Vermummungsverbots und zur Bestrafung der sogenannten passiven Bewaffnung aus. Die Demonstration der Stärke verdeckt den verschleierten Eingriff in das Recht auf freie Demonstration. Mein Kollege Günter Graf wird hierzu Stellung nehmen.
    Ich will nur an Hand einer einzigen Vorschrift darlegen, wie hier unter dem Deckmantel des wehrhaften Staates gegen Grundprinzipien des Strafrechts verstoßen wird. Der neue § 23 des Versammlungsgesetzes bestraft die bloße Aufforderung zur Teilnahme an einer Demonstration, deren Auflösung die Polizei angeordnet hat, erstmals als Vergehen. Derjenige aber, der der Aufforderung folgt, begeht nur eine Ordnungswidrigkeit, macht sich also nicht strafbar. Nach den das Strafgesetzbuch beherrschenden Prinzipien ist dies verkehrt; denn normalerweise folgt die Behandlung des Anstifters der Behandlung des Täters.

    (Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)

    Die hier vorgeschlagene Regelung — und das muß man sich einmal vergegenwärtigen — führt zu einem kuriosen und zugleich fatalen Ergebnis. Ruft der Polizeibeamte: „Die Demonstration ist aufgelöst" , entgegnet darauf der Demonstrant ärgerlich: „Ich mache weiter" , dann kann das eine Ordnungswidrigkeit oder aber ein Vergehen sein. Wird nämlich der Zuruf „Ich mache weiter" als spontane Antwort zu sich selbst verstanden, dann ist es nur eine Ordnungswidrigkeit. Legt aber die Polizei diesen Zuruf „Ich mache weiter" auch als Aufforderung gegenüber den Umstehenden aus, dann ist es ein Vergehen.

    Dr. de With
    Ich sage noch ein Weiteres: Es kommt nach der vorgeschlagenen Regelung überhaupt nicht darauf an, ob sich der Polizeibeamte dabei geirrt hat. Nachdem selbst bei dem Straftatbestand des Widerstandes gegen die Staatsgewalt der nicht bestraft wird, der sich rechtmäßig gegen einen irrenden Polizeibeamten wehrt — und Sie tun es hier im vorliegenden Fall nicht —, kann ich nur sagen: Offensichtlich wurde hier nicht die Feder geführt, sondern der Stock gehoben.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Natürlich haben Sie unter dem Druck der öffentlichen Meinung den Vorschlag — das habe ich schon erwähnt, und es ist auch schon vorher gesagt worden — der Befürwortung von Gewalttaten zurückgenommen. Und natürlich haben Sie hier und da Schönheitsreparaturen vorgenommen. Aber im Kern haben Sie gegenüber der ursprünglichen Vorlage nichts geändert.

    (Dr. Vogel [SPD]: Leider!)

    Sie haben damit vielleicht, wie die „Süddeutsche Zeitung" gestern schrieb, einen Beitrag zum Koalitionsfrieden geleistet, einen Beitrag zum inneren Frieden in der Bundesrepublik aber sicher nicht.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Der heutige Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren,

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Schwarzer Tag! — Frau Nickels [GRÜNE]: Schwarzer Freitag!)

    wird nicht als hoffnungsvoller Neuanfang für die Bundesregierung Geschichte machen. Er wird als Niederlage für den Rechtsstaat, als Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten, er wird als schwarzer Tag Ihre Regierung markieren.

    (Zuruf von der SPD: CDU-Farbe!)

    Wir werden in dritter Lesung Ihre Vorlage in namentlicher Abstimmung ablehnen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Fellner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hermann Fellner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Novellierung verschiedener Gesetze im Bereich der inneren Sicherheit zeigt der Rechtsstaat Flagge, und diese Koalition zeigt Handlungsfähigkeit, auch wenn der Kollege Hirsch oder andere in diesem Zusammenhang etwas grummeln.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: „Grummeln" ist gut!)

    Wir wollten unseren Sicherheitsbehörden ein erfolgversprechenderes Instrumentarium an die Hand geben, um Gewalt bekämpfen zu können. Das wollen wir tun, auch wenn z. B. im vergangenen Jahr die Gewalt bei Demonstrationen tatsächlich nicht mehr so bestürzend war wie in den Jahren zuvor.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie widersprechen Ihrem Kollegen Stark, Herr Fellner!)

    Aber ein ordnungsgemäßer Rechtsstaat hat die Verpflichtung, das, was er bei früheren Demonstrationen als Mangel erkannt hat, jetzt möglichst nicht mehr passieren zu lassen und dafür eben die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen.
    Daß wir uns bei dieser Zielsetzung mit Ihnen nicht einig sind, liebe Kollegen von der SPD, überrascht uns nicht; es kann uns aber auch nicht davon abhalten, daß wir das nach unserer Ansicht Richtige tun.
    Frau Däubler-Gmelin, es ist schon etwas unseriös, wenn Sie sich auf angebliche Informationen aus dieser Gewalt-Kommission berufen,

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie kriegen sie alle noch zu hören, Herr Fellner!)

    nur um Ihren Argumenten, die vielleicht nicht so kräftig sind, die notwendige Autorität zu verleihen. Es ist wirklich unseriös, daß Sie das tun.
    Zum Vorwurf an uns in Richtung Stammtische:

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Der trifft zu!)

    Ihre Argumentation zur Kronzeugenregelung rechtfertigt den Vorwurf, daß Sie sich nahezu im Tiefflug auf die Stammtische gestürzt haben.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sie sind stolz auf dieses Bonmot?)

    — Ich habe mir lange überlegt, wie ich diese Verrenkung, die Sie veranstalten, kennzeichnen soll. Der
    „Tiefflug auf die Stammtische" ist schon interessant.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Herr Fellner, Sie sind an sich so nett!)