Rede von
Erich
Maaß
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe eben schon einen Schreck bekommen. Ich dachte, Herr Vahlberg, da kommen noch einige Punkte. Aber tatsächlich ist in Ihrer Rede kaum etwas da, auf das ich eingehen kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß versuchen, hier zu begrenzen, und möchte den gesamten Bereich der Informationstechnik aufrollen. Hier sind einige Behauptungen in den Raum gestellt worden, die eigentlich einer Korrektur bedürfen.
Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung hat 1984 den ersten zusammenfassenden Bericht zur Informations- und Kommunikationstechnik vorgelegt. Wir wissen, daß die technologische Entwicklung in der Vergangenheit rasant vonstatten gegangen ist. Wir wissen auch, daß wir neuen Herausforderungen begegnen müssen. Aus diesem Grunde bedanken wir uns und finden es auch vernünftig und richtig, daß der Bundesminister für Forschung und Technologie seine Zusage hier deutlich gemacht hat, in den nächsten Monaten eine Fortschreibung des IT-2000-Berichtes vorzulegen.
Lassen Sie mich kurz auf den Antrag der SPD eingehen. Hier wird die Behauptung erhoben, daß die Gewerkschaften und andere gesellschaftlich rele-
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vante Gruppierungen nicht zu Wort gekommen sind.
Das stimmt leider nicht, lieber Herr Kollege Vosen,
Tatsache ist, daß auch an den DGB eine Einladung ergangen ist. Nur hat sich der DGB bislang lediglich über die Presse dazu geäußert, ohne einen konstruktiven Vorschlag zu machen. Die Tür ist nicht zu. Aber ich glaube, es wäre sinnvoll, bevor man engagiertes und konstruktives Industrieinteresse auf den Tisch bekommt, auch vom DGB konstruktive Vorschläge zu erhalten. Die sind nicht da.
Die müssen nachgeliefert werden.
Meine Damen und Herren, weitere Punkte, die von der SPD hier vorgetragen werden: sozial-, datenschutz- und umweltschutzrechtliche Aspekte. Ankündigung von Riesenhuber — ich bin sicher, daß sie realisiert wird —, 9. November im Ausschuß; Verzahnung von europäischen Programmen ESPRIT und RACE, angekündigt und umgesetzt im künftigen IT-
2000-Programm. Nächster Punkt: Grünbuch für die Telekommunikation. Auch hier gilt die verbindliche Zusage des Ministers. Und so weiter, und so weiter.
Meine Damen und Herren, damit können wir den Antrag der SPD zu den Akten legen.
Lassen Sie mich aber, da mir die Sache sehr wichtig ist, auf einige Kernpunkte eingehen, die wir vom IT-
2000-Fortschreibungskonzept erwarten.
Wir müssen die Entwicklung, die jetzt vor uns liegt, als unerhört große Chance betrachten. Hier müssen bestimmte Eckpfeiler realisiert werden:
Erstens die Schaffung geeigneter Normen und Standards zumindest EG-weit, europaweit.
— Danke schön. — Zweitens. Ich glaube, daß auch hier kein Dissens besteht. Herr Queisser äußerte, daß wir bis zum Jahre 2000 einen Fehlbedarf von ca. 40 000 Informatikern haben. Das ist eine rasante Herausforderung, erstens für die Wirtschaft, zweitens für die Wissenschaft und drittens auch für Politik. Hier müssen neue Wege gegangen werden, um diesen Bedarf zu decken.
Drittens. Ich höre die heftige Kritik, hier würden nur die Großen gefördert, die Kleinen würden vergessen. Meine Damen und Herren, es gibt immer wieder ganz bestimmte Projekte, die Sie nur mit der Großindustrie machen können. Das ist ein Faktum. Das muß man zur Kenntnis nehmen. Dennoch fordern wir auch in diesem Zusammenhang, daß dann eine breite Förderung und Unterstützung der mittelständischen Unternehmen sichergestellt sein muß. Eine Forderung der Union ist, bei dem IT-2000-Konzept deutlich zu sagen: Wie ist die Mittelstandskomponente?
Nächster Punkt. Ich sprach vorhin von einer großen Chance. Die Chance liegt darin, wirtschaftliche Rahmenbedingungen durch steuerliche Anreize im innovativen Bereich und durch Handelspolitik zu realisieren. Hier müssen Weichenstellungen vorgenommen werden. Wir müssen es als Chance verstehen, daß wir die Möglichkeit haben, 1992 einen europäischen Binnenmarkt zu bekommen.
Ich denke daran, daß wir noch vor wenigen Jahren an dieser Stelle gesagt haben: Die Bundesrepublik Deutschland hat zu kleine Marktsegmente. In einem kleinen Markt können wir nicht wirklich große Technologiesprünge machen: damit können wir den USA und Japan kaum widerstehen. Hier haben wir die Chance, daß wir endlich sowohl mit der Wirtschaft als auch mit der Wissenschaft zusammenarbeiten können.
Der nächste Punkt ist die Schaffung einer nationalen und europäischen Telekommunikationsstruktur. Ich nenne natürlich auch den gesamten Bereich der Sozialverträglichkeit.
Aber lassen Sie mich auf die Telekommunikationsinfrastruktur zurückkommen. Genau da fängt das Gezeter auf Ihrer Seite an, indem Sie sich gegen die Neuorganisation der Deutschen Bundespost wehren. Alles, was darangeht, Reformen, neue Strukturen zu schaffen, wird von Ihnen entweder kritisiert oder Sie sagen: Laßt uns das bitte in Bundesländern machen, die eine SPD-Regierung haben. Und dann bleiben Sie auf der halben Strecke der Realisierung stehen.
Ich darf hier einige Stichworte sagen. Wir haben die Brüter-Diskussion in Kalkar. Ich will gar nicht darauf eingehen.
Vor wenigen Tagen ging der Kollege Austermann darauf ein, daß — —
— Lieber Kollege Vahlberg, heute abend werden noch viele andere Kollegen reden. Lassen Sie uns den Dialog im Ausschuß fortsetzen. Ich halte es für unfair, wenn wir diese Zeit jetzt verlängerten.
Stichwort „Schleswig-Holstein" : Noch vor wenigen Wochen mußte die Regierung Engholm überzeugt werden, daß sie zum Thema „Sauberer Fluß" hier eine akzeptable Vorlage einbringen müsse.
Weitere Stichworte: Die Schnellbahnstrecke Transrapid soll nach Nordrhein-Westfalen kommen. Aber man ist nicht in der Lage, sich jetzt schon konkret zu äußern, wie man so etwas realisieren will.
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Stichwort „regenerative Energien" : Es wird nur gezetert, geschrien und geschimpft, und die Pilotprojekte stehen in CDU-regierten Bundesländern.
Sie können das alles fortführen.
Ich bin dankbar und froh, daß wir die DARA, die Deutsche Weltraumagentur, als Bundeseinrichtung haben, daß wir sie in den Köln-Bonner Raum und damit in die unmittelbare Nähe der Bundesregierung bringen können.
Würde sie nach Düsseldorf kommen, wäre der Absturz jetzt schon vorprogrammiert.
— Meine lieben Freunde der SPD, lassen Sie mich doch darauf eingehen. Manchmal hat man den Eindruck, daß Sie ein Verhältnis zu den neuen Technologien haben wie Herr Honecker zu Perestroika und Glasnost. Das muß man doch mal nüchtern sehen.
Meine Damen und Herren, ich darf in diesem Zusammenhang auch einmal auf das Stichwort JESSI eingehen. Ich glaube, in der öffentlichen Diskussion ist die Tragweite und die Bedeutung dieser Institution noch gar nicht bekannt. Wir sollten versuchen, hier möglichst schnell vernünftige Konturen zu schaffen. Das ist ein Projekt, für das in den nächsten sieben Jahren über den großen Daumen ungefähr 7 Milliarden DM aufgewandt werden. Hier muß meiner Meinung nach einiges geändert und korrigiert werden.
Die Industrie muß erstens wissen, was sie will.
Die Industrie muß wissen, was es kostet und in welchem Zeitraum es realisiert werden soll.
Der Staat muß seine Beteiligung definieren. Staat und Industrie müssen definieren, unter welchen strukturpolitischen Gesichtspunkten sie Standorte auswählen. Ich habe den Eindruck, daß die ganze Diskussion eher verkehrt herum geführt wird, daß wir bereits heute über Standorte diskutieren — —
— Ihre SPD-Landesregierung in Schleswig-Holstein macht uns das im Grunde genommen vor.
Hier müssen wir anfangen.
Ein weiterer Punkt: Jetzt bemüht sich sogar noch Herr Rau um JESSI.
Das wird doch auch wieder ein Absteigeprojekt, wenn wir das in Ihre Verantwortung bringen.
Erstens muß sichergestellt sein: Die Reihenfolge muß sinnvoll sein. Zum zweiten muß beachtet werden: Es ist ein Industrieprojekt mit europäischer Dimension.
Es ist kein Staatsprojekt mit industrieller Beteiligung.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich — es ist leider durch die Zusammenstellung der Tagesordnungspunkte nicht zu vermeiden — auf die Erfindervergünstigungen, steuerliche Vergünstigungen, eingehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen uns hier einmal klarmachen — ich sage das ganz ohne Emotionen — , daß die Forschungspolitiker der Union klipp und klar gesagt haben, daß sie mit der Streichung nicht einverstanden sind. Dennoch müssen wir die Argumente, die in der Diskussion angeführt worden sind, akzeptieren. Herr Vahlberg, alte Gesetze müssen nicht immer gute Gesetze sein. Sie sagten, diese Gesetze oder Gesetzesvorlagen resultierten aus der Zeit von Ludwig Erhard. Nein, sie sind wesentlich älter. Sie hätten besser recherchieren sollen. Sie stammen aus den Jahren 1943 und 1944. Es sind Erlasse und Sonderregelungen des damaligen Reichsministers der Finanzen.
Wir wissen — und da müssen ja auch Sie mir zustimmen — , daß wir hier Mitnahmeeffekte gehabt haben
und daß wir nicht überzeugt sind, ob wir über diesen Weg tatsächlich Innovations- und Erfindungsprozesse in Gang setzen können.
Aus dem Grund ist der Wegfall durchgeführt worden, und zwar mit der Begründung, Einzelprivilegierungen jetzt herauszunehmen, aber die gesamte Steuerstruktur zu korrigieren.
Hier bin ich so ehrlich und offen — ich glaube, das gibt auch bei Ihnen einen Pluspunkt — , zu überlegen, ob man diese Strukturreform, die erste Strukturreform der Steuergesetzgebung, dieses Ziel erreicht hat. Ich gehe sogar so weit — wir werden es als Merkposten festhalten — , daß im Rahmen der zweiten Strukturreform, nämlich dort, wo wir die Unternehmensbesteue-
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rung strukturieren und aufs neue reformieren wollen, diesen Aspekt mitberücksichtigen sollen.
— Nein; er soll redlicher und vernünftiger sein.
Lassen Sie mich auf einen letzten Punkt eingehen. Er ist mir wichtig genug. Es ist das Stichwort Naturmedizin. Sie wissen, daß wir von der Regierungskoalition diesen Antrag vorgelegt haben.
Wir betreiben ihn nicht als Schaugeschäft, wie es hier unterstellt worden ist, sondern weil es ein öffentliches dringendes Anliegen ist.
Wir halten es für bedeutungsvoll und wichtig, hier einmal die Spreu vom Weizen zu trennen und hier deutlich zu machen, daß dieser Sektor nicht pauschal als Scharlatanerie verteufelt werden kann.
Da mir die Zeit jetzt wirklich etwas fehlt und mir der Punkt so wichtig ist, sage ich schon an dieser Stelle, daß wir, die CDU/CSU — und ich bin sicher, daß der Koalitionspartner hier mitstimmen wird — , diesen Punkt in den nächsten Wochen und Monaten intensiv beraten und dazu auch eine Anhörung machen werden, um hier Leitlinien für die Zukunft aufzustellen.
Ich komme zum Schluß. Ich muß Ihnen eines sagen: Die Vorträge und die Anträge der Kollegen der SPD sind kleine Fragmente, die am Kern und am Ziel der wesentlichen Strukturierung vorbeigehen. Wir ergehen uns hier nicht in Problembeschreibung, Problemdramatisierung oder Problemen der Verunsicherung der Öffentlichkeit, sondern wir sind angetreten, Problemlösungen zu präsentieren.
Diese Regierungskoalition bringt Problemlösungen. Wir werden damit die Weichen stellen für die Zukunft: für die 90er Jahre und für das Jahr 2000.
Herzlichen Dank.