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ID1112305900

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    Plenarprotokoll 11/123 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 123. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. Januar 1989 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Harries 9035 A Tagesordnungspunkt 19: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit zum Antrag der Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil, Dr. Pinger, Feilcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Frau FolzSteinacker, Hoppe, Frau Dr. Hamm-Brücher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Der entwicklungspolitische Beitrag zur Lösung von Weltflüchtlingsproblemen (Drucksachen 11/1954, 11/3455) Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 9035 B Frau Luuk SPD 9037 B Frau Folz-Steinacker FDP 9038 C Frau Olms GRÜNE 9040 A Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär BMZ . . 9041A Bindig SPD 9042 B Dr. Holtz SPD (Erklärung nach § 29 GO) 9043 D Frau Olms GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 9044 A Tagesordnungspunkt 20: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie der Veränderungen im militärischen Kräfteverhältnis 1987 (Drucksache 11/2215) Nolting FDP 9044 B Dr. Scheer SPD 9046 A Lamers CDU/CSU 9049 B Frau Beer GRÜNE 9051 D Genscher, Bundesminister AA 9054 A Lowack CDU/CSU 9056 A Erler SPD 9058 A Tagesordnungspunkt 21: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Export von TORNADO-Flugzeugen nach Jordanien (Drucksache 11/3283) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Lippelt (Hannover), Dr. Mechtersheimer und der Fraktion DIE GRÜNEN: Zustimmungsverweigerung des Deutschen Bundestages zur geplanten Lieferung von Tornado-Kampfflugzeugen an das Königreich Jordanien (Drucksache 11/3242) Frau Dr. Hamm-Brücher FDP (zur GO) . . 9060A, 9077 C Dr. Bötsch CDU/CSU (zur GO) 9060 A Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . . 9060 B Jahn (Marburg) SPD (zur GO) 9060 C Gansel SPD 9060 D Dr. Schäuble, Bundesminister für besondere Aufgaben, Chef des Bundeskanzleramtes . 9062D, 9081 A Dr. Mechtersheimer GRÜNE 9067 C Wissmann CDU/CSU 9069 D Kolbow SPD 9072 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1989 Beckmann FDP 9074 B Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 9076 A Voigt (Frankfurt) SPD (zur GO) 9076 D Bohl CDU/CSU (zur GO) 9077 A Frau Unruh GRÜNE 9077 B Dr. Ehmke (Bonn) SPD 9078 D Genscher, Bundesminister AA 9081 B Schily GRÜNE 9082 B Dr. Lammert CDU/CSU 9082 D Dr. Vogel SPD 9084 A Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . . 9084 B Gansel SPD (zur GO) 9085 A Präsidentin Dr. Süssmuth 9069 A Nächste Sitzung 9085 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 9087*A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 123. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1989 9035 123. Sitzung Bonn, den 27. Januar 1989 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Berger (Berlin) 27. 1. Carstensen (Nordstrand) 27. 1. Frau Conrad 27. 1. Conradi 27. 1. Dr. Dollinger 27. 1. Eylmann 27. 1. Feilcke 27. 1. Francke (Hamburg) 27. 1. Gallus 27. 1. Dr. von Geldern 27. 1. Gerster (Mainz) 27. 1. Dr. Glotz 27. 1. Dr. Götz 27. 1. Gröbl 27. 1. Grünbeck 27. 1. Dr. Hauchler 27. 1. Dr. Hauff 27. 1. Frhr. Heereman von Zuydtwyck 27. 1. Frau Hensel 27. 1. Hiller 27.1. Ibrügger 27. 1. Dr. Jahn (Münster) 27. 1. Jaunich 27. 1. Kalisch 27. 1. Kastning 27. 1. Kittelmann 27. 1. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlict Klein (München) 27. 1. Dr. Knabe 27. 1. Koschnick 27. 1. Kossendey 27. 1. Frau Krieger 27. 1. Dr. Graf Lambsdorff 27. 1. Frau Dr. Martiny-Glotz 27. 1. Nagel 27. 1. Dr. Neuling 27. 1. Dr. Osswald 27.1. Pesch 27. 1. Petersen 27. 1. Dr. Pfennig 27. 1. Pfuhl 27. 1. Rappe (Hildesheim) 27. 1. Reddemann 27. 1. Reuschenbach 27. 1. Frau Roitzsch (Quickborn) 27. 1. Schäfer (Offenburg) 27. 1. Dr. Schmude 27. 1. Frhr. von Schorlemer 27. 1. Schulze (Berlin) 27. 1. Stobbe 27. 1. Tillmann 27. 1. Dr. Waigel 27. 1. Waltemathe 27. 1. Weiss (München) 27. 1. Weisskirchen (Wiesloch) 27. 1. Dr. Wieczorek 27. 1. Frau Wieczorek-Zeul 27. 1. Wischnewski 27. 1.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ortwin Lowack


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Bitte, Frau Beer, machen wir es doch ganz einfach: Lesen Sie den vorliegenden Bericht, über den wir heute debattieren, durch! Dort



    Lowack
    sind die Zahlenverhältnisse ganz klar aufgeführt. Wir können darüber debattieren, und Sie können das in Frage stellen. Aber Sie haben das nicht getan; Sie haben mit keinem Wort in dieser Debatte irgendeine Zahl die in dem Bericht erscheint, in Frage gestellt.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, immerhin liegt ein erfreuliches Ergebnis vor. Ich möchte besonders das Ergebnis der Verhandlungen in Stockholm über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen erwähnen und betonen, daß wir im Augenblick bei Manövern auf beiden Seiten dabei sind, daß Beobachter gestellt werden, daß diese Manöver anzumelden sind.
    Es ist nun die trostlose Situation der Opposition, vor allen Dingen der Sozialdemokraten, daß man mit der großen unterwürfigen Geste, mit der man jeden sowjetischen Vorschlag angegangen ist, keinen Erfolg hatte. Die Erfolge haben wir, weil wir klargestellt haben, daß wir nur mit Maßnahmen, die auch durchgeführt werden, zufrieden sind, daß wir uns nicht auf irgendwelche Offerten, Ankündigungen des Ostens einlassen.

    (Frau Unruh: [GRÜNE]: Unterwürfiger als Sie geht doch gar nicht!)

    Meine sehr verehrten Kollegen von der Sozialdemokratie, wir haben im Augenblick z. B. eine Diskussion, die uns allen sehr weh tut — ich sage es ganz offen —, die sehr viel Unruhe in die Bundeswehr hineingebracht hat. Ich meine die Diskussion über die Tiefflüge. Ich weise Sie immer wieder darauf hin, daß es Ihre Konzeption war — ob es nun Brandt, Schmidt oder Apel war — , Flugzeuge zu konstruieren und bei der Bundeswehr einzuführen, mit denen man gegnerisches Radar unterfliegen kann. Es war Ihre Konzeption, diese Flugzeugtypen einzuführen. Heute verlangen Sie aber in einer Umkehrung dessen, was Sie selber als richtig erkannt haben, auf einmal ihre Abschaffung. Das zeigt genau, wohin Sie sich in der Zwischenzeit bewegt haben.
    Es wäre sicher ein großer Fehler, wenn wir uns nur auf Gorbatschow und die Hoffnungen, die er bei unseren Menschen weckt, verlassen würden. Gorbatschow wird dann die notwendigen Abrüstungsschritte vornehmen, wenn er erkennt, daß der Westen in der Lage ist, seine sicherheitspolitischen Ziele auch gemeinsam darzustellen und durchzusetzen. Wenn man heute Sacharow hört, der sagt, er habe Sorge, daß Gorbatschow auch die Zukunft der Sowjetunion bestimmen werde, dann müssen wir uns darüber klar-werden, daß nur die objektiven Voraussetzungen, der Erhalt der Abschreckung, es ermöglichen werden, wirklich zu vernünftigen Sicherheitskontrollmaßnahmen zu kommen. Nur dann werden wir wirklich zu Ergebnissen und Abrüstungsschritten kommen.

    (Frau Beer [GRÜNE]: Sie zittern doch schon vor seinem Besuch im Mai, wenn er neue Abrüstungsvorschläge machen wird!)

    Erlauben Sie mir ein paar Worte zum Kollegen Scheer. Kollege Scheer, Sie haben sich bemerkenswerterweise mit diesem Bericht, der heute zur Diskussion ansteht, überhaupt nicht auseinandergesetzt,

    (Dr. Scheer [SPD]: Dazu ist er auch nicht gut genug!)

    — das beweist letztlich, daß Sie gegen den Bericht überhaupt nichts vorzutragen haben — , sondern Sie sind ausgewichen, Sie haben sich auf andere Dinge kapriziert. Sie haben die Öffentlichkeit nicht richtig informiert,

    (Dr. Scheer [SPD]: Das ist nicht meine Aufgabe!)

    wenn Sie behaupten, daß bei den Wiener Verhandlungen die Luftwaffe auf alle Fälle ausgeschlossen wäre. Es gibt eine westliche Verhandlungsposition, aber der Text läßt das auch für die Zukunft ausdrücklich offen.

    (Abg. Dr. Scheer [SPD] und Abg. Frau Beer [GRÜNE] melden sich zu Zwischenfragen)

    — Bitte jetzt nicht mehr, weil ich auf das Ende meiner Rede zukomme.

    (Dr. Scheer [SPD]: Sie haben mich doch direkt angesprochen!)

    Nächster Punkt. Sie haben die Kurzstreckensysteme angesprochen. Lieber Kollege Scheer, wollen Sie mir nicht bestätigen, daß die Sowjetunion eine ganz andere Struktur bei den Kurzstreckensystemen hat, weil sie über 1 500 Trägersysteme plus die entsprechenden Geschosse und Nachladedepots verfügt, während wir von der Struktur her nur 88 Abschußgestelle und damit unabhängig von der Zahl der Raketen einen ganz großen Nachteil haben?

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Was sind wir arm!)

    Aber um auf Ihre Kernfrage zurückzukommen: Brauchen wir die atomare Abschreckung, muß daran festgehalten werden? Sie wissen — Sie haben es selber angesprochen —, daß die Erfahrungen im Zusammenhang mit atomaren Waffen nicht aus der Welt zu schaffen sind. Jetzt behaupte ich — darüber können wir sicher diskutieren — , daß gerade die derzeitige Pattsituation im Bereich der Interkontinentalraketen trotz einer Überlegenheit der Sowjetunion bei der Sprengwirkung eine Chance gibt, wenn überhaupt, zu verhindern, daß atomare Waffen durch andere Staaten eingeführt werden. Wenn Sie diese Voraussetzungen, die wir jetzt haben, die günstig sind, in Frage stellen, stellen Sie langfristig überhaupt in Frage, ob wir dazu kommen können, eine Ausbreitung atomarer Systeme zu verhindern.
    Die anstehenden Wiener Verhandlungen bieten eine große Chance, aber ich glaube, daß wir auch unserer Bevölkerung klarmachen müssen, daß damit und mit den Ankündigungen noch lange nicht eine einseitige Abrüstung oder Abrüstungsschritte von unserer Seite gerechtfertigt wären. Wir brauchen Vereinbarungen, die verifizierbar sind und die vor allen Dingen auch durchgeführt werden.
    Abschließend möchte ich noch folgendes sagen: Erstens. Wir alle sollten uns dazu durchringen, wieder gemeinsame Grundlagen unserer Verteidigungspolitik zu definieren, so wie es früher unter einer Regierung Helmut Schmidt durchaus möglich war.



    Lowack
    Zweitens. Wir alle sollten klarstellen, daß wir von der politischen Ebene voll hinter dem Verteidigungsauftrag unserer Soldaten und hinter unseren Soldaten selbst stehen. Ich glaube, auch das sollte in dieser Debatte mit aller Klarheit dargestellt werden.
    Danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Gernot Erler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. h.c. Gernot Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen heute über einen Bericht, der die Zeit von Juli 1986 bis Ende 1987 umfaßt — und das 13 Monate später. Es ist richtig schön, in dem Album von Abrüstung und Rüstungskontrolle vergangener Zeiten zu blättern. Es sind ja auch schöne Erfolge, die in diesem Bericht beschrieben werden konnten, etwa das Abkommen über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen von Stockholm vom September des Jahres 1987 und vor allen Dingen das bis heute nachwirkende INF-Abkommen vom 8. Dezember 1987.

    (Nolting [FDP]: An dem Sie nicht beteiligt waren!)

    Man stößt dann — Kollege Lowack, Sie werden jetzt merken, daß ich den Bericht wirklich gelesen habe — auf einen euphorischen Teil des Berichts mit der Überschrift „Bilanz und Perspektiven". Da stellt man fest, daß damals, als dieser Bericht geschrieben wurde, noch der Eindruck bestand, daß weitere Fortschritte auf dem Gebiet der Abrüstung sehr schnell kommen würden.
    So ist dann auch die Erwartung ausgedrückt, daß wir schon im Mai 1988 ein START-Abkommen haben würden, nämlich die Halbierung der Interkontinentalwaffen. Wir wissen, daß jetzt noch nicht einmal richtig klar ist, wann es nach der Installierung der neuen amerikanischen Administration bei diesen Verhandlungen substantiell weitergeht. Es ist weiter die Rede davon, daß der Abschluß eines Chemiewaffenabkommens in Genf unmittelbar bevorstehe.

    (Frau Beer [GRÜNE]: Das wird uns seit zehn Jahren erzählt!)

    Wir wissen heute — nach den einschränkenden Versuchen der Pariser Konferenz — , daß es nicht einmal mehr sicher ist, ob überhaupt noch die Chance besteht, hier zu einem Abkommen zu kommen.
    Es ist die Erwartung ausgedrückt, daß im Bereich konventioneller Rüstungskontrolle schon 1988 Verhandlungen aufgenommen werden. Nun freuen wir uns alle und begrüßen, daß das im März dieses Jahres passiert. Aber: Auch diese Prognose war falsch.
    Schließlich — völlige Fehlanzeige — wird gesagt, daß demnächst auch über nukleare Kurzstreckenwaffen verhandelt werden würde. Heute ist nicht einmal klar, ob, wann und wo diese für uns so bedeutenden Kurzstreckenwaffen — endlich — überhaupt Gegenstand von Verhandlungen sein werden.
    Nun habe ich ja gar nichts gegen Euphorie. Euphorie kann beflügeln, aber sie kann eben auch zur Selbsthypnose führen. Deswegen ist, wenn man einen solchen Bericht diskutiert, immer die Frage wichtig: In welchem Verhältnis stehen eigentlich das eigene Handeln und die tatsächlich vorhandenen Herausforderungen und auch Chancen, die die Gegenwart bietet?
    In dieser Hinsicht hat die Zeit nach 1987 nun einiges gezeigt. Sie hat gezeigt, daß dieses Jahr, wenn auch diese euphorischen Andeutungen über kurz bevorstehende Erfolge nicht Wirklichkeit geworden sind, doch zwei wichtige Ergebnisse gebracht hat: Das eine ist die einseitige Ankündigung der sowjetischen — wirklich spürbaren — Abrüstung im konventionellen Bereich, das andere sind mit Sicherheit der Abschluß der KSZE-Gespräche in Wien und die Formulierung des KRK-Mandates. Und es ist gar kein Zweifel — das kann hier auch ausgedrückt werden — , daß die Diplomaten von Außenminister Genscher eine konstruktive Rolle auch bei diesem Ergebnis gespielt haben.
    Aber die Frage ist ja, was für andere Beiträge, Signale von der Bundesrepublik selber in diesem Zeitraum ausgegangen sind, die nach meiner Auffassung auch sehr viel über Abrüstung und Rüstungskontrolle sagen. Welche Stichworte hat denn die Bundesrepublik zu diesem internationalen Prozeß aus eigener Kraft, aus der eigenen Innenpolitik beigetragen? Ich stelle fest: Der Bundesminister der Verteidigung ist stolz darauf, daß eine Trendwende — so nennt er das — beim Verteidigungshaushalt stattgefunden hat: 3,8 %, 1,8 Milliarden DM mehr. Er hat angekündigt, daß das noch längst nicht das Ende sein wird, sondern daß im investiven Bereich noch viel mehr Geld für Verteidigung ausgegeben wird. Das ist ein Signal, das die Bundesrepublik aussendet.
    Das zweite ist, daß Sie in diesem Zeitraum über Wehrpflichtverlängerung streiten und sie dann auch noch beschließen. Das ist ein weiteres Signal in diesem Kontext.
    Dann haben wir in diesem Zeitraum das teuerste Waffensystem der Geschichte der Bundesrepublik, nämlich den Jäger 90, auf die Schiene geschoben.
    Wir haben uns erlaubt, den größten militärischindustriellen Komplex durch die Heirat von MBB mit Daimler-Benz in der Bundesrepublik zu konstruieren. Das ist sozusagen unser Beitrag zur Rüstungskonversion, nämlich insofern, als wir damit annähernd 400 000 Arbeitsplätze nun auch noch vom Rüstungsexport — und worüber wir da reden, wissen wir ja jetzt — abhängig machen.
    Wir reden in diesem Zusammenhang immer von Gesamtkonzept, wenn es darum geht, Antworten auf die konkreten Vorschläge, die von der östlichen Seite gemacht werden, auf die lange Bank zu schieben. Der Begriff ist sogar schon in die NATO-Sprache eingegangen.
    Wir haben mehrmals auch in diesem Haus darüber diskutiert, wie unter dem Stichwort Modernisierung dieses INF-Abkommen im Grund genommen umgangen und durch technische Tricks kompensiert werden soll.
    Schließlich haben wir die Stichworte: Festhalten an Tiefflug, Ramstein, Remscheid in die Debatte geworfen. Wir halten an diesen Konzepten und den Strate-



    Erler
    gien, die damit verbunden sind, stur fest. Der Minister der Verteidigung versucht in diesem Zusammenhang die Verantwortung oder auch Placebos gegen diese Bedrohung der Bevölkerung zu verteilen.
    Ja, wir leisten uns sogar, daß nicht nur in linken Zeitungen in dieser Republik fast tagtäglich über eine Akzeptanzkrise der Bundeswehr und der bewaffneten Verteidigung gesprochen wird. Das ist ein Signal dafür, daß der Konsens, der in diesem Bereich viele Jahrzehnte in unserer Republik herrschte, durch die ganzen Signale, die aus diesem Bereich kommen, in Frage gestellt wird.
    Was können wir daraus schließen? Ich meine, es ist einfach falsch, zu denken, daß Abrüstung und Rüstungskontrolle nur das sind, was gutwillige, konstruktive Beamte aus dem Auswärtigen Amt in internationalen Gremien, in internationalen Verhandlungen vortragen; längst ist mindestens genauso wichtig, was an konkreten eigenen Signalen im eigenen Land aus diesem Bereich ausgeht.
    Es ist doch kein Zufall, daß nur noch 20 % unserer Bevölkerung sich heute, wenn man sie danach befragt, dazu bekennen, daß sie sich vom Osten bedroht fühlen. Auch das liegt nicht nur daran, daß die Beamten, die Vertreter, die Diplomaten der Sowjetunion immer wieder in Verhandlungen mit Vorschlägen kommen, sondern das liegt daran, daß gesellschaftliche Signale von der Sowjetunion ausgehen, die dieses Vertrauen in unserer Bevölkerung ermöglicht haben, daß das neue Denken, das in der UNO-Rede von Gorbatschow vielleicht sogar wichtiger war als die konkreten Abrüstungsangebote oder Abrüstungsankündigungen, die er gemacht hat, glaubwürdig ist und daß wir glauben können, daß Perestroika heute in der Sowjetunion wichtiger als Aufrüstung ist, und daß wir heute merken, daß dort Konversion anders, nämlich als ein reales Problem zur Absicherung des Reformprozesses, gesehen und ernsthaft angegangen wird.
    Deswegen möchte ich hier deutlich machen, daß Abrüstung und Abrüstungskontrolle nicht erfolgreich betrieben werden können, wenn wir nicht dafür sorgen, daß andere Signale aus der realen Politik dieser Republik hinzukommen. Es reicht nicht, nur guten Willen auf internationalen Konferenzen deutlich zu machen, sondern die konkreten Beschlüsse unserer Innenpolitik müssen glaubwürdig dazukommen.
    Ich meine damit, mit der Modernisierung und der Diskussion, die wir dazu führen, werden wir keine Glaubwürdigkeit erzielen; wir werden nicht glaubwürdig bleiben, wenn wir weiterhin unserer Bevölkerung zumuten, zivilisationsunverträgliche und damit nicht konsensfähige Militärübungen ständig weiter durchzuführen und nicht zu reduzieren; wenn wir die Wehrpflichtverlängerung durchziehen; wenn wir diese Art von Konversion, wie ich sie beschrieben habe, bei Rüstungskonzernen durchführen und wenn wir einfach fortfahren, Jäger 90 oder nicht mehr notwendige Panzer zu bauen, auch wenn völlig andere Signale von der anderen Seite kommen.
    Herr Außenminister, ich behaupte, daß dieser Bericht, in sich schon einige Mängel hat, weil er einen wichtigen Teil ausgeklammert hat, nämlich die real existierende Widerstandsbewegung, die damals gegen die doppelte Null-Lösung herrschte, und weil der ganze Komplex Pershing I a überhaupt nicht vorkommt, und daß jeder dieser Berichte ein Torso, mit dem man nichts anfangen kann, bleiben wird, solange man nicht die realen Beschlüsse und die realen Ergebnisse von Politik aus unserer Innenpolitik einbezieht.
    Am ehesten begreifen Sie das ja, wenn Sie sich verdeutlichen, daß Sie auf der internationalen Ebene damit, daß Sie sich z. B. für das weltweite Verbot von C-Waffen einsetzen, gar nicht länger glaubwürdig bleiben können, wenn gleichzeitig aus der Bundesrepublik, was den Export von entsprechender Technologie angeht, diese Signale kommen, die es in den letzten Tagen gegeben hat.
    Ich plädiere dafür — damit möchte ich schließen —, daß in zukünftige Berichte über Abrüstung und Rüstungskontrolle diese tatsächlichen Signale — die eine ganz andere Sprache als das, was in diesem Bericht steht, sprechen — mit einbezogen werden, damit wir wirklich eine reale Grundlage für die Diskussion über die tatsächlichen Erfolge und die tatsächlichen Impulse und Initiativen unseres Landes für Abrüstung und Rüstungskontrolle haben und auf dieser Grundlage hier in diesem Parlament diskutieren können.
    Danke schön.

    (Beifall bei der SPD)