Rede von
Wolfgang
Lüder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Sellin, das Haus hat erstens in diesem Sommer die Finanzierungsregelung für die freien Wählergemeinschaften verbessert, und zweitens ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts so kurzfristig vor dieser heutigen Entscheidung gekommen, daß es hier noch keine Berücksichtigung finden konnte. Wir waren uns im Innenausschuß darüber einig, daß wir prüfen werden müssen, welche Auswirkungen dieses Urteil auf die kommunalen Wählergemeinschaften generell hat, aber auch welche Auswirkungen es auf die kommunalen Wählergemeinschaften hinsichtlich Rechenschaftslegung und anderem hat. Hier kann man nicht nur einfach in D-Mark arbeiten, hier muß man auch in Strukturen denken.
Meine Damen und Herren, wir stellen uns auch nicht hämisch beiseite und nutzen die nicht investierte Energie zur Präparierung einer Verfassungsklage, wie es die GRÜNEN offenbar machen, wohlwissend, daß man daraus allemal Kapital schlagen kann. Denn entweder hat man Erfolg in Karlsruhe und kann darüber jubeln — aber das wird hier nicht eintreten —, oder man hat Mißerfolg vor dem höchsten deutschen Gericht, weiß aber, daß damit zugleich die Staatsgel-
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der für die eigene Parteikasse gesichert sind. Ein Vorteil kommt auf jeden Fall heraus.
— Nein, wir halten uns an Gemeinsamkeiten, auch wenn es unpopulär ist. Dies unterscheidet uns — Herr Kollege Bernrath, das muß ich leider sagen — auch von der Effekthascherei mancher sozialdemokratischer Kollegen, die die Anpassung der Veröffentlichungsgrenze für Parteispenden an die Geldentwertung der letzten 21 Jahre nicht mitmachen wollen.
— Herr Präsident, darf ich bitten, daß Sie Herrn Sellin mal Taschentücher geben, wenn ihm die Tränen kommen. Er macht das bei jeder Rede, und deswegen war ich vorbereitet.
Da es die letzte Gelegenheit ist, weil Sie ja rotieren müssen, wollte ich heute auch die Möglichkeit nutzen, wenigstens etwas Weihnachtliches in die Debatte einbringen zu können.
Meine Damen und Herren, wir sollten bei dieser Gesetzgebung auch sehen, daß die Parteien nicht von sich aus darauf gekommen sind. Vielmehr hat die damals vom Bundespräsidenten eingesetzte Kommission 1983 gesagt — pikanterweise hat gerade Herr von Arnim in der Anhörung darauf hingewiesen —, daß nach fünf Jahren eine Überprüfung der Regelung vorgenommen werden soll. Von 1983 aus gerechnet sind wir nach fünf Jahren nun im Jahre 1988, also genau im Zeitpunkt.
Meine Damen und Herren, bei der Beratung des Gesetzentwurfes kam und kommt es darauf an, durch die Art des Gesetzgebungsverfahrens wie auch durch den Inhalt des Gesetzestextes den Nachweis zu erbringen, daß die deutschen Parteien, die vom Grundgesetz ein hohes Maß an Verantwortung auferlegt bekommen haben, dem sich daraus ergebenden Anspruch voll gerecht werden. Deswegen haben wir die Art der Einbringung des Gesetzes damals kritisiert. Deswegen haben wir uns für eine umfassende und öffentliche Anhörung von Sachverständigen eingesetzt. Und deswegen haben wir erst den Zeitpunkt abgewartet, zu dem wir das Protokoll der Anhörung lesen konnten, bevor Änderungen vorgenommen wurden.
Heute können wir feststellen, daß den Kritikpunkten, die auch von meiner Fraktion, auch von mir, gegen das Gesetzgebungsvorhaben vorgebracht wurden, vollauf entsprochen wurde. Das Parlament hat sich als lernfähig erwiesen.
Das Parlament hat auch bewiesen, daß es Sachverständige ernst nimmt. Ein Ernstnehmen von Sachverständigen kann aber nicht heißen, daß jeder kritische Satz des einen Professors für Gold gehalten und jeder zustimmende Satz eines anderen Wissenschaftlers als Gefälligkeit abqualifiziert wird.
Wir stehen in der Verantwortung, die Argumente, die vorgetragen wurden, zu wägen, nicht aber die Vortragenden zu würdigen. Daran haben wir uns gehalten.
Deshalb sagen wir: Wir stimmen zu.
Wir haben uns aber nicht nur um die Bedenken der Sachverständigen gekümmert. Wir sind einen wesentlichen, einen qualitativen Schritt weitergegangen. Auf liberale Anregung — Dr. Hirsch wurde hier genannt — ist in das Gesetz aufgenommen worden, daß über Struktur und Höhe künftiger Änderungen der staatlichen Parteienfinanzierung wie auch des Chancenausgleichs zunächst vom Bundespräsidenten eine Sachverständigenkommission eingesetzt wird, deren Vorschlag vorliegen muß, wenn das Parlament Änderungen vornehmen will.
Anders als bei der Sachverständigenanhörung eines Ausschusses wird es hier nicht einzelne und unterschiedliche Auffassungen der Fachwelt geben, so daß jener Sachverständige am meisten Gehör findet, der sich mit einer Organisation zusammentut, die ihm eine Pressekonferenz im Tulpenfeld ermöglicht. Der Gesetzentwurf zwingt die Sachverständigen der Präsidentenkommission, sich auf einen einheitlichen Vorschlag — eventuell mit Minderheitsvotum — zusammenzuraufen. Wir Freien Demokraten erwarten davon eine Versachlichung der Diskussion, einen Abbau von Emotionen und mehr Verständnis für die Bereitschaft und die Fähigkeit der Parteien zum sparsamen Umgang mit Mitgliederbeiträgen, Spenden und staatlichen Wahlkampfkostenerstattungen.
Ich glaube, diese Kommission wird auch daran festhalten, daß die goldene Finanzierungsregel eingehalten wird; das heißt, daß keine Partei mehr als 50 % öffentliche Finanzierung bekommen wird.
Ich hoffe und erwarte von den nachherigen Beiträgen der GRÜNEN, daß sie zu dem Stellung nehmen, was gestern nach der Pressekonferenz des Bundes der Steuerzahler veröffentlicht worden ist:
daß es in diesem Haus nur eine einzige Partei gibt, die gegen diese goldene Finanzierungsregel verstoßen soll — ich sage es vorsichtig, weil ich nicht jede Angabe des Bundes der Steuerzahler oder von Herrn von Arnim übernehme — , nämlich die Partei DIE GRÜNEN, die 55,7 % öffentliche Gelder bekommen soll, was der Bund der Steuerzahler behauptet. Das bedarf der Aufklärung, wenn es heißt, hier würden Staatsgelder im Überfluß in Anspruch genommen.
Herr Präsident, darf ich darauf hinweisen, daß mir meine Fraktion im Rahmen unseres Gesamtkontin-
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gents mehr Redezeit gewähren würde. Verzeihung, hier leuchtete es auf.
— Ja. Danke.
Vom ursprünglichen Gesetzentwurf ist eigentlich nur ein einziger Punkt unverändert geblieben.
Und den wollen nun die Sozialdemokraten kippen. Die Grenze der Pflicht zur Veröffentlichung von Spenden unserer Bürger an die Parteien wurde 1967 auf 20 000 DM festgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Grenze akzeptiert und ausgeführt, daß damit ein Betrag nach damaligen Preisen gewählt war, durch den die Unabhängigkeit der Parteien nicht beeinflußt werden könne.
Seit 21 Jahren ist diese Größe unverändert. Im gleichen Zeitraum hat sich das Volkseinkommen je Erwerbstätigen in etwa verdreifacht.
Im gleichen Zeitraum hat sich — das interessiert die SPD vielleicht ein wenig mehr — die Nettolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer mehr als verdoppelt. Es gibt keine nennenswerten Preis- und Kostenindikatoren, die in diesen 20 Jahren nicht mindestens eine Verdoppelung erfahren haben, wie es jetzt mit der Veröffentlichungspflichtgrenze vorgesehen ist. Selbst „Spiegel" -bildlich — ich habe das neulich einem Redakteur dieses Magazins gesagt — kann man hier argumentieren: Das Wochenmagazin, für das viele von uns 52mal im Jahr 4,30 DM ausgeben, war damals zu fast einem Drittel dieses Preises zu erhalten, nämlich für 1,50 DM pro Exemplar.
— Ich kann ja auch darauf hinweisen, daß die „Frankfurter Rundschau" falsch argumentiert, wenn sie mit einem Vierjahresbetrag kommt und dabei übersieht, daß die „Frankfurter Rundschau" in einem Vierjahresbetrag 1 512 DM kostet und nicht die Groschenbeträge, von denen sie meint, sie uns täglich nur abverlangen zu können.
Lassen Sie uns wieder ernsthaft werden. Die Steigerung von 20 000 auf 40 000 DM wäre nur dann zu kritisieren, wenn hier die Gefahr eines Einflusses auf die Parteien durch diese Spenden kommen könnte. Ich selbst habe, Herr Bernrath, zu erwägen gegeben und lange überlegt, ob man nicht den Gedanken der Sachverständigen aufnehmen könnte, für die Untergliederungen eine Grenze von 20 000 DM festzusetzen.
Ich habe mich davon überzeugen lassen müssen, daß dies letztlich zu leicht zu umgehen ist.
Ein weiteres Argument war für mich viel wichtiger,
weil es in der Sachverständigenanhörung vorgebracht wurde und ein bißchen unterbelichtet blieb. Wir haben gegenüber der Rechtsprechung von 1967 eine Verdeutlichung der Kontrollpflichten der Schatzmeister im Rechenschaftsbericht. Die Schatzmeister müssen sorgfältig zusammentragen, um sicherzugehen, daß Ihnen keine Spende — in Zukunft unter 40 000, jetzt unter 20 000 DM — entgeht. Dies bedeutet, daß sie jeden Betrag von mindestens 5 000 DM, bei uns sogar von 1 000 DM, einzeln aufgelistet bekommen. Damit haben wir eine Transparenz bei den Untergliederungen über die Landesorganisationen zu den Bundesorganisationen, die die Gefahr der Beeinflussung minimiert.
Deshalb sage ich: In Anbetracht einer Preisentwicklung, die weit über die Verdoppelung hinausgegangen ist, halte ich die Verdoppelung dieser Grenze für vertretbar und akzeptabel und mache noch darauf aufmerksam, daß ja wohl auf keinem anderen Gebiet sonst eine Veröffentlichungspflicht für die Spender gegeben war. Wir verdrehen manchmal die Argumentation und meinen, es sollte neugierig darauf gemacht werden, wer eigentlich Geld den Parteien gibt; nein, es soll gesagt werden, welche Partei welche Großspenden bekommt und in welche Abhängigkeitsrisiken sie käme.
Diese Gefahr ist nicht gegeben im Rahmen der Entwicklung; sie ist im gleichen Maße nicht gegeben wie im Jahre 1967 bei 20 000 DM.
Meine Damen und Herren, an diesem Punkt die kritische Sonde anzulegen, wie es die Sozialdemokraten heute offenbar tun wollen, ist für mich unverständlich. An diesem Punkt sehe ich allenfalls einen Schaueffekt zum Populismus hin. Den zu üben ist eine allzu leicht durchschaubare Aktion, die meines Erachtens — lassen Sie mich das ganz deutlich sagen — Sozialdemokraten schlecht ansteht, insbesondere weil niemand hier im Hause übersehen und verschweigen kann, daß es gerade die SPD war und ist, die sich beim Chancenausgleich bisher durchgehend so stark benachteiligt sieht, daß sie auf die Verabschiedung dieses Gesetzes drängen muß.
Meine Damen und Herren, von mehreren Vorrednern ist darauf hingewiesen worden, welche Änderungen wir vorgenommen haben. Es ist darauf hingewiesen worden, daß der Innenausschuß und der Rechtsausschuß nach sorgfältiger Prüfung keine rechtlichen oder gar verfassungsrechtlichen Bedenken mehr gegen den Gesetzentwurf haben.
Ich bin davon überzeugt, daß wir jedem Bürger und damit auch jedem Journalisten verständlich machen können, daß und warum dieses Gesetz akzeptabel ist.
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Die Voraussetzung dafür aber ist, daß jedenfalls die Gründungsparteien unserer Republik in den sie selbst betreffenden Angelegenheiten miteinander den Nachweis führen, daß das Gesetz nach Verfahren und Inhalt korrekt und sowohl verfassungspolitisch als auch verfassungsrechtlich akzeptabel ist. Dazu sollte mein Beitrag hier dienen.
Daß das Gesetz verfassungsrechtlich akzeptabel und verfassungspolitisch unbedenklich ist, gilt insbesondere, nachdem die letzte Panne bei der Festlegung des Sockelbetrages für die Übergangszeit zügig und einvernehmlich ausgebügelt wurde. Es gelang, Einvernehmen darüber zu erzielen, daß auch der Wunsch nach gefüllten Kassen die Sauberkeit der Argumentation nicht bedrängen darf. Und so ehrt uns dieses Gesetz. Wir haben bei dem, was wir hier beschließen wollen, nichts zu verstecken.