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ID1111702200

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    Plenarprotokoll 11/117 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 117. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 Inhalt: Anteilnahme am Schicksal der Opfer des Absturzes eines amerikanischen Kampfflugzeuges auf ein Wohngebiet in Remscheid 8553 A Erweiterung der Tagesordnung 8553 B Zur Geschäftsordnung Kleinert (Marburg) GRÜNE 8553 C Seiters CDU/CSU 8554 C Bernrath SPD 8555 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 8555 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Straßmeir, Fischer (Hamburg), Börnsen (Bönstrup), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Richter, Gries, Kohn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Seeschiffahrtsregisters für deutsche Handelsschiffe im internationalen Verkehr (Drucksachen 11/2161, 11/3679) Fischer (Hamburg) CDU/CSU 8556 B Frau Faße SPD 8559 A Richter FDP 8560 C Frau Rock GRÜNE 8561 D Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär BMV 8563 B Straßmeir CDU/CSU 8563 D Ewen SPD 8564 B Funke FDP 8566 A Tagesordnungspunkt 26: Eidesleistung der Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit und des Bundesministers für Wirtschaft Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 8566 D Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi 8567 A Tagesordnungspunkt 27: a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bernrath, Bindig, Duve, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Lage der Menschenrechte in der Türkei (Drucksache 11/2600) c) Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Hinrichtung von politischen Häftlingen in Indonesien (Drucksachen 10/6275, 11/3575) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Menschenrechte in Kolumbien (Drucksache 11/2404) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von den Abgeordneten Bindig, Dr. Schmude, Frau Bulmahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (VN-GV- Res. 39/146) (Drucksache 11/3668) Dr. Kohl, Bundeskanzler 8568 A Brandt SPD 8573 B Frau Geiger CDU/CSU 8576 C Frau Olms GRÜNE 8578 D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 8581 D Schäfer, Staatsminister AA 8584 A Dr. Schmude SPD 8585 C Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 8587 B Bindig SPD 8588 D Frau Eid GRÜNE 8590 C Zusatztagesordnungspunkt 10: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3672 [neu], 11/3697) b) Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Änderung des Parteiengesetzes (Drucksachen 11/3097, 11/3672, 11/3697) Bernrath SPD 8591 C, 8594 D Spilker CDU/CSU 8592 B Lüder FDP 8596 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 8600 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 8602 C Conradi SPD 8605 C Häfner GRÜNE 8609 B Wüppesahl fraktionslos 8611D Stiegler SPD 8613 A Namentliche Abstimmung 8614 A Ergebnis 8614 B Nächste Sitzung 8616A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 8617* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Struck und Catenhusen (beide SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3673) 8617* C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer und Frau Dr. Hamm-Brücher (beide FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3673) 8617* D Anlage 4 Amtliche Mitteilungen 8618* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 8553 117. Sitzung Bonn, den 9. Dezember 1988 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 12. Antretter* 9. 12. Bangemann 9. 12. Frau Beck-Oberdorf 9. 12. Becker (Nienberge) 9. 12. Frau Berger (Berlin) 9. 12. Dr. Biedenkopf 9. 12. Dr. Blens 9. 12. Böhm 9. 12. Börnsen (Bönstrup) 9. 12. Dr. Briefs 9. 12. Bühler (Bruchsal) 9. 12. Frau Conrad 9. 12. Daweke 9. 12. Deres 9. 12. Duve 9. 12. Engelsberger 9. 12. Frau Fischer 9. 12. Gansel 9. 12. Gattermann 9. 12. Gautier 9. 12. Genscher 9. 12. Dr. Glotz 9. 12. Dr. Götz 9. 12. Dr. Grünewald 9. 12. Dr. Hauff 9. 12. Frau Hämmerle 9. 12. Heinrich 9. 12. Dr. Hennig 9. 12. Hiller (Lübeck) 9. 12. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 12. Hoss 9. 12. Irmer 9. 12. Jens 9. 12. Jung 9. 12. Kalb 9. 12. Dr. Köhler 9. 12. Kossendey 9. 12. Kreuzeder 9. 12. Dr. Kronenberg 9. 12. Frau Luuk* 9. 12. Dr. Mertens (Bottrop) 9. 12. Möllemann 9. 12. Frau Pack 9. 12. Paintner 9. 12. Petersen 9. 12. Pfuhl 9. 12. Rappe (Hildesheim) 9. 12. Regenspurger 9. 12. Reuschenbach 9. 12. Frau Schilling 9. 12. Frau Schmidt-Bott 9. 12. von Schmude* 9. 12. Freiherr von Schorlemer 9. 12. Dr. Soell* 9. 12. Steiner* 9. 12. Frau Trenz 9. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Warnke 9. 12. Wetzel 9. 12. Wilz 9. 12. Wimmer 9. 12. Zierer* 9. 12. Dr. Zimmermann 9. 12. Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Struck und Catenhusen (beide SPD) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3673) Da nach meiner Überzeugung die Einführung eines Sockelbetrages und die Heraufsetzung der Publizitätspflicht für Spenden von DM 20 000 auf DM 40 000 auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt, werde ich mich der Stimme enthalten. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Frau Dr. Adam-Schwaetzer und Frau Dr. Hamm-Brücher (beide FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 11/2421, 11/3672, 11/3673) Die Unterzeichner dieser Erklärung sehen sich (abgesehen von möglichen verfassungsrechtlichen Bedenken) aus folgenden Gründen nicht imstande, der Novelle des Parteienfinanzierungsgesetzes zuzustimmen: 1. Die Mehrkosten von jährlich 68 Millionen DM, die zur Parteienfinanzierung aus Steuermitteln zur Verfügung gestellt werden sollen und die eine Steigerung der Zuwendungen von 20 Prozent ausmachen, können im Hinblick auf notwendige Kosteneinsparungen bei anderen öffentlichen Aufgaben gegenüber dem Bürger nicht überzeugend vertreten werden. 2. Die Bürger erwarten zu Recht von den Parteien, daß Wahlkämpfe so sparsam wie möglich geführt werden. Dies ist immer wieder nachzuweisen und auch möglich. 3. Die Berufung einer unabhängigen Kommission zur Festlegung der Zuschüsse an die Parteien durch den Bundespräsidenten ist ein wichtiger Schritt, um den notwendigen Bedarf der Parteien für ihre Ausgaben transparenter zu machen. Deshalb sollte vor einer Erhöhung der Wahlkampfkostenerstattung auf jeden Fall erst das Votum dieser unabhängigen Kommission eingeholt und die Erhöhung der Zuschüsse bis dahin zurückgestellt werden. 8618* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Drucksache 11/936 Drucksache 11/1301 Drucksache 11/1537 Drucksache 11/1676 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/4184 Nr. 3 Drucksache 11/138 Nr. 3.39, 3.40 Drucksache 11/973 Nr. 2.4 Drucksache 11/2465 Nr. 2.8, 2.10 Drucksache 11/2580 Nr. 22 Drucksache 11/2956 Nr. 2.4 Drucksache 11/3021 Nr. 2.5 Drucksache 11/3200 Nr. 2.4 — 2.9 Drucksache 11/3311 Nr. 2.3-2.5, 2.7, 2.9 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/2724 Nr. 24, 25 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/439 Nr. 2.12
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Günter Straßmeir


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich eine Bemerkung dazu machen, daß hier der Beratungszeitraum nicht ausreichend gewährleistet gewesen sei.

    (Weiss [München] [GRÜNE]: So ist es!)

    — Herr Kollege, seit acht Monaten liegt dieses Gesetz dem Deutschen Bundestag vor, das in seinem Kern einen Paragraphen enthält. Ich meine schon, daß man ihn beraten konnte. Die mitberatenden Ausschüsse
    — mit Ausnahme des A + S-Ausschusses — haben beraten und votiert. Es hat ein Hearing gegeben. Dabei
    8564 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988
    Straßmeir
    habe ich die Kollegen des Arbeitsausschusses nicht sonderlich bemerken können. Wo haben die da gesessen — vielleicht im Keller bei der ÖTV?
    Jetzt möchte ich noch einmal sagen: Die Demokratie ist ein System von Chancen. Wer sie nicht nützt, bleibt am Spielfeldrand stehen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Deswegen werden wir dieses Gesetz heute verabschieden, weil das Verzögern dieses Gesetzes heißt: weitergehende Ausflaggung und weitergehende Arbeitslosigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer das will, der ist gegenüber der Arbeitnehmerschaft lieblos, nachlässig und nicht für sie.
    Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist notwendig für die deutsche Küste. Deswegen stehen im Kopf dieses Gesetzes auch die Namen von Abgeordneten an der Küste. Glauben Sie, die schreiben da oben ihre Namen rein, wenn sie sich in der Heimat damit nicht sehen lassen können?

    (Zuruf von der SPD: Bei den Reedern schon!)

    Oh nein, meine Damen und Herren! Deswegen wird man auch in Zukunft die Namen unserer Kollegen Dirk Fischer und Manfred Richter an der Küste mit gutem Klang nennen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Weiss [München] [GRÜNE]: Bei den Reedern vielleicht!)

    Wir werden hier jetzt unsere Pflicht tun. Es ist zum wiederholten Male dargelegt worden, daß dieses Gesetz helfen soll, Arbeitsplätze deutscher Seeleute zu erhalten. Ausbildung zu erhalten, landseitige Dienste zu erhalten, deutsches Sozialversicherungsrecht zu erhalten und auch dafür zu sorgen, daß die Ausflaggung nicht weitergeht.
    Deswegen, meine Damen und Herren, sollten wir nicht zögern, heute hier unsere Pflicht zu tun. Dieses Gesetz ist kein Gesetz, das einem den Glanz in die Augen treibt. Aber es ist eine Notwendigkeit, um der deutschen Seeschiffahrt die Hilfen zu geben, die sie braucht. Wir werden weiter daran arbeiten.
    Dieses Gesetz ist ein Gesetz in einer Perlenkette von Maßnahmen. Es wird nicht die letzte Maßnahme sein. Wir werden die RVO ändern. Wir werden die Schiffsbesetzungsordnung ändern. Wir werden eine Einrichtungsverordnung machen, und wir werden uns in der Zukunft auch bereit erklären, weiterhin Finanzbeihilfen zu gewähren und auf dem Sektor der steuerlichen Erleichterungen zu arbeiten. Das ist ein Paket, und Sie sitzen da und maulen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Kretkowski [SPD]: Alles Flickwerk!)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Ewen.

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    Rede von Carl Ewen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gemault wird hier nicht, Kollege Straßmeir, sondern hier wird versucht, eine bessere Regelung vorzuschlagen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will auf einige Fragen eingehen, die Herr Fischer hier angeschnitten hat. Er hat davon gesprochen, daß wir die SPO lange Jahre nicht geändert haben. Er wird sich daran erinnern, daß bei der SPO-Änderung die Regierung nicht alleine handelt, sondern die Tarifpartner zu beteiligen sind. Das war ein sehr mühseliger Abstimmungsprozeß, der nicht so schnell zu einem Erfolg führte, wie wir uns das manchmal gewünscht haben. Sie werden sicherlich auch noch Erfahrungen sammeln, wenn Sie nun in die Abstimmung dieser Dinge hineingehen.
    Sie haben gesagt, wir hätten keine Initiativen vorgebracht. Ich will erst einmal feststellen, daß ja wohl die Regierung und ihre Koalitionsfraktionen in erster Linie zum Handeln gefordert sind. Aber ich will auch darauf aufmerksam machen, daß in all den Jahren im Haushaltsausschuß Initiativen vorgebracht worden sind, und dies hat gute Tradition. In den 70er Jahren sind von den sachverständigen und sachkundigen Kollegen im Haushaltsausschuß wesentliche Anregungen zur Verbesserung der Situation gegeben worden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Finanzhilfen wurden gestrichen!)

    — Sie schotten ja auch ab, 1991 ist Schluß. 1990, wenn wir wieder an der Regierung sind, werden wir sie wieder verlängern müssen. Da bin ich voll Ihrer Meinung, denn auch Sie wollen ja Subventionen abbauen. Das wollten wir auch. Beim Regierungswechsel kommt das alles in Ordnung.
    Sie haben den UNCTAD-Code gelobt, Herr Kollege Fischer, aber gleichzeitig haben Sie die Ladungslenkung verteufelt und als verheerend dargestellt. Nun müssen Sie sich entscheiden, was Sie wollen. Entweder ist der UNCTAD-Code gut, oder er ist nicht so gut. Wenn er gut ist, dann muß man überlegen, ob man ihn auf andere Fahrtgebiete ausweiten kann. Wir haben diese Forderung nicht übernommen, denn wir wissen auch um die Problematik dieser Forderung. Wir wissen, daß viele deutsche Reeder im cross trade tätig sind.
    Herr Staatssekretär Schulte hat die Ausflaggung als einzige Alternative dargestellt. Man kann die Rahmenbedingungen so stellen, daß sie als einzige Alternative erscheinen. Aber ich denke, wir werden auch andere Alternativen kennenlernen. Wenn denn die Ausflaggung so gut gewesen wäre, dann hätte man auch schon vor etwas längerer Zeit einen Regierungsentwurf erwarten dürfen und nicht warten müssen, bis die Koalitionfraktionen einen solchen Entwurf einbringen. Offensichtlich war die Regierung von diesem Instrument nicht ganz so überzeugt, zumal sie sich auch in den Debatten zurückgehalten hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zunächst noch einmal auf die Ursachen zurückblenden, die dazu geführt haben, daß wir uns heute mit diesem Gesetzentwurf befassen müssen. Seit vielen Jahren ist die deutsche Handelsflotte im internationalen Wett-
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988 8565
    Ewen
    Bewerb nicht wettbewerbsfähig, weil andere Staaten andere Steuerbedingungen, andere arbeitsrechtliche und tarifrechtliche Bedingungen haben, als die deutsche Handelsflotte sie vorfindet.
    Deshalb hat es schon seit 1969 immer wieder Hilfen für die Schiffahrt gegeben. Bis 1979 wurden sie in erster Linie als Werfthilfen gegeben, um auf diese Weise zu versuchen, die Kapitalkosten für ein neues Schiff zu senken. Da die Kapitalkosten einen hohen Anteil der Schiffsbetriebskosten ausmachen, war das sicherlich ein richtiger Ansatz. Später mußten zusätzlich Finanzbeiträge geleistet werden, weil auch die Verbilligung der Kapitalkosten durch das Werfthilfeprogramm nicht ausreichte, die Wettbewerbsfähigkeit einer deutschen Handelsflotte unter deutscher Flagge zu sichern. 1972 bis 1982 wurden dafür rund 2,6 Milliarden DM aufgewendet. Trotzdem sind 25 000 Seeleute aus ihrem Beruf ausgeschieden, teilweise wegen Rationalisierungsmaßnahmen und teilweise, weil sie in andere Berufe, Landberufe abgewandert sind.
    Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Handelsflotte sichern. Und dies tun alle im Parlament vertretenen Gruppierungen, seit es die schiffahrtspolitischen Leitsätze von 1972 gibt. Allerdings verstand man damals unter „deutscher Handelsflotte" — und das unterscheidet die Handelsflotte des Jahres 1972 von der heutigen — selbstverständlich Schiffe, die deutschen Reedern gehörten, mit deutschen Besatzungen gefahren wurden und in einem hohen Maß Güter aus Deutschland in die Welt transportierten oder Waren für die Bundesrepublik aus der ganzen Welt nach Deutschland brachten. Heute sind viele Schiffe nicht mehr in diesen Fahrtgebieten tätig, sondern im cross trade. Damit stehen diese Schiffe natürlich auch in einem sehr viel schärferen Wettbewerb, nicht nur um Fracht, sondern auch um Frachtraten.
    Damit sind wir beim eigentlichen Problem: Es ist nicht etwa so, daß deutsche Schiffe nicht genügend Ladung fänden, sondern sie kriegen nicht die Frachtraten, die erforderlich sind, um davon alle in Deutschland üblicherweise zu zahlenden Leistungen auch bezahlen zu können.
    Nun passiert der merkwürdige Vorgang, daß deutsche Schiffe mit deutscher Flagge mit Schiffen konkurrieren, die ebenfalls deutschen Reedern gehören, manchmal sogar demselben — allerdings mit ausgeflaggten Schiffen. Sie sind aus dem deutschen Rechtssystem ausgegliedert. Und sie können dann natürlich auch wesentlich billiger betrieben werden. Dies hat in erheblichem Maße zu Arbeitslosigkeit von Seeleuten geführt und führt weiter dazu, daß der heute noch vorhandene Restbestand an deutschen Schiffen einen Wettbewerbsnachteil gegenüber ausgeflaggten Schiffen hat, der — einverständlich zwischen allen Beteiligten hier — mit rund 500 Millionen DM beziffert wird.
    Ich denke, daß es in erster Linie darum geht, diese Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Damit wird es im wesentlichen ein Finanzproblem. In der Vergangenheit ist versucht worden, das mit Hilfe von Finanzbeiträgen zu tun, in diesem Jahr 180 Millionen DM, im nächsten 140 Millionen DM. Aber sie reichen nicht aus. Nun sollen zusätzlich Unternehmenssteuern gesenkt werden, es soll zusätzlich vom Montageerlaß Gebrauch gemacht werden, und in etwa 250 Millionen DM sollen über die Möglichkeit der Beschäftigung von Ausländern zu Bedingungen, die in deren Heimatländern gelten, hereingebracht werden. Damit stellt sich der Staat von einer Hilfe frei und bürdet in dieser Höhe den Arbeitnehmern, den Besatzungsmitgliedern, die Lasten auf. Dies führt dazu — das ist an anderer Stelle schon gesagt worden — , daß wir zunehmend Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu gewähren haben werden.
    Wir haben hier etwas erlebt, was ein neues Element in die Tarifverhandlungen bringt, nämlich eine Lohnfindung, die davon ausgeht, daß nach Bedürfnissen bezahlt wird und nicht nach Leistung. Das lehnen wir ab.
    Uns erscheint es so, daß dies der Versuch ist, in Zukunft dafür zu sorgen, daß Belastungen, die aus dem internationalen Wettbewerb entstehen, den Arbeitnehmern aufgebürdet werden. Die Gewerkschaften werden dabei als Tarifvertragsparteien weitgehend ausgeschaltet. Wenn Herr de La Trobe davon spricht, daß man ein Drittel der Arbeitsplätze an Bord sichern kann, dann heißt das im Umkehrschluß: Zwei Drittel müssen verschwinden. Da er noch rund 18 000 deutsche Arbeitsplätze angibt, müßten 12 000 arbeitslos werden. Das ist die bittere Kehrseite der Medaille Zusatzregister. Ich denke, daß es ehrlicher gewesen wäre, mit Hilfe der Finanzbeiträge die Leistungen auszugleichen.
    Wir haben es hier mit einem Vorgang zu tun, der uns große Sorgen bereitet. Denn wenn man die Reden des Bundesverbandes der Deutschen Industrie oder des Deutschen Industrie- und Handelstages verfolgt, die in bezug auf den europäischen Binnenmarkt gehalten werden, dann stellt man fest, daß immer wieder auf den Industriestandort Bundesrepublik hingewiesen und verlangt wird, daß die Kosten in diesem Lande gesenkt werden, insbesondere die Lohnnebenkosten. Auch die Bundesregierung hat noch vor der Sommerpause im wesentlichen davon geredet, daß man vor einer Liberalisierung eine Harmonisierung durchführen müsse. Diese Töne sind deutlich leiser geworden. Ja, es mehren sich die Anzeichen dafür, daß unter Hinweis auf die hohe Flexibilität und Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und auch der Dienstleistungswirtschaft davon abgeraten wird, zunächst auf die Harmonisierung zu vertrauen, sondern eher dem Wettbewerb, um dann noch Aussicht zu haben, im Wettbewerb zu bestehen.
    Es geht hier darum, so meine ich, wie im Zusatzregister vorgesehen, dafür zu sorgen, daß der Wettbewerb der Arbeitnehmer aus den verschiedenen Staaten untereinander stattfindet, damit deutsche Arbeitskräfte keinen Startnachteil haben. Wenn der Herr Bundeskanzler ein Lohndumping verhindern will, so kann ich nicht erkennen, daß es darum gehen kann, hier im Bundestag über Harmonisierung von Arbeitsrecht und Arbeitnehmerschutzrechten zu diskutieren, weil man dann auf dem öffentlichen Markt möglicherweise beschließen müßte, Nachteile auszugleichen. Das könnte sich dann nur um Senkungen handeln. Deswegen ist es wohl vernünftiger, so vermute ich,
    8566 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 117. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Dezember 1988
    Ewen
    daß Sie die Arbeitnehmerinteressen den Arbeitgeberinteressen opfern.
    Es mag zu denken geben, daß selbst Seefahrtschüler und Studenten des Fachbereichs Seefahrt an der Fachhochschule in Ostfriesland zu diesem Gesetzentwurf nein gesagt haben, obwohl sie doch eigentlich die Begünstigten sein sollten. Hier wird deutlich, daß eine Mogelpackung verkauft werden soll. Der werden wir nicht zustimmen.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)