Rede von
Prof. Dr.-Ing.
Karl-Hans
Laermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute eine sogenannte forschungspolitische Debatte, die sich dadurch auszeichnet, daß wir die verschiedensten Themen hier diskutieren sollen. Ich stehe jetzt vor dem Problem, mit der geringen mir zur Verfügung stehenden Zeit nun einige Aspekte zu den verschiedensten Themen hier vortragen zu sollen. Ich will deswegen versuchen, das in zwei Abteilungen zu machen, und mich deshalb zunächst mit den Fragen der Weltraumpolitik und der Raumfahrt, die ja hier in der Diskussion bisher einen breiten Raum eingenommen hat, auseinanderzusetzen.
Ich will dazu nur sagen, daß sich für die FDP die Raumfahrtpolitik der Bundesrepublik Deutschland in einem längerfristigen staatlichen Programm darstellt, das als 5. Weltraumprogramm derzeit zur Fortschreibung ansteht. Dieses Weltraumprogramm soll vornehmlich den Interessen der Bundesrepublik Deutschland dienen — ich hoffe, darin sind wir uns doch einig — , sich aber gleichwohl auch unter übergeordneten Gesichtspunkten und Zielsetzungen den internationalen Programmplanungen einfügen. Und dies wird deutlich durch unsere Beteiligung und Einbeziehung in die Europäische Raumfahrtagentur.
Wir wollen ein schlüssiges Konzept, das folgenden grundsätzlichen Anforderungen genügt: Erstens der Erschließung der Nutzbarkeit des Weltraums für Aufgaben der staatlichen Vorsorge, für Wissenschaft und Forschung und auch für Wirtschaftstätigkeit — ausschließlich unter der Prämisse, wie sie in den ESA-Statuten steht, nämlich für friedliche Zwecke.
Zweitens meinen wir, daß auch die Sicherung des Zugangs zum Weltraum notwendig ist, und zwar durch Bereitstellung von oder Zugriff auf Boden, Transport- und Weltrauminfrastrukturen sowie durch Aufbau und Erhaltung des erforderlichen System- und Managementwissens mittels einer wissenschaftlich-industriellen Fachbasis.
Drittens nenne ich die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Wirtschaft in praktisch allen Branchen als Folge hoher Anforderungen an die jeweilige Leistungs- und Innovationstätigkeit in neuartigen und komplexen Systemzusammenhängen. Und, Herr Briefs, ich will mich nicht im Detail mit
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 116. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. Dezember 1988 8525
Dr.-Ing. Laermann
Ihren Ausführungen auseinandersetzen. Ich wüßte gar nicht, wo ich da ansetzen sollte. Es war im übrigen nichts Neues dabei. Also einige Argumente habe ich zum dritten Mal von Ihnen gehört.
Sie müßten mal unterscheiden zwischen Arbeitsplätzen im Produktionsbereich und solchen, die im erweiterten tertiären Bereich anfallen. Sie haben sie ja genannt. Oder sind etwa Arbeitsplätze für Ingenieure und Techniker, die in der Entwicklung, im Design und im Management tätig sind, keine Arbeitsplätze? Ich möchte wissen, daß Sie das einmal zusammenbringen.
Wir sehen also die Notwendigkeit eines solchen 5. Weltraumprogramms auch in bezug auf die internationale Zusammenarbeit auf bilateraler und multilateraler Basis. Herr Kollege Fischer, genau da ist ja auch der Ansatzpunkt, daß wir auch die Kooperation mit der Sowjetunion — wie sie angeboten und ja vereinbart worden ist — suchen. Nur wundere ich mich über Ihre Argumentationskette. Die Schlüssigkeit vermisse ich da. Sie erklären auf der einen Seite, Sie seien gegen bemannte Weltraumfahrt. Und auf der anderen Seite kritisieren Sie den Forschungsminister, daß er nicht schon längst auf das Angebot der Sowjetunion eingegangen ist, sich an der bemannten Weltraumfahrt zu beteiligen. Also dies paßt ja nun weiß Gott nicht zusammen.
Durch die Beschlüsse der Bundesregierung und der ESA-Ratskonferenzen auf Ministerebene von Rom und Den Haag — schließlich bekennen wir uns zu Europa — sind mit der Beteiligung der Bundesrepublik an den drei Großprojekten ,,Ariane 5", „Hermes" und „Columbus" bereits weitreichende inhaltliche und zugegebenermaßen auch finanzielle Marksteine für das 5. Weltraumprogramm der Bundesrepublik Deutschland gesetzt worden, ohne daß damit jedoch das Programm in seiner Gesamtheit bereits abschließend definiert wäre.
Die Entwicklung der deutschen Programmvorstellungen in einem klaren Weltraumkonzept muß nun möglichst bald zu Ende gebracht werden, damit es als kalkulierbarer Maßstab und als Orientierungslinie für die Dispositionen in Wissenschaft und Wirtschaft sowie bei den internationalen Partnern ebenso dienen kann wie für die Planungen der vorhandenen Expertenteams bei den bereits in Arbeit befindlichen Raumfahrtprojekten.
— Na ja, Herr Kollege Vosen, ich habe hier ausdrücklich gesagt, worum es geht. Ich will im einzelnen noch einmal darauf zurückkommen, was die Situation der DARA, der deutschen Raumfahrtagentur betrifft.
Für die Entwicklung derartiger Weltraumprogramme sowie für die Planung, Koordinierung und Durchführung von Weltraumprojekten benötigt die Bundesrepublik Deutschland eine Raumfahrtagentur. Da sind wir sicher einig. Diese muß so konzipiert sein, daß sie den Erfordernissen dieser Aufgaben entsprechen kann und auf der internationalen Ebene als gleichwertiger und durchsetzungsfähiger Partner Anerkennung findet. Deswegen tritt die FDP für die Einrichtung einer deutschen Agentur für Raumfahrtangelegenheiten ein.
Die notwendigen Schritte zur Schaffung der erforderlichen gesetzlichen Grundlagen sollen unverzüglich eingeleitet werden. Kompetenzausstattung, rechtliche Konstruktion und Gestaltung der Finanzierung sind entscheidende Randbedingungen für die dringend benötigte Effizienzverbesserung bei der Planung und Durchführung des Managements staatlicher Raumfahrtprogramme. Teilweise widerstreitende Teilziele wie Flexibilität auf der einen und Kontinuität auf der anderen Seite müssen von der Organisationsform in geeigneter Weise aufgefangen werden.
Es muß darauf ankommen, die organisatorischen Randbedingungen so zu setzen, daß den Interessen der Bundesrepublik Deutschland auf diesem Gebiet bestmöglich entsprochen werden kann. Raumfahrtaktivitäten sind zumeist in Langfristprogramme eingebunden. Demzufolge wird ein langfristiges, die erforderliche Kontinuität gewährleistendes Management benötigt, das von kurzwelligen Turbulenzen des aktuellen politischen Geschäfts weitgehend entkoppelt ist.
Andererseits muß auch gewährleistet werden, daß die neue Agentur die erforderliche Erneuerungs- und Anpassungsfähigkeit an jeweilige Aufgabenstellungen erhält, damit Parkinsonsche Auswüchse und Verknöcherungseffekte hier von vornherein vermieden werden. Wir wollen keine Bürokratie,
wir wollen keinen ausufernden Bürokratismus. Die einzelnen Essentials brauche ich hier nicht zu wiederholen, die hat der Kollege Rüttgers hier vorgetragen.
Das sind die Punkte, die hier beachtet werden müssen, wenn es darum geht, wie die Organisationsstruktur und die finanzielle Ausstattung dieser DARA letztendlich aussehen wird.
Wir sind auf diese Grundsätze fixiert, und wir erwarten, daß nach diesen Grundsätzen hier uns endgültig Konzeptionen vorgetragen und vorgelegt werden.
Deswegen hat die Koalition den in den Ansätzen bekannt gewordenen Überlegungen, wie eine solche Organisationsstruktur aussehen soll, nicht folgen können. Ich sage das hier ausdrücklich, weil Sie diese Dinge wohl mit verfolgt haben. Damit halten wir auch nicht hinter dem Berg zurück. Wir möchten, daß wir hier zu einer schlagkräftigen, konzeptionellen Einheit kommen, die dann auch mit Kompetenz in den internationalen Gremien auftreten kann. Dies möchte ich hier an dieser Stelle zu DARA sagen.
Vielleicht lassen Sie mich abschließend — eine Sekunde, Herr Präsident — sagen: Es gibt einen Scherz. Die Italiener meinen, daß wir die Raumfahrt zum
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Dr.-Ing. Laermann
Ruhme der Beteiligten brauchen; die Franzosen brauchen sie zum Ruhme der Nation; Großbritannien braucht sie aus kommerziellen Zwecken, und die Deutschen wissen noch nicht warum, sie müssen sich noch entscheiden. Wir meinen, daß wir uns nun sehr bald entscheiden müssen.
Ich danke Ihnen.