Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat ihre Haltung zu den Bemühungen um ein weltweites Verbot chemischer Waffen — das sollten Sie gelegentlich einmal nachlesen, Frau Kollegin Beer, die Protokolle liegen hier — im Deutschen Bundestag wiederholt — ich möchte sagen: sehr wiederholt — dargelegt. Sie hat dabei insbesondere deutlich gemacht, daß sie den Verhandlungen über ein weltweites Chemiewaffenverbot ganz wesentliche Bedeutung beimißt, daß sie den Abschluß dieses Abkommens als äußerst dringlich ansieht und daß sie eine hinreichende Verifizierbarkeit einer solchen Verbotskonvention für erreichbar hält. Darauf hat Kollege Feldmann hingewiesen.
Im übrigen würde ich Ihnen wünschen, daß Sie vielleicht irgendwo einmal Regierungsverantwortung übernehmen können,
um festzustellen, ob Sie mit Ihrem kessen Ton innerhalb von fünf Minuten 40 Staaten der Welt zur Annahme Ihrer Vorstellungen bewegen können. Ich fürchte, auch da täuschen Sie sich, wie in fast allem, was Sie hier politisch zu verkaufen haben.
Meine Damen und Herren, diese Haltung findet auch ihren Ausdruck. Das muß ich hier einmal sagen, auch im Interesse unserer Delegationen, die — schon in der vorangegangenen Regierung — seit Jahren in Genf mit einer Fülle von Vorschlägen bemüht gewesen sind, einen Fortschritt zu erzielen, den Sie hier — auch Sie, Herr Kollege Erler — einfach mit einer Handbewegung abtun.
So einfach können Sie nicht mit 40 Staaten umgehen. Ich kann Ihnen nur dringend raten, diese Konferenzen vielleicht einmal zu besuchen und sich an Ort und Stelle einmal mit den Schwierigkeiten solcher Verhandlungen auseinanderzusetzen.
Meine Damen und Herren, die Äußerungen des gewählten US-Präsidenten Bush und die gestrige Rede von Generalsekretär Gorbatschow vor den Vereinten Nationen bestätigen uns in der Einschätzung, daß auch die USA und die Sowjetunion möglichst bald ein weltweites Chemiewaffenverbot erreichen wollen.
Zu dem von der SPD in ihrem Antrag erneut aufgegriffenen Vorschlag für eine chemiewaffenfreie Zone — das ist nicht neu; unsere Erwiderung ebensowenig — ist festzustellen: Nur ein weltweites Verbot kann das Problem lösen.
Meine Damen und Herren, die Einrichtung von chemiewaffenfreien Zonen wäre kein Schritt in Richtung auf ein weltweites Verbot, auch kein Modell, Herr Kollege Erler. Sie würde vielmehr völlig neuartige und kaum zu lösende Verifikationsprobleme schaffen, wenn es darum geht, einen Transfer von chemischen Waffen von einer Zone in die andere zuverlässig zu verhindern.
Meine Damen und Herren, Zonenkonzepte führen daher bei der chemischen Abrüstung in eine Sackgasse. Ihre Verwirklichung würde den Verhandlungen über ein weltweites Verbot wichtige Energien entziehen. Der Vorschlag, über eine chemiewaffenfreie Zone in Europa nachzudenken, muß zudem auch überholt wirken zu einem Zeitpunkt, in dem die Berichte über solche Einsätze in anderen Teilen der Welt, über die Sie ja gerade gesprochen haben, nicht abreißen und die Staatengemeinschaft sich darauf vorbereitet, einen wichtigen politischen Impuls für den weltweiten Bann chemischer Waffen zu verabschieden. Auch die neutralen und ungebundenen Staaten haben ihre Abneigung gegen regionale Lösungen bei einem Chemiewaffenverbot deutlich Ausdruck gegeben.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1988 8545
Staatsminister Schäfer
Parallel zu den Genfer Verhandlungen beteiligt sich die Bundesregierung aktiv an der Stärkung aller Instrumente, die schon vor einem weltweiten Chemiewaffenverbot dem Einsatz und der Weiterverbreitung chemischer Waffen entgegenwirken können. Auch vor diesem Hintergrund sieht die Bundesregierung die Außenministerkonferenz der Mitgliedstaaten des Genfer Protokolls von 1925 und anderer interessierter Staaten, die vom 7. bis zum 11. Januar nächsten Jahres in Paris stattfinden wird.
Diese Konferenz geht auf eine Initiative Präsident Reagans vor der diesjährigen UN-Generalversammlung zurück. Frankreich als Depositarstaat des Genfer Protokolls hat die Initiative aufgenommen und ist gegenwärtig intensiv mit der Vorbereitung befaßt. Dem Konferenzvorschlag waren nach den Chemiewaffeneinsätzen im Golfkrieg umfangreiche Bemühungen des UN-Sicherheitsrates um Einhaltung des Genfer Protokolles vorausgegangen, an denen die Bundesregierung initiativ beteiligt war. Erst als diese unbeachtet geblieben sind, machte Präsident Reagan diesen Konferenzvorschlag.
Es muß hier jetzt zum wiederholten Male gesagt werden, meine Damen und Herren: Diese Konferenz ist keine Alternative zu den Genfer Verhandlungen. Vielmehr soll sie aus aktuellem Anlaß und für die Zeit bis zur Durchsetzung eines solchen Chemiewaffenverbotes die vorhandenen internationalen Normen stärken.
Erklärtes Ziel der Konferenz — auch all das ist nicht neu — ist die Bekräftigung des Genfer Protokolls von 1925 und damit die Verhinderung zukünftiger Chemiewaffeneinsätze durch wen und wo auch immer.
Das Genfer Protokoll untersagt die Verwendung von erstickenden giftigen oder gleichartigen Gasen und von bakteriologischen Waffen im Kriege.
Ein weiteres Hauptziel ist die Verdeutlichung des gemeinsamen Willens der Teilnehmerstaaten der Konferenz, die Genfer Verhandlungen über ein umfassendes weltweites und verifizierbares Chemiewaffenverbot möglichst bald zu einem Erfolg zu führen, da der Einsatz chemischer Waffen nur durch deren vollständige Abschaffung wirksam verhindert werden kann.
Der Bundesaußenminister hat in seiner Rede vor den Vereinten Nationen im September 1988 die Initiative zur Pariser Konferenz begrüßt. Er hat zugleich hervorgehoben, daß nur ein weltweites Abkommen, das Herstellung, Lagerung, Transfer und Einsatz chemischer Waffen überprüfbar verbietet, die Menschheit für alle Zeit von dieser Waffenkategorie befreien kann.
Ziele der Konferenz, wie Präsident Mitterrand sie genannt hat, sind ferner weitere Beitritte zum Genfer Protokoll — gegenwärtig ist das Protokoll von 111 Staaten ratifiziert und von zwei weiteren Staaten unterzeichnet — , die Bestätigung und Stärkung der Möglichkeiten des Generalsekretärs der Vereinten
Nationen zu schnellen und effektiven Untersuchungen von Verstößen gegen das Genfer Protokoll und schließlich auch die Verhinderung einer Weiterverbreitung von chemischen Waffen.
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, erscheint mir wichtig, klarzustellen, daß die im Antrag der GRÜNEN angesprochene Frage eines Nichtweiterverbreitungsvertrages für chemische Waffen weder in der Genfer Abrüstungskonferenz noch in den Vereinten Nationen ein Diskussionsthema ist.
Übereinstimmung besteht allerdings darin — und das hat die diesjährige Diskussion im ersten Ausschuß der Vereinten Nationen bewiesen — , daß schon vor Abschluß eines weltweiten Chemiewaffenverbots die Ausbreitung chemischer Waffen zu unterbinden ist. Der in dem Antrag der SPD enthaltenen Forderung nach einer Selbstverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, den Export aller Produkte und Fertigungstechniken, die zur Herstellung solcher Waffen geeignet sind, den Regelungen des Außenwirtschaftsgesetzes oder des Kriegswaffenkontrollgesetzes zu unterwerfen, ist durch die geltende Rechtslage bereits weitgehend Rechnung getragen.
Auf Grund eines von Australien initiierten Abstimmungsprozesses unter 19 westlichen Industriestaaten, zu denen auch die Bundesrepublik gehört, wird in allen diesen Staaten bereits die Ausfuhr von acht chemischen Substanzen kontrolliert, die für die Herstellung chemischer Waffen mißbraucht werden können.
Es geht ja um bestimmte Ingredienzen für ganz andere Zwecke, die erst neuerdings Aufmerksamkeit hervorgerufen haben.
Ich darf darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß darüber hinaus die Bundesrepublik bereits 1984 als erstes und bislang einziges Land der Welt auch die Ausfuhr von Anlagen, Anlageteilen und Ausrüstungsgegenständen, die zur Herstellung chemischer Waffen geeignet sind, unter Ausfuhrkontrolle gestellt hat.
Ergänzend zu dieser Bestimmung führen die betreffeden Unternehmen der chemischen Industrie auf freiwilliger Basis noch weitergehende Kontrollen durch, die nach Auffassung der Bundesregierung sehr effektiv sind.
Die weltweite Reaktion auf den Konferenzvorschlag ist ermutigend. Sowohl in Ost wie in West als auch bei den ungebundenen Staaten wurde der Konferenzvorschlag begrüßt. Kein Staat hat der Konferenz bisher eine Absage erteilt. Dieser sich abzeichnende Konsens könnte es auch später erleichtern, nach Abschluß der Genfer Verhandlungen, die nur unter den 40 Mitgliedstaaten der Genfer Abrüstungskonferenz geführt werden, eine weltweite Beteiligung an der Chemiewaffenverbotskonvention zu erreichen.
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Staatsminister Schäfer
Die Bundesregierung wird auf der Konferenz darauf hinweisen können, daß wir das Genfer Protokoll 1929 ohne jeglichen Vorbehalt ratifiziert haben, daß wir darüber hinaus schon 1954 als einziger Staat der Welt völkerrechtlich auf die Herstellung von chemischen Waffen verzichtet und uns Kontrollen unterworfen haben, daß wir schließlich bei der Unterzeichnung des B-Waffen-Verbotsabkommens von 1972 zusätzlich erklärt haben, daß wir chemische Waffen weder entwikkeln noch erwerben, noch unter eigener Kontrolle lagern werden.
Das müssen einige Staaten der Welt — entschuldigen Sie, Frau Kollegin — erst einmal nachvollziehen.
Damit ist die Bundesregierung mit ihrer Politik weit über das Genfer Protokoll hinausgegangen. Bei allen Bemühungen um Maßnahmen, die schon jetzt Chemiewaffeneinsatz und die Weiterverbreitung dieser Waffen verhindern sollen, wird die Bundesregierung das prioritäre Ziel des weltweiten Chemiewaffenverbots mit aller Energie weiterverfolgen.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren — das ist ein Beitrag, den ich auch für das Bundesverteidigungsministerium übernehmen mußte, weil die beiden Parlamentarischen Staatssekretäre verhindert sind — , noch einige Sätze sagen, die hier eine wichtige Rolle spielen.
Die Modernisierung des amerikanischen Chemiewaffenpotentials ist in diesem Hohen Hause wiederholt ausführlich erörtert worden. Ich verweise insbesondere auf die Entschließung des Deutschen Bundestages vom 15. Mai 1986 zu dieser Thematik und auf die Aktuelle Stunde vom 11. November 1987. Die Produktion neuer chemischer Waffen ist und bleibt eine nationale Entscheidung der USA, auch wenn Sie hier an dem Tisch noch so sehr schreien, meine Frau Kollegin, und in lauten Tönen den Eindruck erwecken wollen, die Vereinigten Staaten von Amerika würden sich Ihrem Protest sofort anschließen, wenn Sie das nur in Washington versuchen. Sie haben die Gelegenheit dazu in Washington.