Rede von
Peter
Conradi
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hätte ich heute die Wahl, statt Bundestagsabgeordneter Journalist zu sein, würde ich mich für letzteres entscheiden; denn die bissigen Schlagzeilen und die Kommentare für heute abend und morgen liegen auch mir auf der Zunge: „Weihnachtsbescherung in Bonn", „Reicher Gabentisch für die Parteien". Man kann sich vorstellen, was alles geschrieben werden wird. Wir müssen sagen, daß unsere parlamentarischen Fuhrleute jedenfalls diesen Beratungstermin „hervorragend" hinbekommen haben.
Zur Parteienfinanzierung zu reden ist nicht vergnügungssteuerpflichtig. Ähnlich wie bei den Abgeordnetendiäten reden wir ja hier in eigener Sache; denn die Parteien, um die es geht, sind unsere Parteien, mit denen wir gemeinsam politische Programme entwikkeln, die sie dann mit uns dem Wähler zur Wahl stellen. Weil das Parlament hier anders als bei anderen Gesetzen befangen ist, ist besondere Sorgfalt notwendig.
Wir halten es für gut, daß die Öffentlichkeit hier wie bei den Diäten besonders kritisch ist, von einigen Stammtischen und Zeitungen, die der Meinung sind, jede Mark für die da oben und ihre Parteien sei hinausgeworfenes Geld, bis hin zu der wachsam-kritischen Haltung von Bürgern und Journalisten, die die parlamentarische Demokratie bejahen und eine vernünftige finanzielle Ausstattung von Parlamenten und Parteien für notwendig halten, die aber zu Recht hohe Maßstäbe an Inhalt und Verfahren der Parteienfinanzierung legen.
Das Verfahren dieser Gesetzgebung zur Änderung des Parteiengesetzes war nicht besonders gut. Es war wohl vernünftig, daß sich die Schatzmeister zusam-
8606 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988
Conradi
mengesetzt und versucht haben, eine gemeinsame Regelung auszuhandeln und in Gesetzesform zu bringen. Nicht so gut war es, daß sich die Schatzmeister während des parlamentarischen Beratungsverfahrens an die Öffentlichkeit wandten, um mitzuteilen, worauf sie sich geeinigt hatten; denn das Parlament ist kein Vollzugsorgan für Schatzmeister-Runden.
Es war auch vernünftig, daß der Innenausschuß auf Vorschlag der SPD-Fraktion eine Anhörung von Fachleuten veranstaltet hat. Unerfreulich war, daß von dieser Anhörung eigentlich ausschließlich die negativen Stimmen in den Medien berichtet wurden. Über die Zustimmung zu einzelnen Punkten, etwa zum Chancenausgleich, hat fast keine Zeitung berichtet.
Es war auch nicht in Ordnung, daß ein vom Parlament bestellter Gutachter, vier Tage bevor er uns mitteilte, was er mitzuteilen hatte, in die Öffentlichkeit ging und es uns per Fernsehen mitteilte, noch dazu im Auftrag des Bundes der Steuerzahler, der ja richtigerweise „Bund der Nichtsteuerzahler" heißen müßte;
eine Vereinigung, die nicht gerade von überschäumender Transparenz gekennzeichnet ist
und die als gemeinnützige Organisation auch aus Steuermitteln finanziert wird. Ich vermute, es ging hier möglicherweise darum, das karge Professorensalär um einen kleinen Chancenausgleich aufzubessern.
Ärgerlich im Verfahren war auch das Verhalten der GRÜNEN. Ich habe ja Verständnis dafür, daß sie diesen Gesetzentwurf ablehnen. Nach bisherigem Recht bekamen im Chancenausgleich im Mittel der drei Jahre 1984 bis 1986 — hören Sie gut zu — die GRÜNEN im Jahr 3,5 Millionen DM, FDP und CSU im Jahr 2,3 Millionen DM, die CDU 2,2 Millionen DM und die SPD 600 000 DM. Ich kann verstehen, Herr Schily, daß Sie das auch in Zukunft gerne so schön hätten.