Frau Vollmer, ich schließe bei unserer Partei aus — über andere Parteien erlaube ich mir kein Urteil —, daß bei uns mit Mitgliederzahlen oder mit Spenden manipuliert wird. Sie werden genau registriert, und aus gutem Grund kennen wir z. B. nicht das Institut der ruhenden Mitgliedschaft oder das Institut nichtzahlender Mitglieder, wie Sie, die GRÜNEN, es nach Ihren eigenen Worten handhaben. Das gibt es bei uns nicht.
Ich bin durchaus der Meinung, daß die Kontrolle der Parteien funktioniert. Wenn jemand meint, diese Kontrolle funktioniere nicht, dann bin ich sehr dafür, daß wir sie verschärfen und verstärken; denn hier ist absolute Transparenz notwendig, die meiner Auffassung nach auch gegeben ist.
So geht das eben bei den GRÜNEN. Es lohnt sich wirklich, ihre Worte und ihre Taten einmal unter die Lupe zu nehmen. Nein, mit einer Lupe kommt man hier gar nicht aus. Man braucht ein Radioteleskop. Zwischen ihren Worten und ihrem Handeln liegen nämlich Lichtjahre.
Die GRÜNEN hatten 1987 — Herr Kollege Bernrath, das sind die neuesten Zahlen — einen Staatsanteil an ihren Finanzmitteln von über 55 %. Zum Vergleich: CDU/CSU und SPD lagen bei etwas über 30 %, also 20 % niedriger.
Das ist kein Wunder. Den GRÜNEN geht es nämlich gar nicht darum, über Mitglieder oder Spendenwerbung Unterstützung zu finden. Ihnen geht es ausschließlich um möglichst staatsfinanzierte Öffentlichkeitsarbeit ohne eigene Anstrengungen. Darum geht es ihnen.
Sie haben 40 000 Mitglieder gegenüber knapp 1 Million jeweils bei CDU/CSU und SPD, wenn ich die Parteivereinigungen mitrechne. Wenn ich es auf die Wählerschaft umrechne, dann ergibt sich: Auf 80 Wähler bei Ihnen kommt etwa ein Mitglied; auf
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 8605
Gerster
80 Wähler bei SPD oder CDU/CSU kommen etwa fünf Mitglieder.
Ich fordere Sie auf: Krempeln Sie erst einmal die Ärmel hoch, und steigern Sie Ihre Beitragseinnahmen, bevor Sie anderen überhöhte Staatseinnahmen vorwerfen.
Die GRÜNEN ziehen vor das Verfassungsgericht, um den parteinahen Stiftungen den Garaus zu machen, weil diese angeblich unmoralischerweise Staatsmittel für die Parteiarbeit einsetzen. Und als das Bundesverfassungsgericht Ihre Klage, Herr Schily, abgewiesen hat, hatten Sie nichts Eiligeres zu tun, als Ihre eigene Stiftung zu gründen,
unter merkwürdigen Umständen und — der Kollege Langner hat bereits mehrfach darauf hingewiesen — zu dubiosen Zwecken.
Gestern dagegen protestieren, weil es angeblich unmoralisch ist, heute absahnen, weil es so schön ist, und morgen auf andere schimpfen, weil es ja doch keiner merkt: Das ist Ihre Devise in dieser Frage.
Erst wettern Sie gegen das neue Parteienfinanzierungsgesetz und wollen mit Ihrer Ablehnung Ihre jungfräuliche Unschuld dokumentieren, dann langen Sie aber voll zu.
Es steht ja nirgends, daß eine Partei gezwungen wäre, die volle Wahlkampfkostenerstattung oder den vollen Chancenausgleich in Anspruch zu nehmen. Im Gegenteil, jede Partei kann diese Mittel beantragen, sie kann es aber auch lassen oder sich auf einen Teilbetrag beschränken.
Aber nein, so weit geht die Jungfräulichkeit der GRÜNEN doch nicht. Wenn die anderen die Kartoffeln aus dem Feuer geholt haben, dann meinen Sie, voll zulangen zu dürfen. Ich fordere Sie auf: Wenn Sie die staatliche Parteienfinanzierung für überhöht halten, wenn Sie also heute gegen das Gesetz stimmen, dann bleiben Sie wenigstens einmal konsequent und beantragen Sie beim nächsten Mal nicht die volle Summe, sondern nur einen Teilbetrag.
Ihr langjähriger Bundesschatzmeister, der jetzt frustriert aus der Partei austritt, hat die GRÜNEN ganz richtig beurteilt: Früher waren wir Hoffnungsträger, heute nur noch Überweisungsträger.
Man kann es auch drastischer sagen: Wenn die GRÜNEN gegen die staatliche Parteienfinanzierung zu Felde ziehen, dann ist das genauso glaubwürdig, als wenn ein Zuhälter auf die Straße geht, um für das Zölibat zu demonstrieren.
Ich plädiere für Glaubwürdigkeit, für Ehrlichkeit, aber auch für Selbstbewußtsein der Parteien bei der Behandlung dieses Themas.
Ich fasse zusammen.
Erstens. Die Änderung des Gesetzes zur Parteienfinanzierung ist notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht und der Bundestagspräsident uns entsprechend beauftragt haben.
Zweitens. Eine mit staatlichen Mitteln unterstützte Parteienfinanzierung ist moralisch und durch das Grundgesetz gerechtfertigt. Die Parteien müssen, um ihrer Aufgabe der politischen Willensbildung gerecht werden zu können, eine finanzielle Ausstattung haben, die ihnen genügend Aufmerksamkeitswert in der Konkurrenz mit anderen erlaubt.
Drittens. Denjenigen, die staatliche Mittel für die Parteienfinanzierung kritisieren, wird empfohlen, zunächst einmal in ihrem eigenen Haus für Sparsamkeit und Ehrlichkeit zu sorgen.
Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetz.