Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gemault wird hier nicht, Kollege Straßmeir, sondern hier wird versucht, eine bessere Regelung vorzuschlagen.
Ich will auf einige Fragen eingehen, die Herr Fischer hier angeschnitten hat. Er hat davon gesprochen, daß wir die SPO lange Jahre nicht geändert haben. Er wird sich daran erinnern, daß bei der SPO-Änderung die Regierung nicht alleine handelt, sondern die Tarifpartner zu beteiligen sind. Das war ein sehr mühseliger Abstimmungsprozeß, der nicht so schnell zu einem Erfolg führte, wie wir uns das manchmal gewünscht haben. Sie werden sicherlich auch noch Erfahrungen sammeln, wenn Sie nun in die Abstimmung dieser Dinge hineingehen.
Sie haben gesagt, wir hätten keine Initiativen vorgebracht. Ich will erst einmal feststellen, daß ja wohl die Regierung und ihre Koalitionsfraktionen in erster Linie zum Handeln gefordert sind. Aber ich will auch darauf aufmerksam machen, daß in all den Jahren im Haushaltsausschuß Initiativen vorgebracht worden sind, und dies hat gute Tradition. In den 70er Jahren sind von den sachverständigen und sachkundigen Kollegen im Haushaltsausschuß wesentliche Anregungen zur Verbesserung der Situation gegeben worden.
— Sie schotten ja auch ab, 1991 ist Schluß. 1990, wenn wir wieder an der Regierung sind, werden wir sie wieder verlängern müssen. Da bin ich voll Ihrer Meinung, denn auch Sie wollen ja Subventionen abbauen. Das wollten wir auch. Beim Regierungswechsel kommt das alles in Ordnung.
Sie haben den UNCTAD-Code gelobt, Herr Kollege Fischer, aber gleichzeitig haben Sie die Ladungslenkung verteufelt und als verheerend dargestellt. Nun müssen Sie sich entscheiden, was Sie wollen. Entweder ist der UNCTAD-Code gut, oder er ist nicht so gut. Wenn er gut ist, dann muß man überlegen, ob man ihn auf andere Fahrtgebiete ausweiten kann. Wir haben diese Forderung nicht übernommen, denn wir wissen auch um die Problematik dieser Forderung. Wir wissen, daß viele deutsche Reeder im cross trade tätig sind.
Herr Staatssekretär Schulte hat die Ausflaggung als einzige Alternative dargestellt. Man kann die Rahmenbedingungen so stellen, daß sie als einzige Alternative erscheinen. Aber ich denke, wir werden auch andere Alternativen kennenlernen. Wenn denn die Ausflaggung so gut gewesen wäre, dann hätte man auch schon vor etwas längerer Zeit einen Regierungsentwurf erwarten dürfen und nicht warten müssen, bis die Koalitionfraktionen einen solchen Entwurf einbringen. Offensichtlich war die Regierung von diesem Instrument nicht ganz so überzeugt, zumal sie sich auch in den Debatten zurückgehalten hat.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zunächst noch einmal auf die Ursachen zurückblenden, die dazu geführt haben, daß wir uns heute mit diesem Gesetzentwurf befassen müssen. Seit vielen Jahren ist die deutsche Handelsflotte im internationalen Wett-
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Bewerb nicht wettbewerbsfähig, weil andere Staaten andere Steuerbedingungen, andere arbeitsrechtliche und tarifrechtliche Bedingungen haben, als die deutsche Handelsflotte sie vorfindet.
Deshalb hat es schon seit 1969 immer wieder Hilfen für die Schiffahrt gegeben. Bis 1979 wurden sie in erster Linie als Werfthilfen gegeben, um auf diese Weise zu versuchen, die Kapitalkosten für ein neues Schiff zu senken. Da die Kapitalkosten einen hohen Anteil der Schiffsbetriebskosten ausmachen, war das sicherlich ein richtiger Ansatz. Später mußten zusätzlich Finanzbeiträge geleistet werden, weil auch die Verbilligung der Kapitalkosten durch das Werfthilfeprogramm nicht ausreichte, die Wettbewerbsfähigkeit einer deutschen Handelsflotte unter deutscher Flagge zu sichern. 1972 bis 1982 wurden dafür rund 2,6 Milliarden DM aufgewendet. Trotzdem sind 25 000 Seeleute aus ihrem Beruf ausgeschieden, teilweise wegen Rationalisierungsmaßnahmen und teilweise, weil sie in andere Berufe, Landberufe abgewandert sind.
Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Handelsflotte sichern. Und dies tun alle im Parlament vertretenen Gruppierungen, seit es die schiffahrtspolitischen Leitsätze von 1972 gibt. Allerdings verstand man damals unter „deutscher Handelsflotte" — und das unterscheidet die Handelsflotte des Jahres 1972 von der heutigen — selbstverständlich Schiffe, die deutschen Reedern gehörten, mit deutschen Besatzungen gefahren wurden und in einem hohen Maß Güter aus Deutschland in die Welt transportierten oder Waren für die Bundesrepublik aus der ganzen Welt nach Deutschland brachten. Heute sind viele Schiffe nicht mehr in diesen Fahrtgebieten tätig, sondern im cross trade. Damit stehen diese Schiffe natürlich auch in einem sehr viel schärferen Wettbewerb, nicht nur um Fracht, sondern auch um Frachtraten.
Damit sind wir beim eigentlichen Problem: Es ist nicht etwa so, daß deutsche Schiffe nicht genügend Ladung fänden, sondern sie kriegen nicht die Frachtraten, die erforderlich sind, um davon alle in Deutschland üblicherweise zu zahlenden Leistungen auch bezahlen zu können.
Nun passiert der merkwürdige Vorgang, daß deutsche Schiffe mit deutscher Flagge mit Schiffen konkurrieren, die ebenfalls deutschen Reedern gehören, manchmal sogar demselben — allerdings mit ausgeflaggten Schiffen. Sie sind aus dem deutschen Rechtssystem ausgegliedert. Und sie können dann natürlich auch wesentlich billiger betrieben werden. Dies hat in erheblichem Maße zu Arbeitslosigkeit von Seeleuten geführt und führt weiter dazu, daß der heute noch vorhandene Restbestand an deutschen Schiffen einen Wettbewerbsnachteil gegenüber ausgeflaggten Schiffen hat, der — einverständlich zwischen allen Beteiligten hier — mit rund 500 Millionen DM beziffert wird.
Ich denke, daß es in erster Linie darum geht, diese Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Damit wird es im wesentlichen ein Finanzproblem. In der Vergangenheit ist versucht worden, das mit Hilfe von Finanzbeiträgen zu tun, in diesem Jahr 180 Millionen DM, im nächsten 140 Millionen DM. Aber sie reichen nicht aus. Nun sollen zusätzlich Unternehmenssteuern gesenkt werden, es soll zusätzlich vom Montageerlaß Gebrauch gemacht werden, und in etwa 250 Millionen DM sollen über die Möglichkeit der Beschäftigung von Ausländern zu Bedingungen, die in deren Heimatländern gelten, hereingebracht werden. Damit stellt sich der Staat von einer Hilfe frei und bürdet in dieser Höhe den Arbeitnehmern, den Besatzungsmitgliedern, die Lasten auf. Dies führt dazu — das ist an anderer Stelle schon gesagt worden — , daß wir zunehmend Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu gewähren haben werden.
Wir haben hier etwas erlebt, was ein neues Element in die Tarifverhandlungen bringt, nämlich eine Lohnfindung, die davon ausgeht, daß nach Bedürfnissen bezahlt wird und nicht nach Leistung. Das lehnen wir ab.
Uns erscheint es so, daß dies der Versuch ist, in Zukunft dafür zu sorgen, daß Belastungen, die aus dem internationalen Wettbewerb entstehen, den Arbeitnehmern aufgebürdet werden. Die Gewerkschaften werden dabei als Tarifvertragsparteien weitgehend ausgeschaltet. Wenn Herr de La Trobe davon spricht, daß man ein Drittel der Arbeitsplätze an Bord sichern kann, dann heißt das im Umkehrschluß: Zwei Drittel müssen verschwinden. Da er noch rund 18 000 deutsche Arbeitsplätze angibt, müßten 12 000 arbeitslos werden. Das ist die bittere Kehrseite der Medaille Zusatzregister. Ich denke, daß es ehrlicher gewesen wäre, mit Hilfe der Finanzbeiträge die Leistungen auszugleichen.
Wir haben es hier mit einem Vorgang zu tun, der uns große Sorgen bereitet. Denn wenn man die Reden des Bundesverbandes der Deutschen Industrie oder des Deutschen Industrie- und Handelstages verfolgt, die in bezug auf den europäischen Binnenmarkt gehalten werden, dann stellt man fest, daß immer wieder auf den Industriestandort Bundesrepublik hingewiesen und verlangt wird, daß die Kosten in diesem Lande gesenkt werden, insbesondere die Lohnnebenkosten. Auch die Bundesregierung hat noch vor der Sommerpause im wesentlichen davon geredet, daß man vor einer Liberalisierung eine Harmonisierung durchführen müsse. Diese Töne sind deutlich leiser geworden. Ja, es mehren sich die Anzeichen dafür, daß unter Hinweis auf die hohe Flexibilität und Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und auch der Dienstleistungswirtschaft davon abgeraten wird, zunächst auf die Harmonisierung zu vertrauen, sondern eher dem Wettbewerb, um dann noch Aussicht zu haben, im Wettbewerb zu bestehen.
Es geht hier darum, so meine ich, wie im Zusatzregister vorgesehen, dafür zu sorgen, daß der Wettbewerb der Arbeitnehmer aus den verschiedenen Staaten untereinander stattfindet, damit deutsche Arbeitskräfte keinen Startnachteil haben. Wenn der Herr Bundeskanzler ein Lohndumping verhindern will, so kann ich nicht erkennen, daß es darum gehen kann, hier im Bundestag über Harmonisierung von Arbeitsrecht und Arbeitnehmerschutzrechten zu diskutieren, weil man dann auf dem öffentlichen Markt möglicherweise beschließen müßte, Nachteile auszugleichen. Das könnte sich dann nur um Senkungen handeln. Deswegen ist es wohl vernünftiger, so vermute ich,
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daß Sie die Arbeitnehmerinteressen den Arbeitgeberinteressen opfern.
Es mag zu denken geben, daß selbst Seefahrtschüler und Studenten des Fachbereichs Seefahrt an der Fachhochschule in Ostfriesland zu diesem Gesetzentwurf nein gesagt haben, obwohl sie doch eigentlich die Begünstigten sein sollten. Hier wird deutlich, daß eine Mogelpackung verkauft werden soll. Der werden wir nicht zustimmen.