Rede von
Dr.
Rolf
Niese
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde in meinem Beitrag auf den vom Bundesrat eingebrachten Änderungsgesetzentwurf zum Eisenbahnkreuzungsgesetz eingehen.
Nach § 14 des Gesetzes in seiner geltenden Fassung sind Straßenüberführungen über Eisenbahnanlagen vom Träger der Straßenbaulast zu unterhalten. Um Härten für die Gemeinden zu vermeiden, ist in § 19 zu ihren Gunsten eine Übergangsregelung geschaffen worden, durch die die Unterhaltungslast für solche Straßenüberführungen zunächst bei der Deutschen Bundesbahn verbleibt und erst bei einer wesentlichen Änderung der Kreuzungsanlage auf die Gemeinde übergeht.
Diesem Willen des Gesetzgebers beim Inkrafttreten des Eisenbahnkreuzungsgesetzes steht jedoch für Hamburg eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom November 1984 entgegen. Danach wird Hamburg das sogenannte Gemeindeprivileg entzogen.
Bei dieser Entscheidung kam es darauf an, ob Hamburg im Zusammenhang mit dem Eisenbahnkreuzungsgesetz als Bundesland oder als Gemeinde anzusehen ist. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, und zwar in einem konkreten Fall — darum ging der Rechtsstreit —, daß die Baulast bei der Freien und Hansestadt Hamburg als Bundesland liegt, und legte, ohne auf den Gemeindecharakter Hamburgs näher einzugehen, dar, daß es eine differenzierende Auslegung des Gesetzes wegen der Doppelrolle Hamburgs als Bundesland und Gemeinde für verfehlt halte.
Es ist aber eigentlich grotesk: Einerseits wird Hamburg nur als Bundesland gesehen, nämlich im Zusammenhang mit dem Eisenbahnkreuzungsgesetz; andererseits aber gilt Hamburg einzig und allein als Gemeinde, nämlich beim Fernstraßengesetz, wo in § 5 Abs. 2 festgelegt wird, daß bei Gemeinden mit über
Dr. Niese
80 000 Einwohnern die Straßenbaulast für die Durchfahrten von Bundesstraßen bei der Gemeinde liegt. Es ist also schon erstaunlich, daß Hamburg einmal als Bundesland und einmal als Gemeinde angesehen wird, und zwar stets so, daß die Kosten auf Hamburg abgewälzt werden können.
Nach der besonderen verfassungsrechtlichen Stellung der Freien und Hansestadt Hamburg werden zwar staatliche und gemeindliche Tätigkeiten nicht voneinander getrennt — das sieht unsere Verfassung in Hamburg nicht vor —; gleichwohl ist unbestritten, daß Hamburg tatsächlich auch gemeindliche Aufgaben wahrnimmt.
Die Argumentation der Bundesregierung, vorgetragen vom Vertreter des Verkehrsministeriums in der Sitzung des Bundesrats-Verkehrsausschusses, geht davon aus, daß anders als bei vergleichbaren Großstädten die Stadt Hamburg über ihre gemeindlichen Einnahmen hinaus auch über Einnahmen verfügt, die ihr als Bundesland zustehen. Es wird die Meinung vertreten, dadurch sei gewährleistet, daß die Erhaltung der Eisenbahnkreuzungsanlagen, der Straßenüberführungen, in Hamburg stets auch aus Mitteln finanziert werden könne, die Hamburg in seiner Eigenschaft als Bundesland erhalten habe. Dadurch soll der Eindruck erweckt werden, als stünden anderen Großstädten nur gemeindliche Einnahmen zur Verfügung. Dies ist aber nicht der Fall. Viele oder fast alle Gemeinden in den Flächenländern werden zu über 25 % durch Schlüsselzuweisungen und andere Dinge von den Bundesländern finanziert, wobei der Anteil für Landeshauptstädte wie München und Stuttgart weit über diesen 25 % liegt.
Genauso unrichtig ist die Behauptung, die Deutsche Bundesbahn hätte bis 1984, als dieser Rechtsstreit in dem konkreten Einzelfall auftrat, die Unterhaltungsleistungen für die Straßenüberführungen in Hamburg nur unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Klärung erbracht. Richtig ist vielmehr, daß die Bundesbahn entsprechende Vorbehalte erstmalig bei diesem Rechtsstreit geäußert hat.
Auch der Hinweis, daß nur ganze 3 % sämtlicher Straßenbrücken in Hamburg Straßenüberführungen über Eisenbahnanlagen sind und somit die Verhältnismäßigkeit bei einem Gesetzesänderungsbegehren nicht gegeben wäre, ist, glaube ich, ohne Bedeutung, denn bei dieser Diskussion ist einzig und allein entscheidend, daß Hamburg im Verhältnis zu anderen Großstädten gleichgestellt werden soll.
Auch die Behauptung, der Gesetzesantrag des Bundesrates führe in seiner Konsequenz zu einer Privilegierung Hamburgs, ist nach meiner Auffassung nicht stichhaltig. Hätte der Gesetzgeber nämlich von Anfang an klarstellen wollen, Hamburg als Bundesland zu behandeln, so hätte eigentlich eine Stadtstaatenklausel in das Gesetz aufgenommen werden müssen. Dieses ist aber 1963 nicht geschehen, so daß man also nicht davon ausgehen kann, daß es bei Verabschiedung des Gesetzes der Wille des Gesetzgebers war, Hamburg in diesem Zusammenhang als Bundesland zu deklarieren.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, Sie sehen es mir nach, wenn ich die vorausgegangene Auseinandersetzung um den Hamburg betreffenden Gesetzesantrag des Bundesrates etwas ausführlicher dargestellt habe. Ich glaube aber, daß ein Hamburger Abgeordneter verpflichtet ist, darzustellen, welche juristischen Windungen hier von verschiedener Seite bei der Beratung des Änderungsgesetzes letztendlich zur Verhinderung berechtigter Hamburger Interessen vorgebracht worden sind.
Natürlich hätte ich als Hamburger gern eine Mehrheit im Bundestag, aber ich kann mich natürlich auch nicht der Argumentation verschließen, daß die Bundesbahn unter erheblichen finanziellen Problemen leidet, und ich weiß um die Probleme, mit denen die Bundesbahn kämpfen muß, wenn sie auf Dauer Bestand haben soll. Deshalb begrüße ich die Entscheidung des Verkehrsausschusses, der eine offensichtliche Benachteiligung Hamburgs anerkannt und in seinen Beratungen die Bundesregierung aufgefordert hat, nach Lösungen und Wegen zu suchen, um Hamburg einen Ausgleich zu gewähren, ohne zu einer Mehrbelastung der Bundesbahn zu kommen.
Nun haben wohl nur ganz wenige den Prüfungsbericht der Bundesregierung heute nachmittag auf den Tisch bekommen. Ich habe ihn bekommen.
— Ja, der liegt mir seit heute nachmittag vor.
Der fällt völlig negativ aus, der Ausgleich ist Null. Nur konnte ich in der kurzen Zeit seit heute nachmittag die Darlegungen natürlich überhaupt nicht einer sachlichen Prüfung unterziehen. Deswegen fordert meine Fraktion — ich glaube, das ist auch eine Selbstverständlichkeit —, daß wir diesen Sachverhalt auf Grund der Ausschußdrucksache des Verkehrsausschusses nochmals einer Beratung im Verkehrsausschuß unterziehen. Ich gehe auch davon aus, daß das hier Dargelegte nicht das letzte Wort der Bundesregierung ist. Ich wäre dankbar, wenn wir in diesen weiteren Beratungen zu einem einvernehmlichen und sachgerechten Ergebnis kämen, was Hamburgs Interessen, aber auch die Interessen der Bundesbahn anbetrifft.
Ich bedanke mich für Ihre freundliche Aufmerksamkeit, die Sie mir zu dieser späten Abendstunde noch gewährt haben. Schönen Dank.