Rede von
Dr.
Karl-Heinz
Spilker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der ersten Lesung des vorliegenden Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze am 13. Oktober dieses Jahres haben in den zuständigen Arbeitsgruppen der Fraktionen, im federführenden Innenausschuß und in den mitberatenden Ausschüssen eingehende Beratungen stattgefunden, bei denen die hier geforderte und am 21. November erfolgte Sachverständigenanhörung in der Öffentlichkeit, in den Medien besonders beachtet wurde. An dieser Anhörung nahmen Vertreter der Wissenschaft und Vertreter der Sachverständigenkommission, die 1982 beim Bundespräsidenten gebildet worden ist, teil. Nach der Anhörung fanden erneut intensive Beratungen in den Ausschüssen statt. Wir haben heute hier in zweiter und dritter Lesung abschließend über den Gesetzentwurf zu entscheiden, der, wie zu erwarten war, in den Ausschußberatungen noch einige Änderungen erfahren hat.
Natürlich ist auch mir die kritische Begleitung der Beratungen in den Ausschüssen durch die Presse nicht verborgen geblieben. Diese veranlaßt mich zu einigen zusätzlichen Ausführungen, die endlich dazu beitragen mögen, Mißverständnisse auszuräumen.
In der ersten Lesung am 13. Oktober habe ich hier erklärt: „Es geht bei diesem Entwurf um einen, wenn auch wichtigen Beitrag zum Funktionieren unserer parlamentarischen Demokratie, die sich in der Verfassungswirklichkeit durch ihre politische Stabilität ausgezeichnet hat. " Diese Bemerkung erfolgte im Zusammenhang mit Art. 21 des Grundgesetzes, auf den ich gleich zurückkomme.
Zunächst darf ich noch einmal die Frage beantworten, wie es zu dem heute hier zur Abstimmung stehenden Entwurf gekommen ist, nachdem Veröffentlichungen in dieser Sache so ausgelegt werden könnten, als ob sich die Schatzmeister der im Bundestag vertretenen Parteien verabredet hätten, die Finanzen ihrer Parteien mit öffentlichen Mitteln aufzubessern.
— Das ist nicht richtig, und ich werde Ihnen den Verlauf schildern. Aber vielleicht sollten Sie zuhören, damit Sie es endlich einmal lernen.
Die Vorlage des Gesetzentwurfs, über den wir hier debattieren, war aus einem Grunde zwingend, aus einem anderen Grunde, den ich nennen werde, notwendig. Wir wissen, daß das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 14. Juni 1986 einzelne Bestimmungen des Steuerrechts für verfassungswidrig erklärt hat, nämlich § 10b des Einkommensteuergesetzes und § 9 des Körperschaftsteuergesetzes. Es ging dabei um die steuerliche Abzugsfähigkeit von Parteispenden, die in der zitierten Entscheidung des höchsten Gerichts auf 100 000 DM jährlich für jeden Steuerpflichtigen begrenzt wurde.
Die Gestaltung der zu ändernden Bestimmungen überließ das Gericht dem Gesetzgeber. Der ist heute tätig.
Nun zum zweiten Grund, der den 1984 erstmalig eingeführten Chancenausgleich betrifft. Der Bundestagspräsident hatte in seinem Bericht über die Entwicklung der Finanzen der Parteien vom 14. März dieses Jahres eine Benachteiligung der mitgliederstarken Parteien mit einem relativ hohen Beitragsaufkommen gegenüber Parteien mit relativ hohem Spendenaufkommen, aber geringen Beitragszuflüssen durch den bisher praktizierten Chancenausgleich festgestellt. Der Präsident hat im gleichen Zeitraum die Schatzmeister der im Bundestag vertretenen Parteien zu sich gebeten, um Fragen der Parteienfinanzierung und der Auswirkung des 1984 eingeführten Chancenausgleichs zu besprechen.
Nach einem langen Meinungsaustausch, an dem Sie — DIE GRÜNEN — im übrigen auch teilgenommen haben, hat er die Vertreter der Parteien eindringlich gebeten, um eine angemessene Neuregelung des Chancenausgleichs bemüht zu sein, die die Chancen-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 8593
Spilker
Bleichheit der sonst rivalisierenden Parteien in der Praxis sichert. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Frage gestellt, ob die politischen Parteien bei sparsamer Haushaltsführung unter anderem mit den öffentlichen Geldern, also mit der Wahlkampfkostenerstattung, auskommen, zumal diese sechs Jahre nicht geändert worden war. Es herrschte Übereinstimmung, daß die Parteien mit ihren Mitgliedsbeiträgen, Spenden, der Wahlkampfkostenerstattung und dem Chancenausgleich nach bisherigem Recht nicht imstande sind, die ihnen durch das Grundgesetz übertragenen Aufgaben zu erfüllen.
In diesem Zusammenhang möchte ich mir erlauben, noch einmal auf Art. 21 des Grundgesetzes zurückzukommen, der dem Gesetzgeber bekanntlich nach 1949 bei der Gestaltung schon größte Schwierigkeiten bereitet hat.
Erstmals in der deutschen Geschichte wurden die Parteien von Verfassungs wegen anerkannt und in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution erhoben. Damit zog der Parlamentarische Rat im Jahre 1949 den Schlußstrich unter eine unheilvolle hundertjährige Entwicklung des Partei(en)wesens, in deren Verlauf die politischen Parteien als überflüssig, Störfaktoren, bestenfalls noch als notwendiges Übel betrachtet und behandelt wurden. Die schlimmen Folgen, meine Damen und Herren, sind uns bekannt.
Daß die Parteien heute als unentbehrliche Mittler der politischen Willensbildung in unserer Demokratie betrachtet und akzeptiert werden, haben wir unseren Verfassungsvätern zu verdanken,
die mit Art. 21 unmittelbar geltendes Recht geschaffen haben. Noch 30 Jahre vorher hatte die Weimarer Reichsverfassung bei der Erwähnung der politischen Parteien in Art. 130 einen negativen Akzent gesetzt. Wir wissen, daß in einer Demokratie das Volk allein überhaupt nicht handlungsfähig ist.
Mit diesem Fragenkomplex hat sich auch die vom Bundespräsidenten 1983 berufene Sachverständigenkommission befaßt, die dazu in ihren Thesen sagte — ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident — :
Es bedarf der Parteien nicht nur zur Organisation von Wahlen, sondern auch zur Vorformung des politischen Willens, zur Einflußnahme auf Parlament und Regierung sowie zur Information über Ziele und Tragweite staatlicher Entscheidungen,
kurz: zu einer ständigen lebendigen Verbindung zwischen Bürgern und Staatsorganen. So gewiß es ist, daß die Parteien Anlaß zu Kritik geben und sich auch heftiger Kritik stellen müssen, verbirgt sich doch hinter jener gerade neuerdings wieder zunehmenden Abneigung gegen die Parteien .. . nicht selten eine bedenkliche Mischung aus privatistischer Politikabstinenz, romantisierenden Demokratievorstellungen und autoritärem Staatsverständnis — eine Mentalität, die den Parteien zweifellos auch eine befriedigende Regelung ihrer Finanzierung erschwert.
— Das paßt zu Ihnen.
Ich zitiere weiter:
Demgegenüber trägt das Grundgesetz mit Artikel 21 der Tatsache Rechnung, daß die politischen Parteien heute unbestreitbar zu den integrierenden Bestandteilen des Verfassungsaufbaus gehören, ohne die eine freiheitliche Demokratie ebenso wenig existieren kann wie ohne eine dem Volk verantwortliche Regierung oder ohne politisch aktive Bürger. Hängt aber der Bestand des modernen Parteienstaates wie des demokratischen Lebens überhaupt vor allem von der Funktionsfähigkeit der politischen Parteien selbst ab, dann müssen diese auch finanziell so ausgestattet werden, daß sie ihre verfassungsmäßigen Aufgaben hinreichend zu erfüllen vermögen.
Das war ein Zitat der Sachverständigenkommission.
Hierzu gehören natürlich auch die Chancengleichheit und die Gleichbehandlung zwischen den Parteien sowie im Verhältnis zwischen Parteien und Bürgern.
Um diese in der Praxis auch weitgehend sicherzustellen, wird der Chancenausgleich nunmehr novelliert — wir sprachen darüber — und damit nach meiner Überzeugung die Chancengleichheit zwischen großen, mitgliederstarken Parteien und kleineren und damit weniger mitgliederstarken Parteien sichergestellt.
Auch die Einführung des Sockelbetrags soll erwähnt werden, weil wir wissen und daher davon ausgehen, daß es bestimmte Kosten gibt, die alle sonst rivalisierenden Parteien im gleichen Ausmaße treffen. Ob man diese nun Vorhaltekosten, Fixkosten oder anders nennt, es sind in der Praxis Wahlkampfkosten, die bisher von der Wahlkampfkostenerstattung nicht gedeckt wurden. Diesen Preis haben nun die Wahlbürger, die Steuerpflichtigen zu zahlen als einen Anteil — so möchte ich sagen — für eine funktionierende freiheitliche Demokratie zu entrichten, in der es sich gewiß zu leben lohnt.
Das sollten sich endlich auch Kritiker vor Augen halten,
wenn sie sich mit der Arbeit, Organisation, Wirkungsweise, aber auch mit der Finanzierung der politischen Parteien befassen.
Ich komme noch einmal auf unseren Gesetzentwurf zurück, der, wie ich erwähnte, im federführenden Innenausschuß einige Änderungen erfahren hat. Lassen Sie mich diese kurz aufzeigen:
8594 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988
Spilker
Erstens. Der Sockelbetrag, über den es bisher die meisten Diskussionen gegeben hat, wird in die Wahlkampfkostenerstattung einbezogen. Er beträgt 6 der Wahlkampfkostenerstattung je Partei und Legislaturperiode. Für die laufende 11. Legislaturperiode beträgt er 3 %.
Zweitens. Der Sockelbetrag gilt nicht für die Europawahlen.
Drittens. Das Quorum für den Sockelbetrag wird von 2,5 % auf 2 % zurückgenommen.
Viertens. Als Bemessungsgrundlage für die Wahlkampfkostenerstattung dient nicht das Ergebnis der vorangegangenen, sondern der bevorstehenden Wahlen.
Schließlich wird fünftens — das begrüßen wir alle — eine unabhängige Sachverständigenkommission beim Bundespräsidenten berufen mit dem Ziel, dem Deutschen Bundestag vor einer Änderung der Struktur und Höhe der Wahlkampfkostenerstattung Empfehlungen zu geben.
Ich habe mich vorher mit den Aufgaben der politischen Parteien in der Bundesrepublik Deutschland befaßt. Diese Parteien haben ihre Vorsitzenden, ihre Präsidien und damit auch ihre Schatzmeister, die gerade im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf im Kreuzfeuer der Kritik standen.
— Vielleicht können Sie jetzt auch noch etwas lernen.
Wie ist das zu erklären, meine Damen und Herren? Der Gesetzgeber benötigte von 1949 bis 1967 18 Jahre, um den Art. 21 des Grundgesetzes zu gestalten. Fast zwei Jahrzehnte waren Parteiorganisation, Struktur und auch die Finanzierung somit gesetzlich nicht geregelt.
Als Normgeber fungierte in dieser Zeit de facto das Bundesverfassungsgericht, eben weil der Gesetzgeber nicht handelte oder auch nicht handeln konnte.
1967 kam endlich das Parteiengesetz, das in den Folgejahren mehrfach, zuletzt mit Wirkung vom 1. Januar 1984, geändert wurde. Das erwähne ich lediglich, um einmal aufzuzeigen, daß die Parteienfinanzierung im Sinne des Grundgesetzes offensichtlich schwierig zu normieren und ebenso schwierig zu handhaben war.
Diese nicht sehr erfreuliche Entwicklung fiel natürlich auch auf die Schatzmeister zurück, die sich über Jahrzehnte hinweg bemüht hatten, die für die Parteien notwendigen Mittel zu beschaffen.
Das waren Persönlichkeiten, die sich ihren Parteien
für wichtige und notwendige Arbeiten zur Verfügung
gestellt hatten, ohne eine Chance zu haben, mit diesen Arbeiten in ihren Parteien glänzen zu können. Ihnen ging es aber nicht um persönliche Pluspunkte in den Parteien, sondern um Erfolge f ü r die Parteien und deren Funktionsfähigkeit.
Ich darf in diesem Zusammenhang an eine Reihe von Persönlichkeiten erinnern, etwa an Prof. Burgbacher, an Hans Christoph Seebohm, an die Herren Nau und Dröscher, an meine Freunde Wolfgang Pohle und Heinz Herbert Karry. Wir werden diesen Menschen nicht gerecht, meine Damen und Herren, wenn wir zulassen, daß die Schatzmeister, die über viele Jahrzehnte eine schwierige und, wie ich meine, undankbare Aufgabe hatten, diffamiert werden.
Diese Schatzmeister waren und sind keine Angestellten in einem Selbstbedienungsladen, wie überhaupt Begriffe wie „Selbstbedienung der Parteien" oder ähnliche Formulierung nicht in eine sachliche Kritik gehören. Diese Schatzmeister waren und sind — wie Millionen von Mitgliedern von politischen Parteien — ehrenamtlich tätig, um für ihre Parteien die notwendigen finanziellen Grundlagen sicherzustellen. Damit standen sie wie jeder andere Bürger in der Pflicht des Grundgesetzes, speziell des Art. 21.
Ich danke Ihnen.